Seinerzeit …
Der Rudl hat sich irgendwann einmal eingebildet, in der Frau Gerty ihrem Stricksalon ein Weingeschäft eröffnen zu müssen. Das war vor tausend Jahren. Von Anfang an hat er den eigenen Geschmack zum Kriterium für den Eintritt eines Weins in sein Sortiment gemacht. Aus diesem Grund verkauft der Rudl Weine, die ihm wichtig sind, die ihm – wenn Sie, geneigte Oenologin, gewogener Oenologe, dem Rudl so viel Pathos gestatten – am Herzen liegen. Ein Wein hat damals aber trotzdem noch einmal herausgestochen, aus mehreren Gründen:
- Der zu diesem Zeitpunkt Noch-nicht-Caviste Rudolf Polifka hatte den Weinmeister erst zwei Jahre zuvor auf kaum geplante, aber umso unvergesslichere Art kennengelernt.
- Das Weingut hat dem Rudl sein Prinzip, französische Weine von den Bergetappen der Tour de France anzubieten, gebrochen. Und dem Rudl sind Prinzipien grundsätzlich wichtig. Aber genauso wichtig erscheint es ihm, sich über Prinzipien auch einmal hinwegsetzen zu können, wenn man nicht ideologisiert erstarren will. Diese Einsicht verdankt der Rudl dem Herrn H. aus Leopoldsdorf und dem Neuen Testament.
- Der Wein war alles andere als gewöhnlich ausgebaut: neunundachtzig (89!) Monate in unterirdisch verfliesten Tanks auf der Feinhefe
- Der Muscadet 2004 von André Michel Brégeon war der erste Wein, den der Rudl damals auf seiner ersten Dienstreise geschäftlich erworben hatte. Den Augenblick, als der Rudl die Palette mit der Aufschrift „Weinhandlung Rudolf Polifka“ gesehen hat, wird er nicht vergessen.
Muscadet, Cru Gorges, Domaine Brégeon
Wind bekommen hatte der Rudl von diesem Wein im Bettane Desseauve. Ganz ernstgenommen hat er die gesamt Appellation Muscadet trotzdem nicht. Aber nach einer Woche Bretagne, wo einen Weingüter sowieso nicht auf Schritt und Tritt verfolgen, war der Rudl damals froh, wieder oenologischen Boden unter den Haxen zu verspüren. Es war ein Samstag knapp vor zwölf Uhr, nicht die Uhrzeit, zu der man unangemeldet bei Weinbäuerinnen und Weinbauern aufkreuzt. Weil er dort nicht jede Woche vorbei kommen würde, hat der Rudl angeläutet, in der Annahme, im besten Fall schnell einen Karton Wein kaufen zu können. Michel Brégeon ist gerade an einer Vorrichtung zum händischen Etikettieren einzelner Schaumweinflaschen gesessen. „Ça se fait à la main, comme les vendanges“, hat Monsieur Brégeon lapidar festgestellt. Dass er damit einen heiklen Punkt in seiner Mission zur Zuerkennung des Cru-Status für ausgewählte Terroirs im Muscadet angesprochen hatte, wurde dem Rudl erst Jahre später klar. Und damit sind wir bei der der Rückkehr des Muscadet in die Klasse der seriösen Weine. Genossenschaften, Négociants und dem Moch-ma-liawa-vü“ (© A.K.) verpflichtete Agrarindustrielle hatten mit ihrer expansiven Geschäftstüchtigkeit die gesamte Appellation in den Verruf eines Austernhinunterspülwasserls gebracht. André Michel Brégeon hat das im Muscadet beliebte Spiel der Erweiterung von Rebflächen bewusst nicht mitgespielt. Seine zehn Hektar waren weit unter der üblichen Rebfläche im Muscadet. Michel Brégeon wollte am Weg vom Rebschnitt bis zur Abfüllung nirgends die Kontrolle verlieren. Damit ist er zur Gallionsfigur der Hierarchisierung von Terroirs im Muscadet geworden. André Michel Brégeon versteht sein Terroir, weil er es seit 1975 bearbeitet und davor schon seiner Familie assistiert hat. Gorges war dann auch der erste anerkannte Cru im Muscadet. Der blau-grüne, vulkanische, pickelharte Gabbro ermöglicht bei entsprechender Kultur im Weingarten Weine von seltener Dichte. Blind verkostet werden sie ganz gerne mit den wirklich großen Chablis und Meursaults in Verbindung gebracht, obwohl sie mir dieser Weinbauregion nichts außer dem Nachnamen der Rebsorte gemeinsam haben.
Fred Lailler
2011 hat er das Weingut von Michel Brégeon übernommen, weil dieser sechsunddreißig Jahre Handarbeit mit der Gesundheit seines Rückens bezahlen musste. Anders als bei Übergaben, die Caviste Rudolf Polifka auch mitverfolgen müssen hat, arbeitet Fred in regem Austausch mit Michel Brégeon. Das schmeckt man.
Gabbro
Wenn Fred der Vater und Michel Brégeon der Opa dieses Weins sind, dann ist der blau-grüne, pickelharte, vulkanische Stein die Mutter.
Von 2002 bis 2018
2002 war der erste Jahrgang, den der Rudl bei Monsieur Brégeon erstanden hat, geschäftlich der Zweitausendvierer. Dann haben einmal die Frau R und der Herr C dem Rudl ein paar Kartons vom Zweitausenddreizehner mitgenommen. Heuer war Caviste Rudolf Polifka zum ersten Mal seit zwölf Jahren wieder selber am Weingut. Etliches hat sich geändert. Die Stimmung war alles andere als ausgelassen, weil es im Juli fast jeden Tag geregnet hat und warm war. „Cela vaut pas la peine de vendanger cette année“, hat Fred dem Rudl auf dessen allerbeste Wünsche für die Lese repliziert. Aber die Weine sind immer noch so grandios, wie der Rudl sie in Erinnerung gehabt hat: Vierzig Monate „sur lie“ im immer noch unterirdisch verfliesten Gebinde. Der Rudl freut sich gewaltig, Ihnen solche Weine anbieten zu können.
- 2018 Muscadet, Cru Gorges, Domaine Brégeon, Les Guisseaux, AOC Muscadet Sèvre et Maine, Loire (5/8)
- 2004 Muscadet, 89 mois sur lie, André Michel Brégeon, Les Guisseaux, AOC Muscadet, Loire (6,50/10)
noch von André Michel Brégeon höchstpersönlich, rekordverdächtige 89 Monate sur lie
- 2005 Muscadet, André Michel Brégeon, Les Guisseaux, AOC Muscadet, Loire (6,50/10)
detto, 64 Monate sur lie
- 2002 Muscadet, André Michel Brégeon, Les guisseaux, AOC Muscadet, Loire (7/11)
detto, 85 Monate sur lie, aus der Magnum
DONNERSTAG, 12. September von 17 bis 21 Uhr
Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils
Reindorfgasse 22
Im Übrigen ist der Rudl der Meinung, dass der 27. Jänner, der Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Konzentrationslager Auschwitz, zu einem gesamteuropäischen Feiertag erklärt werden muss.
Aux vendanges!
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Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22, 1150 Wien