Am Anfang hat der Rudl es für einen Gefallen gehalten. Um einen Côte Rotie Côte Brune ist es gegangen. Abgesehen von der routinemäßigen Arbeitsverweigerung des privaten Paketzustellers ist alles gut gegangen. Dann war der Wein im Haus und Wochen später hat der Rudl begonnen, ihm auf die Spur zu gehen. Dann ist das passiert, weswegen der Rudl Wein so unvergleichlich schätzt. Der Côte Rôtie ist lebendig geworden und hat eine Geschichte bekommen, eine lange über etliche Generationen.
À propos „lang„
… das ist jetzt auch schon die Sperrstunde. Fragen Sie bitte nicht den Rudl, ob die soundsovielte Verlängerung der Sperrstunde für die Gastronomie erforderlich ist. Der Rudl weiß es nicht. Allenfalls lässt er sich zur zugegebenermaßen mäßig originellen, aber trotzdem ziemlich sicher zutreffenden Einschätzung Gastronomie ist nicht Gastronomie hinreißen.
Am Rad, aber nicht am Berg
Caviste Rudolf hat expandiert, um ein Gerundiv. Er ist jetzt ein Cycling Caviste und bringt Ihnen mehr oder weniger jederzeit Wein an die Türtacke.
Als Alpinist würde sich der Rudl nicht bezeichnen. Ein solcher zieht in Österreich nicht freiwillig von Westen nach Osten.
Sämtliche einschlägigen Aktivitäten meint der Rudl in seiner Kindheit bereits erschöpfend absolviert zu haben, egal ob im Winter mit mechanischen Aufstiegshilfen oder im Sommer zu Fuß. Einer abgewandelten Redensart zufolge hält es Monsieur Rudolf mit: Die XXX-Shopping Malls von außen (wenn möglich nicht einmal das), die Berge von unten und die Heurigen von innen.
Aber an den französischen Gebirgsweinbaugebieten hat der Rudl, wie man so sagt, einen Narren gefressen. Darum war von Anfang an klar, dass er sich im französischen Teil seines Sortiments auf diese an Rebfläche kleinen, an Altitude und Weinqualität aber mitunter ziemlich hohen, vor allem oft äußerst steilen Weinberge spezialisieren wird. Allerdings schreit ein Prinzip, wenn es nicht zum Dogma werden will, in den Augen vom Rudl schon fast prinzipiell nach einer Ausnahme. So eine war von Anfang an die Domaine Michel Brégeon aus Gorges im Muscadet.
Etwa alle zwei, drei Jahre tanzt Caviste Rudolf darüber hinaus mit einem Sechser Karton Wein, meistens aus privaten Beständen und aus anderen Gegenden an, einfach so, nicht als Test oder als Sonstwas, sondern quasi zur Abwechslung. Dagueneau war da schon zweimal dabei, Vacheron, der Vin de France für die lokale Kundschaft von Faurie oder ein Poulsard von Jacques Puffeney. Jetzt ist es wieder einmal so weit, allerdings ausschließlich am Rad.
Côte Rôtie Côte Brune 2018, Domaine Chambeyron-Manin, Ampuis, Rhône nord, 60 Euro
Die Côte-Rôtie heißt „gebratener Hang„. Daran gefällt dem Rudl allein schon die Mehrdeutigkeit. Ein Name für eine kühle Lage ist das auch nicht. Die Côte Rôtie liegt an der nördlichen Rhône, wo Syrah der Chef ist – keine Rebsorte, die das Interesse vom Rudl bis jetzt unverhältnismäßig stark geweckt hätte. Der hat diese Weine vor seinem geistigen Gaumen in der Kategorie Holz & Schmalz abgelegt. Die Repräsentanten dieser Rebsorte haben bis jetzt wenig Anstalten gemacht, dem Rudl diese Kategorisierung wieder auszureden, mit einer Ausnahme: Vor einem Forschungsaufenthalt 2017 hat Monsieur le Comte den Rudl auf Bernard Faurie in Tournon-sur-Rhône aufmerksam gemacht. Und das Wenige, was der Rudl von diesem Weingut bis jetzt probieren und trinken konnte, war schon ziemlich überzeugend. Fährt man von Monsieur Faurie in Richtung Norden kommt man bald einmal an der Côte Rôtie vorbei. Die bringt es auf 264 Hektar, etwas mehr als Irouléguy, wobei in der baskischen Appellation die Rebflächen über eine weit größere Fläche verstreut sind. Das hat dort vor allem auch mit den Mönchen von Roncevaux zu tun. Die waren ziemlich pingelig und haben Wein nicht überall angepflanzt.
Geologisch gehören diese gebratenen Hänge zum Zentralmassiv, womit dem Rudl jetzt wirklich kein Gebirgsmassiv in seinem – das Wort „Portfolio„ mag er nicht – Sortiment fehlt. In Gneis und Glimmerschiefer wurzeln diese Syrah-Rebstöcke.
Die renommiertesten Abschnitte der Côte Rôtie befinden sich bei Ampuis, die Côte Brune und die Côte Blonde. Dort soll im sechzehnten Jahrhundert ein Lehensherr seinen Weinberg auf zwei Töchter aufgeteilt haben. Die eine soll blond, die andere brünett gewesen und beide entsprechend ihrer Haarfarbe dem neuen Besitz den Namen verpasst haben.
Ziemlich sicher ist das ein Schmäh, aber wenn Sie den Rudl fragen, kein besonders origineller. Grundsätzlich kann der Rudl einem guten Schmäh mehr abgewinnen als manch wissenschaftlicher Erklärung. Erstens weil gute Schmähs in der Regel keine totalen Wahrheitseinsprüche erheben und damit dogmatisierungsresistent ist und zweitens weil manche im Bierernst vorgebrachte wissenschaftliche Festlegung von manchmal ziemlich willkürlich ausgewählten Prämissen ausgeht, gerade im Bereich der angeblich exakten Wissenschaften. Freilich ändert das nichts daran, dass der Rudl unendlich dankbar ist, dass Wissenschaftler heute zum Beispiel in ziemlich kurzer Zeit sehr gute Impfstoffe entwickeln können.
Und im gegenständlichen Fall ist das Gschichtl um die Farbgebung der beiden Terroirs ein bissl seicht. Da zieht der Rudl sowieso die geologische Erklärung vor: Der Kalkanteil ist in den Böden der Côte Blonde höher, und Kalk ist ziemlich weiß, wohingegen die Côte Brune mehr Lehm, Schiefer und Eisen enthält. Eisen oxidiert ganz gerne und wird dann bekanntlich rostbraun und brünett.
Auf diese geologischen Gegebenheiten soll es zurückzuführen sein, dass Weine von der Côte Blonde zugänglicher, jene von der Côte Brune kräftiger und langlebiger sind. Das hat der Rudl gelesen. Empirische untersucht hat er es nicht. Dafür fehlt ihm die erforderliche Menge an Studienobjekten.
Wetter
An der nördlichen Rhône reißen einander kontinentales und mediterranes Klima einen Hawidehre herunter. Im Sommer ist es heiß und trocken, wenn auch nicht ganz so heiß wie im etwas weiter südlich gelegenen Hermitage oder der Gehsteigkante zwischen Laaer Berg und Pannonischer Tiefebene, an der Herr Kurt in jungen Jahren den Favoriten & Blues erfunden hat.
Der von Nordosten nach Südwesten fließende Bach hat ein paar südlich ausgerichtete Amphitheater in die Landschaft gegraben. Diese prägen gemeinsam mit der „Bise„, einem Nordwind, das Mikroklima der Côte Rôtie.
Weinstil
An und für sich wären in den Rotweinen von der Côte Rôtie immer noch zwanzig Percent Viognier erlaubt. Das ist ein Relikt aus Zeiten, in denen man die Stiele der Trauben mitvergoren hat. Damit das Ganze dann nicht mehr Pelz als Wein ergibt, hat Viognier quasi den Tanninen das Wilde ein bissl herunter räumen müssen. Heute scheinen die Tannine etwas an Prestige eingebüßt zu haben. Darum hat Viognier zumindest im Roten keinen so großen Auftrag mehr.
Verstärkt durch Bewertungen eines Weinkritikers, der vor Jahrzehnten auch die halblange, gefütterte, bevorzugt über die österreichischen Lagerhäuser vertriebene Männekapuzenjacke erfunden hat, ist schon seit einem Zeitl an der Côte-Rôtie ein Trend zu holz- & alkoholkonzentrierten Marmeladoiden zu beobachten. Der klassische Côte-Rôtie hingegen war von Eleganz geprägt und guten Pinot Noirs aus Burgund näher als Johannisbeermarmelade.
Rebsorte
Syrah aus der Familie der Sérines, Tochter einer natürlichen Kreuzung aus Mondeuse Blanche und Dureza. Dem Rudl ist das ein ausreichendes Motiv für einen Exkurs über Mondeuse Blanche. Die ist in Savoyen so gut wie ausgestorben und dann trotzdem ziemlich populär geworden, als Wissenschaftler 1998 draufgekommen sind, dass da irgendeine G‘schicht zwischen Mondeuse Blanche und Dureza gelaufen sein muss. Herausgekommen ist Syrah.
Auf diesem Umweg ist Mondeuse Blanche wieder zu einer ganz passablen Reputation gelangt, allerdings eher am Papier und in den DNA-Labors. Denn Rebstöcke hat es von ihr kaum mehr welche gegeben. Michel Grisard hat mit ein parr Verrückten am Beginn der Domaine des Ardoisières dann wieder Mondeuse Blanche ausgepflanzt. So befinden sich im Schiste zehn und im Argile Blanc zwanzig Percent Mondeuse Blanche. Etwas später haben die Dupasquiers eine Parzelle Mondeuse Blanche neu bestockt. Davon gibt es seit dem Jahrgang 2011 für Privatkunden das eine oder andere Flascherl. Aber so ähnlich wie die Dupasquiers ihre Weine in der Regel erst nach drei Jahren in Verkauf bringen, dürften sie es auch mit dem Alter der Rebstöcken halten. Darum ist ihre Mondeuse Blanche aufgrund der noch jungen Rebstöcke für den Handel noch nicht erhältlich.
Mondeuse Noire und Mondeuse Blanche
Wenn der Ampelograph José Vouillamoz Recht hat, dann ist Mondeuse Noire übrigens keine Mutante von Mondeuse Blanche, sondern eine Tochter. Damit wäre sie quasi die Schwester oder Halbschwester von Syrah.
Domaine Christiane Chambeyron-Manin
Die Weingüter, von denen Caviste Rudolf Wein verkaufen darf, sind in quantitativer Hinsicht keine Giganten. Durchschnittlich bewirtschaften sie weniger als zehn Hektar. Gegen die Domaine Chambeyron-Manin müsste man sie freilich fast als Großbauern bezeichnen.
Der Steinmetz Jean-Marie Chambeyron kam am Ende des Neunzehnten Jahrhunderts nach Ampuis an der nördlichen Rhône, just nach der Reblaus. Er war einer von denen, die jene heute so berühmten Lagen bepflanzten, nachdem the America-Beast, wie Prof. Trömp sagen würde, den europäischen Weingärten den Garaus gemacht hatte.
Monsieur Chambeyron machte Wein für die örtlichen Bistros und war einer der Pioniere, was die Wiederbepflanzung nach dem Reblausknockdown betrifft. Seine beiden Enkel Maurice und Marius waren recht unterschiedlich. Der eine wählte nach dem Zweiten Weltkrieg den damals dort sichereren Weg und wandte sich dem Obst- und Gemüseanbau zu, der andere, Marius, begeisterte sich für den Weinbau, was zu dieser Zeiten an diesem Ort wirtschaftlich um einiges gewagter gewesen ist als Obst- und Gemüseanbau. 1983 hat Marius Chambeyron dann seine auf vier Hektar angewachsene Rebfläche größtenteils an seine Tochter Nicole abgegeben. Nur einen halben Hektar hat er sich behalten. Den hat er bis 1992 bewirtschaftet, dann hat ihn die andere Tochter Christine bekommen.
Die Domaine Cahmbeyron-Manin macht 1 Wein – als Homage an den Opa. Davon gibt es keine zweihundert Kisten, dafür wird ein Teil der Flaschen mit den alten Etiketten von Marius beklebt.
Synthetische Spritzmittel kommen ihnen keine in den Garten. Darum erledigt man die Weingartenarbeit ohne gesundheitliche Risiken händisch. Im Weingarten helfen Schiefer, Eisen und der Nordwind, im Keller die Kämme der Trauben, indigene Hefen, Beton, gebrauchte Fünfhundertfünfzigliterfässer und achtzehn Monate Zeit. Utensilien wie neue Barriques, Schönungsmittel, Filter oder Rebler haben keinen Zutritt. Dann sollte man den Wein trotzdem nicht gleich trinken. Denn er orientiert sich am alten Stil eines Côte Rotie und nicht an dem vom Kapuzenjackenerfinder.
Sollten Sie einmal in der Gegend sein, könnten Sie den kleinen Markt „Les Jardins de la Côte Rôtie“, in dem die Familie Gemüse aus Eigenbau sowie lokale Käse- und Fleischprodukte vertreibt besuchen.
Mittlerweile führt offiziell schon Christines Tochter Véronique die Regie des Weinguts. Die führt auch „Les Jardins de la Côte Rôtie“, womit Obst- und Gemüsebau sowie Wein wieder zusammen gefunden haben, wie beim Urgroßvater.
Der Rudl hat den Wein noch nicht probiert. „Vorkosten à la trinkma omoi a Flascherl und schauma“ ist bei einer Zuteilung von sechs Flaschen und erheblichen Aufwänden im Fall einer Wiederbeschaffung vermutlich keine so gute Idee. Aber Monsieur le Comte hat den Wein getrunken. Der hat den Rudl vor sehr vielen Jahren auf Didier Dagueneau, vor nicht ganz so vielen auf Edmond Vatan und 2017 auf Bernard Faurie aufmerksam gemacht. Warum hätte der Rudl also in diesem Fall nicht dankbar seinem Rat folgen sollen?
Noch einmal Mondeuse Noire
Caviste Rudolf hat bis jetzt ja geglaubt, dass Mondeuse Noire die Mutter von Syrah ist. Er hat das auf diesem Weg auch immer wieder mitgeteilt, zu seinem Glück hat er dabei ziemlich sicher immer nur „Mondeuse„ geschrieben, gemeint hat er dabei die rote – das gibt er unumwunden zu , zutreffend dürfte jedoch die weiße sein – ganz sicher scheinen sich da die Ampelographen noch nicht zu sein. Der ursprüngliche Verdacht, es handle sich bei der einen um eine Mutation der anderen, dürfte durch DNA-Analysen widerlegt sein. Eher scheint Mondeuse Blanche die Mutter von Mondeuse Noire und Syrah zu sein. Das ist dem Rudl ein ausreichendes Motiv, an ein paar Mondeuses in seinem Sortiment zu erinnern.
Argile Rouge 2018, Domaine des Ardoisières, Saint Pierre de Soucy und Saint Jean de la Porte, IGP Vin des Allobroges – 27,50 Euro
25 % Mondeuse Noir, 65 Gamay und 10 Persan; geschieferter Mergel, Kalkgeröll und Ton
Mondeuse 2016, Domaine Dupasquier, Aimavigne, AOP Vin de Savoie – 15 Euro
Mondeuse der alten Schule – ganze Trauben, spontane Vergärung, elf Monate im großen Holz und jetzt drei Jahre in der Flasche
Mondeuse „Le Confidentiel„ 2018, Les Fils de Charles Trosset, Arbin, AOP Vin de Savoie – 24 Euro
Ein bissl mehr Rebläche hat Louis Trosset noch als Mme. Chambeyron, aber viel mehr ist es nicht. Der 2016er hat seinerzeit bei Ihrer Wahl zum besten Wein Savoyen ex aequo mit dem Quartz von der Domaine des Ardoisières gewonnen.
Mondeuse 2015, Jacques Maillet, Motz, Chautagne, AOP Vin de Savoie – 28,50 Euro
Ein paar Flascherl sind davon noch da. Noch sind die extrem empfindlichen Etiketten lesbar.
Mondeuse 2016, Dominique Belluard, Ayse, AOP Vin de Savoie – 38 Euro
Etwa zehn Hektar bewirtschaftet Dominique Belluard, 2 % davon sind mit Mondeuse bepflanzt. Wenn der Rudl sich richtig erinnert, wird sie in Betoneiern ausgebaut.
… und eben ampelographisch die Schwester Syrah:
Côte Rôtie Côte Brune 2018, Domaine Chambeyron-Manin, Ampuis, Rhône nord – 60 Euro
… halt leider nach wie vor ausschließlich per Weinhandlung am Rad
Die Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils bleibt geschlossen, weil eine Ausschank von Weinen nach wie vor nicht möglich ist.
Darum begnügt sich Rudolf, the big nosed cycling Caviste, damit, Ihnen weiterhin kontakt-, CO2- und zustellgebührfrei Wein vor die Wohnungstür zu radeln.
Der Rudl wünscht Ihnen alles Gute!
Die Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils ist bis auf Weiteres weiterhin geschlossen, aber Cycling Caviste Rudolf Polifka stellt Ihnen ebenso weiterhin auch gerne CO2-, kontakt- und zustellgebührfrei Wein mit dem Radl zu.
http://wein-polifka.at/sortiment-2/
Im Übrigen ist Rudolf Polifka der Meinung,
dass es definitiv Zeit für den Ausbruch des Menschen aus seiner selbstverschuldeten, neoliberalen Unmündigkeit ist
und man auch deshalb den 27. Jänner, den Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz zu einem europäischen Feiertag erklären soll.
Schicken Sie ein entsprechendes E-Mail, wenn Sie keine Nachrichten der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils bekommen möchten.
Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22, 1150 Wien
Öffnungszeiten: vorübergehend geschlossen, aber
kosten- und fast CO2-lose Zustellung innerhalb von und um Wien, auch von Einzelflaschen