Die Uhr und das Ich beenden das Mittelalter
Wenige Jahre bevor das iPhone7 das Licht der Welt erblickt haben wird, werden Menschen Uhren getragen haben. Und diese Menschen haben es für möglich gehalten, dass sich die Welt – die reale Welt, nicht die im iPhone7 – von ihrem Ich beeindrucken, vielleicht sogar beeinflussen lässt – beides charakteristisch für die Neuzeit. Noch früher war alles eines und der Mensch im Einen gut aufgehoben. Keine Uhr, kein Ich, nur das Eine. Das war das Mittelalter. Manche möchten wieder zurück ins Alleine, mit Stacheldrahtzäunen, elektronischen Daten oder Identifikationsphrasen. Auf mobile Endgeräte, Pensionsansprüche und Wochenendflugreisen wollen sie aber nicht verzichten. Darum ist die Rückkehr zum Alleinen keine Option. Da können Boulevardsprachartisten und ein paar Hetzer noch so hartnäckig etwas anders probieren. Das Mittelalter ist vorbei und mit diesem – zumindest in Europa – Brutalität, Gestank und hygienische Zustände, dass es einer Sau gegraust hat. Die Zivilisation war damals sowieso wo anders. Dafür hatte in Italien, Südfrankreich und ein paar anderen pulsierenden Gegenden Europas gerade der Kapitalismus angehoben.
Seinerzeit …
… im dreizehnten Jahrhundert hat in Assisi ein Narr gelebt. Ihm verdankt es die Welt, dass das Mittelalter positiv und vor allem herausfordernd zu Ende gegangen ist.
Sein Vater hat die Menschen mit „neichn Schoin“ versorgt, gerade so wie die Frau Gerti. Als sein Sohn, der kleine Giovanni auf die Welt gekommen ist, war der Tuchhändler gerade auf Dienstreise in Frankreich. Darum hat er den Bamperletsch bei seiner Rückkehr „Francesco“ (Französchen) gerufen.
Der hat es zuerst einmal ordentlich krachen lassen. Und wenn sein Vater nicht den entscheidenden Fehler gemacht hätte, ihn lesen, schreiben und rechnen lernen zu lassen, was möglicherweise für einen Kaufmann nicht selbstverständlich war und ist, dann hätte der Fils vielleicht eh nie bemerkt, dass Viel und Gut zwei unterschiedliche Kategorien sind. Den Vater hat diese Erkenntnis nicht euphorisiert. Und die Oberjassen im Franziskanerorden ein bissl später auch nicht. Die haben die ersten biographischen Schriften über ihren Ordensgründer vernichten lassen. Sie haben Angst gehabt, dass diese Biografien den „durch die veränderten Verhältnisse geforderten neuen Einrichtungen“ nicht förderlich sein könnten. „Die veränderten Verhältnisse“, so nannte Bonaventura das, was aus Schweiß und Maschinen Reichtum gemacht hat, das industrielle Kapital.
Uhren und Bürger
Keine hundert Jahre nach dem Tod Francescos war in Mailand die erste mechanische Uhr montiert worden. Und damit hatte eine neue Zeit begonnen, in der gleichmäßig dahinfließende und messbare Zeit Arbeitsteilung, Industrialisierung und Geschäfte ermöglicht hat. Bis heute tut sie das, die Zeit. Sie fließt gleichmäßig dahin und lässt sich messen. Und sie tut das überall gleichmäßig, außer auf den Anzeigen der Wiener U-Bahn. Herr Franz wollte diese Zeit partout nicht. Dass er sie nicht wollte und dass er sie erkannte, hatte er dem Umstand zu verdankten, dass er eben gerade als Bürger ein Kind dieser Neuzeit war. Der Neuzeit wiederum war das damals wurscht.
Gutmenschen, der Papst und die Viecherl
Die Mailänder Uhr hatte neun Jahre lang getickt, als die ersten radikalen Anhänger von Franz auf dem Scheiterhaufen in Marseille brannten. Als „gute Menschen“ hat man versucht, sie zu diskreditieren. Den Gebrauch von Geld haben die Gutmenschen abgelehnt, auf pulsierenden Märkten gepredigt, die Bibel studiert und ausschweifenden Mönchen und Pfaffen unmissverständlich die Meinung gesagt. Der Papst, auch kein Depp, hat Franz ganz hurtig heiliggesprochen und das Inquisitionsverfahren gegen Ketzer novelliert. Ein paar Mutige im Orden, nicht die, die in der Hierarchie ganz oben gestanden sind, haben die alten Biografien über Franz aufgehoben. Erschienen ist die erste solche Biografie non grata aber erst 1768. 1857 hat dann einer ein Buch über Franz von Assisi als politischen Menschen und seine Bezüge zum Klassenkampf geschrieben. Noch vor dem Ersten Weltkrieg ist dieses Buch vierzehn Mal neu aufgelegt worden. Das ist den Wichtigen endgültig über die Hutschnur gegangen und sie haben Franz als Viecherlfreund verkitscht. Bis heute mit Erfolg.
Ein Kind und die Mächtigen
Adolf Holl, auf den sich diese Ausführungen stützen, hat wie so oft auch über Franz von Assisi das Schönste und Gescheiteste geschrieben:
„Wir werden Franz weder als Heiligen noch als Ketzer betrachten. Wir werden Franz als den Narren erkennen, als den er sich selber bezeichnet hat; als einen, der die Mächtigen beim Arm nimmt, um ihnen wie ein Kind die Wahrheit zu sagen, mit einer Kraft, die sie zum Schweigen bringt. Sie singen uns ohnehin tagtäglich die Ohren voll.“ (Adolf Holl, Der letzte Christ. Franz von Assisi)
Dankbarkeit
Jetzt hätte Herr Rudolf um ein Haar vergessen zu erwähnen, warum er Ihnen das alles mitgeteilt hat. Der Winzer und Wirt mit dem weltweit besten Musikgeschmack schätzt den Franz über die Maßen. Und ihm und dem Herrn Franz zu Ehren stehen diese Woche die ausgeschenkten Weine in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils im Zeichen der Dankbarkeit, auch im Zeichen der Dankbarkeit den Mutigen, Minderen und Unflexiblen, dem Sand im Getriebe der „neueren Einrichtungen“, den diese viel dringender brauchen, als sie das selber für möglich halten.
Diese Woche in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, glasweise und nicht ausschließlich:
Welschriesling 2013, Dankbarkeit
Muskat3 2013, Dankbarkeit
Pinot Noir 2010, Dankbarkeit
Pinot Gris Spätlese 2004, Dankbarkeit
Trockenbeerenauslese Schrammel 2012, Dankbarkeit
am Donnerstag, den 1. September und am Freitag, den 2. September
von 16 bis 22 Uhr
in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22
Herr Rudolf grüßt die neue Zeit gerade so wie den alten Sand!