Der Hl. Herr Franz – ein ungemütliches Französchen am Beginn einer neuen Zeit

Die Uhr und das Ich beenden das Mittelalter

 

Wenige Jahre bevor das iPhone7 das Licht der Welt erblickt haben wird, werden Menschen Uhren getragen haben. Und diese Menschen haben es für möglich gehalten, dass sich die Welt – die reale Welt, nicht die im iPhone7 – von ihrem Ich beeindrucken, vielleicht sogar beeinflussen lässt – beides charakteristisch für die Neuzeit. Noch früher war alles eines und der Mensch im Einen gut aufgehoben. Keine Uhr, kein Ich, nur das Eine. Das war das Mittelalter. Manche möchten wieder zurück ins Alleine, mit Stacheldrahtzäunen, elektronischen Daten oder Identifikationsphrasen. Auf mobile Endgeräte, Pensionsansprüche und Wochenendflugreisen wollen sie aber nicht verzichten. Darum ist die Rückkehr zum Alleinen keine Option. Da können Boulevardsprachartisten und ein paar Hetzer noch so hartnäckig etwas anders probieren. Das Mittelalter ist vorbei und mit diesem – zumindest in Europa – Brutalität, Gestank und hygienische Zustände, dass es einer Sau gegraust hat. Die Zivilisation war damals sowieso wo anders. Dafür hatte in Italien, Südfrankreich und ein paar anderen pulsierenden Gegenden Europas gerade der Kapitalismus angehoben.

 

Seinerzeit …

 

… im dreizehnten Jahrhundert hat in Assisi ein Narr gelebt. Ihm verdankt es die Welt, dass das Mittelalter positiv und vor allem herausfordernd zu Ende gegangen ist.

Sein Vater hat die Menschen mit „neichn Schoin“ versorgt, gerade so wie die Frau Gerti. Als sein Sohn, der kleine Giovanni auf die Welt gekommen ist, war der Tuchhändler gerade auf Dienstreise in Frankreich. Darum hat er den Bamperletsch bei seiner Rückkehr „Francesco“ (Französchen) gerufen.

Der hat es zuerst einmal ordentlich krachen lassen. Und wenn sein Vater nicht den entscheidenden Fehler gemacht hätte, ihn lesen, schreiben und rechnen lernen zu lassen, was möglicherweise für einen Kaufmann nicht selbstverständlich war und ist, dann hätte der Fils vielleicht eh nie bemerkt, dass Viel und Gut zwei unterschiedliche Kategorien sind. Den Vater hat diese Erkenntnis nicht euphorisiert. Und die Oberjassen im Franziskanerorden ein bissl später auch nicht. Die haben die ersten biographischen Schriften über ihren Ordensgründer vernichten lassen. Sie haben Angst gehabt, dass diese Biografien den „durch die veränderten Verhältnisse geforderten neuen Einrichtungen“ nicht förderlich sein könnten. „Die veränderten Verhältnisse“, so nannte Bonaventura das, was aus Schweiß und Maschinen Reichtum gemacht hat, das industrielle Kapital.

 

Uhren und Bürger

 

Keine hundert Jahre nach dem Tod Francescos war in Mailand die erste mechanische Uhr montiert worden. Und damit hatte eine neue Zeit begonnen, in der gleichmäßig dahinfließende und messbare Zeit Arbeitsteilung, Industrialisierung und Geschäfte ermöglicht hat. Bis heute tut sie das, die Zeit. Sie fließt gleichmäßig dahin und lässt sich messen. Und sie tut das überall gleichmäßig, außer auf den Anzeigen der Wiener U-Bahn. Herr Franz wollte diese Zeit partout nicht. Dass er sie nicht wollte und dass er sie erkannte, hatte er dem Umstand zu verdankten, dass er eben gerade als Bürger ein Kind dieser Neuzeit war. Der Neuzeit wiederum war das damals wurscht.

 

Gutmenschen, der Papst und die Viecherl

 

Die Mailänder Uhr hatte neun Jahre lang getickt, als die ersten radikalen Anhänger von Franz auf dem Scheiterhaufen in Marseille brannten. Als „gute Menschen“ hat man versucht, sie zu diskreditieren. Den Gebrauch von Geld haben die Gutmenschen abgelehnt, auf pulsierenden Märkten gepredigt, die Bibel studiert und ausschweifenden Mönchen und Pfaffen unmissverständlich die Meinung gesagt. Der Papst, auch kein Depp, hat Franz ganz hurtig heiliggesprochen und das Inquisitionsverfahren gegen Ketzer novelliert. Ein paar Mutige im Orden, nicht die, die in der Hierarchie ganz oben gestanden sind, haben die alten Biografien über Franz aufgehoben. Erschienen ist die erste solche Biografie non grata aber erst 1768. 1857 hat dann einer ein Buch über Franz von Assisi als politischen Menschen und seine Bezüge zum Klassenkampf geschrieben. Noch vor dem Ersten Weltkrieg ist dieses Buch vierzehn Mal neu aufgelegt worden. Das ist den Wichtigen endgültig über die Hutschnur gegangen und sie haben Franz als Viecherlfreund verkitscht. Bis heute mit Erfolg.

 

Ein Kind und die Mächtigen

 

Adolf Holl, auf den sich diese Ausführungen stützen, hat wie so oft auch über Franz von Assisi das Schönste und Gescheiteste geschrieben:

„Wir werden Franz weder als Heiligen noch als Ketzer betrachten. Wir werden Franz als den Narren erkennen, als den er sich selber bezeichnet hat; als einen, der die Mächtigen beim Arm nimmt, um ihnen wie ein Kind die Wahrheit zu sagen, mit einer Kraft, die sie zum Schweigen bringt. Sie singen uns ohnehin tagtäglich die Ohren voll.“ (Adolf Holl, Der letzte Christ. Franz von Assisi)

 

Dankbarkeit

 

Jetzt hätte Herr Rudolf um ein Haar vergessen zu erwähnen, warum er Ihnen das alles mitgeteilt  hat. Der Winzer und Wirt mit dem weltweit besten Musikgeschmack schätzt den Franz über die Maßen. Und ihm und dem Herrn Franz zu Ehren stehen diese Woche die ausgeschenkten Weine in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils im Zeichen der Dankbarkeit, auch im Zeichen der Dankbarkeit den Mutigen, Minderen und Unflexiblen, dem Sand im Getriebe der „neueren Einrichtungen“, den diese viel dringender brauchen, als sie das selber für möglich halten.

 

Diese Woche in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, glasweise und nicht ausschließlich:

 

Welschriesling 2013, Dankbarkeit

Muskat3 2013, Dankbarkeit

Pinot Noir 2010, Dankbarkeit

Pinot Gris Spätlese 2004, Dankbarkeit

Trockenbeerenauslese Schrammel 2012, Dankbarkeit

 

am Donnerstag, den 1. September und am Freitag, den 2. September

von 16 bis 22 Uhr

in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

 

Herr Rudolf grüßt die neue Zeit gerade so wie den alten Sand!

 

Kreide, Kalk und der Heilige Rupert. Ein verspäteter Beitrag zum Schulanfang

Verhaltensoriginelle Bildungsideologen

Vor zehn bis fünfzehn Jahren haben ein paar lustige Köpfe im Schulerhalterwesen eine Idee gehabt: die Schule ohne Papier. Beamer statt altvaterischer Tafel, Fernbedienung statt Overheadfolien und am allerbesten gleich Speichermedium statt Bücher. Auf einmal streuten justament jene, die bis dahin jede Methodenveränderung im Unterricht mit Argwohn quittiert hatten, den modernen Medien Weihrauch.
Schulmeister Rudolf hat damals Bedenken angemeldet, dass damit errungene Fortschritte auf dem Gebiet des ganzheitlichen Unterrichts gefährdet wären. Die Antwort der Experten: „Da brauchen Sie keine Angst zu haben.“ – der phrasegewordene Beweis dafür, dass etwas dem Wortsinn nach richtig, aber in seiner kommunikativen Bedeutung trotzdem ein Topfen sein kann. Wetten möchte der Rudl nicht müssen, dass diese Kapazunder das Wort „ganzheitlich“ damals verstanden haben.

Wir verändern die Welt von gestern

Jetzt tröten die Bildungsexperten selber das Lied von der Ganzheitlichkeit, wie unter derartigen Vorzeichen fast immer: in stark trivialisierter Variante. Sie stellen Ergometer in Schulklassen, deregulieren und uniformieren als gäbe es kein Morgen und reformieren einmal so richtig das System, ein System, das sie vom Hörensagen oder ihrer eigenen Schulzeit in den Siebziger Jahren kennen. Es zählt das, was sie, die Generation Sechzigplus – als praxisrelevant erachtet. Rückfragen unerwünscht.

Die Revolution der Kreide

Schulmeister Rudolf, selber vom Geist der Veränderung und des Überdenhaufenschmeißens motiviert in diese Profession geraten, hätte sich am Beginn seiner Berufslaufbahn nicht träumen lassen, dass er einmal ein Stück Kreide als Symbol für didaktische Lebendigkeit und methodische Zuverlässigkeit betrachten würde.

Wein

Und damit sind wir beim Wein: Kreide – das sind beim Wein Kalkböden. In der Champagne, in Vouvray und Teilen Savoyens aus der Kreidezeit, in Chablis, Sancerre und beim Marestel aus dem Jura, manchmal auch aus dem Trias. Kalkböden – da war Herr Rudolf nach eingehendem Nachdenken selber ein bissl überrascht – kommen in den österreichischen Weinbaugebieten gar nicht so häufig vor. Vermutlich deshalb, weil die Weinbaubundesländer für österreichische Verhältnisse doch relativ weit entfernt von den Kalkalpen liegen, wenn man die Region Bergland (Vorarlberg, Tirol, Salzburg, Oberösterreich und Kärnten) einmal außer Acht lässt.
In den französischen Weinbauregionen gibt es dafür umso massiver Kalk. Und von einigen dieser vielen französischen und wenigen österreichischen Böden offeriert Caviste Rudolf diese Woche glasweise Wein, auch einen aus dem kalkreichen Bundesland Salzburg, wo der Heilige Rupert am 24. September Namenstag und Kirtag feiert. Auch der hat seinerzeit den Menschen, konkret den Iren und Schotten, etwas beigebracht.

Grüner Veltliner Hundsberg 2009, Uibel, Weinviertel
Salzburger Hochthron (Chardonnay) 2011, Reiterhaindl, Bergland, Salzburg
Grüner Veltiner Rosenber Reserve, Josef Salomon, Falkenstein Weinviertel,
Zierfandler 2014, Friedrich Kuczera, Gumpoldskirchen, Thermenregion
Mondeuse 2011, Domaine Dupasquier, Aimavigne, Savoie
Marestel 2010, Domaine Dupasquier, Aimavigne, Savoie
Altesse 2011, David et Frédéric Giachino, Savoie

… das definitiv nicht ausschließliche Ausschankprogramm

am Donnerstag, den 24. September und am Freitag, den 25. September
von 16 bis 22 Uhr
in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

Herr Rudolf grüßt die Irinnen, die Schottinnen, die Ruperts und alle anderen auch!

A wie Altesse bis Ὠ wie Omega-3-Fettsäuren

Das Reindorfgassenfest 2015 ist vorbei und ab jetzt gibt’s keine Würschtl, abgesehen von den Trockenwürsteln der Fleischerei Karlo in Pamhagen.
Vor gut drei Monaten hat Herr Rudolf an dieser Stelle gefühlte vierundsechzig Seiten über eine seiner Lieblingsrebsorten, die Altesse, geschrieben.
An und für sich vierundsechzig Gründe, nicht gleich drei Monate später wieder damit daher zu kommen.

Aber

… jetzt ist es dem Rudl nach jahrelangem Bemühen endlich gelungen, an ein paar Altesse-Reben zu gelangen. Und er hat sie fast drei Wochen lang heil über lange Autofahrten, Ferienwohnungs- und Hotelaufenthalte gerettet. Dem will selbstredend Rechnung getragen sein. Darum steht diese Woche im Zeichen der einzigen Rebsorte, der in Savoyen eine Rebsortenappellation – A.O.C. Roussette de Savoie – zuerkannt worden ist: Altesse in ihrer Bandbreite.

Aromentechnisch

… hat Caviste Rudolf vor drei Monaten das eine und andere von sich gegeben und erspart Ihnen deshalb eine Repetition. Gegebenenfalls kann man dem Rudl seine Ausführungen über Gendergerechtigkeit bei Rebsortennamen und die Freiheit des Erdbeerjoghurts unter dem Titel „Die Hoheit Altesse und die königliche Tafel von Josef Umathum. Eine Urlaubslektüre “ im Newsletter vom 8. Juni dieses Jahres oder unter www.wein-polifka.at nachlesen. Auch dass Altesse oft nach Honig, Mandeln, Haselnüssen und Quitten schmeckt, steht dort. Darum wird sich Rudolf Polifka dieses Mal auf die regionalen Unterschiede der Altesse konzentrieren, so skeptisch er selber diesem Unterfangen gegenüber steht.
Heute scheint es möglich, einen neuseeländischen Sauvignon Blanc so schmecken zu lassen wie einen südafrikanischen. Ist es dann nicht fragwürdig, bei einer Rebsorte nach geschmacklichen Unterschieden zwischen diversen Crus zu suchen, wenn die äußerstenfalls achtzig Kilometer von einander entfernt wachsen? Monsieur Polifka betrachtet die folgenden, der jüngsten Fachliteratur entnommenen Herkunftscharakteristika als Arbeitshypothesen, deren Gehalt man diese Woche in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils untersuchen kann.

Seyssel

… liegt sechzig Kilometer nördlich von Chambéry. Altesse soll dort tendenziell nach Veilchen schmecken. Verifizieren oder Falsifizieren wird man das an der
Altesse 2013 von Georges Siegenthalers Garagenweingut Domaine de Vens-Le-Haut können.

Serrières-en-Chautagne

Ob Weine der aristokratischen Rebsorte in Frangy – wie in der Fachliteratur angegeben – nach Marillen schmecken, muss bis auf Weiteres ungeprüft bleiben. Der Rudl hat keinen von dort. Allerdings befindet sich gut zwanzig Kilometer südlich von Frangy Serrières-en-Chautagne, wo Monsieur Jacques Maillet hoch oben am Berg hoffentlich noch lange nicht in Pension geht. Seine Altesse wird möglicherweise erahnen lassen, ob das mit den Marillen in Frangy stimmen kann.

Marestel

In Jongieux gibt es den Cru Marestel, benannt nach Claude Marestel, dem weisen Oberkellner von Graf Emmanuel-Philibert aus dem sechzehnten Jahrhundert. Der Wein schmeckt nach Passionsfrucht, gegrillten Mandeln, weißen Trüffeln und Palmherzen. Dass der Marestel von der Domaine Dupasquier, wenn er zwanzig Jahre oder älter ist, nach weißen Trüffeln schmeckt, davon haben sich die Geschmacksrezeptoren von Monsieur Rudolf schon eigenhändig überzeugen können. Ob dieser Geschmack auch schon im 2010er zu finden ist, wird zu ermitteln sein.

Monterminod

Geschmack nach Grapefruit, Ananas, Wachs und Honig wird ihm zugeschrieben. Nicht einmal zehn Kilometer davon entfernt ist die Altesse 2011 von David und Frédéric Giachino aufgewachsen. Sie wird diesen Teil von Savoyen vertreten.

IGP Isère

Etwa zwanzig Kilometer außerhalb Savoyens, im Departement Isère, hat Nicolas Gonin 2005 das Weingut seines Onkels übernommen und auf biologischen Weinbau umgestellt. Seine Altesse 2013 muss den sogenannten „Rest der Welt“ repräsentieren.

Albertville

Gleich hinter dem Kirchturm von Saint-Sigismond in Albertville erheben sich die Weingärten, die Jean-Yves Peron gepachtet hat. Und aus den Trauben, die dort wachsen, macht er den, soweit de Rudl weiß, einzigen Orangewine aus Altesse, möglicherweise einen der extremsten, die Herr Rudolf je getrunken hat: La Grande Journée 2012, Jean-Yves Peron

Quartz

Dann ist da noch Cevins, am Weg von Albertville hinein nach Val d’Isère. Dort ist die längste Zeit Wein gewachsen. Und dann ziemlich lange Zeit kein Wein mehr, bis Michel Grisard und Brice Omont sich in den Kopf gesetzt haben, dort wieder einen Weingarten zu pflanzen, auf bis zu 60 % Hangneigung. Während der Rudl Argile und Schiste von der Domaine des Ardoisières schon das eine oder andere Mal glasweise kredenzt hat, harrt Quartz bis jetzt geduldig seiner Ausschank-Premiere. Bis jetzt. Es handelt sich beim Quartz um reinsortige Altesse. In der Regel steht Altesse fast ausschließlich auf Kalk. Quartz steht, genauso wie La Grande Journée auf Glimmerschiefer und Quarz und ist, soweit Caviste Rudolf weiß, die teuerste Altesse Savoyens und damit der Welt, zumindest wenn man gereifte Exemplare dieser Rebsorte außer Acht lässt.
Die Revue du Vin de France bezeichnet die Domaine des Ardoisières als das vorrangig zu entdeckende Weingut, das symbolhaft für die Qualitätsrenaissance in dieser Region steht.

For something completely different: Wurzeln

Dass die Rebsorte Altesse von der verrückten Henne und Tochter des Königs von Zypern und Jerusalem, Anne de Lusignan, nach Savoyen gebracht worden sei, dürfte so wenig historisch sein wie die ungleich unsympathischere These, dass sie einem Kreuzzug des Grafen Amédée VI. zu verdanken sei.
Letzte Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Altesse aus der ungarischen Familie des Furmint stammt. Diese Weine waren seinerzeit dem Herrscherhaus vorbehalten. Darum der Name „Altesse“ – die Hoheit. Das halten zumindest der renommierte Ampelograph Pierre Galet und das in diesen Belangen auch nicht ganz unerhebliche Schweizer Institut de Changins für wahrscheinlich.

Vielleicht ist das genau die Zeit, Altesse zu trinken. Und vielleicht erinnert sich zufällig irgendwer in Ungarn, welche großartigen Beiträge dieses Land früher einmal zur Geschichte des Kontinents geleistet hat.

Herrenhof Lamprecht

Und dann ist es Zeit, wieder einmal den Furmint 2013 vom Herrenhof Lamprecht aufzumachen. Es ist Gottfried Lamprecht nicht hoch genug anzurechnen, diese Rebsorte wieder in die Steiermark zurück gebracht zu haben. Allfällige verwandtschaftliche Beziehungen zur Altesse können bei dieser Gelegenheit rekonstruiert werden.

Rebsortencharakteristika

Altesse reift sehr spät und nimmt in der Vollreife einen roten Farbton an. Sie steht gerne auf kargen Kalkböden, erweist sich als relativ resistent gegenüber Fäulnis und Oidium, aber anfällig für Peronospora, Trauben eher lockerbeerig, Beeren elliptisch.

Speisebegleiter

Évelyne Léard-Viboux bezeichnet Altesse als „grande dame qui a la classe de coeur“, die besonders auf Hechtnockerl (Lyoner Spezialität) oder Felchenfilet (Genfer See), beides reich an Omega-3-Fettsäuren, reflektiert. Ernährungsstudienrat Polifka nimmt das wieder einmal zum Anlass, Sie darauf hinzuweisen, dass es ausgesprochen willkommen ist, wenn Sie sich das Essen zum Wein selber mitbringen, quasi Weinbegleitung in Form von Jause oder – falls Sie logistische Herausforderung schätzen – warum nicht Hechtnockerl oder Felchenfilet.

Altesse 2013, Domaine de Vens-Le-Haut, AOC Seyssel
Altesse 2013, Jacques Maillet, Serrières-en-Chautagne, AOC Vin de Savoie
Marestel 2010, Domaine Dupasquier, Jongieux, AOC Roussette de Savoie
Altesse 2011, David et Fred Giachino, Chapareillan, AOC Roussette de Savoie
Altesse 2013, Nicolas Gonin, Saint-Chef, IGP Isère
Quartz 2012, Domaine des Ardoisières, Cevins, Vin de Pays d’Allobrogie
La Grande Journée 2012, Jean-Yves Peron, Albertville, Vin de France
Furmint 2013, Herrenhof Lamprecht

… soweit das wie fast immer nicht ausschließliche Programm der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils

am Donnerstag, den 17. September und am Freitag, den 18. September
jeweils von 16 bis 22 Uhr
in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

Neuigkeiten im Flaschensortiment

Ab sofort sind Grüner Veltliner Steinfeder 2014, Grüner Veltliner Federspiel Klostersatz 2014 und Riesling Smaragd Achleiten vom Weingut Schmidl in Dürnstein, sowie ein Grüner Veltliner Landwein im Doppler vom Weingut Staringer in Stillfried (Weinviertel) verfügbar.

Herr Rudolf wünscht Ihnen einen anregenden Start in das neue Bildungsjahr und sich den lauwarmen Südwind zum Teufel oder zumindest ganz weit weg!

Prolog. Keine Riesling-Vertikale 1973 bis 1976, zumindest keine synchrone

Am Donnerstag, den 10. September beendet der Rudl seinen Sommerschlaf und kredenzt einen möglichst repräsentativen Querschnitt durch sein Sortiment und ein bissl darüber hinaus. Am 11. und am 12. September findet dann das Reindorfgassenfest statt. Auch da hat Monsieur Rudolf selbstredend geöffnet.

Reindorf

Über Reindorf ließe sich viel schreiben. Das Epizentrum des 15. Bezirks war seinerzeit von einem Meer bedeckt. Irgendwann hat dieses Meer dann begonnen sich zurückzuziehen und ein Binnenmeer zu bilden. Das muss ungefähr vor knapp siebzig Millionen Jahren gewesen sein, damals als das Erdmittelalter an die Erdneuzeit übergeben hat. Irgendwann hat dann auch das Binnenmeer den Hut drauf gehaut und es ist kalt geworden in Reindorf und darüber hinaus. Aus dem Frost resultierte Schutt, den wiederum Donau und Wienfluss in das Wiener Becken befördert haben. Der Wienfluss ist früher einmal mehrere hundert Meter breit gewesen. Aber das war vor dem Bau der U4. Damals hat die Wien als Fischwasser und Energiequelle Menschen ernährt. Der größte Mühlbach befand sich dort, wo jetzt Ullmannstraße und Mollardgasse nach dem Motto „Parkplätze statt Mehl!“ bewirtschaftet werden.
Wenn es am Ende einer Eiszeit warm geworden ist, haben sich Donau und Wien in die Schottermassen hinein geschnitten und Terrassen gebildet, je weiter weg vom Wasser, desto älter die Terrasse. Reindorf liegt auf der ältesten dieser Terrassen, der Laar-Berg-Terrasse, die an der musikgeschichtlich vermutlich berühmtesten Gehsteigkante der Welt beginnt und im Türkenschanzpark endet.

Geologischer Überbau

Reindorf ist bedeckt von einer dünnen Lössschicht, die im Lauf der Zeit vom Kalk und Sandstein aus dem Wienerwald integriert worden ist, oder umgekehrt. Sehen tut man beides nicht, weil der Großteil von Reindorf zuasphaltiert ist. Rudolfsheim-Fünfhaus ist der Bezirk mit den anteilsmäßig dritthöchsten Verkehrsflächen. Drum juckt es den Rudl immer wieder, wenigstens ein ganz kleines Fleckerl auf der Kreuzung Ölweingasse – Reindorfgasse zu begrünen, gerade so groß, dass ein Weinglasl drauf Platz hat, aber dazu fehlt der politische Wille, wie man sagt.

Basis

Die handfeste Basis des Ganzen stellen vor allem aus den Alpen zugewanderte Quarze dar. Ob das der Grund ist, warum Rudolfsheim-Fünfhaus bei Wahlen kein gutes Pflaster für Hetzer ist, oder die gute Durchmischung der Bevölkerung, die dafür sorgt, dass man einander kennt und nicht angafft, das weiß der Rudl nicht und es ist ihm auch egal, solange es nur so bleibt.

Nix fia unguat

Direkt maßgeschneidert für einen Bahööö wie das Reindorfgassenfest ist dem Rudl sein Einkaufsgeschäft ja nicht oder vice versa. Darum ersucht Monsieur Polifka Sie, gewogene Oenologin, geneigter Oenologe, gleich am Beginn des Trimesters um Nachsicht im Falle der einen oder anderen Inkonvenienz. Ein Pfand für das Hinaustragen von Gläsern und Flaschen zu verlangen ist auch dem Herrn Rudolf nicht die sympathischste Idee, aber es ist ihm noch nichts Schlaueres eingefallen. Und bevor er den Wein in Einwegbecherl füllt, sperrt er lieber ganz zu. Dasselbe betrifft die eine oder andere Minute des Wartens beim Anstellen. Die ist nicht auszuschließen. Aber auch da findet der Rudl nur das Vordrängen noch blöder als das Warten.

Auf alle Fälle kredenzt Herr Rudolf diese Woche folgende Weine

Grüner Veltiner Landwein, Staringer, Weinviertel
Grüner Veltliner Vollmondlese, Uibel, Weinviertel, 2014
Jacquère, Domaine Dupasqier, AOC Vin de Savoie, 2010
Blaufränkisch Landwein, Alfred Weber, Südburgenland
Zweigelt, Biohof Heideboden, Neusiedlersee, 2012
Mondeuse, Jacques Maillet, Vin de Savoie, 2013
Riesling, Klinglhuber, Kamptal, 1973
… und sollte sich der Dreiundsiebziger großer Beliebtheit erfreuen und deshalb leer sein, wird der Rudl den Vierundsiebziger vom selben Weingut aufmachen und dann gegebenenfalls den Fünfundsiebziger. Nach dem Klinglhuber Riesling aus dem Jahr 1976 wäre dann auf alle Fälle Schluss. Den Siebenundsiebziger hat Herr Rudolf nicht in Wien lagern.
Dazu gibt es das Bräustübl Märzen aus Salzburg Mülln und Trockenwürstel vom Steppenrind aus Pamhagen.

Carambar

Monsieur Rudolf hat diesen Sommer zum ersten Mal in seinem Leben bewusst einen Corton-Charlemagne getrunken hat. Dieses Geschmackserlebnis möchte er gerne mit Ihnen teilen. Darum gibt es für die ersten vierzig Kundinnen und Kunden der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils ein eigens aus Frankreich importiertes Carambar. Die Aufzeichnungen vom Rudl über den Corton-Charlemagne bestehen aus genau diesem Wort.

Donnerstag, den 10. September von 16 bis 22 Uhr
Freitag, den 11. September ab 16 Uhr und
Samstag, den 12. September ab 14(!) Uhr

Nachrichten aus dem Flaschensortiment

Caviste Rudolf freut sich, eine Rotweincuvée von der Domaine des Ardoisières anbieten zu können: Améthyste, 60 % Persan, 40 % Mondeuse Noire, gewachsen auf bis zu 60 Grad steilen, nach Süden ausgerichteten kargen Schiefer-Terrassen im Tal der Isère.
Und eine zweite Errungenschaft: Das Weinviertel mag der Monsieur Polifka besonders. Drum ist es im Sortiment seines Kaufladens auch gut vertreten. Aber jetzt kann er zum ersten Mal einen soliden Weißen im Zwei-Liter-Gebinde, das dessen Arterhaltung dem Rudl ja auch nicht ganz egal ist, anbieten: Grüner Veltiner Landwein vom Bio-Weingut Staringer aus Stillfried an der March.

Herr Rudolf wünscht einen agréable Eintritt in die R-Monate! Allez-y!