Alles Monfarina! Jacquère horizontal und vertikal

Drei unterschiedliche Kategorien von Meinungen und Meinungsfreiheit

Wenn es um Wein geht, gibt es zwei, drei verbreiteten Meinungen, die sich hartnäckig halten, obwohl sie einer Überprüfung nicht standhalten. Und wenn es nicht um Wein geht, gibt es noch ein paar Meinungen mehr, die sich gegebenenfalls ähnlich verhalten. Und dann gibt es noch Meinungen, die verbreitet werden, um Menschen zu manipulieren.
Adeins: Gar nicht so wenige Menschen glauben zum Beispiel, dass Weine mit niedrigem Alkoholgehalt nicht gut lagerfähig sind. Monsieur Rudolf nimmt es mit dem Wein ziemlich ernst, aber wenn jemand meint, dass Wein über dreizehn Volumsprozent Alkohol aufweisen muss, um lagerfähig zu sein, dann hält er das im Rahmen der Meinungsfreiheit gut aus.
Adzwei: Andere vertreten die Meinung, es handle sich bei den Machwerken der „So … & … exclusiv-Edelfedern“ um Presse. Diese Meinung findet der Rudl blöd. Ein Problem hat er damit aber eigentlich nur dann, wenn das Leute glauben, die Steuergeld in Form von Presseförderung und öffentlichen Inseraten verteilen.
Addrei: Und dann gibt es Leute, die sagen, dass sich das NS-Verbotsgesetz „ein bisschen mit der Meinungsfreiheit spießt“. Vor solchen Meinungen hat Rudolf Polifka Angst, so viel Kreide kann der, der sie vertritt, gar nicht gefressen haben.

Reifepotential

Den Versuch zu zeigen, dass Wein mit elf Prozent Alkohol unter Umständen nach ein paar Jahren Lagerung besser schmeckt als vorher, den erachtet der Rudl auf alle Fälle als höchst willkommene Herausforderung. Freilich ohne Garantie und alles eher als exclusiv.

Monfarina

Der Name „Monfarina“ hat nichts mit einer Überproduktion an gemahlenem Getreide zu tun. Er kommt von einem piemontesischen Tanz. Und an den haben die Brüder David und Frédéric Giachino gedacht, als sie einen ihrer sieben Jacquères nach ihm benannt haben.
Der Monfarina wächst auf einem Mergel- und Kalkgeröllhang. Litschi und Passionsfrucht sind an und für sich nicht die Aromen, die der Rudl ganz offensiv sucht, aber im Fall des Monfarina werden sie von steinigen Noten und Zitrusanklängen in Schach gehalten.
Monfarina gilt als idealer Begleiter von Fisch und Meeresfrüchten. Die Domaine Giachino gibt seine Haltbarkeit mit fünf bis zehn Jahren an. Will man das verifizieren, muss man eine Tugend aufbringen, der Herr Rudolf äußerst ambivalent gegenüber steht. In Bildungs-, Integrationsangelegenheiten und in der U3 kann es dem Rudl nicht schnell genug gehen, und zwar von beiden Seiten her. Da ist er ungeduldig wie ein kleines Kind.
Beim Wein und beim Chauffieren eines Kraftfahrzeuges schaut die Angelegenheit diametral entgegengesetzt aus. Wein ist nichts für kleine Kinder. Und wessen Stärke das Warten nicht ist, … na ja, wie soll man schreiben? … es gibt ja auch noch Dreh&Trink oder Ovomaltine. Oder Industriewein.
Will man Monfarina einer Reifeprüfung unterziehen, braucht man auf alle Fälle Geduld. Denn bei den Giachino Brüdern kann man immer nur den aktuellen Jahrgang kaufen und den nur bis etwa Mitte des Jahres nach der Lese. Wer reifere Jahrgänge vergleichen möchte, muss diese aufheben.
Das hat Monsieur Rudolf getan, wenn auch mit Aussetzern. Darum vermag er diese Woche eine kleine, ungerade Mikrovertikale zu offerieren: Monfarina 2009, 2011 und 2013. Und weil so eine kleine Vertikale vielleicht too small for se World in big Reindorf ist, ergänzt Caviste Rudolf die drei Monfarinas durch die drei anderen Jacquère-Stillweine des Jacquère-Kompetenzzentrums Giachino.

Jacquère

Postreblausesk ist Jacquère die Leitweißweinrebsorte in Savoyen. Mehr als etwa tausend Hektar benötigt sie dafür in einer insgesamt zweitausend Hektar umfassenden Weinregion auch nicht. Jacquère ist rebsortentechnisch der Deckel für die ton-kalkige Geologie des Topfes Savoyen. Die Weine sind leicht, sehr trocken und frisch, mit einer diskreten Frucht und Anklänge an Almblumen, exotische Früchte und Zitrusaromen. Immer wieder schreibt man Jacquère eine appetitanregende Wirkung zu. André Combaz, Autor des Werkes über die Weine Savoyens, nennt sie „pierreux“, steinig. Meeresfrüchete, sowie Süß- und Salzwasserfische gelten als kongeniale Hawara der Jacquère. Die Lagerung auf der Feinhefe lässt sie gegebenenfalls fein „perlant“ erscheinen.

Monfarina 2009, David et Fred Giachino, AOC Vin de Savoie
In Savoyen ein atypischer Jahrgang. Vor allem manchen Weißweinen fehlt die Säure. Einem Winter mit konstanten Temperaturen über dem sonst übliche Monatsdurchschnitt, nie unter minus zwei Grad, folgt ein sonniger, trockener Frühling und ein ausgesprochen heißer Sommer.

Monfarina 2011, David et Fred Giachino, AOC Vin de Savoie
Trockener Winter, gefolgt von einem ebensolchen Frühling. Achthundertfünfundfünfzig Sonnenstunden führen zu Frühreife. Knapp vor der setzen Niederschläge ein. Zum Glück ist Jacquère ziemlich resistent gegen beide Mehltaue.

Monfarina 2013, David et Fred Giachino, AOC Vin de Savoie
Erneut übermäßig kalt und feucht im Winter, scheußlicher Frühling. Nasser Juni. Das Wenige, was noch nicht verrottet ist, wird von einem heißen Juli gerettet, bevor ein Gutteil davon dem Hagel zum Opfer fällt. Eine lange Vegetationsperiode bringt qualitativ extraordinaire Weine, leider nicht viel davon.

Apremont 2013, David et Fred Giachino, AOC Vin de Savoie
Am kleinen Lac de Saint André. Hollunder, Bergamotten und Ananas.

Primitif 2010, David et Fred Giachino, AOC Vin de Savoie
Frühzeitige Lese im bislang letzten „grand millésime“ nicht nur Savoyens, spontan vergoren, biologischer Säurabbau, Batonnage und drei Monate auf der Feinhefe. Kristalline Klarheit, Gebirgsblumen und Weintrauben. 9 % Alkohol. Tagespolitische Assoziationen, die der Name dieses Weines nahelegt, unterdrückt der Rudl heute.

Marius et Simone 2013, David et Fred Giachino, Vin de France
Dezente Maischevergärung von gut zehn Tagen, eine Hommage an die Großeltern mütterlicherseits, von denen die Giachinos ihre ersten Reben bekommen haben.

Diese sechs Weine, aber nicht ausschließlich diese sechs Weine gibt es glasweise diese Woche

am Donnerstag, den 28. April und am Freitag, den 29. April
von 16 bis 22 Uhr
in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

Nachrichten aus dem Flaschensortiment

Ab sofort ist eine andere Hommage – die an Kristof Ferstl, den Vorfahren von Frau Margit Mantler – der Neuburger vom Mantlerhof (Jahrgang 2015) verfügbar.

Herr Rudolf wünscht trotzdem eine passable Woche!

A Tribute to Traminer-Schurl

Ahistorisches Schmunzeln über sich selbst

Der Rudl ist an und für sich kein besonders großer Freund des Konzepts der Heiligen, zumindest nicht der Promiheiligen. Da hält er es – sonst dem Barock nicht unbedingt abgeneigt – eher mit Protestanten und Juden.
Am heiligen Georg fasziniert den Rudl aber ein Detail, für das ersterer gar nichts kann. Man hat ihn nämlich 1969 aus dem Heiligenkalender der römisch-katholischen Kirche herausgestrichen, zu Recht oder zu Unrecht wegen ungesicherter Historizität. Verstehen Sie Herrn Rudolf nicht falsch! Historizität ist für ihn kein allzu hohes Gut. Ihm ist ein guter Mythos hundertmal lieber als Historizität um der Historizität Willen. Aber der heilige Georg ist dem Rudolf Polifka ein Sinnbild für Selbstkritik- und Lernfähigkeit. Der Vatikan hat Sankt Georg nämlich nur sechs Jahre nach seiner Eliminierung aus dem Kader der Heiligen wieder einberufen. Und das nötigt dem Rudl schon ein bissl Respekt ab. Da könnte sich heute, in Zeiten fokussierter Pseudosouveränität und Pseudoautorität, die eine oder der andere dies- und jenseits des Bosporus ein Scheiberl herunter schneiden.
Und auch in den Lehrplänen könnte man die Kompetenz, über sich zu schmunzeln oder die eigenen Position auch einmal in Frage zu stellen, irgendwo unterbringen und die Stunden, in denen man lernt, mit uniformiertem Gegrinse oder Gefuchtel Souveränität vorzutäuschen, kürzen.

Zentren und Stadeln

Das unfreiwillige Sinnbild für Selbstkritik und Selbstironie wird, abgesehen von Bulgarien, fast überall am 23. April hochleben gelassen. Vor allem in England, Georgien und der Traminerhochburg Klöch. Traminerhochburg ist Klöch, geht es nach Wikipedia, „aufgrund einer geologischen Anomalie“. Manche sagen zu dieser „geologischen Anomalie“ auch Basalt. Es hat Zeiten gegeben, da war Klöch Zentrum des steirischen Weinbaus.
Noch in den 1970er Jahren hat das steirische Weinbaugebiet östlich des bedeutendsten Lungauer Flusses Klöch – Oststeiermark geheißen. Heute scheint sich das Hauptaugenmerk des steirischen Weines ein paar Zigkilometer weiter nach Westen, zumindest bis Gamlitz verschoben zu haben. Und wenn man den aktuellen Trend hochrechnet, wird es sich bald in Ligist befinden. Wer etwa das Steirerfest am Wiener Rathausplatz besucht, dem vermittelt sich dort das Bild der Steiermark als Schilcherfrizzante-Stadel. Nur dass Sie die interessanten Schilcher dort umsonst suchen. Das ist am Rathausplatz eh immer so gewesen. Jetzt ist eine Marketingoffensive für den Schilcher angekündigt. Und was wenn die aufgeht? Dehnt man dann das Anbaugebiet für Blauen Wildbacher bis Murau aus, oder bis Tamsweg?

Traminer

Nicht nur für die Steiermark, sondern vor allem für Klöch ist der Traminer eine Vistenkarte. Und das würdigt der Rudl diese Woche ein paar Tage vor dem Tag des Klöcher Patrons Georg.
Traminer kann mindestens Dreierlei sein: Roter Traminer, Gewürztraminer oder Weißer Traminer, der im Jura Savagnin und im Tal der Arve Gringet genannt wird. Der Traminer ist alt, eine der ältesten Rebsorten überhaupt. Riesling, Sauvignon Blanc und auch Grüner Veltliner sind Kinder des Traminers.
Die Rebsorte gilt als kalkkompatibel und nicht besonders frostempfindlich. Beides erklärt ihr Vorkommen im Tal der Arve, wo sie direkt auf den Mont Blanc hinauf schaut.

Herr Rudolf kredenzt diese Woche einen möglichst breiten arealen, diachronen, genetischen und vinifizierungstechnischen Querschnitt durch die Rebsorte Traminer.

Traminer 2013, Josef Wonisch, Klöch, Südoststeiermark
Traminer von dort, wo er eigentlich herkommen soll. Basalt, Rosen, und ein ganz kleiner Zuckerspitz

Gewürztraminer Reserve 2013, Roland Minkowitsch, Mannersdorf an der March, Weinviertel
Hätte er gemacht, was alle anderen damals auch gemacht haben, hätte Nationalratspräsident Roland Minkowitsch sen. ziemlich sicher keinen Gewürztraminer am Rochusberg angepflanzt. Auf den Eigensinn!

Traminer Kabinett 1991, Weingut Michlits-Stadlmann, Sankt Andrä am Zicksee, Neusiedlersee
Hoffentlich mehr als der Quotenreife

Weißer Traminer 2015, Norbert Fidesser, Platt, Weinviertel
Viele gibt es in Österreich nicht, die einen Weißen Traminer haben und reinsortig ausbauen.

Le Feu 2012, Domaine Belluard, Ayze, AOC Vin de Savoie
Einer der allerbemerkenswertesten Weine Savoyens. Sehr eisenhältige Gletschersedimente.
Vin Jaune 2007, Domaine Pignier, Montaigu, AOC Côtes du Jura
Sechs Jahre und fast vier Monate im Fass – ein weingewordenes Plädoyer gegen Lautheit und Schnelllebigkeit

Diese sechs Traminer, aber freilich nicht ausschließlich diese glasweise

am Donnerstag, den 21. April und am Freitag, den 22. April
von 16 bis 22 Uhr
in der Weinhanldung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

Herr Rudolf grüßt und schmunzelt!

Districtus Austriae Non-Controllatus

Der Rudl ist keine Psychologe. Wäre er einer, würde er sich der Erforschung von Allmachts- und Kontrollphantasien widmen. Aber er ist keiner. Und für Sie ist das ziemlich sicher auch gut so. Wäre der Rudl nämlich ein Allmachts- und Kontrollphantasieforscher, hätten Sie jetzt vermutlich eine hundertachtzigseitige Diplomarbeit vor sich und so nur einen Newsletter, mit dem man bei der Deutscheinheizmatura durchfallen würde, weil er sich den Umfangkontrollkriterien verweigert.

Kein Psychologe

So kann sich der Bachelor Vinoris Causa darauf beschränken festzuhalten, dass ihm die permantente Dokumentiererei, Eintragerei in Excel-Dateien und Absprecherei, … vieles davon unter dem Vorwand der Digitalisierung, ordentlich auf den Zeiger gehen. Und jedes Jahr scheinen die Kontrollneurotiker ein paar Schäuferl nachzulegen. Längst vorbei die Zeiten der ewigen Worte des Trainers, als sich Kontrolle auf die Frage, ob man einen Fahrschein mit sich führe oder nicht, beschränkt hat. Im Fall einer negativen Resonanz des Kontrollierten ist der Diskurs seitens des Kontrollorgans mit den höflichen, aber unmissverständlichen Worten „Gemma, gemma, brenn!“ zu einem für alle Beteiligten vielleicht nicht erfreulichen, aber zumindest akzeptablen und vor allem klaren Abschluss gebracht worden (Ostbahn-Kurti & die Chefpartie). Heute appelliert der Schwarzkappler vermutlich an den guten Willen und lädt den Übeltäter ein, sich auf irgendeiner Seite registrieren zu lassen und umgehend Kontodaten und Einziehungsauftrag hochzuladen.

Ein Verdacht als Arbeitshypothese

Der Rudl hat überhaupt nichts gegen Kontrollen, vor allem dann, wenn sie von Menschen durchgeführt werden, die etwas von der betreffenden Sache verstehen, wie etwa der Schwarzkappler vom Fahrschein.
Aber derlei Kontrollen scheinen selten geworden. Stattdessen wird heute dokumentiert, berichtet, standardisiert, sprich: uniformiert und hochgeladen, nur damit die Menschen auf Trab gehalten werden und in dieser Zeit nicht irgendeine Eigeninitiative entfalten können. Dem Rudl seine dialektische Arbeitshypothese ist, dass das deswegen so ist, weil eben niemand mehr kontrolliert, der eine Ahnung von der jeweiligen Sache hat. Monsieur Rudolf hat manchmal geradezu den Verdacht, dass dort, wo Zeitgenossen ihr Handwerk nicht gelernt haben oder keine Lust haben, es auszuüben, aufgestiegen werden will. Da wird dann am Auftreten und an den Präsentationstechniken gearbeitet, so lange, bis man sich endlich auf einem Posten befindet, für den man ganz sicher unqualifiziert ist. Seinen Aufgaben nachgehen kann man dann nicht können. Kontrolle ausüben wäre auch riskant. Da könnte ja jemand bemerken, dass man eine Flasche ist. Darum lässt man kontrollieren, am besten jeden sich selber, indem er siebzig Prozent seiner Arbeitszeit dafür verwendet, zu dokumentieren und das Dokumentierte irgendwohin in pannenschwangere Systeme hochzuladen, wobei sich dem Citoyen Rudolf als egalitärem Zeitgenossen die Bedeutung des Begriffs „hochladen“ bis jetzt sowieso nicht ganz eröffnen will. Wohin denn da hinauf laden? Ist da oben jemand? Auf jeden Fall niemand von Microsoft, Facebook oder Apple, wenn es nach dem Rudl geht.

In allen Lebensbereichen

Der boulevardaffinste Bundeskanzler aller Zeiten und die ehemalige Sicherheitsministerin haben unlängst ein imposantes Exempel statuiert, aber nicht ganz konsequent weitergedacht. Als der Boulevard immer heftiger gegen Flüchtlinge Stimmung gemacht hat, wollte Entschlossenheit präsentiert sein. Darum hat man ein kleines Stückerl Zaun gebaut, diesen mit einer PR-Offensive für das Bundesheer verbunden und die Fotografen der drei Wiener Qualitätsblätter verständigt. Man soll ja man ironischen Vorschlägen vorsichtig sein, weil sie oft schneller, als man schauen kann, von der Wirklichkeit überholt werden. Aber effizienter wäre es im Sinne der Dichtmacher gewesen, an den Grenzen halbfunktionstüchtige Tabletts zu verteilen und die Einreisewilligen einmal so richtig hochladen zu lassen, alles, was sie wissen. Da wären sie beschäftigt gewesen, zumindest bis zum nächsten Wahltermin.
Vielleicht bedeutet die post-partizipative Gesellschaft ja Herrschaft der Eliten durch permanente e-Beschäftigung der Massen. Wenn Sie jetzt erwidern, dass das unproduktiv ist, dann haben Sie damit ziemlich sicher Recht. Aber dafür ist alles irgendwo hochgeladen und gespeichert, wo es gegebenenfalls niemand liest.

Im Keller und im Weingarten

Wie gesagt, das hat alles den Charakter einer Wald- und Weingartenpsychologie, aber es würde vielleicht erklären, warum heute so wenig weiter gebracht und so viel abgesprochen, dokumentiert, hochgeladen und bürokartisiert wird.

Kontrollierter Wein

Beim Wein heißt man die Kontrollen Prüfnummer, Appellation und in Österreich heute ganz besonders DAC, Distructus Austriae Controllatus. Und auch da hat der Rudl nicht grundsätzlich etwas gegen Kontrolle. Gäbe es etwa beim Biowein keine Kontrollen, würde heute vermutlich jeder Wein, der im Freien wächst, als Biowein etikettiert werden. Bei einigen anderen Kontrollen schaut die Geschichte dem Rudl seiner Meinung ganz anders aus. Vor allem ist dem Rudl da manchmal nicht ganz klar, wer diese Kontrollen wie und warum durchführt. Kann es sein, dass da manchmal Verkostungskommissionen ihren nicht immer ganz breiten Horizont zur Norm erklären? Was davon abweicht, ist Landwein, Vin de France oder Indication Géographique Protégée?
Darum öffnet Herr Rudolf diese Woche Weine, die sich dem einen oder anderen Korsett verweigern. In diesem Zusammenhang ist Rudolfen erst jetzt aufgefallen, dass mit einer Ausnahme sämtliche steirischen Weine in seinem Sortiment Landweine sind. Von jedem steirischen Landweinbauern wird es diese Woche einen glasweise geben. Die Ausnahme dann nächste Woche.

Franz und Christine Strohmeier, Rosésekt, Schilcherland
Jacques Maillet nennt diese Weine Ni-Ni-Ni-Weine. Keine Anreicherung, keine Schwefelzugabe, keine Filtration und keine Schönung. Blauer Wildbacher als Einstimmung auf das Schilcherfest am Rathausplatz. Aber halt einer, den Sie dort nicht finden.

Karl Schnabel, Blaufränkisch Hochegg 2012, Sausal
Schiefer, Rindviecher und eine Kompromisslosigkeit, die man selten findet, genauso wie einen steirischen Winzer, der sich auf Rotwein spezialisiert hat.

Maria und Sepp Muster, Josef, 2012, Opok
Alte Reben, karger Opokboden, kein bis fast kein zugesetzter Schwefel und zwei bis drei Jahre im großen Holzfass. Zieht Luft und Zeit der Prüfnummer vor.

Herrenhof Lamprecht, Crémant de Herrenhof, Oststeiermark
Der erste Schaumwein vom Herrenhof Lamprecht, Gemischter Satz vom Buchertberg, reife Apfelnoten, Birnen und Blumen vom kalkhaltigen Sandsteinverwitterungsboden.
Josef Umathum, Königlicher Wein MMXII, Österreich
Der Lindenblättrige, ungarisch Hárslevelű, war seinerzeit im Burgenland zuhause, als das Burgenland noch Westungarn war. Dann nicht mehr. Josef Umathum hat die Rebsorte zurück gebracht. Das Weingesetz hat das aber nicht vorgesehen. Der Wein erinnert mehr an Steinobst, Birnen und Kräuter als an Alkohol und Gummibären. Trotzdem darf seine Rebsorte am Etikett nicht namentlich erwähnt werden, der Jahrgang auch nicht und das Weinbaugebiet auch nicht.

Domaine Giachino, Marius et Simone, 2013, Vin de France
Kein zugesetzter Schwefel, interzelluläre Spontangärung, zehn Tage Maceration. Goldreflexe, intensive Nase, Menthol- und Zuckernoten. Eine Hommage an die Großeltern der Giachinos mütterlicherseits, weniger an die Sittenwächter der Appellation, darum Vin de France.

Domaine des Ardoisières, Schiste 2012, Indication Géographique Protégée Vin des Allobroges
Südlich ausgerichtete Terrassen auf kargem Schiefer. 40 Procent Jacquère, 30 Roussanne, 20 Malvasier und 10 Mondeuse Blanche. Spontangärung und Ausbau in drei- bis fünfmal gebrauchten Barriques. Nur findet das alles auf einem Boden statt, auf dem jetzt ein Zeitl kein Weinbau betrieben worden ist und der außerhalb der strengen Grenzen der Appellation Vin de Savoie Protégée liegt, nämlich im oberen Tal der Isère, südlich von Albertville. Michel Grisard und Brice Omont haben 1998 die Weinreben auf den Weinberg in Cevins zurück gebracht, aber eben ohne Einverständnis der Appellationswächter. Darum darf auf den teuersten Weinen Savoyens nicht „Vin de Savoie“ stehen.

Die folgenden sechs Unkotrollierbaren

Franz und Christine Strohmeier, Rosésekt, Schilcherland
Karl Schnabel, Blaufränkisch Hochegg 2012, Sausal
Maria und Sepp Muster, Josef, 2012, Opok

Herrenhof Lamprecht, Crémant de Herrenhof, Oststeiermark
Josef Umathum, Königlicher Wein MMXII, Österreich
Domaine Giachino, Marius et Simone, 2013, Vin de France
Domaine des Ardoisières, Schiste 2012, Indication Géographique Protégée Vin des Allobroges

…, aber selbstverständlich nicht ausschließlich diese, gibt es glasweise

am Donnerstag, den 14. April und am Freitag, den 15. April
von 16 bis 22 Uhr
in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

Nachrichten aus dem Flaschensortiment

Ab sofort sind Blaufränkisch Weinberg 2013 von Helga und Alfred Weber in Deutsch-Schützen und Blaufränkisch special edition 2013 von Karl Schnabel verfügbar.

Herr Rudolf wünscht Ihnen eine produktive und kreative Woche!

Gumpoeds gegen Brinnaschdrassla, das ist Brutalität!

Weinnotstände

In Kana woas. Da soll es vor zweitausend Jahren bei einer Hochzeit zu einem Weinengpass gekommen sein. Ein Gast soll daraufhin angeordnet haben, man möge ihm Wasser bringen. The rest, as they say, is history.
Das berichtet zumindest das Johannesevangelium. Wolfgang Teuschl hat die Geschichte 1971 beim Bundesheer ins Wienerische übersetzt. Wer soll da noch am Sinn der allgemeinen Wehrpflicht zweifeln?

Im altgriechischen Originaltext wundert sich der Wirt nur, dass der aus Wasser gewonnene, später kredenzte Wein von höherer Qualität – oῖνον ἓωϛ – sei als der Aperitiv, wo doch „a jeda dea wos a bisl a Hian in Schä’l hod, (…) zeaschd amoe in Gumoeds auffoan“ losd und „daun, waun s ä scho ole in Öö san“, „in Brinnaschdrassla zuwe“ haud (Genehmigung Wolfgang Teuschl, Da Jesus und seine Hawara © Residenz Verlag Salzburg Wien, mit freundlicher Genehmigung des Residenz Verlags).

Sprachnotstand

Nur ist der altgriechische Text ja schon eine Verfremdung der gschertn Worte des Galliläers in eine Gelehrtensprache. Letzterer hat Aramäisch gesprochen, einen zu seiner Zeit nicht sonderlich prestigeträchtigen Dialekt. Alles andere wäre mit Fischern, Handwerkern und Bauern auch nicht sehr zielführend gewesen. „AdressatInnenadäquates Register“ nennen die für die Deutscheinheizmatura zuständigen Sprachkoryphäen das.
Irgendwann ist der sowieso schon gespreizte altgriechische Text in die deutsche Einheitsübersetzung verbannt worden. An Anschaulichkeit hat er dadurch nicht gewonnen.
Wolfgang Teuschl ist es zu danken, diese Texte wieder in eine Jesus angemessene Sprachvariante zurückgeführt zu haben, wenn man davon ausgehen darf, dass der Rabbi Jesus in Galiläa kein Freund des Nominalstils war. Kurt Sowinetz und Willi Resetarits haben daraus Sprechkunstwerke gemacht.

Weinviertel gegen Thermenregion

Zumindest zu der Zeit, als Wolfgang Teuschl das Neue Testament ins Wienerische übersetzt hat, Anfang der Siebziger Jahre, dürfte Wein aus der Thermenregion also einen deutlich besseren Ruf gehabt haben als der aus dem Weinviertel. Auf der Freyung waren in den Neunziger Jahren zwei Winzer aus der Thermenregion am Biobauernmakt, jetzt zwei aus dem Weinviertel. Ob das der Grund ist, warum die Weintour Weinviertel heuer nicht zum ersten Mal am selben Wochenende wie der Gumpoldskirchner Weinstieg stattgefunden hat? Was weiß man? Der besonnene Herr Rudolf ist natürlich um Deeskalation bemüht. Und solange sich nicht auch noch der Wiener Stadtmarathon in dasselbe Wochenende hineindrängt, wie vergangenes Jahr, kann man sowieso am Samstag die eine und am Sonntag die andere Weinveranstaltung besuchen. Das hat der Weineisenbahner Rudolf Polifka auch dieses Jahr gemacht. Und weil nicht nur das Weinsortiment seiner Weinhandlung dem Rudl seinem Geschmack entspricht, sondern auch meistens das Wochenthema seinem Gusto, rekonstruiert Monsieur Rudolf diese Woche die Hochzeit zu Kana in der Übersetzung von Wolfgang Teuschl und lässt Brinnaschdrassla, respektive Weinviertler gegen Thermenregion, vulgo Gumpoeds antreten.

Verkehrsmittel und Wein

Was das Verkehrsmittel betrifft, hat die Südbahn schon vor dem Anpfiff gewonnen, zumindest solange sie noch nicht durch das sinnlose Loch im Berg fährt. Weinmäßig ergibt sich ein anderes Bild, zumindest wenn man in das Sortiment der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils schaut. Caviste Rudolf hat drei Weinbaumeister aus dem Weinviertel im Sortiment und lediglich einen aus der Thermenregion.
Darum gibt es vom einzigen Südbahnweinmeister, dessen Weine der Rudl führt, eine kleine Zierfandler-Vertikale und von den drei Brinnaschdrasslan im weitesten Sinne eine Grüne Veltliner-Horizontale.

Gumpoeds

Friedrich Kuczera aus Gumpoldskirchen ist seit über dreißig Jahren zertifizierter Bioweinbauer. Schon in seinem Prospekt für den Jahrgang 1996 findet sich das Bekenntnis zum Verzicht auf synthetisierte Dünge-, Pflanzenschutz- und Unkrautbekämpfungsmittel im Weingarten, Aufbesserung und Schönung im Keller gibt es auch nicht. Ziele: widerstandskräftige Pflanzen, weitgehend geschlossener Produktionskreislauf und Förderung der Artenvielfalt. Der auf Kalk stehende Weingarten dankt Friedrich Kuczera offenbar dessen jahrzehntelangen Einsatz. Monsieur Rudolf hat in ganz Gumpoldskirchen keinen lebendigeren und präziseren Zierfandler getrunken.

Vorurteile

Auch um einem Klischée zu begegnen, sind die drei Zierfandler von Friedrich Kuczera schlanke und frische Weine, wohingegen die drei Weinviertler zumindest teilweise schon ein bissl kräftiger da stehen.
Und weil ja jede Woche zumindest ein Wein, der älter als zehn Jahre ist, auf der Tafel steht, ergänzt der Rudl die Südbahn um einen Pinot Noir 1993 aus Sooß. Das Etikett ist nicht mehr ganz vollständig. Darum weiß der Rudl auch nicht, von welchem Weingut.
Und für das Weinviertel geht ein 1997er Grüner Veltliner Rudolf von Habsburg aus der Marchregion ins Rennen. Sein Etikett ist noch lesbar, aber in dem Moment, in dem der Rudl diese Zeilen verfasst, gerade nicht zugänglich. Darum auch der hier ohne Name des Winzers.

Zierfandler 2013, Friedrich Kuczera, Gumpoldskrichen, Thermenregion
Zierfandler 2014, Friedrich Kuczera, Gumpoldskirchen, Thermenregion
Zierfandler 2015, Friedrich Kuczera, Gumpoldskirchen, Thermenregion
Pinot Noir 1993, N.N., Sooß, Thermenregion

gegen

Grüner Veltliner Katzensprung 2013, Leo Uibel, Ziersdorf, Weinviertel
Grüner Veltliner Rosenberg Reserve 2013, Josef Salomon, Falkenstein, Weinviertel
Grüner Veltliner Rochus 2013, Roland Minkowitsch, Mannersdorf, Weinviertel
Grüner Veltliner Rudolf von Habsburg 1997, N.N., o.O. an der March, Weinviertel
Diese acht Weine, aber nicht ausschließlich die

am Donnerstag, den 7. April und am Freitag, den 8. April
von 16 bis 22 Uhr
in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

Nachrichten aus dem Flaschensortiment

Ab sofort sind Pinot Noir 2014 vom Weingut Karl Schnabel im Sausal und Zierfandler 2015 von Friedrich Kuczera in Gumpoldskirchen verfügbar.

Herr Rudolf wünscht Ihnen und sich eine Eisenbahn auf der Trasse der B7, anstatt eines Lochs auf der Südbahn. Im Sinne der infrastrukturellen Chancengleichheit von Gumpoeds und Brinnaschdrassla!