Pinot gris und Pinot noir – Frankreich, Schweiz, Österreich, DONNERSTAG, 3. Oktober von 17 bis 21 Uhr

Rebsorten

Rebsortentechnisch betrachtet hat der Rudl lange Zeit zwei Favoriten gehabt: Sauvignon blanc und Pinot gris, wobei die eine Rebsorte eher im Frühling, die andere im Herbst auf dem Studier-, Ess- und Trinktisch gestanden ist. Erst die wirklich intensive Forschung in und an der Weinbauregion Savoyen sowie der Appellation Irouléguy, etwas später dann auch dem Jura hat bei Monsieur Rudolf Polifka die Akzente in Richtung Altesse, Mansengs und Savagnin verschoben. Inzwischen ist die Frage nach der Rebsorte auf dem Rudl seiner oenologischen Aufmerksamkeitsliste etliche Plätze nach unten gerutscht, aber das ist vielleicht eine andere Geschichte.

Pinot gris

… hat auf alle Fälle über die Jahre für Caviste Rudolf Polifka wenig von seiner Attraktivität eingebüßt, trotz erderwärmungsbedingt höheren Alkoholwerten. Das hat auch damit zu tun, dass diese Rebsorte mit Ausnahme von Norditalien nirgends eine wirklich dominante Rolle spielt, nie gespielt hat. Darüber hinaus fällt dem Rudl jetzt auf die Schnelle auch kein Weingut ein, dessen teuerster Wein – den Terminus „Flaggschiff“ hält der Rudl in diesem Zusammenhang für patschert – aus Pinot gris-Trauben gekeltert wäre, vielleicht vom Rangen de Thann Clos Saint Urbain von Zind-Humbrecht abesehen. Pinot gris ist nicht besonders grau, die Beere nicht und der Wein schon gar nicht, heißt aber trotzdem so. Sein Status unter den Rebsorten lässt seinen Namen leichter nachvollziehen, wenngleich das Farbadjektiv „grau“ wohl kaum auf seine Rolle als ebensolche Maus unter den Rebsorten zurückzuführen ist. Entstanden ist er durch eine Mutation aus …

Pinot noir …

…, dessen Ursprung irgendwie auf Savagnin zurückzuführen ist. Auf alle Fälle ist er alt und tendenziell immer schon die Rebsorte für Rotweine aus nördlicheren Gebieten gewesen, dürfte deshalb im Unterschied zu Grenache sowie dessen Kolleginnen und Kollegen nicht von den alten Griechen ins Land gebracht worden sein.

Schlossgut Bachtobel, Thurgau, Schweiz

Hans-Ulrich Kesselring war Weinmeister auf Schloss Bachtobel im Schweizer Thurgau. Außerdem war er ein gebildeter, bescheidener Mann, in Sachen Wein kompromisslos, hat viel nachgedacht und dabei offensichtlich die richtige Gesellschaft gehabt, Jules Chauvet zum Beispiel. Der war für den Physiknobelpreis vorgeschlagen, Weinhändler, Weinbauer, sowie Erforscher der Grundlagen für Biowein: Weinbereitung, Verkostung und Glasentwicklung. In den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts hatte Jules Chauvet Versuche angestellt, wie man ohne Schwefelzusatz Wein produzieren kann. Später hat er sein Wissen nicht nur bei seinen eigenen Weinen angewandt, sondern auch Weinmeister wie Marcel Lapierre, Jean Foillard, Jean-Claude Chanudet oder Jean-Paul Thévenet im Beaujolais und Pierre Overnoy im Jura dabei unterstützt, auf das Schwefeln zu verzichten und trotzdem blitzsaubere Weine zu machen. Geneigte Oenologin, gewogener Oenologe, verstehen Sie den Rudl bitte nicht falsch! Er hat kein grundsätzliches Problem mit Schwefel bei der Weinproduktion, zumal es sich dabei um eine natürliche Substanz handelt. Aber zu viel Schwefel ist der Lebendigkeit eines Weines nicht zuträglich und kann Kopfweh verursachen. Das kann man ziemlich leicht empirisch überprüfen. Wein von Jules Chauvet wird es wohl keine mehr geben, zumindest nicht zu erwerben. Beim Lesen eines Interviews von Hans-Ulrich Kesselring mit Jules Chauvet aus dem Jahr 1981 hat der Rudl aber die Idee gehabt, sich nach dem Interviewenden zu fragen und dann noch ihm zu forschen. Wenn Herr Kesselring in den achtziger Jahren oenologische Gespräche mit Professeur Chauvet geführt und dabei über seinen eigenen Wein gesprochen hat, könnte es einen Sinn haben, diesen Weinen auf den Grund zu gehen. Dabei ist der Rudl auf das Schlossgut Bachtobel gestoßen. Heute führt der Neffe von Hans-Ulrich Kesselring das Weingut. Der Rudl verdankt diesem, den ersten und bis jetzt einzigen vielschichtigen Müller-Thurgau seines Lebens getrunken zu haben. Diese Woche können in der Weinhandlung Rudolf Polifka der Pinot gris und der Pinot noir N°1 vom Schlossgut Bachtobel studiert werden.

  • 2022 Pinot gris Reserve, Josef Umathum, Frauenkirchen, Neusiedler See (5/8)
  • 2022 Pinot gris, Schlossgut Bachtobel, Weinfelden, AOC Thurgau, Schweiz (7/11)
  • 2019 Schiste, Domaine des Ardoisières, Cevins, IGP Vin des Allobroges (8/12)

(40 % Jacquère, 30 % Roussanne, 20 % Pinot gris, 10 % Mondeuse blanche)

Pinot noir 

  • 2022 Pinot noir N° 1, Schlossgut Bachtobel, Weinfelden, AOC Thurgau, Schweiz (6,50/10)
  • 2016 Pinot noir, Weinhof Uibel, Ziersdorf, Weinviertel West (5/8)
  • 2022 Ceux d’avant, Côteaux des Girondales, Villaz, Haute Savoie, Vin de France (5/8)

50 % Mondeuse, 20 % Persan, 20 % Pinot noir, 10 % Douce noire

Aufmerksame Studierende werden erkannt haben, dass bei diesem Thema Weine der Dankbarkeit fehlen. Das ist nicht Absicht. Der Rudl hat übersehen, rechtzeitig die Pinots aus dem Hause Glück und Lentsch zu kaufen. Er wird das bei der nächsten Gelegenheit nachholen.

DONNERSTAG, 3. Oktober von 17 bis 21 Uhr

Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils

Reindorfgasse 22

 

Im Übrigen ist der Rudl der Meinung, dass der 27. Jänner, der Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Konzentrationslager Auschwitz, zu einem gesamteuropäischen Feiertag erklärt werden muss.

 

Oid und grau grüßt Rudolf Polifka Mick Jagger und Kurt Ostbahn!

 

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Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22, 1150 Wien

Einführung in die Demokartie I: der G’mischte Satz, DONNERSTAG, 26. September von 17 bis 21 Uhr

5 manchmal komplizierte, manchmal entsetzliche, aber alles in allem gute Jahre

… ist es her, dass der Rudl zum letzten Mal den G‘mischten Satz zum Gegenstand oenologischer Untersuchungen gemacht hat. Das war damals anlässlich einer Pflanzung im Rahmen einer Aktion als Schulmeister. Und niemand hätte damals die Pflanzerei würdiger unterstützen können als Willi Resetarits und Professor F.D. Ohne letzteren und die Idee des Herrn A.K. aus der Schliemanngasse wäre das Ganze in der Form auch gar nicht möglich gewesen. Danke auch an dieser Stelle!

Seinerzeit. Durcheinander statt Homogenität

Das Grundprinzip des G’mischten Satzes besteht in einem Durcheinander von unterschiedlichen Rebsorten sowie Altern, Clonen und Unterlagsreben der Rebstöcke. Früher war das vermutlich weniger geplant als ganz einfach eine natürliche Begleiterscheinung wirtschaftlicher Gegebenheiten. Es war nicht so „mir nix – Dir nix“ machbar, auf einen Schlag einen sorten- oder gar clonreinen Weingarten zu pflanzen, wenn die Weinbäuerin oder der Weinbauer jede Rebe vorher selber veredeln musste. Überaus erfolgreiche Begleiterscheinung des Durcheinanders im Weingarten war eine signifikant erhöhte Resistenz gegen Rebkrankheiten und mehr Komplexität im Glas.

Mochma liawa vü!

Bei den Nazis hat die Intensivierung der Landwirtschaft dann erste Urstände gefeiert. Angeheizt vom Chemiekästen wurden die Erträge ins fast Unermessliche erhöht und die Qualitäten ins Bodenlose gesenkt. Uniformismus nicht nur am Schlachtfeld, sondern auch auf landwirtschaftlich genutzten Feldern. Stalinismus und ideologischer Turbo-Kapitalismus scheinen sich daran ein Vorbild genommen zu haben. Der Rudl hält nach wie vor einiges von der These, dass es eine Korrelation zwischen Unmenschlichkeit und schlechtem Geschmack gibt. Aber das ist schon fast wieder eine andere Geschichte.

Renaissance des G’mischten Satzes

Heute herrscht ein regelrechtes Theater um den G’mischten Satz. Das bedeutet jedoch nicht, dass es nicht ein paar Winzerinnen und Winzer gibt, die es ernst meinen mit der Diversität im Weingarten, die Bäume, Hecken und Büsche nicht nur an, sondern auch in die Weingärten pflanzen, Nützlingen eine Behausung bieten und so für ein gesundes Gleichgewicht von Fauna und Flora sorgen. So etwas sieht man dann auch und man schmeckt es, zum Beispiel im Weingarten von Peter Uhler. Auch in Frankreich können immer mehr Weinbäuerinnen und Weinbauern der Idee, Weingärten nicht mehr sortenrein anzulegen, sondern die gesunden Wechselwirkungen mit Hagebuttensträuchern, Brennesseln oder alten Obstsorten mit den Rebstöcken zu nutzen, etwas abgewinnen, nur dass sie dort nicht „G’mischter Satz“, sondern „complanté“ sagen. In einigen Weingärten von Jérémy Decoster wachsen die Weinstöcke complanté.

Mit der Vielfalt und den Unterschieden haben vor allem die Rechtsradikalen, aber auch die Hyperkorrekten ihre Probleme, womit der Rudl diese beiden Weltanschauung nicht auf eine Stufe stellen möchte. Es ist bekanntlich so, dass besonders die Rechtsradikalen ganz gerne den „Hausverstand“ strapazieren. Dabei sagen sie „Hausverstand“ und meinen Irrationalismus, Angst und Wissenschaftsfeindlichkeit. Wirklicher Hausverstand, der von Verstehen und nicht von Ressentiment und Boulevard kommt, muss stark genug sein, rechtsradikale Hysterikerinnen und Hysteriker in die Schranken zu weisen, auch wenn diese noch so viel Kreide gefressen haben!

Wählen wir in diesem Sinne!

  • 2022 G‘mischter Satz, Engelbert Mittl, Bildein, Südburgenland (3/5)
  • 2022 G‘mischter Satz Obere Schoss, Peter Uhler, Wien (4,50/7)
  • 2017 Stockweingarten, Friedberger, Bisamberg, Weinviertel (4/6)

Früher war Stockweinkultur die übliche Form der Rebenerziehung. Im Zuge der Mechanisierung ist man dann irgendwann dazu übergegangen, Weinreben in Reih‘ und Glied zu pflanzen und an Drahtrahmen zu befestigen. Hintergrund war meistens die bessere Mechanisierbarkeit mit dem Traktor. Das hat zu einer meist viel zu niedrigen Stockdichte und der Traktor zu Bodenverdichtung geführt. In Österreich ist die Stockkultur eine veritable Rarität. Wenn ein Weingarten in Stockkultur gepflanzt ist, erkennt man das meistens vor allem daran, dass der davon geerntete Wein zu phantastischen Preisen angeboten wird. Das muss nicht so sein. Ein Blick nach Frankreich genügt, ein Blick nach Bisamberg auch.

  • 2013 G’mischter Satz, Andert, Pamhagen, Neusiedler See (6/9)

maischevergorener G’mischter Satz

  • 2021 Gastine, Domaine les Cortis, Andert et Condon, Bugey (4,50/7)

Gamay, Mondeuse, Corbeau, Pinot noir, Altesse, Chasselas und Chardonnay – complanté!

  • 2022 Uzée, Domaine les Cortis, Andert et Condon, Bugey (4,50/7)

 

DONNERSTAG, 26. September von 17 bis 21 Uhr

Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils

Reindorfgasse 22

 

Im Übrigen ist der Rudl der Meinung, dass der 27. Jänner, der Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Konzentrationslager Auschwitz, zu einem gesamteuropäischen Feiertag erklärt werden muss.

 

Eine Stimme für den G’mischten Satz und gegen Kreidefresser wie Uniformisten!

 

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Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22, 1150 Wien

Corbières. Eine neue Appellation im Sortiment der Weinhandlung Rudolf Polifka et fils und ein paar Überlegungen zu Säuren im Wein, DONNERSTAG, 19. September von 17 bis 21 Uhr

Neue Öffnungszeiten

Caviste Rudolf Polifka wird im neuen Studienjahr am Donnerstag von 17 bis 21 Uhr sein Geschäft aufsperren.

 

Corbières

Der Rudl hat an einer weiteren Pyrenäenappellation einen Narren gefressen. Er weiß zwar nicht, was dieser Ausdruck genau bedeuten soll, beziehungsweise wo er herkommt. Aber dass in den Corbières seit etwa zwanzig Jahren ein paar wirklich außerordentlich begnadete Weinbäuerinnen und Weinbauern am Werk sind, das weiß Caviste Rudolf Polifka. Und er hat sich heuer im Rahmen eines Lokalaugenscheins davon vergewissert, indem er den einen oder anderen Weinmeister persönlich kennen gelernt hat.

Früher hat der Rudl bei „Corbières“ immer an Pierre Richard gedacht. Der betreibt dort schon seit einer halben Ewigkeit seine Domaine de l‘Evêque. Und dann war da noch ein Schotte, bei dem der Rudl vor fast dreißig Jahren einmal Wein gekauft hat. Aber da war der Rudl noch ein junger Bub. Danach hat Herr Rudolf diese Appellation aus dem Geschmacksfeld verloren. Wahrscheinlich war das ein Fehler.

 

Mittelmeer

Die Corbières befinden sich im Languedoc, einer südfranzösischen Weinbauregion, quasi eingekeilt zwischen Mittelmeer und Pyrenäen. Jetzt hat der Mittelmeerraum in der Vergangenheit geistes-, vor allem aber demokratiegeschichtlich große Verdienste aufzuweisen. Oenologisch ist er aber nicht unbedingt dem Rudl sein Revier: zu heiß – zu viel Schmalz.

 

Exceptionel

Aber es geht auch ganz anders. Damit meint der Rudl jetzt nicht jene Experimente, die phenolisch unreif heruntergeschnitten werden, um dann mit elf Percent Alkohol und einer Apfelsäure, die an die Stimme von politischen Berufskeifern erinnert, in ein Flascherl mit lustigem Etikett gefüllt zu werden. Je länger der Rudl vergleichende Oenologie studiert, desto mehr erhärtet sich ihm der Verdacht, dass Säure ein überschätztes Thema ist. Darum erlaubt sich Weinoberlehrer Rudolf Polifka gleich, ein paar Überlegungen dazu anzustellen.

 

Säuren im Wein

Schaut man sich an, welche Jahrgänge als wirklich extraordinaire in die Weinannalen eingegangen sind, kann man zumindest aus heutiger Sicht stutzig werden. Das sind fast durch die Bank Jahrgänge mit einer Affenhitze. 1947 zum Beispiel. Da sind im Jura Nutztiere verendet, weil die Sonne das Grünzeug weggebrannt hatte. Freilich bedeutet das nicht, dass ein heißer Jahrgang per se große Weine mit sich bringt. Dass für einen großen Wein viel Sonne nicht von Nachteil ist, aber womöglich schon. Freilich muss man da auch die Auswirkungen der Erderwärmung in Betracht ziehen. 1947 war ein ganz großer Jahrgang, weil die Trauben in diesem Jahr einmal wirklich reif geworden sind. In den Jahren davor und danach sind sie das zumindest in nördlicheren Weinbaugebieten wie dem Jura nicht. Heute ist Voll- oder Überreife die Regel und Jahrgänge mit markanter Apfelsäure sind die Ausnahme. Jacques Néauport, Weingelehrter, der immerhin Weingüter wie Rayas beraten hat, weist darauf hin, dass Säure ein Betätigungsfeld für den Chemiekasten ist. Ein Jahr setzen sie die Säure zu, das andere Jahr entsäuern sie. Da kann sich der oenologische Zauberer wichtig machen. Vielleicht wäre genauer hinzuschauen auf die Art der Säure. Die oft spitze Apfelsäure in den Beeren wird etwa durch Hitze gemindert. Die Frage ist, ob man überhaupt so viel davon braucht, wenn man einen guten Wein trinken will. Sie ist sicher von Vorteil, wenn es darum geht, den biologischen Säureabbau so lange einzubremsen, bis die Hefen ihr Werk der alkoholischen Gärung finalisiert haben. Aber danach? Die Weinsäure hingegen erweist sich gegenüber der Sonne als ziemlich resistent. Der setzt eher der Regen zu. Richtig Bröseln wegen eines Mangels an Säure hätte ein Jahrgang vermutlich, wenn es sehr heiß ist und viel regnet. Das ist zum Glück eine eher seltene Kombination. Wenn es jetzt dann nicht bald aufhört zu regnen, könnte aber genau das zum Problem für die noch nicht gelesenen Trauben werden. Der Rudl hat vor wenigen Tagen einen Silex aus dem Affenhitzejahrgang 2003 studiert. Der Wein war alles andere als müde oder plump. Wahrscheinlich hat die Weinsäure ihn gerettet.

 

Zurück in die Corbières

Die Trauben für die erfreulichen und extraordinairen Weine aus dem Mittelmeerraum, die der Rudl meint und von denen er im Sommer den einen oder anderen kennengelernt hat, wachsen zum Großteil auf uralten Rebstöcken von Rebsorten, die man vor wenigen Jahrzehnten noch aufgrund zu geringer Zuckereinlagerungskapazitäten und Erträge ausgerissen hat, in zerstreuten Höhenlagen, manchmal sogar ein bisschen nördlich ausgerichtet.

 

Corbières. Stundenwiederholung vom 6. August 2024

Diese zehntausend Hektar große Appellation gehört nicht zu den renommiertesten Frankreichs. Spritzmittel, Alkohol, kolossale Erträge und Weinbauernproteste sind vermutlich die ersteren Assoziationen mit dieser Gegend im Südwesten von Narbonne.

Der Rudl hat diese Gegend seit 1996 als landschaftlich ausgesprochen schön in Erinnerung. Damals hat er bei einem Schotten in Albas Wein gekauft. Pensées sauvages, Jahrgang 1994. Leider findet der Rudl diesen Wein im ganzen Internet nirgends mehr. Das Weingut gibt es nicht mehr. Der ehemalige Betreiber Nick Bradford ist in der Rente nach Schottland zurück gegangen. Die das Weingut übernommen haben, machen angeblich auch keinen Wein mehr. Die Landschaft ist immer noch so verlassen wie vor dreißig Jahren. Felszacken, Garrigue und die eine oder andere Klamm. Schlangen.

 

Corbières, geographisch, historisch und oeno-soziologisch

Die Corbières werden im Norden von der Aude, im Süden und Westen von den Pyrenäen und im Osten vom Mittelmeer, quasi zwischen den Pyrenäen und dem Massiv central eingegrenzt. Als höchster Punkt steigt der Pic de Bugarach auf 1230 Meter. Die geologische Besonderheit der Appellation liegt in Terroirs aus allen Erdzeitaltern. Darin ist sie Irouléguy nicht ganz unähnlich. Nur dass die atlantische Entsprechung der Corbières ihre geologische Vielfalt auf zweihundert Hektar ausbreitet, während die Corbières fünfzigmal mehr Platz dafür brauchen. Erlauben Sie dem Rudl einen kurzen Abstecher in die Vergangenheit. Mehr als 245 Millionen Jahre ist es jetzt schon wieder her, dass die Corbières nur vom hercynischen Massiv besetzt waren. Dann war die Gegend bis vor 65 Millionen Jahre vom Meer bedeckt. Aus dieser Zeit stammen nicht nur die markanten Felszacken, sondern auch die Kalkaromen in den Weinen der meisten Terroirs. Vor 65 bis 1,65 Millionen Jahren stehen dann die Pyrenäen auf, indem sich der zerbrochene Sockel nach oben schiebt. Erosion zerbröselt und verteilt den ehemaligen Granitsockel dann. Das sind heute die Haute-Corbières im Süden der Appellation. Dort stehen viele der verstreuten Weingärten von Maxime Magnon. Von ihm wird später die Schreibe sein. Die Landschaften sind in den Corbières nicht weniger vielfältig als die Steine. Und mit den Rebsorten fängt der Rudl gleich gar nicht an. Nur vielleicht so viel, dass in den siebziger Jahren die Corbières wie fast ganz Südfrankreich nicht wie 265 Millionen Jahre davor vom Urmeer, sondern von der Rebsorte Syrah geflutet worden sind. Ein paar jüngere Weinbäuerinnen und Weinbauern, die entweder ganz von woanders in die Corbières gekommen sind oder zumindest eine Zeitlang weg waren, haben dann darauf aufmerksam gemacht, dass auf so uralten Grenache- oder Carignan-Stöcken vielleicht weniger und kleinere, aber dafür viel geschmackvollere Beeren wachsen.

Die Corbières sind aber auch soziologisch eine bemerkenswerte Appellation. Zuerst einmal das übliche Auf-und-Ab in Sachen Weinbau, wobei wie eh fast allerweil die Aufs zuerst den Römern und später den Mönchen, die Abs eher den Barbaren aus dem Norden und dem Osten zuzuschreiben waren. Interessanter wird es dann Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts mit der Erlaubnis zum Verschneiden mit algerischen Weinen und zum Aufzuckern. Die resultierende soziale Krise führt 1907 zu Revolten mit sieben Toten und einem Gesetz zum Schutz natürlicher Weine aus französischen Weintrauben vor aufgezuckerten oder teilimportierten „vins mouillés“. In den siebziger Jahren wiederholt sich die Geschichte, nur dass am 4. März 1976 bei Protesten nur ein Weinbauer und ein Polizist erschossen worden sind. Alle dürften es noch nicht verstanden haben, dass mit Mochma-liawa-vü, wie der Herr K. dazu sagt, Probleme nicht gelöst, sondern erzeugt werden. Aber viele gibt es, die Geschichte gelernt haben, wie ein anderer Herr K. einem Reporter einmal geraten hat. Einige von ihnen hat der Rudl in den Corbières kennengelernt. Dafür ist er dankbar.

 

 

Zurück zu den Weinen

Wenn Sie den Rudl fragen, ist hohe Säure genauso wenig ein Wert an sich wie Alkohol, Bitter- oder Mineralstoffe. Wenn die Weinbäuerin oder der Weinbauer es schafft, die natürlichen Gegebenheiten in Balance zu bringen – dazu gehört neben dem Talent manchmal vermutlich auch ein Batzerl Glück -, dann kann das schon ein interessanter Wein werden, sogar im Mittelmeerraum.

  • 2021 Campagnès, Maxime Magnon, Durban-Corbières, AOC Corbières, Languedoc (7/11)

uralte Carignan-Stöcke

  • 2019 Cuvée Rose, Maxime Magnon, Durban-Corbières, AOC Corbières, Languedoc (9/14)

Grenache noir – harmonische Kombination aus blühender Garrigue, Waldboden und Steinigkeit

  • 2021 Versicolore, Domaine Balansa, Villeneuve-les-Corbières, Vin de France (6/9)

reinsortiger Carignan von alten Rebstöcken, die auf Schiefer wachsen – ähnlich dem Grenache erweist sich Carignan als ziemlich „zäher Knochen“. Dieses sprachliche Bild gefällt dem Rudl, denn es führt ihm manch uralten Carignan Rebstock vor sein geistiges Auge.

  • 2023 Les Brunelles, Frères Ledogar, Ferrals-les-Corbières, AOC Corbières, Languedoc (4/6)

reinsortiger Cinsault

  • 2021 Haut Gléon rouge, Domaine Haut Gléon, Villesèque des Corbières, IGP Vallée du Paradis (4/6) 

DONNERSTAG, 19. September von 17 bis 21 Uhr

Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils

Reindorfgasse 22

Im Übrigen ist der Rudl der Meinung, dass der 27. Jänner, der Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Konzentrationslager Auschwitz, zu einem gesamteuropäischen Feiertag erklärt werden muss.

 

Frisch, aber nicht sauer grüßt Caviste Rudolf Polifka!

 

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Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22, 1150 Wien

Vertikale Gorges – Domaine Brégeon: 2002 – 2004 – 2005 – 2018, am DONNERSTAG, den 12. September von 17 bis 21 Uhr

Seinerzeit …

Der Rudl hat sich irgendwann einmal eingebildet, in der Frau Gerty ihrem Stricksalon ein Weingeschäft eröffnen zu müssen. Das war vor tausend Jahren. Von Anfang an hat er den eigenen Geschmack zum Kriterium für den Eintritt eines Weins in sein Sortiment gemacht. Aus diesem Grund verkauft der Rudl Weine, die ihm wichtig sind, die ihm – wenn Sie, geneigte Oenologin, gewogener Oenologe, dem Rudl so viel Pathos gestatten – am Herzen liegen. Ein Wein hat damals aber trotzdem noch einmal herausgestochen, aus mehreren Gründen:

  • Der zu diesem Zeitpunkt Noch-nicht-Caviste Rudolf Polifka hatte den Weinmeister erst zwei Jahre zuvor auf kaum geplante, aber umso unvergesslichere Art kennengelernt.
  • Das Weingut hat dem Rudl sein Prinzip, französische Weine von den Bergetappen der Tour de France anzubieten, gebrochen. Und dem Rudl sind Prinzipien grundsätzlich wichtig. Aber genauso wichtig erscheint es ihm, sich über Prinzipien auch einmal hinwegsetzen zu können, wenn man nicht ideologisiert erstarren will. Diese Einsicht verdankt der Rudl dem Herrn H. aus Leopoldsdorf und dem Neuen Testament.
  • Der Wein war alles andere als gewöhnlich ausgebaut: neunundachtzig (89!) Monate in unterirdisch verfliesten Tanks auf der Feinhefe
  • Der Muscadet 2004 von André Michel Brégeon war der erste Wein, den der Rudl damals auf seiner ersten Dienstreise geschäftlich erworben hatte. Den Augenblick, als der Rudl die Palette mit der Aufschrift „Weinhandlung Rudolf Polifka“ gesehen hat, wird er nicht vergessen.

 

Muscadet, Cru Gorges, Domaine Brégeon

Wind bekommen hatte der Rudl von diesem Wein im Bettane Desseauve. Ganz ernstgenommen hat er die gesamt Appellation Muscadet trotzdem nicht. Aber nach einer Woche Bretagne, wo einen Weingüter sowieso nicht auf Schritt und Tritt verfolgen, war der Rudl damals froh, wieder oenologischen Boden unter den Haxen zu verspüren. Es war ein Samstag knapp vor zwölf Uhr, nicht die Uhrzeit, zu der man unangemeldet bei Weinbäuerinnen und Weinbauern aufkreuzt. Weil er dort nicht jede Woche vorbei kommen würde, hat der Rudl angeläutet, in der Annahme, im besten Fall schnell einen Karton Wein kaufen zu können. Michel Brégeon ist gerade an einer Vorrichtung zum händischen Etikettieren einzelner Schaumweinflaschen gesessen. „Ça se fait à la main, comme les vendanges“, hat Monsieur Brégeon lapidar festgestellt. Dass er damit einen heiklen Punkt in seiner Mission zur Zuerkennung des Cru-Status für ausgewählte Terroirs im Muscadet angesprochen hatte, wurde dem Rudl erst Jahre später klar. Und damit sind wir bei der der Rückkehr des Muscadet in die Klasse der seriösen Weine. Genossenschaften, Négociants und dem Moch-ma-liawa-vü“ (© A.K.) verpflichtete Agrarindustrielle hatten mit ihrer expansiven Geschäftstüchtigkeit die gesamte Appellation in den Verruf eines Austernhinunterspülwasserls gebracht. André Michel Brégeon hat das im Muscadet beliebte Spiel der Erweiterung von Rebflächen bewusst nicht mitgespielt. Seine zehn Hektar waren weit unter der üblichen Rebfläche im Muscadet. Michel Brégeon wollte am Weg vom Rebschnitt bis zur Abfüllung nirgends die Kontrolle verlieren. Damit ist er zur Gallionsfigur der Hierarchisierung von Terroirs im Muscadet geworden. André Michel Brégeon versteht sein Terroir, weil er es seit 1975 bearbeitet und davor schon seiner Familie assistiert hat. Gorges war dann auch der erste anerkannte Cru im Muscadet. Der blau-grüne, vulkanische, pickelharte Gabbro ermöglicht bei entsprechender Kultur im Weingarten Weine von seltener Dichte. Blind verkostet werden sie ganz gerne mit den wirklich großen Chablis und Meursaults in Verbindung gebracht, obwohl sie mir dieser Weinbauregion nichts außer dem Nachnamen der Rebsorte gemeinsam haben.

 

Fred Lailler

2011 hat er das Weingut von Michel Brégeon übernommen, weil dieser sechsunddreißig Jahre Handarbeit mit der Gesundheit seines Rückens bezahlen musste. Anders als bei Übergaben, die Caviste Rudolf Polifka auch mitverfolgen müssen hat, arbeitet Fred in regem Austausch mit Michel Brégeon. Das schmeckt man.

 

Gabbro

Wenn Fred der Vater und Michel Brégeon der Opa dieses Weins sind, dann ist der blau-grüne, pickelharte, vulkanische Stein die Mutter.

 

Von 2002 bis 2018

2002 war der erste Jahrgang, den der Rudl bei Monsieur Brégeon erstanden hat, geschäftlich der Zweitausendvierer. Dann haben einmal die Frau R und der Herr C dem Rudl ein paar Kartons vom Zweitausenddreizehner mitgenommen. Heuer war Caviste Rudolf Polifka zum ersten Mal seit zwölf Jahren wieder selber am Weingut. Etliches hat sich geändert. Die Stimmung war alles andere als ausgelassen, weil es im Juli fast jeden Tag geregnet hat und warm war. „Cela vaut pas la peine de vendanger cette année“, hat Fred dem Rudl auf dessen allerbeste Wünsche für die Lese repliziert. Aber die Weine sind immer noch so grandios, wie der Rudl sie in Erinnerung gehabt hat: Vierzig Monate „sur lie“ im immer noch unterirdisch verfliesten Gebinde. Der Rudl freut sich gewaltig, Ihnen solche Weine anbieten zu können.

  • 2018 Muscadet, Cru Gorges, Domaine Brégeon, Les Guisseaux, AOC Muscadet Sèvre et Maine, Loire (5/8)
  • 2004 Muscadet, 89 mois sur lie, André Michel Brégeon, Les Guisseaux, AOC Muscadet, Loire (6,50/10)

noch von André Michel Brégeon höchstpersönlich, rekordverdächtige 89 Monate sur lie

  • 2005 Muscadet, André Michel Brégeon, Les Guisseaux, AOC Muscadet, Loire (6,50/10)

detto, 64 Monate sur lie

  • 2002 Muscadet, André Michel Brégeon, Les guisseaux, AOC Muscadet, Loire (7/11)

detto, 85 Monate sur lie, aus der Magnum

DONNERSTAG, 12. September von 17 bis 21 Uhr

Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils

Reindorfgasse 22

Im Übrigen ist der Rudl der Meinung, dass der 27. Jänner, der Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Konzentrationslager Auschwitz, zu einem gesamteuropäischen Feiertag erklärt werden muss.

 

Aux vendanges!

 

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Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22, 1150 Wien

Neue und gereifte Altesses gegen die dataistische Buchstabensuppe, MITTWOCH(!), 4. September von 17(!) bis 21(!) Uhr

Altesse statt Transhumanismus

Exkurs: Vielfalt

Citoyen Rudolf hält sich für einen Freund der Vielfalt. Dass ihm alle ihren Erscheinungsformen gefallen, ist damit nicht gemeint. Aber vor die Wahl zwischen Gleichschritt und Vielfalt gestellt, wird der Rudl ganz bestimmt immer die Vielfalt wählen. Beim Wein ist die Vielfalt vielleicht besonders überzeugend, bei handwerklich gut gemachten, natürlichen Weinen noch um ein Äutzerl mehr.

Ganz besonders drastisch ist das dem Rudl im Weingarten von einem Weinmeister in einem Nachbarort von Sancerre aufgefallen. Von diesem Weinmeister werden Sie, geneigte Oenologin, gewogener Oenologe, noch lesen und sofern Sie das möchten, sogar auch trinken. Auf alle Fälle ist der Rudl zu früh zu seinem Termin am Weingut erschienen. Und während sich der Weinmeister von der Arbeit restauriert hat, hat der Rudl auf einen Sprung im Weingarten von diesem Winzer vorbeigeschaut. Das war ein Erlebnis an Biodiversität! Am Horizont haben gerade mit Spritzmitteltanks aufgemotzte Traktorwarriors Weinberge durchwoben. Das war das exacte Kontrastprogramm. Auf diesen frappanten Gegensatz vom Rudl hingewiesen, erwiderte der Weinmeister lapidar: „Je fais le contrair.“

Für den Rudl hat Vielfalt eine transzendente Dimension. Beweisen kann und will er das freilich nicht.

Schluss mit dem Dataismus! Es muss im Leben mehr geben als Buchstabensuppe, Periodensystem und Algorithmus.

Gut vierhundert Jahre ist es her, dass man sich die Welt und das Leben als riesiges Sammelsurium an kleinen und kleinsten Teilen, die nur richtig zusammengesetzt werden müssen, vorstellt. Diesen Mechanikern gilt die Vorstellung, dass Lebendigkeit mehr als die Summe von Teilen ist, als religiöse Rückständigkeit. Auf den Gipfel getrieben haben derartige Schmalspurigkeiten dann die Digitalisierungskonzerne mit ihren Algorithmen. Jetzt scheint sich langsam, aber sicher abzuzeichnen, dass man damit zwar vielleicht in relativ kurzer Zeit viel Geld verdienen kann, geistesgeschichtlich aber eher in eine Sackgasse geraten ist und nebenbei sehr effizient das Terrain für wirklich irrationalistsche Spinner bereitet hat.

Als Stimme gegen die Reduktion von Leben auf eine Buchstabensuppe kredenzt der Rudl kommende Woche zum Schulanfang kein Alphabet, sondern Altesse! Die Buchstabensuppe dürfen Sie sich freilich selber mitbringen.

  • 2022 Altesse, Cave de Cruet, Cruet, AOC Roussette de Savoie (3/5)

konventionelle Altesse einer Genossenschaft zum Vergleich mit denen, die der Rudl favorisiert  

  • 2022 Roussette de Savoie, Domaine les Aricoques, Frangy, AOC Roussette de Savoie (8/12)
  • 2017 Altesse, Domaine Dupasquier, Aimavigne, AOC Roussette de Savoie (3/5)
  • 2017 Marestel, Domaine Dupasquier, Aimavigne, AOC Roussette de Savoie, Cru Marestel (4,50/7)
  • 2015 Prieuré Saint Christophe blanc, Domaine Giachino, Chapareillan, AOC Roussette de Savoie (6,50/10)
  • Les Grandes Jorasses, Dominique Belluard & Domaine du Gringet, Ayze, Vin de France (9/14)

 

MITTWOCH, 4. September von 17 bis 21 Uhr

Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils

Reindorfgasse 22

Im Übrigen ist der Rudl der Meinung, dass der 27. Jänner, der Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Konzentrationslager Auschwitz, zu einem gesamteuropäischen Feiertag erklärt werden muss.

 

Vive l‘Altesse!

 

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Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22, 1150 Wien

Wein von einem ehemaligen Radlrennfahrer und andere Jacquères, DONNERSTAG, 29. August, 18 bis 22 Uhr

Jacquère als Rebsorte. Eine Stundenwiederholung

Wenn es in einer zweitausend Hektar kleinen Weinbauregion Massenwein geben kann, dann wird man in Savoyen Jacquère als dessen Rebsorte betrachten müssen. Mehr als tausend Hektar sind dort mit der autochthonen Jacquère bestockt. Ganz präzise hat sie ihren Ursprung, soweit man das rekonstruieren kann, in Abymes de Myans. Das liegt am nordöstlichen Rand des Chartreusegebirges, ungefähr dort, wo Jean-Claude Masson und die Giachino Brüder wohnen, was auch nicht der pure Zufall sein wird.

Die dicken Beerenschalen erlauben eine späte Reife. Am kalkreichen, steinigen Fuß der französischen Alpen ist das nicht ganz unwesentlich. Und sie schützen die engbeerigen Trauben vor Oïdium und Meltau. Die leicht ovalen Beeren sind durchschnittlich groß. Sind sie sehr reif, werden sie rötlich. Eine „schmeckate Rebsorte“ ist etwas anderes. Ihren bisweilen nicht ganz so guten Ruf verdankt Jacquère der Fruchtbarkeit. Ohne Ertragskontrolle hängen an so einem Stock, sofern er unter hundert Jahre jung ist, gleich einmal ein paar Kilo Trauben. Das konveniert, wenn man möglichst große Mengen für Glühwein oder als Fondueassistenz benötigt. Hat ein Weinbauer höhere Ambitionen, dann kommt er um Ertragsbegrenzung nicht herum, am besten beim Rebschnitt.

Ähnlich dem Grünen Veltliner scheint die relativ weite Verbreitung der Jacquère in Savoyen auf den möglichen hohen Hektarertrag zurückzuführen sein. Ähnlich dem Grünen Veltliner scheint bei der Jacquère nur im Fall restriktiver Ertragsbegrenzung etwas Gscheites herauszukommen. Anders als der Grüne Veltliner dürfte die spät reifende Jacquère aber bei Hitze nicht so schnell ihre Säure verlieren. Jacquère reift nach fast allen anderen Rebsorten. Trockenstress ist mit entsprechend tiefen Wurzeln und in entsprechend vorgerücktem Rebstockalter auch nicht angebracht. Im Fall von klimawandelbedingten Wetterextremen ist allerdings auch die gute Jacquère mit ihrem Latein irgendwann einmal am Ende, weniger bei Spätfrost, denn da befindet sie sich in der Regel noch im Winterschlaf, aber in den letzten Jahren leider umso stärker bei Hagel. So hat es etwa den Giachinos 2023 Ende Juli in wenigen Minuten die Jacquère-Trauben beim Lac de Saint André weggehagelt.

 

Jacquère als Wein. Noch eine Stundenwiederholung

Als Wein ist Jacquère eher blass bis weißgold. Dem Rudl seinem Geschmack nach stehen Alpenkräuter, Grapefruit, Bergamotte, Weißdorn, in äußerst gelungenen Fällen aneinander geriebener Feuerstein im Vordergrund. Manchmal kommen Mandeln, Haselnüsse und Lindenblüten dazu, wenngleich nie so intensiv wie bei Altesse.

Das dezente Prickeln, der niedrige Alkohol, das kongeniale Zusammenspiel von Frische, Leichtigkeit und appetitanregendem Temperament der Jacquère erinnern den Rudl an einen Gebirgsbach während der Schneeschmelze.

Quidquid id est, Frische, Lebendigkeit und Bekömmlichkeit der Jacquère schreiben förmlich nach einer Essensbegleitung. Darum nützt der Rudl wieder einmal die Gelegenheit, Sie daran zu erinnern, dass es ausdrücklich erwünscht ist, wenn Sie sich selber etwas zum Essen in die Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils mitbringen, ob das jetzt eine Bachforelle, eine Stelze oder etwas ganz anderes ist.

  • 2021 Jacquère „Jonona“, Côteaux des Girondales, Villaz, Haute Savoie, Vin de France (4,50/7)

Wenn Sie, geneigte Oenologin, gewogener Oenologe, eine Liaison von einem kühlen Jahrgang mit einem noch kühleren Terroir schmecken wollen, dann drängt sich dieser Wein förmlich auf. Dazu eine Rebsorte, die sowieso nicht das Einlagern von Zucker in ihre Beeren als Kernkompetenz in ihren Curriculum Vitae geschrieben hat. Recht viel weniger Alkohol geht bei einem trockenen Wein kaum, neun Percent.

  • 2020 Genesis, Domaine de l‘Aitonnement, Aiton, IGP Vin des Allobroges (6,50/10)
  • 2022 Jacquère „Eterlou“, Axel Domont, Savoie, Vin de France (8/12)
  • 2013 Coeur d’Apremont, Jean-Claude Masson, Apremont, AOC Vin de Savoie (6,50/10)

Meistens wird Jacquère sehr jung getrunken. Das ist in vielen Fällen vielleicht das geringere Übel. Aber diese Rebsorte kann ganz gewaltig gut reifen.

  • Schiste 2019, Domaine des Ardoisières, Cevins, IGP Vin des Allobroges (8/12)

Jacquère nicht reinsortig, sondern in Kooperation mit Grauburgunder, Roussanne und Mondeuse blanche

  • 2020 Marius & Simone, Domaine Giachino, Chapareillan, Vin de France (5/8)

maischevergorene Jacquère von den biodynamischen Präzisionsbrüdern Giachino

 

DONNERSTAG, 29. August von 18 bis 22 Uhr

Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils

Reindorfgasse 22

Im Übrigen ist der Rudl der Meinung, dass der 27. Jänner, der Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Konzentrationslager Auschwitz, zu einem gesamteuropäischen Feiertag erklärt werden muss.

 

Herr Rudolf grüßt herzlich!

 

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Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22, 1150 Wien

Sommerschule: Burgenland! Freitag, 23. August, 18 bis 22 Uhr

Ist in den letzten beiden Unterrichtseinheiten das Baskenland wenigstens teilweise im Mittelpunkt der Forschungen in der Weinhandlung Rudolf Polifka et fils gestanden, besinnt sich der Rudl diese Woche wieder mehr auf das Regionalitätsprinzip. Damit gehen in diesem Fall auch billigere Weinpreise einher. Allerdings ist es dem Rudl ein Herzensanliegen dazu zwei oder drei Dinge klarzustellen:

 

Exkurs: Weinpreise

Ja, es stimmt, dass in den letzten Jahren manche Weine überhaupt nicht mehr ihren Weg in den Fachhandel finden. Und viele Weine, die schon noch verfügbar sind, haben seit etwa 2010 preislich in einem Ausmaß deutlich jenseits der Inflation zugelegt. Soweit der Rudl das überblickt, erkennt er zumindest drei Ursachen. Im Folgenden erlaubt er sich, in umgekehrter Reihenfolge der Wichtigkeit auf diese drei Faktoren einzugehen.

 

Betriebe

Es gibt Weinbauern, die in den letzten Jahren sei es aufgrund allgemeiner volkswirtschaftlicher Unübersichtlichkeiten, sei es aufgrund von Betriebsneuübernahmen die Preise unverhältnismäßig angehoben haben. Solche Fälle gibt es, aber sie scheinen dem Rudl äußerst überschaubar.

 

Klima

Von viel größerer Tragweite sind in den letzten fünfzehn Jahren Extremwetterphänomene, wenn es um Weinpreissteigerungen geht. Eine Weinbäuerin oder ein Weinbauer, der respektive die eine Familie ernähren muss, hat eine beschränkte Anzahl an Möglichkeiten, kurzfristig auf beinahe jährlich wiederkehrende Widrigkeiten wie Spätfrost, Hagel, Dürre oder Dauerregen zu reagieren. Dass davon am mit Abstand allermassivsten biodynamisch arbeitende Winzerinnen und Winzer, die terroirspezifisch präzise, saubere Weine machen wollen und auch in Wetterextremen keine Rechtfertigung für Weinfehler suchen, betroffen sind, kann eigentlich niemanden überraschen, sofern wir, geneigte Oenologin, gewogener Oenologe, uns einig sind, dass beim Addieren von 1 und 1 auf gar keinen Fall eine höhere Zahl als 3 resultieren kann. Man kann den Preis anheben, irgendwelche Trauben zukaufen oder den Beruf wechseln. Eine vierte Möglichkeit gibt es auch. Leider wird sie von immer mehr biodynamischen Weinbauern gewählt.

 

Influenca

Und dann gibt es freilich noch ein Phänomen, auf das der Rudl vor ziemlich genau einem Jahr unter dem Titel „Der Weinmarkt leidet an Long-Covid“ detaillierter eingegangen ist. Er erlaubt sich, den entsprechenden Text hier nach ein paar aktualisierenden Zeilen zu überarbeitet zu wiederholen. Etwas salopp formuliert, hat das Internet auch die etablierte Weinkritik entgegen anfänglichen Hoffnungen nicht demokratisiert, sondern verbolschewisiert. Citoyen Rudolf Polifka sieht eine Analogie zwischen der Übernahme privater Produktionsmittel durch den Staat im zwanzigsten Jahrhundert und der Beschlagnahme nicht nur von erheblichen Teilen der Realwirtschaft, sondern auch von öffentlicher Meinungsbildung durch monopoloid agierende Digitalkonzerne im einundzwanzigsten. Statt einer Handvoll inseratengesteuerter Sprachgiganten decretiert heute eine algorithmusgesteuerte Influenca über Kultwein oder nicht. Caviste Rudolf Polifka ist die Weinbauregion Bordeaux kein Anliegen. Aber dass dem Griss um Wein aus Bordeaux heute in manchen Bereichen eine regelrechte Aversion gewichen ist, wundert ihn nicht. Die historisch bedingte, überdurchschnittliche Betriebsgröße in Bordeaux erschwert digitalen Wichtigtuern das Hochstilisieren eines Bordeaux zu einem Kultwein. Da eignet sich ein Wein aus dem Jura oder der Auvergne, aber auch ein Stillwein aus der Champagne, den so gut wie niemand in der Hand gehabt, geschweige denn getrunken hat, deutlich besser.

 

Eines

… sollte aber klar sein: Das Terroir kann nur ins Glas, wenn in ihrer Anzahl kontrollierte, kleine, lockerbeerige Trauben mit kleinen Beeren sorgfältig händisch selektioniert gelesen mit sehr viel Aufmerksamkeit verarbeitet und in ihrer Weinwerdung begleitet werden. Das erfordert auf die Flasche gerechnet eine beträchtliche Anzahl an Arbeitsstunden. Diese stehen in überhaupt keinem Verhältnis zu jenen Weinen, bei denen nicht nur die Lese, sondern auch Rebschnitt und Wipfeln maschinell erfolgen, der Ertrag durch Düngung hochgehalten und eine Überdosis SO2 die sorgfältige Selektion der Beeren ersetzt. Der langen Schreibe kurzer Sinn: Caviste Rudolf Polifka sieht keine zwangsläufige Relation zwischen einem Terroirwein und dreistelligen Flaschenpreisen. Aber zu Supermarktpreisen kann es Terroirwein in einem sinnvollen Sinn des Wortes sicher nicht geben.

 

Der österreichische Weinmarkt leidet an Long-Covid, der internationale an Influenca. Eine Wiederholung

Wenn Sie den Rudl fragen, leidet der österreichische Weinmarkt an Long-Covid. Caviste Rudolf hat das ja schon einmal thematisiert. Es drängt sich ihm schon ein bissl der Verdacht auf, dass das versandkostenfreie Verschicken von Wein einer der Hauptgründe dafür ist, dass etliche Weinpreise in Österreich stärker gestiegen sind. In Luft lösen sich Transportkosten ja nicht auf. Allerdings könnten die Online-Shops der Winzerinnen und Winzer etwas verhindern, das man momentan in Frankreich beobachten kann und das dem Rudl auch nicht viel besser schmeckt als die Ausbeutung von Arbeitskräften durch schwindlige Zustelldienste.

Unter französischen Weinmeisterinnen und Weinmeistern sind Online-Shops weit weniger verbreitet als in Österreich. Von den Weingütern, mit denen Caviste Rudolf arbeitet, betreibt kein einziges einen. Allerdings fällt dem Rudl seit einem Zeitl schon auf, dass immer mehr französische Weine, die der Rudl vor wenigen Jahren noch gekauft hat, quasi vom allgemein zugänglichen Weinmarkt verschwinden. Vor zehn Jahren hat es genügt, in ein besser sortiertes Geschäft hineinzumarschieren und eine mehr oder weniger geschmalzene Summe Geld hinzulegen. Der Rudl hat sich darüber nie beschwert und es hat ihn so gut wie nie gereut, weil es ihm das wert war. Heute ist das bei weit weniger bekannten Namen nicht mehr möglich. Früher hat eine Hand voll Kritiker entschieden, was ein Wein wert ist. Das war bekannt und daran hat man sich orientieren können, indem man das jeweilige Verdikt geglaubt oder darauf gepfiffen hat. Heute hat sich Weinkritik diversifiziert, vor allem aber digitalisiert und dabei womöglich verbolschewisiert. Wein ist weniger Genussmittel als Statussymbol. Und ein Statussymbol ist halt per definitionem vor allem etwas, das viele oder fast alle anderen nicht haben. Und so vergeht kaum ein Tag, an dem nicht irgendein Wein, von dem es fast nichts gibt, zum Kultwein erhoben wird. Sehr oft von digital Natives, deren Kompetenz im Umgang mit digitalen Plattformen außer Streit steht, über deren oenologische und degustatorische Kompetenzen jedoch weit weniger bekannt ist. Es geht darum, der oder die Schnellste und Lauteste im Netz zu sein. Bald darauf ist der betreffende Kultwein aus allen Regalen verschwunden und nur mehr auf digitalen Versteigerungsplattformen zu beziehen. Dabei geht es um Weine, die ursprünglich ab Hof, aber auch im Fachhandel um dreißig bis sechzig Euro zu kaufen waren.

Der Rudl hat ein Faible für Weinbaumeisterinnen und Weinbaumeister mit überschaubaren Weingärten. Das hat bei ihm aber keine elitären Gründe, sondern ist eher eine Frage der Nachhaltigkeit und der Sympathie. Man mag das als ein bissl weltfremd, vom Rudl aus auch als dogmatisch erachten. Aber je besser eine Weinbäuerin oder ein Weinbauer die eigenen Rebstöcke kennt und je öfter er, respektive sie bei diesen persönlich vorbeischaut, desto sympathischer ist dem Rudl das. Dass das arbeitsintensiv ist und so ein Wein nicht um Zweieurofünfzig zu produzieren ist, wird hoffentlich niemanden wundern. Dass solche Rebstöcke resistenter sind, daher weniger Chemie im Spiel ist und der Wein viel besser schmeckt, auch nicht. Das ist dem Rudl sein oenologischer Standpunkt. Den kann man teilen. Müssen tut man das aber nicht.

Und selbst der Rudl bekommt als Händler jede Woche Mails, in denen ihm irgendwelche Gimpeln anbieten, gegen Geld dafür zu sorgen, dass sein Geschäft von einer bekannten digitalen Suchmaschine viel weiter oben ausgespuckt wird.

Das ist auch ein Grund für die Vorbehalte des Rudls gegenüber jedweder Art von Empfehlung. Caviste Rudolf erzählt Ihnen, geneigte Oenologin, gewogener Oenologe, gerne von Weinen, die er mag. Er schreibt gerne darüber. Wenn Sie und der Wein offen sind, lässt der Rudl Sie gerne auch kosten. Aber empfehlen tut er Ihnen nix. Er schreibt auch keinen Blog, hält Kanäle für eine sinnvolle Erfindung zum Abtransport von Fäkalien und Influenza für einen Grund, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Er freut sich, Ihnen schreiben zu können, was er oenologisch erlebt, gelesen und getrunken hat. Wenn Ihnen das gefällt, ersucht Sie der Rudl inständig, trotzdem keine Kommentare in irgendwelchen digitalen Kanälen zu hinterlassen. Wenn es Ihnen nicht gefällt, geht die Welt auch nicht unter. Das hysterische und wortreiche Warnen vor einem Wein, der einem nicht schmeckt oder der diesen, beziehungsweise jenen Fehler aufweist, hält der Rudl für mindestens so verzichtbar wie Empfehlungen und eigentlich für eine Form völlig überflüssigen Missionierens. Gerade so würde sich der Rudl als Schulmeister auch nie erlauben, Schülerinnen und Schüler dazu zu drängen, an etwas zu glauben oder nicht zu glauben, weil er diese Art von missionarischem Eifer in Wirklichkeit für Blasphemie hält.

 

Zurück ins Burgenland

Abgesehen vom gereimten Kalauer von Baskenland und Burgenland haben zwar nicht das Baskenland, aber Südwestfrankreich und das Burgenland für den Rudl weinbiographisch etwas gemeinsam. Es sind zwei Gegenden, in denen der Rudl seinerzeit als Kind irgendwie, ohne Wein zu trinken, eine Antenne für Oenologisches entwickelt haben muss. Herr Rudolf hat heute den Verdacht, dass diese Begeisterung ganz stark über die Landschaften des nördlichen Burgenlandes und der Dordogne ausgelöst worden ist. So oft der Rudl seither schon in den Seewinkel gefahren ist, so sehr geht ihm immer noch das Herz auf, sobald er von der Parndorfer Platte in die pannonische Tiefebene hinunterfährt.

Jedes Mal ist das wieder wunderschön.

  • 2022 Grauburgunder Klassik, Weingut Umathum, Frauenkirchen, Neusiedlersee (3/5)

Die Verwendung des Wortes „klassisch“ im Zusammenhang mit Wein gäbe wahrscheinlich auch Stoff für die eine oder andere linguistische Dissertation her. Der Rudl ertappt sich ja selber dabei, wie er diesen Terminus inflationär gebraucht. Im Zusammenhang mit den Weinen von Josef Umathum wird dieses Adjektiv im besten Sinn des Wortes vermutlich wenig Widerspruch auslösen.

  • 2022 Dankbarkeit Weiß, Podersdorf am See, Neusiedlersee (3/5)
  • 2021 Weißburgunder Alte Reben, Familienweingut Herist, Rechnitz, Südburgenland (4/6)
  • 2022 Muskat 3, Dankbarkeit, Podersdorf am See, Neusiedlersee (3/5)
  • 1976 Blaufränkisch, Klosterkeller Siegendorf, Rosalia (4/6)
  • 2017 Welschriesling Auslese „Schrammel“, Dankbarkeit, Podersdorf am See, Neusiedlersee (4,50/7)

 

Freitag, 23. August von 18 bis 22 Uhr

Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils

Reindorfgasse 22

Im Übrigen ist der Rudl der Meinung, dass der 27. Jänner, der Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Konzentrationslager Auschwitz, zu einem gesamteuropäischen Feiertag erklärt werden muss.

 

D‘Ehre!

 

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Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22, 1150 Wien

Baskenland, spanisch und französisch mit einem baskischen Riesling und eine Glasweispremiere vom Schistes 2020 der Domaine Arretxea: Dienstag, 13. August, 18(!) bis 22(!) Uhr

Es ist ja nicht so, dass sich der Rudl nicht schon lange vorgenommen hätte, das Baskenland auch einmal südlich des Grenzflusses Bidasoa oenologisch unter die Lupe zu nehmen. Jetzt hat er dieses Projekt auch realisiert. Allerdings muss der Rudl zugeben, dass sich seine Exkursion auf die Stadt Donostia, wie die Baskin zu San Sebastian sagt, beschränkt hat.

 

Baskenland, vélocipedisch

Dem Basken wird ganz gerne eine Leidenschaft für das Radlfahren nachgesagt. In der Tat gibt es etliche erfolgreiche baskische Radrennfahrer. In Biarritz hat der Rudl dann vor allem einmal eine Unzahl an motorisierten Kraxen wahrgenommen hat. Wahrscheinlich Touristen. Die sind viel zu nahe an das Stadtzentrum heran- und im Stadtzentrum herumgekurvt. Wirklich überrascht hat den Rudl dann aber vor allem, dass die vielen Zweiräder in Biarritz fast alle elektrifiziert waren. Das kann man in einer radbegeisterten Region bemerkenswert finden.

 

Baskenland, oenologisch

Der Kurzbesuch in Donostia war ausreichend, um ein bissl die Weine südlich der Staatsgrenze zu studieren. Darum ist der Rudl jetzt, rechtzeitig zum Start der Spanienrundfahrt, endlich einmal in der Lage, quasi ein paar transbidasoische Weine gegen ihre dem Rudl deutlich vertrauteren cisbidasoischen Kollegen antreten zu lassen. Bei einem der Basken aus dem Süden des Landes ist sogar Riesling im Spiel.

Die Weinbauappellation nördlich der Grenze erlebt gerade einen ganz gewaltigen Aufschwung. In den neunziger Jahren waren es vier Weinbauern, eine Genossenschaft und etwa sechzig Hektar Weingärten. Heute nimmt die Anzahl der Weinbaubetriebe derartig rasant zu, dass der Rudl zwar noch nicht – wie in Savoyen – den Überblick verloren hat. Er kommt mit dem Trinken von Weinen ihm bis dato unbekannter Weinbäuerinnen und Weinbauern aus Irouléguy gerade noch nach. Und niemand wird bestreiten, dass dieser Aufschwung ohne die Begeisterung, den Fleiß und vor allem das Genie von Thérèse und Michel Riouspeyrous von der Domaine Arretxea unvorstellbar gewesen wäre.

  • Txuria 2023, Bodegas Lezaun, Navarra, Spanien (4/6)

ungeschwefelter weißer Baske südlich der Staatsgrenze, aus Grenache blanc, kraftvoll, erinnert an tropische Früchte und Äpfel – Der Rudl hat von diesem Wein den Einundzwanziger bereits vor zwei Jahren kennengelernt. Damals hat er ihm ausgezeichnet geschmeckt. Heuer hat er ein Flascherl Dreiundzwanziger mitgenommen.

  • Kiribil 2022, Baztango Xurie, Navarra, Spanien (6/9)

Riesling, Petit Manseng, Gros Manseng und Hondarribi Zuri, die Rebsorte des Txakoli – Es gibt Weine, die der Rudl allein schon wegen ihres Namens probiert. Das ist so einer.

  • Ardan Harri 2021, Domaine Xubialdea, Lasse, AOC Irouléguy (6,50/10)

Wie der Rudl schon einmal erwähnt hat, hält Battit Ybargaray viel vom Lernen … und vom Ausprobieren. Gelernt hat er bei Pierre Overnoy und vor allem bei Michel Riouspeyrous. Er bezeichnet Thérèse und Michel als seine oenologischen Eltern. Ausgestattet mit diesem Wissen hat er den Bauernhof seines Onkels übernommen. Dort gibt es einen ziemlich steilen und kargen Weingarten von etwa eineinhalb Hektar. Er wächst auf schwarzgeschiefertem Ampélite. Michel Riouspeyrous ist es auch gewesen, der Battit darauf hingewiesen hat, wie einzigartig dieser Weingarten ist. Kein anderes Weingut der Appellation hat seine Rebstöcke in schwarzem Schiefer verwurzelt. Manchmal liest der Rudl etwas über ein Weingut, das er nicht kennt, und verspürt wenig Motive, diese Weine kennenzulernen. Meistens aber möchte der Rudl mehr über ein ihm unbekanntes Weingut erfahren. Ganz selten kommt es auch vor, dass der Rudl etwas liest und im Moment weiß, dass er diese Weine möchte. Beim Lesen über das Weingut von Battit Ybargaray war, gerade so wie Jahre zuvor beim Lesen über die Domaine Arretxea, genau das der Fall. Dem Rudl seine Hoffnungen in Bezug auf die Domaine Xubialdea von Battit Ybargaray sind nicht enttäuscht worden. Umso mehr freut es ihn, dass ihm Monsieurs Ybargaray von jedem Jahrgang eine Zuteilung versprochen hat.

  • Irouléguy rouge sans soufre ajouté 2017, Domaine Ilarria, AOC Irouléguy, Sud Ouest (6,50/10)

der ungeschwefelte Rote von Ilarria – Jedes Jahr ist der leider nicht möglich, weil für Peio Espil Präzision im Vordergrund steht. 2017 war in Irouléguy insgesamt ein kühler Jahrgang. Dank des Fallwindes aus den Pyrenäen waren die Trauben trotzdem gesund. Das hat einen vollständigen Verzicht auf Schwefelzusatz ermöglicht.

  • Schistes 2020, Domaine Arretxea, AOC Irouléguy, Sud Ouest (9/14)

Der Rudl kann sich noch erinnern, als wie wenn es gestern gewesen wäre. Da hat ihm Michel Riouspeyrous erzählt, dass es in Zukunft über dem Hégoxuri noch drei geologiespezifische Weiße, einen von den Schieferterrassen, einen vom eisenhältigen Sandstein und einen vom vulkanischen Ophite geben werde. Namen hat es für die zukünftigen drei Weine damals noch keine gegeben, Ideen schon und für den Rudl Fassproben von den Zweitausendneunern. Das muss im Jahr 2011 gewesen sein. Mittlerweile sind das die Weine, wo der Rudl wirklich genau darauf achtet, für sich keinen einzigen Jahrgang zu versäumen. Von den Zweitausendzwanzigern hat er sogar das eine oder andere Flaschl fürs Geschäft bekommen. Den Schistes 2020 hat er, sofern er alles noch im Blick hat, noch nie glasweise ausgeschenkt. Eine Premiere.

Dienstag, den 13. August von 18 bis 22 Uhr

in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils

Reindorfgasse 22

Im Übrigen ist der Rudl der Meinung, dass der 27. Jänner, der Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Konzentrationslager Auschwitz, zu einem gesamteuropäischen Feiertag erklärt werden muss.

 

Kaixo und ez horregatik!!

 

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Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22, 1150 Wien

Zwei neue Pyrenäenappellationen in der Sommerschule: Dienstag, 6. August, 18(!) bis 22(!) Uhr

Der Rudl freut sich, wieder einen Fuß auf Reindorfer Boden setzen zu können. Genaugenommen stimmt das nicht. Nicht dass der Rudl etwas gegen Reindorf hätte. Im Gegenteil. Aber es gibt für Caviste Rudolf leichter zu bewältigende Herausforderungen, als aus dem Urlaub nach Hause zurückzukommen. Und wenn er in Frankreich eine Landesgrenze in die falsche Richtung passieren muss, kostet ihn das noch viel mehr Überwindung. Nichtsdestotrotz freut sich der Rudl, mit Ihnen, geneigte Oenologin, gewogener Oenologe, das eine oder andere Ergebnis seiner Forschungsreise, sei es eines in verbaler Form, sei es eines in vergorener Form teilen zu dürfen. Und wenn der Rudl schreibt „teilen“, dann meint er damit nicht irgendeinen digitalen Daumen oder heute missverständlich als „Feedback“ bezeichneten Kanalinhalt, sondern höchstpercentige Analogie.

In Anbetracht der sommerbedingten Relationen zwischen Sonne und Erde sperrt der Rudl erst um 18 Uhr auf und lässt dafür bis 22 Uhr geöffnet. Wie es dann ab September ausschaut, kann der Rudl erst nach Bekanntgabe seines Stundenplanes als Lehrmeister kundgeben.

 

Studienreise, Teil 1

Jura – Loire – Champagne – Normandie – Muscadet

Monsieur Rudolf ist in das Jura gefahren, hat dieses Jahr dort heuer aber wirklich ausschließlich studiert, ohne mercantil tätig zu werden. Damit hat er bis Sancerre gewartet, wo er nach einem entsprechenden Wink des Herrn Grafen das Glück gehabt hat, bei einem grandiosen Weinmeister nicht nur kosten, sondern sogar zwölf Flaschen für sein Geschäft kaufen zu dürfen. Dieser Weinmeister bewirtschaftet einen Hektar in Pouilly und einen in Sancerre. Drei dürfen es in Zukunft werden, mehr aber ganz sicher nicht. Daneben ist dieser Weinbauer Kellermeister in einem renommierten Weingut der Appellation. Das allein wäre vermutlich genug, um nicht von Langeweile geplagt zu werden. Witterungsverhältnisse, die keine zwei Tage ohne Regenschauer vergehen lassen, wie in der couranten Vegetationsphase, tragen das ihre zur Beschäftigung der Winzer bei. Auf alle Fälle hat der Rudl ab sofort quasi als Premiere eine homöopathische Menge Pouilly Fumé und eine ebenso kleine Sancerre im Sortiment. Das freut ihn ganz gewaltig. Aber das ist eine andere Geschichte, die zu einem anderen Zeitpunkt erzählt und gegebenenfalls auch studiert werden wird.

Die Reise hat den Rudl dann in die Champagne und in die Normandie geführt, wobei er weder dort noch da als Caviste aktiv geworden ist. In der Normandie hält sich der Weinbau in Grenzen, was Monsieur Rudolf nicht gehindert hat, einen normandischen Ruländer zu trinken. Der Champagne kann man viel, aber keinen Mangel an Weingärten vorwerfen. Nur ist das mit dem Rudl und dem Schaumwein so eine Geschichte. Es wäre absurd, in Abrede zu stellen, dass es exzellente Schaumweine nach der Méthode traditionelle gibt. Nur werden einer oder einem diese in mindestens 99 (NEUNUNDNEUNZIG) von hundert Fällen, in denen Schaumwein kredenzt wird, nicht angeboten. Mittlerweile greift Monsieur Rudolf bei diesen „Anstoß-Gelegenheiten“ zur Mineralwasserflasche. Auszuschließen ist es nicht ganz, dass der Rudl von den diversen Jubiläen, Begrüßungen und Geburtstagen ein kleineres Trauma davongetragen hat. Egal. Sollte es Sie einmal nach Épernay verschlagen, dann kann Ihnen der Rudl eine Käsebar empfehlen. Dort bekommen Sie ausgesprochen unkompliziert einen der gefragtesten Champagner, von Étienne Calsac. Das hat den Rudl amüsiert. Denn dieses Champagners ist er bei den bestsortierten Cavisten nicht habhaft geworden.

Der Apfelschaumwein in der Normandie ist natürlich berühmt. Aber der Rudl wollte sich nicht verzetteln und ist dafür weiter in den Südosten von Nantes gefahren. Dort hat er nach zwölf Jahren eine fast nicht mehr zu erkennende Domaine Michel Brégeon wieder gefunden, als Gebäude nicht wiederzuerkennen. Als Weine haben die Muscadets von Fred Lailler, der das Weingut jetzt auch schon wieder über zwölf Jahre führt, gar nichts von ihrer Salzigkeit verloren. Und schauen Sie, geneigte Oenologin, gewogener Oenologie, mit dem Begriff „Salzigkeit“ ist es auch so etwas. Der Rudl hat den Verdacht, dass es sich vor etwa fünf bis zehn Jahren herumgesprochen hat, dass der Terminus „mineralisch“ einer gewissen inflationären Verwendung ausgesetzt gewesen war. Aber ob es so viel bringt, in Weinbeschreibungen das Adjektiv „mineralisch“ einfach nur durch „salzig“ auszutauschen, kann man anzweifeln. Abgesehen davon haben die beiden Wörter für den Rudl verschiedene Bedeutungen. Im Fall eines überzeugenden Muscadets wie des Crus Gorges 2018 von der Domaine Brégeon verwendet aber auch Caviste Rudolf Polifka das Attribut „salzig“.

 

Studienreise, Teil 2

Bergerac, Irouléguy, Corbières, Savoyen

Obwohl der neue Jahrgang von Laroque d’Antan in Cahors noch immer auf den Rudl wartet, ist dieser von Bergerac nicht in Richtung Südosten, sondern nach Südwesten gefahren, nach Tursan. Denn dort gibt es eine Rebsorte mit einer besonders langen Vegetationsphase: Baroque. Abgesehen davon ist die Appellation für Genossenschaften bekannt. Aber dann ist der Caviste Rudolf doch auf einen für ihn interessanten Betrieb gestoßen.

Les Pentes de Barène

Vor mehr als zwanzig Jahren war dort nichts, fast nichts. Ein Stall, Prairie und vor allem eine ausgeprägte Hangneigung in Richtung Süden zu den Pyrenäen hin. Kein Keller, kein Weingarten, kein Nix. Dann dürfte Gaëlle und Daniel Vergnes der Ort Pimbo noch mehr gefallen haben als dem Rudl. Darum haben sie beschlossen, dort ein Weingut zu gründen, eines in einer Dimension, die man als Familie zwölf Monate im Jahr händisch bewältigen kann. Daraus resultiert das heute kleinste Weingut der Appellation, eineinhalb Hektar klein. Aus dem Stall haben sie einen Keller gemacht. Mit der Gstättn ist das nicht so einfach gewesen. Die Hangneigung bis zu sechzig Percent war zu ausgeprägt. Darum haben sie 2003 begonnen, ihren zukünftigen Weinberg zu terrassieren. Heute ist das nicht nur die einzige Terrassenlage der Appellation, sondern des gesamtes Weinbaugebietes Les Landes. Ausrichtung nach Süden, als Auflage Ton und Kalkgeröll, Unterboden: Kalk. Das kommt der dort ursprünglich ansässigen Rebsorte Baroque entgegen. Dazu Gros Manseng, Petit Manseng und Sauvignon. Keine chemischen Herbicide. Höchstes Augenmerk auf Biodiversität als einziger hauptberuflichen Mitarbeiterin der Familie. Sie prodizieren lediglich einen Weißwein sowie einen Süßwein.

Über das Baskenland, die Corbières, Savoyen und Trient ist der Rudl dann retour gefahren. Über das Baskenland und Savoyen hat er schon viel erzählt. Darum widmet er sich in weiterer Folge ausführlich der Appellation Corbières, um diese dann mit ihrer westpyrenäischen Entsprechung Irouléguy zu vergleichen.

 

Corbières

Diese zehntausend Hektar große Appellation gehört nicht zu den renommiertesten Frankreichs. Spritzmittel, Alkohol, kolossale Erträge und Weinbauernproteste sind vermutlich die ersteren Assoziationen mit dieser Gegend im Südwesten von Narbonne.

Der Rudl hat diese Gegend seit 1996 als landschaftlich ausgesprochen schön in Erinnerung. Damals hat er bei einem Schotten in Albas Wein gekauft. Pensées sauvages, Jahrgang 1994. Leider findet der Rudl diesen Wein im ganzen Internet nirgends mehr. Das Weingut gibt es nicht mehr. Der ehemalige Betreiber Nick Bradford ist in der Rente angeblich nach Schottland zurück gegangen. Die das Weingut übernommen haben, machen angeblich auch keinen Wein mehr. Die Landschaft ist immer noch so verlassen wie vor dreißig Jahren. Felszacken, Garrigue und die eine oder andere Klamm. Schlangen.

 

Corbières, geographisch, historisch und oeno-soziologisch

Erlauben Sie dem Rudl einen kurzen Abstecher in die Vergangenheit. Mehr als 245 Millionen Jahre ist es jetzt schon wieder her, dass die Corbières nur vom hercynischen Massiv besetzt waren. Dann war die Gegend bis vor 65 Millionen Jahre vom Meer bedeckt. Aus dieser Zeit stammen nicht nur die markanten Felszacken, sondern auch die Kalkaromen in den Weinen der meisten Terroirs. Vor 65 bis 1,65 Millionen Jahren stehen dann die Pyrenäen auf, indem sich der zerbrochene Sockel nach oben schiebt. Erosion zerbröselt und verteilt den ehemaligen Granitsockel dann. Das sind heute die Haute-Corbières im Süden der Appellation. Dort stehen viele der verstreuten Weingärten von Maxime Magnon. Von ihm wird später die Schreibe sein. Die Landschaften sind in den Corbières nicht weniger vielfältig als die Steine. Und mit den Rebsorten fängt der Rudl gleich gar nicht an. Nur vielleicht so viel, dass in den siebziger Jahren die Corbières wie fast ganz Südfrankreich nicht wie vor 265 Millionen Jahren vom Urmeer, sondern von der Rebsorte Syrah geflutet worden sind. Ein paar jüngere Weinbäuerinnen und Weinbauern, die entweder ganz von woanders in die Corbières gekommen sind oder zumindest eine Zeitlang weg waren, haben dann darauf aufmerksam gemacht, dass auf so uralten Grenache- oder Carignan-Stöcken vielleicht weniger und kleinere, aber dafür viel geschmackvollere Beeren wachsen.

Die Corbières sind aber auch soziologisch eine bemerkenswerte Appellation. Zuerst einmal das übliche Auf-und-Ab in Sachen Weinbau, wobei wie eh fast allerweil die Aufs zuerst den Römern und später den Mönchen, die Abs eher den Barbaren aus dem Norden und dem Osten zuzuschreiben waren. Interessanter wird es dann Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts mit der Erlaubnis zum Verschneiden mit algerischen Weinen und zum Aufzuckern. Die resultierende soziale Krise führt 1907 zu Revolten mit sieben Toten und einem Gesetz zum Schutz natürlicher Weine aus französischen Weintrauben vor aufgezuckerten oder teilimportierten Weinen. In den siebziger Jahren wiederholt sich die Geschichte, nur dass am 4. März 1976 bei Protesten nur ein Weinbauer und ein Polizist erschossen worden sind. Alle dürften es noch nicht verstanden haben, dass mit Mochma-liawa-vü, wie Herr K. dazu sagt, Probleme nicht gelöst, sondern erzeugt werden. Aber viele gibt es, die Geschichte gelernt haben, wie ein anderer Herr K. einem Reporter einmal geraten hat. Einige von ihnen hat der Rudl in den Corbières kennengelernt. Dafür ist er dankbar.

 

Maxime Magnon zum Beispiel

Ob Maxime Magnon die Aufforderung von Bruno Kreisky seinerzeit gehört hat, weiß der Rudl nicht. Sehr wahrscheinlich ist es nicht. Dass dann gleich Weine von Maxime Magnon ihren Weg in das Sortiment seines Weingeschäfts finden, quasi als äußerst würdige ostpyrenäische Entsprechung der westpyrenäischen Weine von Arretxea, das begeistert den Rudl schwer.

Der Winzer selber ist an Unkompliziertheit und Zuversicht er kaum zu überbieten. Vielleicht liegt das auch daran, dass er sich von vornherein erfolgreich potentiellen Beschwerlichkeiten wie Webshop oder Ab-Hof-Verkauf verweigert. Darum bleiben ein bissl mehr Zeit und Nerven, auf diverse Wetterwidrigkeiten im richtigen Moment richtig zu reagieren. So gut es halt geht und so natürlich es geht. Ein – völlig gerechtfertigtes – Lamento über Klimakrise und andere Widrigkeit hört man von Maxime Magnon nicht. Man muss halt das Beste aus den Möglichkeiten machen, ohne freilich die Verantwortung für zukünftiges Leben und Weinmachen auf dem Planeten zu missachten. Maxime Magnon ist stolz darauf, sein Handwerk bei Marcel Lapierre im Beaujolais gelernt zu haben. Lapierre wiederum war Schüler von Professor Chauvet. Wenn Sie so wollen, hat Maxime Magnon über ein Eck bei Monsieur Chauvet gelernt. Dieser hatte in den fünfziger Jahren für seine Rotweine die „Macération semi-carbonique“, das saubere und präzise Vinifizieren ohne Schwefel-, Hefe- und CO2-Zusatz, studiert und erforscht. Wenn es möglich ist, bleiben die Weine von Maxime Magnon ungeschwefelt, wie Campagnès 2021 oder die Cuvée Rose, die kein Rosé, sondern der extraordinaire Rote aus Grenache noir ist. Wenn es aber wie im Affenhitzejahrgang 2022 mit einer sauberen Gärung nichts wird, dann lieber das eine oder andere ganz genau dosierte Gramm Schwefel als den leisesten unsauberen Ton. Aromatische Vielschichtigkeit, Eleganz und Harmonie sind die Resultate.

  • La Begou 2022, Maxime Magnon, AOC Corbières, Languedoc (7/11)
  • Roug’é-Clair 2023, Domaine Ledogar, Ferrals-les-Corbières, Vin de France (4,50/7)
  • Campagnès 2021, Maxime Magnon, AOC Corbières, Languedoc (7/11)
  • Les Pentes de Barène, Pimbo, AOC Tursan, Sud Ouest (4/6)
  • Irouléguy Rosé 2022, Domaine Ilarria, AOC Irouléguy, Sud Ouest (4/6)
  • Irouléguy rouge Tradition 2021, Domaine Arretxea, AOC Irouléguy, Sud Ouest (4,50/7)

 

Dienstag, den 6. August von 18 bis 22 Uhr

in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils

Reindorfgasse 22

Im Übrigen ist der Rudl der Meinung, dass der 27. Jänner, der Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Konzentrationslager Auschwitz, zu einem gesamteuropäischen Feiertag erklärt werden muss.

 

Monsieur Rudolf grüßt und begrüßt das Fernweh!

 

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Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22, 1150 Wien

Sommerpause

Der Rudl begibt sich auf Studienreise, bedankt sich herzlich für die Mitarbeit im abgelaufenen Schuljahr und wünscht Ihnen, geneigte Oenologin, gewogener Oenologe, einen schönen Sommer!

Im Übrigen bleibt er der Meinung, dass der 27. Jänner, der Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Konzentrationslager Auschwitz, zu einem gesamteuropäischen Feiertag erklärt werden muss, und zwar jetzt dann bald einmal.

 

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Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22, 1150 Wien