Vile Felsen und ein Bild. Vertikale Roussette de Savoie, Domaine Dupasquier, Mittwoch! und Freitag (vol. 1. Die Basis ohne Restsüße)

Bilder und Traumata

 

Der Rudl hat ein gespaltenes Verhältnis zu Bildern, früher einmal und immer noch fasziniert vor allem von den bewegten Bildern auf der Leinwand, heute, im Zeitalter der geteilten Bilder, vor allem solcher vom Müsli und der Selbstis skeptisch bis angewidert.

Es mag sich dem Rudl nicht und nicht eröffnen, welchen Mehrwert so manches Bilderl neben einem Text hat. Welchem Bild gelingt es, die Information in einem Text notwendig zu präzisieren oder zu erweitern? Fälle, in denen Information in einem Text durch ein Bild unabsichtlich oder absichtlich entstellt worden ist, fallen dem Rudl dagegen zum Saufüttern ein. Und jeder Blick auf die Titelseite einer der verinseratisierten Steuerspenden als Wiener Qualitätsblätter zeigt eine Informationsentstellung mehr.

Gar nicht so selten hat Monsieur Rudolf den Eindruck, ein Bild solle ihn dazu bewegen, sich mit einem Text auseinanderzusetzen, der ihn ungefähr so interessiert wie die Naturschönheiten rund um die Kreisverkehre in den Gewerbegebieten bei Parn- oder Eugendorf.

Vielleicht hat dem Rudl seine Skepsis aber auch mit frühkindlichen Traumata zu tun. Seinerzeit, in der Schule hat sich der Rudl eigentlich nur vor zwei Dingen gefürchtet. Blöderweise waren das Stunden, auf die sich andere gefreut haben. Aber wenn Zeichnen oder Geräteturnen auf dem Programm gestanden ist, dann hat beim Rudl wirklich der Hut gebrannt. Malen ja, aber zeichnen nicht ums Verrecken. Sport auch ja, nur nicht auf dafür gebauten Geräten.

 

Du sollst dir kein Bild machen.

 

Dass es in den Ausführungen vom Rudl so gut wie keine Bilder gibt, hat also theologische Gründe und ist nicht darauf zurückzuführen, dass Herr Rudolf keinen Scanner zu betätigen vermöchte, auch nicht auf Urheberrechtsfragen. Der Rudl würde die alttestamentliche Warnung vor den Bildern gerne viel konsequenter beachtet wissen, denn er ist der Meinung, dass man nicht nur Gott, sondern auch Menschen, Viecher, Dinge, Sachverhalte sowie dergleichen in einen Rahmen einsperrt, wenn man sie abbildet. Und Eingesperrtes ist vielleicht bemitleidenswert oder befürsorgenswert, interessant findet es der Rudl in den allerseltensten Fällen.

Aber der Analphabetismus war schon vor über tausend Jahren ein Hindernis für einen sparsamen Umgang mit Bildern. Da wären wir wieder bei den Qualitätsblättern und den BildungsexpertInnen.

So, jetzt hat es Caviste Rudolf wirklich geschafft, weit über zweitausend Zeichen, das ist ein Drittel einer Deutscheinheizmatura, in die Tastatur seines mobilen Nichtendgerätes zu nageln, ohne auf das Thema auch nur mit einer Silbe eingegangen zu sein. Jetzt aber!

 

Bild up

 

Caviste Rudolf hat nicht erst einmal darauf hingewiesen, dass er einen felsigeren Boden als den in den Weingärten der Domaine Dupasquier in Aimavigne noch nicht gesehen hat.

Ganz oben werden die Reben mit Hilfe eines Krampen in die Felsformation gepflanzt. Vor drei Jahren ist der Rudl einmal dort hinauf gekraxelt und hat ein paar Bilder gemacht. Eines davon möchte er Ihnen trotz aller Skepsis gegenüber Bildern nicht vorenthalten. Spektakulärer bleibt die Vorstellung vom Anlegen eines Weingartens im Felsen im Kopf, findet der Rudl.

 

 

 

 

 

Die Domaine Dupasquier in Aimavigne. Old school

 

Im Forum von lapassionduvin.com gibt es über die Domaine Dupasquier in Savoyen 25 Seiten, Château Margaux bringt es auf 16. Kein französisches Weingut hat der Rudl öfter besucht als Dupasquier.

Seinerzeit hat im Weingarten und im Keller Noël Dupasquier Regie geführt, seine Frau war für den Verkauf zuständig, in einem Verkostungsraum mit null Percent Plexiglas. Der muss schon alleine deshalb ohne EU-Förderung gebaut worden sein, weil es zu seiner Errichtungszeit noch nicht einmal die EWG gegeben hat.

Die Revue du Vin de France bezeichnet Dupasquier als „Partisanen“ des langen Ausbaus in großen Holzfässern. Im Anschluss an diesen Ausbau reposiert der Wein noch ein paar Monate oder Jahre in den Flaschen, ehe er in Verkauf kommt. 2013 ist der aktuelle Jahrgang beim Rosé. Auf synthetische Spompanadeln hat Dupasquier schon verzichtet, da war Biowein noch ein Synonym für Jutetaschen und Vollkornbrot.

 

Jean-Jacques Rousseau

 

wurde im 102,6 Kilomter nahen Genf geboren und im savoyardischen Freigeist erzogen. Mit den Dupasquier-Weinen hätte er möglicherweise seine Freude gehabt. Spontangärung, auch der biologische Säureabbau darf sich nach Lust und Laune zum Dienstantritt melden oder eben auch nicht, minimale Schwefelung, ganz dezente Filtrierung.

 

Roussette de Savoie. Die trockene Basis

 

Die leichter zugängliche Roussette de Savoie, trocken ausgebaute Altesse von den tiefer gelegenen und weniger steil ausgerichteten Weingärten steht diese Woche auf dem Stundenplan. Den Cru Marestel von ganz oben am Felsen, selbe Rebsorte mit dem einen oder anderen Gramm Restzucker gibt es dann irgendwann, quasi als ideologischen Überbau, beziehungsweise im Neuschreib als Follow-up.

Véronique und David Dupasqier führen heute in fünfter Generation das Weingut. Viel hat sich nicht geändert. In den Boden des Verkostungsraums sind jetzt Schienen eingelassen, die E-Mail-Adresse ist kein Betriebsgeheimnis mehr und dem Rudl kommt vor, dass der Stolz des Weingutes, der Cru Marestel in den letzten Jahren eine Spur weniger Restzucker hat als früher. Reifen wird er schätzungsweise auch nicht schlechter. 30 bis 40 Jahre, ohne seine Frische zu verlieren, prognostiziert die Revue du Vin de France. Empirisch bestätigen kann der Rudl diese Frische in den Jahrgängen 1997, 1993 und 1988. Erinnerungen an Haselnuss, Birne, Ingwer und Honig, die Andrew Jefford dem Wein attestiert, auch. Bettane & Desseauve bescheinigen dem Marestel von Dupasquier, die Rebsorte Altesse „à sa plus haute expression“ – zu ihrem höchsten Ausdruck zu bringen. Trotzdem gibt es diese Woche die kleine Schwester mit etwas trockenerem Hamur als der Marestel.

Für österreichische Trinkgewohnheiten ist der Marestel nicht gerade eine „Faust auf’s Aug“, wenn man die Redensart wörtlich nimmt, vielleicht gerade eine solche, wobei das jetzt vermutlich auch wieder auf die letzten Jahrzehnte einzuschränken ist. Bis 1985 dürften Weine mit Restsüße in Österreich ein deutlich weniger großes Imageproblem gehabt haben.

Schulmeister Rudolf fasst eher schon länger einmal eine Lektion zum Marestel ins Auge. Diese Woche versucht er, dafür die Basis zu legen. Die ist trocken, aber das ist die Basis meistens, vor allem wenn sie solide sein soll.

 

Roussette de Savoie, Domaine Dupasquier, Aimavigne, trocken

 

2013

 

Der kalte und niederschlagsreiche Winter hat den savoyardischen Rebsorten keine grauen Federn wachsen lassen. Auf den sind sie eingestellt. Auf einen furchtbarer Frühling wie 2013 nicht. Ein heißer Sommer bedeutet auch in Savoyen ein erhöhtes Hagelrisiko. Die Trauben, die im September das Handtuch immer noch nicht geworfen hatten, haben bei der Lese nicht durch Pünktlichkeit geglänzt, erwiesen sich in qualitativer Hinsicht aber als äußerst kompetent, ausgeglichen und gesund.

 

2012

 

Auch ein kalter Winter, wie in Wien. Erst im August halbwegs standesgemäße Temperaturen für Ihre Hoheit Altesse.

 

2011

 

Ungefähr das Gegenteil von 2013. Trockener Frühling, heißer Juli, viel zu niederschlagsfreudiger August, dem die zu diesem Zeitpunkt viel zu reifen Trauben jede Menge Angriffsflächen geboten haben. Für Savoyen ungewöhnlich frühe Lese ab Ende August. Der erste von vier aufeinanderfolgenden Jahrgängen, von denen nicht nur in Savoyen jeder einzig und allein darum bemüht schien, zu zeigen, dass es für den selber denkenden Weinbauern noch um ein Eck schwieriger geht als im jeweiligen Jahr davor.

 

2009

 

Den weißen Zweitausendneunern aus Savoyen sagt man nicht die allergrößten Fähigkeiten auf der Langstrecke nach. Zu heiß der Sommer, zu wenig Säure die Weinderl. Auf einen mittelkalten Winter mit ausgesprägtem Weitblick, was die hohen Niederschläge betrifft, folgen ein sehr sonniger Frühling und ein heißer Sommer. Eher südfranzösischer Stil (Danke an A.K.!).

 

2004

 

Nach fünf ziemlich bis extrem heißen Jahrgängen der erste „avec modération“. In Österreich haben ihn gar nicht so wenige wahrscheinlich deshalb sehr schnell abgeschrieben. Für den Rudl ist der Jahrgang 2004 auch existenziell bedeutend. Bei einer Verkostung steirischer Weine im Museumsquartier hat er damals einen Sauvignon 2004 von Andreas Tscheppe, damals noch von der Riegersburg, gekostet. Dabei ist ihm aufgegangen, dass Wein auch ganz anders schmecken kann, als er es bis dahin gewohnt war.

Mit 2008, 2010 und 2013 ist der Vierer einer seiner allerliebsten Jahrgänge in den letzten zwanzig Jahren. In Savoyen wirklich nur bei vernünftiger Ertragsbegrenzung raisonable Weine.

 

Die folgenden fünf Jahrgänge Roussette de Savoie von Dupasquier

 

  • Roussette de Savoie (Rebsorte Altesse) 2004, Domaine Dupasquier, Aimavigne, AOC Vin de Savoie (5/8) 
  • Roussette de Savoie (Rebsorte Altesse) 2009, Domaine Dupasquier, Aimavigne, AOC Vin de Savoie (4/6) 
  • Roussette de Savoie (Rebsorte Altesse) 2011, Domaine Dupasquier, Aimavigne, AOC Vin de Savoie (3/5) 
  • Roussette de Savoie (Rebsorte Altesse) 2012, Domaine Dupasquier, Aimavigne, AOC Vin de Savoie (3/5) 
  • Roussette de Savoie (Rebsorte Altesse) 2013, Domaine Dupasquier, Aimavigne, AOC Vin de Savoie (3/5) 

    …, aber nicht ausschließlich diese Weine gibt es glasweise

     

    am Mittwoch, den 1. März und am Freitag, den 3. März

    jeweils von 16 bis 22 Uhr

    in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

     

    Im Übrigen ist Rudolf Polifka der Meinung, dass man den 27. Jänner, den Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz zu einem europäischen Feiertag erklären sollte!

     

    Vorschau auf die Lehrveranstaltungen vom 8. und 10. März:

    Vertikale Chignin-Bergeron „Les Filles“ von Giles Berlioz – internationaler Frauentag

     

    Herr Rudolf grüßt bildhaft und hundertpercent selfiefrei!

     

    Schicken Sie ein entsprechendes E-Mail, wenn Sie keine Nachrichten der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils bekommen möchten.

     

Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22, 1150 Wien

Öffnungszeiten: Mittwoch und Freitag, 16 bis 22 Uhr, an Schultagen

kostenlose und CO2-minimierte  Zustellung innerhalb von Wien ab einem Bestellwert von 57 Euro

 

6 extraordinaire Schaumweine und eine Abrechnung mit der Digitalisierung, am Mittwoch und am Freitag

Das stimmt nicht!

 

Dass Rudolf Polifka kein Freund der nicht wirklichen Netzwerke ist, wird für Sie, gewogene Oenologin, geneigter Oenologe, eine Information mit eingeschränktem Neuheitswert sein. Die Umstände, dass seine materielle Basis nicht, die Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils nicht und der Rudl als solches schon erst recht sowieso nicht irgendwo auf diesen unsäglichen Machwerken ein Profil oder einen Account betreiben, kann man als dezente Hinweise darauf, dass der Rudl diese für einen Schas hält, betrachten. Und zwar samt und sonders. Monsieur Rudolf kann auch die Hinweise, dass Medien grundsätzlich wertfrei seien und es auf die Art ihrer Nutzung ankäme, nicht mehr hören. Erstens interessieren ihn wertfreie Sachen sowieso nicht. Und zweitens findet er es aus mathematischer Sicht unangebracht, etwas, das nachweislich und anhaltend zu 75 Percent sinnfrei, zu 23 Percent destruktiv und zu 2 Percent konstruktiv genutzt wird, als „wertfrei“ zu bezeichnen. Wenn jemand daher kommt, sich das Attribut „sozial“ selbst anmaßt und so tut, als wolle er einem eine Wohltat erweisen, tatsächlich einen aber nur anschnort, dann hat den Rudl das schon als Halbwüchsigen narrisch gemacht. Darum ist er für ein umfassendes Bettelverbot für die Datenbettlerbanden im digitalen Raum, und zwar für eines mit drakonischen Strafen im Falle von Zuwiderhandeln.

Eine diese Bettlerbanden verspricht Hilfe beim Suchen. Jetzt ist der Rudl keiner, der mit den offiziell anerkannten Heiligen samt ihren Zuständigkeitsbereichen besonders viel anzufangen wüsste. Auch hat der Rudl grundsätzlich nichts gegen das Suchen. Gar nicht so selten kann er dem Suchen sogar mehr abgewinnen als dem Finden. So oder so, hätte er im Internet die Wahl, würde sich sogar der Rudl beim Suchen hundertmal eher an den Heiligen Antonius anstatt an eine Maschine wenden.

Trotzdem hat ungebetener, unersuchter und unverschämter Weise eine dieser Datenbettlerbanden ein Profil von der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils erstellt. Als der Rudl darauf gekommen ist, dass dort seit vier Monaten falsche Öffnungszeiten stehen, hat er mindestens 25(!) Mal gebeten, diese zu korrigieren. Die Datenbettlerbande hat dazu von ihm verlangt, sich bei ihr registrieren zu lassen und also einen ganzen Haufen Daten herauszurücken. Geändert haben diese Wappler nichts. Letztklassig!

 

Fasching ist.

 

Im Unterschied zu den vergangenen Jahren verfolgt der Rudl den Höhepunkt des Wiener Faschings heuer nicht in seinem Geschäft. Das ist seit Oktober 2016 am Donnerstag nämlich zu, auch am Opernballdonnerstag. Deshalb heuer keine Knacker und keinen Doppler, zumindest nicht im Geschäft.

Doch Caviste Rudolf erweist dem bunten Treiben diese Woche am Mittwoch und am Freitag durch die Ausschank von sechs ungewöhnlichen Schaumweinen die Reverenz, freilich nicht ausschließlich mit diesen sechs Schaumweinen.

Der Cavistenkollege Serge Alexandre aus der Nähe von Annecy hat vor zwei Jahren einen interessanten Versuch unternommen. Er hat eine Palette Wein ein Jahr lang im Lac d’Annecy versenkt. Nachdem er die Palette wieder herausgezogen hatte, hat er die Weine im Duett mit einem gleichen Wein nicht versenkter Provenienz verkauft. Der Rudl hat vorigen Sommer noch so ein Paarl erstanden, den versenkten Bugey Méthode Traditionelle von Franck Peillot mit seiner unversenkten Kolleginnenflasche.

Bugey kann man als die Verbindungsappellation zwischen dem Jura und Savoyen sehen. Das spiegelt sich auch in den Rebsorten wider. In Montagnieu keltert Franck Peillot einen Schaumwein aus zwanzig bis dreißig Percent Altesse und Chardonnay. Die längste Zeit hat man die Schaumweine aus Bougey „le champagne des Loyonnais“ genannt. Lyon ist quasi um die Eckn.

Sie können jetzt natürlich sagen: „Was kommt er jetzt mit seinem Versinkmotiv daher? Das hätte doch nach der Wahl einer Disney-Figur zum Präsidenten der USA viel besser gepasst.“

Und da haben Sie sicher recht. Aber den Fasching findet der Rudl auch nicht die allerunpassendste Occasion dafür. Und als der dämliche, grinsende Daumennachobenstrecker gewählt worden ist, hat Rudolf Polifka es für nicht ausgeschlossen gehalten, dass es bald auch hierzulande zum Versinken werden könnte. Das ist, Gott sei Dank, nicht eingetreten.

Vom versenkten und vom unversenkten Bugey hat der Rudl jeweils nur ein Flascherl. Das heißt, es könnte bei hoher Frequenz am Mittwoch (Ja, am Mittwoch, für den Fall, dass jemand von der Datenbettlerbande mitliest!) spätestens am Freitag bei diesem Schaumwein eng werden.

Aber das wird sowieso nicht die einzige CO2-Kuriosität in dieser Woche sein:

 

Sauvignon Blanc Graf 2011, Maria und Sepp Muster, Schlossberg, Steirerland

 

Hätte Sepp Muster eine Schwäche für Prüfnummern, hätte ihm dieser Sauvignon Graf vielleicht das eingetragen, was den Kurtl und den Rudl Zeit ihrer Leben plagt: ein veritables Schlafdefizit.

Graf Sauvignon 2011 dürfte das Gegenteil von einem Hudler sein, zumindest beim Gären. Vielleicht ist er aber auch nur nicht ausgesprochen willensstark. Irgendwann hat der Wein aufgehört zu gären. Trocken war er da noch nicht. Sepp Muster wäre vermutlich nicht Sepp Muster, wenn er so etwas nicht akzeptieren könnte. Darum hat er den Wein gefüllt. Der Wein dürfte dann in der Flasche jedoch seine Lebensplanung geändert haben, wie ein ehemaliger Bundeskanzler der Republik das einmal ausgedrückt hat, und hat die Gärheferln zu einem Comeback überredet. So eine Gärhefe wird man sich in letzter Konsequenz ja auch nicht anders vorstellen müssen als einen begnadeten Musikanten und Doktor.

In den Flaschen von Graf Sauvignon 2011 muss dann ein ziemliches Theater losgewesen sein, vergleichbar vielleicht mit dem in einer großen Pause ohne Gangaufsicht an einer Bubenschule. The rest, as they say, is history. Der erste Schaumwein aus dem Hause Muster. Ein Pétillant Naturel der unhysterischen Art, wenn Sie so wollen. Der Herr des Hauses hat dann für den Export nur mehr den Stoppel mit einer halblangen Kapsel vor etwaigen weiteren Spontaneitäten geschützt. Heute ist Graf Sauvignon 2011 im Noma wie im Steirereck eine äußerst geschätzte Essensbegleitung.

 

Crna und Bela, Branko und Vasja Čotar, Komen, Kras, Slovenija

 

Und noch ein Paar, nicht versenkt & unversenkt, sondern hell und dunkel, wobei Bela auf der Maische gegoren haben dürfte. Crna ist rot und zwar nicht rot im Sinn vieler Blaufränkischsekte, sondern wirklich rot, wenn nicht dunkelblau bis schwarz. Teran nach der Méthode Traditionelle. Vom hellen hat der Rudl mehr, vom dunklen nur eine Flasche.

 

Paarungen, der Fasching und das Touchscreen

 

Im Fasching geht traditionell etwas weiter. Die Geburtenraten im November sind kein Lercherl. Ob man so weit gehen kann, den Fasching als Paarungszeit zu bezeichnen, das weiß der Rudl nicht. Sollte es früher so gewesen sein, wäre immer noch die Frage, ob sich das heute auch so verhält. Der Rudl würde, jetzt einmal ganz ehrlich gesagt, sowieso nicht seine Hand dafür ins Feuer legen, dass es Paarungsverhalten klassischer Art im Zeitalter der Digitalisierung noch gibt. Wenn Monsieur Rudolf heute Zeitgenossinnen und Zeitgenossen, nicht nur jüngere, bei weit weniger intimen Kommunikationen beobachtet und dabei gewahr wird, dass oft kein Sinn zwischen die beiden Kommunikanten passt, weil dort neben den zwei mobilen Endgeräten kein Platz mehr ist, dann tut er sich schwer bei der Vorstellung, dass da noch etwas rennt, das man nicht hochladen, teilen oder liken kann. Aber der Rudl ist bekanntlich katholisch. Als solches findet er die sterile Prüderie eines Touchscreens ungefähr so aufregend wie die aufgeblasenen, grinsenden Plastikpüppchen auf den Gesellschaftsseiten der Wiener Qualitätspresse.

Wenn Sie wollen, können Sie vermutlich auch eine Schaumweinflasche als etwas Aufgeblasenes betrachten, zumindest was die Prämissen für Luft betrifft. Die sind ja in der Flasche drin, auch wenn man sie in geschlossenem Zustand nicht sieht. Darauf hat der Kurtl einmal in einer Trost & Rat Sendung im Zusammenhang mit einer Flasche Bier hingewiesen. Aber bei so einer Schaumweinflasche hat man etwas in der Hand, kein Vergleich mit einem asketischen Touchscreen. Wenn Sie so wollen, sieht der Rudl die Schaumweinflasche als Verkörperung des Faschingsdienstags, das Touchscreen als die des Aschermittwochs. Darum fastet Monsieur Rudolf beim Touchscreen leidenschaftlich, zumindest wischmäßig. Zum Schneiden von Speck oder Comté kann man die Brettln ja verwenden.

 

Chêvre, Château la Tour de Marignan

 

Dass ein französisches Weingut keine Homepage hat, ist nicht so ungewöhnlich. Dass im Bettane & Desseauve bei einem Weingut wie Dupasquier erst seit wenigen Jahren eine E-Mail-Adresse angegeben ist, das weiß der Rudl mittlerweile auch einzuordnen. Dass ein Weingut mit relativ doch recht elevierten Preisen wie Château La Tour de Marignan in keinem der ganz namhaften Weinführer erwähnt ist, versteht Caviste Rudolf, seit er weiß, wie diese Weinführer  zustande kommen. Hätte er Die Fackel von Karl Kraus nicht nur gelesen, sondern noch ernster genommen, dann hätte ihn das auch viel weniger überrascht. Aber dass man zu Château la Tour de Marignan eigentlich nur hinfahren kann, wenn man etwas darüber wissen will, das gefällt dem Rudl schon wieder. Und das schon seit acht Jahren. Die Weine von Bernard und Olivier Canelli  hätte Monsieur Rudolf vor fünf Jahren um ein Haar ins Sortiment befördert. Die Schweizer Preise und die Domaine Delalex haben letztendlich dagegen gesprochen. Als Privatier hat der Rudl seit 2009 noch keinen Frankreichurlaub absolviert, ohne bei den Canellis vorbei zu fahren. Einen Wein hat er dabei aber immer ausgelassen, die Chèvre. Allein dass der Wein auf den ersten zehn Einträgen, die die Datensammelbettlerband ausspeibt, mit drei unterschiedlichen Akzenten geschrieben wird, amüsiert Monsieur Rudolf. Dass auf dem Etikett die Variante mit dem Circonflexe verzeichnet und daneben eine Ziege abgebildet ist, deutet der Rudl als Hinweis auf die Korrektheit dieser Schreibweise. Wie auch immer: Chasselas, Rum, Vanille, Rohrzucker und rote Beeren, eine „spécialité savoyarde“, wie es am Etikett steht. Der Rudl hat beim letzten Besuch die Unterrichtseinheit mit den ungewöhnlichen Schaumweinen schon im Hinterkopf gehabt und ist deshalb an der Chêvre nicht vorbei gekommen. Man wird sehen, etwas frei nach dem Kurtl: „mit den Papillen sehen“.

 

Die folgenden sechs Schaumweine

 

  • Chêvre, Château la Tour de Marignan (3/5)
  • Bela, Branko und Vasja Čotar, Komen, Kras, Slovenija (5/8)
  • Crna, Branko und Vasja Čotar, Komen, Kras, Slovenija (5/8)
  • Sauvignon Blanc Graf 2011, Maria und Sepp Muster, Schlossberg, Steirerland (5/8)
  • Bugey Méthode Traditionelle, Franck Peillot, AOP Bugey (versenkt) (3/5)
  • Bugey Méthode Traditionelle, Franck Peillot, AOP Bugey (unversenkt) (3/5) 

 

…, aber nicht ausschließlich diese Weine gibt es glasweise

 

am Mittwoch, den 22. Februar und am Freitag, den 24. Februar

jeweils von 16 bis 22 Uhr

in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

 

Im Übrigen ist Rudolf Polifka der Meinung, dass man den 27. Jänner, den Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz zu einem europäischen Feiertag erklären sollte!

 

Vorschau auf die Lehrveranstaltungen vom 1. und 3. März:

endlich wieder eine kleine Vertikale

 

Herr Rudolf grüßt alle analogen Zeitgenossinnen und Zeitgenossen!

 

Überhaupt nicht österreichische Rebsorten. Eine Semestrierung am Mittwoch und am Freitag

Prävirtuelle pannonische Echokammer

 

Der Rudl würde sich nicht gerade eine große Schwache für dualistische Welterklärungsversuche attestieren. Höchstens was den Neusiedlersee betrifft, da hält er es ein bissl monolatristisch. Er weiß, dass der Neusiedlersee ein Westufer hat, aber er identifiziert mit „dem See“ den Seewinkel. Man kann das vermutlich als Beispiel für eine prävirtuelle Echokammer betrachten. Denn der Rudl fährt konsequent auch stets an das Ostufer, wenn er zum Neusiedlersee fährt. An dem hat er vor vierunddreißig Jahren, wie man so schön sagt, einen Narren gefressen. Und jetzt wundert er sich, dass er mit dem Neusiedlersee Illmitz, Podersdorf und Apetlon assoziiert. Aber er weiß natürlich, dass auch der Neusiedlersee mindestens eine andere Seite hat, dass es auch dort schön ist und dass auch dort äußerst virtuose Winzer und Weine zuhause sind. Er weiß es, aber er fährt trotzdem nach Illmitz. Und der Rudl weiß auch, dass Rust inzwischen so etwas wie das österreichische Epizentrum des Furmint ist, und auch, dass Furmint mit der savoyardischen autochthonen Hoheit Altesse verwandt ist.

 

Semestrierung

 

Es gibt ein paar Möglichkeiten, Zeit im Sinne des griechischen chronos zu strukturieren. Zwölf Monate vom ersten Jänner bis zum einunddreißigsten Dezember stellen eine gebräuchliche, vermutlich aber nicht die alleroriginellste Variante dar. Die Fußballsaison beginnt, nimmt man das Mutterland des Fußballs zum Kriterium, am zweiten Wochenende im August, der neue ÖBB-Fahrplan jährlich am zweiten Wochenende im Dezember, das Dankbarkeitsjahr Anfang Februar und das Kirchenjahr am ersten Adventsonntag.

Universitäten strukturieren ihren Betrieb nach Semestern. Seit viele Studienpläne ihre Akzente vom Forschen auf das Belehren und Bevormunden verschieben, kommen Schulen den Universitäten auf halbem Weg entgegen und semestrieren neuerdings ihrerseits.

 

Sommersemester

 

Das Sommersemester hat den selbstangemaßten Weindozenten Rudolf Polifka gebeten, mit weißen Rebsorten, die in Österreich einen Verbreitungsgrad umgekehrt proportional zu dem von Thujenhecke und Kleinformat zusammen genießen, begonnen werde zu dürfen.

 

Jacquère. Eine Wiederholung der Lektion vom 30. Juni (Sommersemester 2016)

 

Wenn es in der zweitausend Hektar kleinen Weinbauregion Savoyen eine Massenweinrebsorte gibt, dann kann man Jacquère als so eine betrachten. Mehr als tausend Hektar sind dort mit der autochthonen Jacquère bestockt. Ganz präzise hat sie ihren Ursprung, soweit man das rekonstruieren kann, in Abymes de Myans. Das liegt am nordöstlichen Rand des Chartreusegebirges.

Die dicken Beerenschalen erlauben eine späte Reife, was am kalkreichen, steinigen Fuß der französischen Alpen nicht ganz unwesentlich ist, und schützen die engbeerigen Trauben vor Oïdium und Meltau.

Als Wein ist Jacquère eher blass bis weißgold und erinnert an vieles, was im Frühling blüht, manchmal sogar an Akazien. Dem Rudl seinem Geschmack nach stehen Alpenkräuter, Grapefruit, Bergamotte, Weißdorn und aneinander geriebener Feuerstein im Vordergrund. Manchmal kommen Mandeln, Haselnüsse und Lindenblüten dazu, wenngleich nie so intensiv wie bei der Altesse.

Die Spitznamen Coufe-Chien und Cugnète gefallen dem Rudl auch nicht so schlecht, obwohl oder vielleicht eher weil er keine Ahnung hat, was sie bedeuten.

 

Sommerweine

 

Caviste Rudolf Polifka trinkt und empfiehlt diese Weine vor allem im Frühjahr und im Sommer. Jacquère ist für ihn eine weingewordene Metapher für das Wiedererwachen der Vegetation.

 

 

Accord Papperl – Jacquère

 

Oft endet Jacquère als Fonduebegleiter in den einschlägigen Skigebieten, als Winterwein. Caviste Rudolf findet das nicht unpassend, aber ein bissl ideenlos, zumal man von einem Fondue eh fast jeden Wein erschlagen lassen kann. Viel mehr als die Säure bleibt dann manchmal nicht über. Der kulinarische Deckel für den Topf einer gelungenen Jacquère, sofern man einen Wein als Topf bezeichnen kann, ist wahrscheinlich die Bachforelle. Das dezente Prickeln, der niedrige Alkohol, das kongeniale Zusammenspiel von Frische, Leichtigkeit und appetitanregendem Temperament der Jacquère erinnern den Rudl an einen Gebirgsbach während der Schneeschmelze. Wenn er bei vielen Weinen aus dem Elsass an den Rhein denkt, dann symbolisieren savoyardische den Zubringer eines Zubringers der Isère. Einer wie der Rudl, der quasi neben, beziehungsweise in Wald- und Wiesenbächen seine Kindheit verbracht hat, der Donau aber erst im stolzen Alter von vierzehn gewahr wurde, kann mit kleinen Gebirgsbächen und Wasserfällen und ihren korrelierenden Weinen vielleicht naturgemäß mehr anfangen. Der ist mit der Bachforelle per Du und diese quasi so vor der Haustür wie die Oelweingasse vor dem Rudl seinem Geschäft.

 

Jacquère ist nicht Jacquère ist nicht Jacquère

 

Es gibt Jacquères, denen der geschmolzene Käse quasi als Schicksal in die Wiege, treffender vielleicht ins Fass gelegt worden zu sein scheint.

Es gibt auch Jacquères, die ausgesprochen ambitioniert, vor allem bodenspezifisch ausgebaut, aber mit einem synthetischen Korkimitator zugestoppselt werden. Ein Jammer.

Und dann gibt es Jacquères von Weinbaumeistern, die es wissen wollen und denen Tradition auch beim Verschließen von Flaschen ein Anliegen ist.

 

  • Jacquère 2014, Dupasquier, Jongieux, AOP Vin de Savoie
  • Monfarina 2015, Giachino, Chapareillan, AOP Vin de Savoie
  • Marius & Simone 2015, Giachino, Chaparaillan, Vin de France 

    Altesse. Gleich noch eine Wiederholung (Wintersemester 2015/16)

     

    Dass die Rebsorte Altesse von der verrückten Henne und Tochter des Königs von Zypern und Jerusalem, Anne de Lusignan, nach Savoyen gebracht worden sei, dürfte so wenig historisch sein wie die ungleich unsympathischere These, dass sie einem Kreuzzug des Grafen Amédée VI. zu verdanken sei.

    Letzte Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Altesse aus der ungarischen Familie des Furmint stammt. Diese Weine waren seinerzeit dem Herrscherhaus vorbehalten. Darum der Name „Altesse“ – die Hoheit. Das halten zumindest der renommierte Ampelograph Pierre Galet und das in diesen Belangen auch nicht ganz unerhebliche Schweizer Institut de Changins für wahrscheinlich.

     

    Vielleicht ist das genau die Zeit, Altesse zu trinken. Und vielleicht erinnert sich zufällig irgendwer in Ungarn, welche großartigen Beiträge dieses Land früher einmal zur Geschichte des Kontinents geleistet hat.

     

    Rebsortencharakteristika

     

    Altesse reift sehr spät und nimmt in der Vollreife einen roten Farbton an. Sie steht gerne auf kargen Kalkböden, erweist sich als relativ resistent gegenüber Fäulnis und Oidium, aber anfällig für Peronospora, Trauben eher lockerbeerig, Beeren elliptisch.

     

    Speisebegleiter

     

    Évelyne Léard-Viboux bezeichnet Altesse als „grande dame qui a la classe de coeur“, die besonders auf Hechtnockerl (Lyoner Spezialität) oder Felchenfilet (Genfer See), beides reich an Omega-3-Fettsäuren, reflektiert. Ernährungsstudienrat Polifka nimmt das wieder einmal zum Anlass, Sie darauf hinzuweisen, dass es ausgesprochen willkommen ist, wenn Sie sich das Essen zum Wein selber mitbringen, quasi Weinbegleitung in Form von Jause oder – falls Sie logistische Herausforderung schätzen – warum nicht Hechtnockerl oder Felchenfilet.

     

  • Marestel 2010, Dupasquier, Jongieux, AOC Roussette de Savoie
  • Altesse 2013, Dupasquier, Jongieux, AOC Roussette de Savoie
  • Altesse 2015, Maillet, Serrières-en-Chautagne, AOP Roussette de Savoie 

    Gringet

     

    … heißen sie im Jura Savagnin und in Platt Weißer Traminer.

     

  • Le Feu 2012, Belluard, Ayze, AOC Vin de Savoie 

     

    Chignin-Bergeron

    ist die savoyardische Beziechnung für die Roussanne von der nördlichen Rhône.

     

  • Les Fripons 2015, Gilles Berlioz, Chignin, AOP Vin de Savoie 

    In Savoyen gibt es an autochthonen weißen Rebsorten auch Mondeuse Blanche und Molette, an nicht bis ganz und gar nicht autochthonen Chasselas, Malvoisie, Pinot Gris und Chardonnay. Dazu vielleicht ein anderes Mal mehr.

     

    AOP Irouléguy. Die dritte Wiederholung vom 31. März (Sommersemester 2016)

     

    Gros Manseng

     

    Auf Baskisch heißt er „Izkiriota“. Er ist für die Quantität zuständig. Der falsche Meltau ist nicht sein bester Freund.

     

    Petit Manseng,

     

    Izkiriota Itipia, ist ertragsschwach, kleinbeerig und dickschalig, kann deshalb lange am Stock hängen und viel Zucker bilden. Anklänge an Zimt, exotische Früchte, Honig und reifen Pfirsich gehen auf seine Rechnung.

     

    Petit Courbu,

     

    Xuri Zerratia, ist fast immer in der Minderheit, noch ertragsschwächer als der Petit Manseng, aromatisch dafür noch feiner.

     

  • Hégoxuri 2014, Arretxea, AOP Irouléguy, Sud Ouest 
  • Jacquère 2014, Dupasquier, Jongieux, AOP Vin de Savoie (2,50/4)
  • Monfarina 2015, Giachino, Chapareillan, AOP Vin de Savoie (3/5)
  • Marius & Simone 2015, Giachino, Chaparaillan, Vin de France (4/6)
  • Marestel 2010, Dupasquier, Jongieux, AOC Roussette de Savoie (4/6)
  • Altesse 2013, Dupasquier, Jongieux, AOC Roussette de Savoie (3/5)
  • Altesse 2015, Maillet, Serrières-en-Chautagne, AOP Roussette de Savoie (5/8)
  • Le Feu 2012, Belluard, Ayze, AOC Vin de Savoie (6/9)
  • Les Fripons 2015, Gilles Berlioz, Chignin, AOP Vin de Savoie (5/8)
  • Hégoxuri 2014, Arretxea, AOP Irouléguy, Sud Ouest (5/8) 

    (in Klammern zuerst der Sechzehntel-, dann der Achtelpreis)

     

    Diese neun Weine aus hierzulande nicht verbreiteten Rebsorten, aber nicht ausschließlich diese neuen gibt es glasweise

     

    am Mittwoch, den 15. Februar und am Freitag, den 17. Februar

    jeweils von 16 bis 22 Uhr

    in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

     

    Im Übrigen ist Rudolf Polifka im Sommersemester immer noch der Meinung, dass man den 27. Jänner, den Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz zu einem europäischen Feiertag erklären sollte!

     

    Vorschau auf die Lehrveranstaltungen vom 22. und 24. Februar:

    ungewöhnliche Schaumweine

     

    Herr Rudolf grüßt nach allen Seiten und den ganzen See!

Energiekriseferien! Während der Wiener Energieferien geschlossen

Energie kommt vom griechischen érgon und meint ein Werk, ein Wirken, im weitesten Sinn Arbeit, die aus Wärme resultiert. Entsprechend lange gibt es sie schon, die Energie.

Die Energieferien gibt es noch nicht so lange.

Komposita

Ähnlich verhält es sich vermutlich mit einer ganzen Reihe Komposita. Vor der Zusammensetzung zweier oder mehrerer Wörter muss es die von den einzelnen Wörtern bezeichneten Entitäten schon gegeben haben. Sonst haut es nicht hin, sonst gibt es kein Kompositum. In dieser Hinsicht verhält sich die Wortbildung nicht anders als das Kochen. Bevor ein Marmeladebrot zubereitet wird, muss es Marmelade und Brot geben. Beim Eiskaffee schaut es nicht viel anders aus. Beim Kaffeeeis schon, wobei die Frage ist, ob alles, was für die Allergestresstesten dieser Welt in grindige Pappendeckel- oder Plastikbecherl gefüllt wird, den Namen „Kaffee“ verdient. Aber es gibt diese tüchtigen Hochleistungsträger, die in der Früh intensiv Profile updaten, Neuigkeiten teilen und Narren liken müssen. Wie sollen sie da auch noch Kaffee kochen?

Coffee to go

Die Evolution wäre nicht die Evolution, hätte sie für diese Geschundenen nicht in jahrmilliardenlanger Anstrengung „Coffee to go“ hervorgebracht. Und wie werden der Evolution die Mühen gedankt? Das schwarzbraune Gschloder wird an Tramwayhaltestellen und vor U-Bahnstationen weggestellt, muss einem Wiener Qualitätsblatt im Handerl Platz machen und friert im Fall von Minusgraden unerbittlich zu Kaffeeeis ein, wobei die Wiener Qualitätsblätter freilich der job description des Coffee to go, den Blutdruck in die Höhe zu treiben, deutlich effizienter nachkommen als die schwarzbraune Flüssigkeit im Becherl.

1974

Zurück zu den Energieferien. Im Februar 1974 wurden als Folgen der ersten Ölkrise die Schulen für eine Woche geschlossen und die Betreiber eines verbrennungsmotorisierten Wagens verdonnert, die ersten zwei Buchstaben eines Wochentags auf die Windschutzscheibe ihres Automobils zu picken. Diese zwei Buchstaben haben aus dem Automobil für die Dauer dieses einen Tages pro Woche ein Autostabil gemacht. Den autostabilen Tag haben sie nach ein paar Monaten wieder abgeschafft. Staatsbürgerliche Grundrechte, die Erste. Das Provisorium Energieferien hat sich gehalten, wenn auch nicht um Energie zu sparen. Schaut man sich an, was manche Skigebiete aufführen, um Pisten in die Landschaft zu legen, ist man geneigt hinzuzufügen: ganz im Gegenteil.

Seinerzeit

Als die Energieferien eingeführt worden sind, war eine ziemliche Krise um die Energie. Von einer „Energiekrise“ konnte man damals hören. Und das muss schon nicht ganz undramatisch thematisiert worden sein, sonst hätte ein Sechsjähriger, wie der Rudl damals einer war, kaum etwas davon mitgekriegt. Und mir nix dir nix hätte man ziemlich sicher auch nicht die Schulen eine Woche lang zugesperrt und den Autostabilwochentag eingeführt.

2017

Heute schaut es mit der Energie ganz anders aus. Heute conduieren viele von der Zivilisation Geplagte ihre Kraftfahrzeuge in die architektonischen Kleinode an den Kreisverkehren, um dort palettenweise in Aludosen und Plastikflaschen abgefüllten Dreck zu kaufen. Aludosen und Plastikflaschen zählen in Österreich zu den realverfassungsrechltich garantierten Grundrechten (die Zweite). Man will sich nix vorschreiben lassen. Von irgendwelchen Digitalkonzernen,dem Monopolbier oder den Wiener Qualitätsblättern schon. Vom Klimawandel oder einer selbst gewählten Legislative aber nicht. Das wäre ja noch schöner!

Theorie

Aber das ist alles hypothetisch. Ein Liter Benzin kostet heute 1,141 Euro. Vor vierzig Jahren hat er 6,86 Schilling, das wäre circa ein halber Euro. Hätten sich Bahnfahrkarten, Semmeln oder Wein im gleichen Zeitraum preislich genauso verhalten, würde das Semmerl heute knapp über zehn Cent und eine ÖBB-Vollpreisfahrkarten von Wien nach Salzburg um die zehn Euro kosten. Vergleichsweise billig geblieben sind Kaffee, Kakao und Unterhaltungselektronik. Die Rohstoffe dafür kommen nicht aus Europa. Und wenn „die da unten“ „unser“ Öl für Kraxn und Billigstflieger und „unser“ Edelmetall für das mobile Endgerät nicht billig genug heraus rücken, haben wir Mittel und Wege, sie durch ein paar Finanztransaktionen an den Börsen zu Raison zu bringen.

Weltfremd

Wie auch immer, der Rudl wird diese Woche so tun, als müsste man mit Energie immer noch sparsam umgehen. Er hat die Heizung in seinem Weinkaufsladen abschalten, den Frigidär detto und die Tür bleibt auch zu, wobei diese Wintersperre zugegebenermaßen andere Gründe hat. Das Eis am Neusiedlersee zum Beispiel. Oder die Einheizmatura. Und offen hat der Rudl ja sowieso nur an Schultagen.

Manchmal hat Herr Rudolf das Gefühl, er ist in der Geschichte stecken geblieben. Und dann denkt er an den Titel vom Kurtl seiner Langspielplatte aus dem Einundneunziger Jahr.

Monsieur Rudolf wünscht Ihnen viel Energie, sich eine Eisdecke auf dem Neusiedlersee und den Klimawandel mitsamt den Schneekanonen zum Teufel!