„Naturwein“? Ah wos!

November ist.

Caviste Rudolf Polifka erkennt das am Posteingang seines E-Mail-Accounts. Zuerst alle drei, dann alle zwei Tage und seit dem vierten November bekommt er jeden Tag gegen fünf am Nachmittag eine Erinnerung, dass er sich für irgendeine Naturweinmesse anmelden soll.

In ziemlich hoher Frequenz ist der Rudl zur RAW in Montréal, Miami, New York, Los Angeles und Berlin eingeladen worden. Hauptsache die Rebsorten sind autochthon, der Winzer schurlt mit einem Pferd durch seinen Weingarten und das Endprodukt ist trüb.

Jetzt können Sie, geneigte Oenologin, gewogener Oenologe, einwenden, dass gelegentlich auch vor dem Weinkaufhaus vom Rudl ein Lastauto vorfährt und eine Palette ablädt, dass dieses Lastauto nicht von der Sonne angetrieben wird und die Fenster vom Rudl seinem Geschäftslokal hundsmiserable abgedichtet sind. Das stimmt alles und das sind alles Kompromisse, die der Rudl einmal mehr und einmal weniger zähneknirschend eingeht.

Naturweinbranche

In manchen Teilen der Naturweinbranche vermisst Rudolf Polifka das Bewusstsein, dass Verantwortung für die Natur nicht an der Grenze des Weingartens beziehungsweise an der Kellertür aufhört. Elitäres Lifestylepathos, wie es der Rudl gelegentlich wahrzunehmen meint, widert ihn an. Das findet er lächerlich. Da wählt er den Hundertachtziggradtanzschritt und ist eine Wolke. Diese Erscheinungen kommen dem Rudl mittlerweile in oenologischer Hinsicht ungefähr so authentisch vor wie die Wiener Wiesn in musikalischer.

Der Herr Kurt hat seinerzeit gemeinsam mit Sexualberater Karl Horak psychologische Untersuchungen über Besitzer von Autos mit hohem Treibstoffverbrauch durchgeführt (Ostbahn-Kurti und die Chefpartie, Saft & Kraft, Wos wü de wüde Hilde, 1994). Sind Ergebnisse dieser Studien modifiziert auf die Wochenendkurzurlaubsjetter in den überbilligten Fliegern anzuwenden?

Weinschulrat Rudolf Polifka meint es auf alle Fälle ernst mit der Schulautonomie. Darum pfeift er diese Woche noch viel lauter auf Konventionen, Konformitäten und den Zeitgeist:

Neun Weine von acht Weinbauern, die – jeder auf seine Art – für den Rudl Natürlichkeit, Authentizität und Kunstfertigkeit repräsentieren.

Sepp Muster

Der Rudl hat seit kurzem etliche 2017er von Maria und Sepp Muster in seinem Geschäft. Keinen davon wird er diese Woche glasweise ausschenken, „weus schod war“, wie der Herr Kurt vielleicht sagen würde. Oder weil man nicht ungeduldig sein soll, wie der Rudl sagt.

Aber Dreizehn passt jetzt gut. Und am Schilcher ist vielleicht noch besser schmeckbar, was Sepp Muster von Konventionen hält.

  • Schilcher 2013, Maria und Sepp Muster, Schlossberg (4/6)

Josef Umathum

Der Rudl erachtet Verantwortungsbewusstsein für Region, Land und Planet als einen Aspekt von Natur. Und guten Wein auch.

  • Königlicher Wein MMXVI, Josef Umathum, Frauenkirchen (4,5/7)

Friedrich Kuczera

Über den hat Ihnen Herr Rudolf vor gar nicht so langer Zeit ein bissl was geschrieben. Und dann sind die Frau und der Herr K beim Rudl mit einer Flasche Zierfandler 1987 aufgekreuzt. Dass der Zierfandler von Friedrich Kuczera etwas Besonders ist, hat der Rudl gewusst. Aber die Eleganz, Frische und Vielschichtigkeit dieses 32 Jahre reifen Weins war schon mehr als beeindruckend. Wie viele Weine, denen man heute zurecht oder zuunrecht das Taferl „Naturwein“ umhängt, werden in 32 Jahren so lebendig dastehen?

  • Zierfandler 2018, Friedrich Kuczera, Gumpoldskirchen, Südbahn (2/3)

Jacques Maillet

Der Rudl liest gerade das Buch „La parole de Pierre“, ein hundertachtzig Seiten langes Interview mit Pierre Overnoy, der gerne in einem Atemzug mit dem Chemienobelpreiskandidaten Jules Chauvet als Mitinspirator des Naturweins bezeichnet wird. Und wenn Monsieur Overnoy Überlegungen über Bodenbearbeitung, Rebselektion und ph-Wert im Boden anstellt, fühlt sich der Rudl in den Weingarten von Jacques Maillet versetzt.

  • Jacquère 2015, Jacques Maillet, Motz, AOP Vin de Savoie (4/6)
  • Gamay 2015, Jacques Maillet, Motz, AOP Vin de Savoie (4/6)

Josko Gravner

Heute gibt es Weinkonzerne, die Orangewine produzieren. Also Josko Gravner die ersten Anforen vergraben hat, haben diese Konzerne noch etwas ganz anderes gemacht. Und dann ein Zeitl lang auch noch.

Josko Gravner hat damals auf alle Fälle existenziell erlebt und gespürt, dass er etwas anders machen muss und will. Er hat seine Arbeitsweise nicht an Umsatzzahlen oder Weinberatern orientiert. Das ist dabei heraus gekommen.

  • Breg Bianco 2008, Josko Gravner, Oslavia, Gorizia, Italien (10/16)

Michel Grisard und die Giachinos

Michel Grisard ist für Savoyen ungefähr, das, was Pierre Overnoy für den Jura ist. Er hat quasi zwei Nachfolger und keiner ist mit ihm verwandt. Brice Omont betreibt die Domaine des Ardoisières. Die Trauben aus Grisards Weingärten in Frétérive, Arbin und Cruet vinifiziert Clement Giachino. Bei der Altesse 2015 haben es die Hefen mit dem Restzucker gut gemeint. Caviste Rudolf weiß von einem seiner Lieblingsweine, dem Marestel von Dupasquier, dass es Einfacheres gibt, als halbtrockene Weißweine zu verkaufen. Aber darauf kann der Rudl bei diesem Wein keine Rücksicht nehmen. Erstens vermutet Monsieur Rudolf einen Batzen Lagerfähigkeit hinter diesem Wein und zweitens passt Prieuré Saint Christophe Blanc 2015 heute schon gut zu Nachspeisen. Und zu Weihnachtskeksen.

  • Prieuré Saint Christophe Blanc 2015, Domaine Giachino, Chapareillan, AOP Roussette de Savoie (6/9)

Josef Lentsch, Dankbarkeit

Der würdigt neben dem Trainer ganz besonders Franz von Assisi. Den Rudl überzeugt so etwas mehr von einem verantwortungsbewussten Verhältnis zur Natur als Frauenpopos auf Weinetiketten.

  • Welschriesling Auslese „Schrammel“ 2017, Josef Lentsch, Dankbarkeit (4/6)

Domaine de la Tournelle

Emmanuel Houillon ist der Weinbauer, der Weingut und Wirken von Pierre Overnoy übernommen hat. Nur bekommt man von dem so gut wie nirgends einen Wein. Pascal Clairet aus der Nachbarstadt Arbois hat auch ziemlich viel von Monsieur Overnoy gelernt. Und am Bistrot de la Tournelle, das er mit seiner Frau bei Schönwetter direkt am Bach führt, sollte man nicht vorbei fahren, auch wenn der Rudl sonst zurückhaltend mit Empfehlungen ist.

  • Macvin du Jura, Domaine de la Tournelle, Arbois, AOP Macvin du Jura (5/8)

 

(in Klammern die Preise für das Sechzehntel und das Achtel)

Nicht ausschließlich diese Weine, sondern auch noch den einen oder anderen Giachino können Sie kommende Woche glasweise erstehen

am Dienstag, den 19. November und am Donnerstag, den 21. November

von 16 bis 22 Uhr

in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

Vorschau auf die Lehrveranstaltung vom 26. und 28. November

möglicherweise Orangen

Im Übrigen ist Rudolf Polifka der Meinung, dass man den 27. Jänner, den Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz zu einem europäischen Feiertag der Menschenwürde erklärt!

Herr Rudolf pfeift mit den Spatzen auf Billigflieger und Weinzeitgeist!

Schicken Sie ein entsprechendes E-Mail, wenn Sie keine Nachrichten der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils bekommen möchten.

Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22, 1150 Wien

Öffnungszeiten: Dienstag und Donnerstag, 16 bis 22 Uhr, an Schultagen

kostenlose und CO2-minimierte Zustellung innerhalb von Wien ab einem Bestellwert von 57

Domaine Giachino. AUSNAHMSWEISE MONTAG, 11.11. und Dienstag, 12.11. geöffnet (Donnerstag, 14.11. geschlossen)

Herr Rudolf bittet um Verständnis für die außertourlichen Öffnungszeiten in der kommenden Woche. Am Montag (11.11.) und am Dienstag (12.11.) öffnet Herr Rudolf die Pforten seiner Weinhandlung. Am Mittwoch (13.11.) treffen Sie den Rudl bei der Weinauktion zugunsten des Integrationshauses

 

ab etwa 19 Uhr im Alten Rathaus in der Wipplinger Straße 8. Wen der Rudl dort dabei erwischt, dass er etwas ersteigert, für die oder den gibt es in der Woche drauf, wenn es beim Rudl heißt „Natürliche Weine. Kommen Sie dem Rudl nicht mit ,Naturwein‘!“, ein Achtel auf Haus.

Und am Donnerstag hockt der Rudl im Oval in Salzburg und hört seiner zweitliebsten Musikkapelle, den Querschlägern, beim Musizieren zu.

David und Fred und Clement Giachino

Auch wenn das in geometrischer Hinsicht nicht korrekt ist, freut sich der Rudl, dass es ein gleich paar zentrale Weinbauern in seinem Sortiment gibt. Allen hat er mindestens schon ein Wochenthema gewidmet, nur einem noch nicht. Das liegt nicht daran, dass der drei ist. Wenn Sie, geneigte Oenologin, gewogener Oenologe, jetzt glauben, dass Ihnen der Rudl mit der Dreifaltigkeit daher kommt, dann täuschen Sie sich gewaltig. Zumindest nicht mit der Dreifaltigkeit im klassischen Sinn. Wobei, ein bissl ein Mysterium ist es dem Rudl schon, wie drei Winzer unter einem Dach eine derartige Vielfalt an trotzdem authentischen, harmonischen und zueinander passenden Weinen machen. Und wenn man das Etikett von der maischevergorenen Marius & Simone berücksichtigt, dann sind es sogar drei Generationen, weil dort Opa Marius Genton abgebildet ist.

à propos maischevergoren

Die Domaine Giachino ist demeterzertifiziert und das Ziel sind Weine ohne Schwefelzusatz. Wenn das den Winzern nicht passabel erscheint, streben sie einen minimalistischen Einsatz von Schwefel an.

Sollte es sich dann aber herausstellen, dass der Verzicht auf Schwefel zu flüchtiger Säure geführt hat, dann bzeichnen die Giachinos das nicht als Charakteristikum von Naturwein oder Terroir, sondern als „échec“, als Scheitern.

Caviste Rudolf wird Ihnen in der nächsten Woche viel mehr über Naturwein und das, was damit bezeichnet wird, erzählen, aber auf diese konsequente Haltung der Giachinos weist er diese Woche gerne hin. Möglicherweise wäre der Naturweinwelle mehr Nachhaltigkeit beschieden gewesen, wenn alle, die darauf reiten, so seriös und ehrlich agierten wie die Giachinos.

Micro-Terroir

Die Weingärten der Giachinos liegen im Naturpark der Chartreuse, auf Gletschermoränen am Fuße des Mont Graniers. In der Nacht von 24. auf 25. November 1248 sind 500 Millionen Kubikmeter Felsen vom Mont Granier herunter gekommen. Auf den chaotischen Gesteinshalden ist zuerst einmal jahrhundertelang nichts gewachsen. Später nur Wein.

Spurenelemente, Fauna, Belüftung, Verwurzelung und Mikroben machen ein besonderes Terroir, das am besten durch biodynamische Bewirtschaftung zur Geltung gebracht wird, seit ein paar Jahren demeterzertifiziert.

Mehrheitsfähig ist biologischer Weinbau in dieser Gegend trotzdem nicht. Eher im Gegenteil. Herr Rudolf hat die letzten beiden Sommer jeweils eine Woche mitten in den Weingärten von Les Marches und Apremont gewohnt und quasi an der eigenen Nase erlebt, wie es ist, wenn man in der Früh von den Düsen der Giftspritzer aufgeweckt wird. Wenn man dann durch derart ausgebleichte Rebzeilen geht, zum Beispiel zum Restaurant „Le Saint André“, am Rückumweg jedoch durch einen Weingarten der Giachinos spaziert, dann versteht man geruchlich, optisch und überhaupt, auch ohne Wein zu trinken, was die Giachinos meinen, wenn sie darauf hinweisen, dass Wein vor allem ein Vergnügen sein muss.

Macro-Terroir

Die durchschnittliche Meereshöhe des Departements Savoie beträgt 1500 Meter. 36 Berge sind höher als 3500 Meter, 107 höher als 3000.

Wein ist nicht das Erste, an das man in so einer Gegend denkt. Im Laufe der Zeit haben sich wenige kleine, zerstückelte und ausgesetzte Parzellen für den Weinbau herauskristallisiert. Und das auch nur, weil am Ende des Quartärs die Gletscher beim Rückzug Täler mit Seitenmoränen gebildet haben.

Jene am Piémont des Graniers ist so eine, in ihrer Höhe und Ausrichtung einzigartig in Frankreich.

Die Wetterverhältnisse können extrem sein und aneinander geraten. Marseille ist etwa dreihundert Kilometer entfernt, von den meisten Weingärten sieht man auf Gletscher.

Rebsorten

Abgesehen von einem ganz kleinen bisschen Gamay wachsen in den Weingärten der Giachinos ausschließlich autochthone Rebsorten. In den letzten Jahren hat man sich besonders um den Erhalt vom Aussterben bedrohter Varietäten bemührt. So sind unter anderem fünfunddreißig Ar Douce Noire, Peloursin, Mondeuse und Étraire de la Dhuy als Gmischter Satz ausgepflanzt worden. Das kann man sich auf der Homepage der Giachinos anschauen.

Geschichte

Ursprünglich war der Bauernhof der Giachinos eine gemischte Landwirtschaft, in den reichen Böden der Ebene Getreide, Nüsse und Obst, an den kargen Hängen Wein.

1988 übernimmt Frédéric die eineinhalb Hektar Weingärten seines Opas Marius Genton. Er konzentriert sich auf Wein. Heute sind es neun Hektar, auf sechs davon wächst die Rebsorte, mit der etwa so viel Schindluder getrieben wird wie mit Welschriesling: Jacquère. Schritt für Schritt entfernt sich Frédéric Giachino vom konventionellen Weinbau. Unzertifizierter Verzicht auf den Zauberkasten, Bio, demeter. Lange wird der Bub Clement nicht gezögert haben, 2015 in den Betrieb einzusteigen. Wie es der Zufall will, hat zu dieser Zeit Michel Grisard, der Pierre Overnoy Savoyens, dann doch seine Rente angetreten. Und Clement hat seine Weingärten übernommen.

Den Rest können Sie sich, geneigte Oenologin, gewogener Oenologe diese Woche glasweise von Herrn Rudolf kredenzen lassen

  • Monfarina 2015, Domaine Giachino, Chapareillan, AOP Vin de Savoie (2,50/4)
  • Altesse 2017, Domaine Giachino, Chapareillan, AOP Vin de Savoie (4/6)
  • Marius & Simone 2017, Domaine Giachino, Chapareillan, AOP Vin de Savoie (4,50/7)
  • Giac‘ Pottes 2017, Domaine Giachino, Chapareillan, AOP Vin de Savoie (3/5)
  • Mondeuse 2017, Domaine Giachino, Chapareillan, AOP Vin de Savoie (4/6)
  • Persan 2017, Domaine Giachino, Chapareillan, AOP Vin de Savoie (4,50/7)
  • Don Giachino (méthode traditionelle) 2015, Domaine Giachino, Chapareillan, AOP Vin de Savoie (4,50/7)

(in Klammern die Preise für das Sechzehntel und das Achtel)

nicht nur diese Weine gibt es glasweise

AUSNAHMSWEISE AM MONTAG, DEN 11. NOVEMBER und am Dienstag, den 12. November

von 16 bis 22 Uhr

in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

Vorschau auf die Lehrveranstaltung vom 19. und 21. November

natürliche Weine

Im Übrigen ist Rudolf Polifka der Meinung, dass man den 27. Jänner, den Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz zu einem europäischen Feiertag der Menschenwürde erklärt!

Herr Rudolf diese Woche ganz besonders das Wiener Integrationshaus!

Schicken Sie ein entsprechendes E-Mail, wenn Sie keine Nachrichten der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils bekommen möchten.

Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22, 1150 Wien

Öffnungszeiten: Dienstag und Donnerstag, 16 bis 22 Uhr, an Schultagen

kostenlose und CO2-minimierte Zustellung innerhalb von Wien ab einem Bestellwert von 57

Welschriesling – zum Tag des Apfels oder burgundisch? Welschriesling und Wein des Apffels!

Zuerst ist sowieso Folgendes:

Am Mittwoch, den 13. November findet im Alten Rathaus (Wipplingerstraße 8) die alljährliche Weinauktion zugunsten des Integrationshauses statt. Wer dort etwas ersteigert, bekommt in der Woche drauf beim Rudl ein Achtel auf Haus.

Welschriesling

Im Deutschen haben die Welschen keinen so guten Ruf. Die mittelhochdeutsche Bezeichnung wal(hi)sch tendiert fast ein bissl zum Schimpfwort für romanische oder zumindest romanisierte keltische Nachbarn, ganz im Unterschied zum Schweizerischen, wo dieser Wortstamm nicht wertend auf die französischsprachigen Westschweizer bezogen wird. Auch das altenglische wilisc ist in der Bedeutung von fremd, nicht-englisch und kymrisch abwertend verwendet worden.

Heute noch wird mit Wörtern, die den Stamm -welsch enthalten, selten ein Kompliment gemacht. Attestiert man einer sprachlichen Performanz, wie das Deutschdidaktiker heute mittelgeschickt ausdrücken, etwa „Kauderwelsch“, dann meint man damit in der Regel nicht die allerhöchste Stufe der Sprachentwicklung. Ursprünglich ist welsch- auf die bei Caesar genannten gallischen Volcae zurückzuführen. In weiterer Folge hat man es auf andere Völkerschaften bezogen. Dass damit selten freundschaftliche Beziehungen zum Ausdruck gebracht worden sind, geht aus dem verwandten altenglischen wylen in der Bedeutung von Sklavin hervor.

Wenn heute in der Weinsprache von einem Welschriesling die Rede ist und der Verdacht auf einen Zeitgenossen aus oenologiefernen Schichten als Adressaten nicht auszuschließen ist, wird nicht selten ein „… nicht zu verwechseln mit dem Rheinriesling, auch Reisling genannt“ hinzugefügt. Als Aufwertung ist dieser Zusatz auch in diesem Zusammenhang nicht gemeint. Und als Kompliment an das Weinwissen des Gegenübers vermutlich auch nicht.

Kaufmännisch gedacht

Herr Rudolf ist sich nicht nur in Anbetracht des Erwähnten darüber im Klaren, dass es für seine fast allwöchentliche Lehrveranstaltung kaufmännisch betrachtet aussichtsreichere Wochenthemen als „Welschriesling“ gibt.

Ein naheliegender Reflex auf diese Einsicht ist, sich beim Verfassen dieser Zeilen ganz besonders ins Zeug zu legen, was wiederum ganz passable Voraussetzungen für ein Resultat als Mischkulanz aus Spröde, Oberlehrerhaftigkeit und missionarischer Aufdringlichkeit darstellt. Aber ganz kommt man aus seiner Haut halt auch nicht heraus. Darum wird in den folgenden Zeilen viel Wissens- und Halbwissenswertes verbreitet. Wenn Sie aber Welschriesling partout nicht verputzen können, dann wird das der Schulmeister Polifka nicht ändern und Sie können sich einen Kaffee kochen oder Musik hören, anstatt hier weiterzulesen.

Rebsorten und Nachred‘, die Soundsovielte

Die Entwicklung der Popularität vieler Rebsorten gleicht einer Sinuskurve. Das beste Beispiel ist vermutlich Chardonnay. Der ist in den Neunziger Jahren ganz oben gewesen. Gut zehn Jahre später hat die Weinwelt dann die Parole „ABC – anything else but Chardonnay!“ ausgegeben.

Bei Sauvignon Blanc schaut es zeitlich versetzt ähnlich aus, vielleicht mit dem kleinen Unterschied, dass die Beliebtheit dieser Rebsorte gelitten hat, aber nie ganz parterre gewesen ist.

Und für Caviste Rudolf ist Sauvignon Blanc sowieso über sämtliche Aufs und Abs ein bewährter Seismograph im Sortiment eines ihm unbekannten Weinbauern. Schmeckt dem Rudl der Sauvignon Blanc von einem Winzer gut, sind die Chancen ganz passable, dass es die anderen Weine auch tun. Eher weniger effizient ist dieser Seismograph im Elsass. Auch in Savoyen und an der Côte d’Or kommt man damit nicht recht weit.

Wie mit dem Hundsdreck im Profil des Goiserers (frei nach dem Herrn Kurt)

Ein paar Rebsorten gibt es, die scheinen einen unbefristeten Mietvertrag für das untere Ende der Beliebtheitsskala zu haben. Das kann mit physiologischen Eigenschaften der Weinbeerln zu tun haben, etwa sehr früher Reife, Großbeerigkeit, allzu großer Gefälligkeit als Speisetraube in Kombination mit wenig Säure. Monsieur Rudolf bezweifelt aber, dass in jedem Fall ein Dauerimagetief mit grundsätzlich schlechtem Charakter einer Rebsorte zu tun hat, gerade so ähnlich wie er das im Fall von Menschen anzweifelt.

Pierre Overnoy weist darauf hin, dass manche Rebsorten in Vergessenheit geraten, weil der Chemiekasten ihre Aufgaben übernimmt, etwa jene Rebsorten, die sich seinerzeit in heißen Jahren um die erforderliche Säure im Wein gekümmert haben. Dass manche dieser Rebsorten nahezu ausgestorben sind, könnte sich in Anbetracht der Herausforderungen der Erderwärmung noch als ziemlich „blede Gschicht“ erweisen. Bezahlen werden die Rechnung dafür ziemlich sicher nicht die Verursacher des Schadens. Das Phänomen nennt man Neoliberalismus.

Welschriesling. Eh

Reift spät, mag geringe Niederschläge und bringt zuverlässig gute Erträge.

Die Kombination aus diesen drei Eigenschaften könnte man quasi als Unique

Wineing Proposition des Welschrieslings betrachten. Dem Rudl zumindest fällt aus dem Stand keine Rebsorte ein, die diese drei Eigenschaften auszeichnen. Doch, eine fällt ihm ein.

Ursprung

Die Vorsilbe Welsch- kann man als Indiz dafür betrachten, dass diese Rebsorte italienische, aller Voraussicht nach norditalienische Wurzeln hat. Dem immer wieder geäußerten Verdacht, Welschriesling stamme aus der Champagne, kann der Rudl nicht viel abgewinnen. Das würde im Hinblick auf eine erderwärmte Zukunft vielleicht sogar einen Sinn, aber in früheren Zeiten vermutlich nicht einmal die für Champagner nötige Gradation erreicht haben.

Eigenschaften

Das Holz des Welschrieslings ist im Unterschied zu dem des Rieslings hell, die Traube mittelgroß und dichtbeerig, die Beeren klein und dünnschalig. Welschriesling hat auch wenig Angst vor Spätfrost, weil er spät austreibt. An und für sich reift er spät. Wenn es nach ihm ginge, würde er vielleicht später gelesen. So sagt man ihm Anklänge an grüne Äpfel nach, was der Rudl auch nicht schlimm findet, solange es nicht dominiert.

Entwicklung

Früher habe man den Welschriesling oft gegen Allerheiligen gelesen, manchmal im Schnee. Heute gibt es Steirischen Junker, bei dem der Welschriesling dominiert. Das soll nicht bedeuten, dass es nicht immer wieder Ansätze gegeben hat, aus dem Welschriesling mehr zu machen. Der Rudl meint sich erinnern zu können, dass man am Weingut Tscheppe – dem hinsichtlich der Hektaranzahl großen Tscheppe – in den Neunziger Jahren angekündigt hat, aus dem Welschriesling für die Steiermark das zu machen, was der Grüne Veltliner für Niederösterreich ist.

Tatsächlich ausgegangen dürften die Rufrettungsbemühungen für den Welschriesling dann eher vom Südburgenland sein. Dort hat sich Caviste Rudolf auf die Suche nach den Möglichkeiten dieser Rebsorten gemacht, alles im Bewusstsein, dass so oder so immer schon ganz extraordinaire Süßweine aus Welschriesling gemacht worden sind und Winzer wie Sepp Muster, Roland Tauss und Ewald Tscheppe (der nicht an Hektar große), um nur ein paar zu erwähnen, sowieso äußerst kompetente und vielschichtige trockene Welschrieslinge machen.

Und dann sollte man vielleicht auch noch auf das Potential dieser spät reifenden Rebsorte für Schaumweine eingehen. Herrn Rudolf scheint bei keinem Weinstil der Anteil an schlechten Weinen so hoch zu sein wie bei Schaumweinen. Das hat mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nichts mit Rebsorten zu

tun. Vielleicht auch ein Hinweis darauf, dass es nicht am Welschriesling liegt.

Burgundisch?

Was den Rudl immer wieder ein bissl irritiert zurück lässt, sind Bemerkungen wie „fast ein bissl burgundisch“ im Zusammenhang mit teureren Welschrieslingen. Burgund ist mit Sicherheit nicht die Lieblingsweinbauregion vom Rudl, abgesehen von Chablis, für dessen gelungene Repräsentanten der Rudl sehr weit geht. Aber selbst wenn man Burgund jetzt mag, stellt sich die Frage, was mit einem „burgundischen Welschriesling“ gemeint und ob so etwas gegebenenfalls erstrebenswert ist.

Vielleicht bedeutet das geographische Adjektiv, dass der betreffende Welschriesling einen Monat später als das Gros seiner Kollegen gelesen worden ist. Auch ok, wenngleich nicht sonderlich treffsicher in der Wortwahl.

A eigene Gschicht

Monsieur Rudolf hat eine eigene Geschichte mit Welschreisling. Der erste wirklich teure Wein, den sich der Rudl selber gekauft hat, war ein Welschriesling. Eine Welschriesling Trockenbeerenauslese 1981 vom Weingut Kracher in Illmitz. Das muss im Jahr 1989 gewesen sein. Bemerkenswerter mag vielleicht sein, dass der zweite, dann wirklich teure Wein auch wieder ein Welschriesling gewesen ist, ein trockener Welschriesling aus Poysdorf von Leopold Poiss aus dem Jahr 1947. Der Rudl hat auf diesen Wein, über dessen Verfügbarkeit er seinerzeit in der Tageszeitung Kurier gelesen hatte, ein ganzes Zeitl hin gespart und sich den Wein dann selber zum Geburtstag gekauft. Gegeben hätte es auch alte Grüne Veltliner, nur hat Herr Rudolf, seinerzeit am Pass gerade kein Teenager mehr, auf Welschriesling und vor allem auf den Jahrgang 1947 bestanden, weil er beides für gute Vorzeichen von extraordinairem Reifungspotential gehalten hat.

Die Tschäsn für die dafür notwendige Fahrt von Salzburg Maxglan nach Poysdorf und retour haben ihm seine Eltern als Geburtstagsgeschenk zur Verfügung gestellt. Die Rechnung über den Kauf dieses Weins ist dem Rudl unlägst beim Zusammenräumen in die Hände gefallen.

Diesen Wein vermag der Rudl diese Woche bedauerlicherweise nicht zu kredenzen. Einige Jahre nach dem Kauf hat der Rudl die Flasche umgeschlichtet und sich dabei gewundert, dass sie so leicht ist. Ob dieser Welschriesling nach so vielen Jahrzehnten noch gehalten hat, muss unbeantwortet bleiben. Der Kork hat es auf alle Fälle nicht. Damit wäre bewiesen, dass eine eigene Gschicht manchmal auch eine blede Gschicht sein kann. Und wer hätte das kompetenter abgehandelt als der Herr Kurt?

Auf alle Fälle hat der Rudl seinerzeit gemeinsam mit dem Siebenundvierziger noch den damals aktuellen Welschrieslingsjahrgang 1991 gekauft und von dem hat er noch ein Flascherl. Das wird er diese Woche aufmachen und Sie, geneigte Oenologin, gewogener Oenologe, können den Wein zu einem dem Wiener Boulevard genau entgegengesetzten Preis kosten: gratis, aber hoffentlich nicht umsonst. Vielleicht lassen sich von diesem Wein ja sogar Rückschlüsse auf eine allfällige Haltbarkeit des Siebenundvierzigers ziehen.

Verbreitung

In Österreich ist Welschriesling mit großem Abstand hinter dem Grünen Veltliner immer noch die zweitverbreitetste Weißweinrebsorte, obwohl in den letzten Jahrzehnten mehr Welschrieslingweingärten gerodet als ausgepflanzt werden. Im Vergleich zu den dreißigtausend Hektar Welschriesling in Serbien sind die dreitausend in Österreich eher ein Lercherl. In Kroatien ist er die verbreitetste Weißweinrebsorte.

  • Laški rizling 2015, Gjerkeś, Prekmurje, Slowenien (2,50/4)

  • Welschriesling 2017, Weinsteindl, Purbach, Neusiedlersee Hügelland (2/3)

  • Welschriesling 2018, Helga und Alfred Weber, Deutsch-Schützen, Südburgenland (2/3)

  • Welschriesling 2016, Weingut Roland Minkowitsch, Mannersdorf an der March, Weinviertel Süd (2,50/4)

  • Welschriesling „Winburg“ 2013, Karl Renner, Leutschach, Südsteiermark (3/5)

  • Welschriesling „Franz Lackner“ 2016, Lackner-Tinnacher, Gamlitz,

Südsteiermark (4,50/7)

  • Welschriesling „Natural“ 2018, Harkamp, Sankt Nikolai im Sausal (4/6)
  • Welschriesling vom Opok 2017, Maria und Sepp Muster, Schlossberg, Steirerland (3/5)

  • Welschriesling vom Opok 2016, Alice und Roland Tauss, Leutschach (3/5)

  • Welschriesling „Alte Reben“ 2017, Wachter-Wiesler, Deutsch-Schützen, Südburgenland (5/8)
  • Welschriesling „P******r“ 2017, Thomas Straka, Rechnitz, Südburgenland (4/6)
  • Welschriesling Auslese „Schrammel“, Josef Lentsch, Dankbarkeit, Neusiedlersee (4/6)
  • Welschriesling 1991, Josef Poiss, Poysdorf, Weinviertel (Gegenteil des Preises der Edelblätter)
  • Terroir de Saint Alban 2018 (Jacquère und Altesse), Mathieu Apffel, AOP Vin de Savoie (4/6)
  • Blaufränkisch Weinberg 2017, Alfred Weber, Deutsch-Schützen, Südburgenland (2,50/4)

(in Klammern die Preise für das Sechzehntel und das Achtel)

Diese Woche gibt es glasweise ausschließlich diese Weine. Das ist eh ein ganzer Haufen, findet Monsieur Rudolf. Die Sperrstunde bleibt trotzdem bei 22 Uhr. Ambitionierte Oenologinnen und Oenologen bittet der Rudl, entsprechend früh mit den Forschungsarbeiten zu beginnen. Und vielleicht gelingt es Herrn Rudolf zu demonstrieren, dass Welschriesling, ein kompetentes Weinprogramm zu bestreiten, in der Lage ist,

am Dienstag, den 5. November und am Donnerstag, den 7. November

von 16 bis 22 Uhr

in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

Vorschau auf die Lehrveranstaltung der kommenden Woche

eventuell Tag der Orange(n)

Im Übrigen ist Rudolf Polifka der Meinung, dass man den 27. Jänner, den Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz zu einem europäischen Feiertag der Menschenwürde erklärt!

Herr Rudolf grüßt die Welschen im schweizerischen Sinn!

Schicken Sie ein entsprechendes E-Mail, wenn Sie keine Nachrichten der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils bekommen möchten.

Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22, 1150 Wien

Öffnungszeiten: Dienstag und Donnerstag, 16 bis 22 Uhr, an Schultagen

kostenlose und CO2-minimierte Zustellung innerhalb von Wien ab einem Bestellwert von 57