Bilder und Traumata
Der Rudl hat ein gespaltenes Verhältnis zu Bildern, früher einmal und immer noch fasziniert vor allem von den bewegten Bildern auf der Leinwand, heute, im Zeitalter der geteilten Bilder, vor allem solcher vom Müsli und der Selbstis skeptisch bis angewidert.
Es mag sich dem Rudl nicht und nicht eröffnen, welchen Mehrwert so manches Bilderl neben einem Text hat. Welchem Bild gelingt es, die Information in einem Text notwendig zu präzisieren oder zu erweitern? Fälle, in denen Information in einem Text durch ein Bild unabsichtlich oder absichtlich entstellt worden ist, fallen dem Rudl dagegen zum Saufüttern ein. Und jeder Blick auf die Titelseite einer der verinseratisierten Steuerspenden als Wiener Qualitätsblätter zeigt eine Informationsentstellung mehr.
Gar nicht so selten hat Monsieur Rudolf den Eindruck, ein Bild solle ihn dazu bewegen, sich mit einem Text auseinanderzusetzen, der ihn ungefähr so interessiert wie die Naturschönheiten rund um die Kreisverkehre in den Gewerbegebieten bei Parn- oder Eugendorf.
Vielleicht hat dem Rudl seine Skepsis aber auch mit frühkindlichen Traumata zu tun. Seinerzeit, in der Schule hat sich der Rudl eigentlich nur vor zwei Dingen gefürchtet. Blöderweise waren das Stunden, auf die sich andere gefreut haben. Aber wenn Zeichnen oder Geräteturnen auf dem Programm gestanden ist, dann hat beim Rudl wirklich der Hut gebrannt. Malen ja, aber zeichnen nicht ums Verrecken. Sport auch ja, nur nicht auf dafür gebauten Geräten.
Du sollst dir kein Bild machen.
Dass es in den Ausführungen vom Rudl so gut wie keine Bilder gibt, hat also theologische Gründe und ist nicht darauf zurückzuführen, dass Herr Rudolf keinen Scanner zu betätigen vermöchte, auch nicht auf Urheberrechtsfragen. Der Rudl würde die alttestamentliche Warnung vor den Bildern gerne viel konsequenter beachtet wissen, denn er ist der Meinung, dass man nicht nur Gott, sondern auch Menschen, Viecher, Dinge, Sachverhalte sowie dergleichen in einen Rahmen einsperrt, wenn man sie abbildet. Und Eingesperrtes ist vielleicht bemitleidenswert oder befürsorgenswert, interessant findet es der Rudl in den allerseltensten Fällen.
Aber der Analphabetismus war schon vor über tausend Jahren ein Hindernis für einen sparsamen Umgang mit Bildern. Da wären wir wieder bei den Qualitätsblättern und den BildungsexpertInnen.
So, jetzt hat es Caviste Rudolf wirklich geschafft, weit über zweitausend Zeichen, das ist ein Drittel einer Deutscheinheizmatura, in die Tastatur seines mobilen Nichtendgerätes zu nageln, ohne auf das Thema auch nur mit einer Silbe eingegangen zu sein. Jetzt aber!
Bild up
Caviste Rudolf hat nicht erst einmal darauf hingewiesen, dass er einen felsigeren Boden als den in den Weingärten der Domaine Dupasquier in Aimavigne noch nicht gesehen hat.
Ganz oben werden die Reben mit Hilfe eines Krampen in die Felsformation gepflanzt. Vor drei Jahren ist der Rudl einmal dort hinauf gekraxelt und hat ein paar Bilder gemacht. Eines davon möchte er Ihnen trotz aller Skepsis gegenüber Bildern nicht vorenthalten. Spektakulärer bleibt die Vorstellung vom Anlegen eines Weingartens im Felsen im Kopf, findet der Rudl.
Die Domaine Dupasquier in Aimavigne. Old school
Im Forum von lapassionduvin.com gibt es über die Domaine Dupasquier in Savoyen 25 Seiten, Château Margaux bringt es auf 16. Kein französisches Weingut hat der Rudl öfter besucht als Dupasquier.
Seinerzeit hat im Weingarten und im Keller Noël Dupasquier Regie geführt, seine Frau war für den Verkauf zuständig, in einem Verkostungsraum mit null Percent Plexiglas. Der muss schon alleine deshalb ohne EU-Förderung gebaut worden sein, weil es zu seiner Errichtungszeit noch nicht einmal die EWG gegeben hat.
Die Revue du Vin de France bezeichnet Dupasquier als „Partisanen“ des langen Ausbaus in großen Holzfässern. Im Anschluss an diesen Ausbau reposiert der Wein noch ein paar Monate oder Jahre in den Flaschen, ehe er in Verkauf kommt. 2013 ist der aktuelle Jahrgang beim Rosé. Auf synthetische Spompanadeln hat Dupasquier schon verzichtet, da war Biowein noch ein Synonym für Jutetaschen und Vollkornbrot.
Jean-Jacques Rousseau
wurde im 102,6 Kilomter nahen Genf geboren und im savoyardischen Freigeist erzogen. Mit den Dupasquier-Weinen hätte er möglicherweise seine Freude gehabt. Spontangärung, auch der biologische Säureabbau darf sich nach Lust und Laune zum Dienstantritt melden oder eben auch nicht, minimale Schwefelung, ganz dezente Filtrierung.
Roussette de Savoie. Die trockene Basis
Die leichter zugängliche Roussette de Savoie, trocken ausgebaute Altesse von den tiefer gelegenen und weniger steil ausgerichteten Weingärten steht diese Woche auf dem Stundenplan. Den Cru Marestel von ganz oben am Felsen, selbe Rebsorte mit dem einen oder anderen Gramm Restzucker gibt es dann irgendwann, quasi als ideologischen Überbau, beziehungsweise im Neuschreib als Follow-up.
Véronique und David Dupasqier führen heute in fünfter Generation das Weingut. Viel hat sich nicht geändert. In den Boden des Verkostungsraums sind jetzt Schienen eingelassen, die E-Mail-Adresse ist kein Betriebsgeheimnis mehr und dem Rudl kommt vor, dass der Stolz des Weingutes, der Cru Marestel in den letzten Jahren eine Spur weniger Restzucker hat als früher. Reifen wird er schätzungsweise auch nicht schlechter. 30 bis 40 Jahre, ohne seine Frische zu verlieren, prognostiziert die Revue du Vin de France. Empirisch bestätigen kann der Rudl diese Frische in den Jahrgängen 1997, 1993 und 1988. Erinnerungen an Haselnuss, Birne, Ingwer und Honig, die Andrew Jefford dem Wein attestiert, auch. Bettane & Desseauve bescheinigen dem Marestel von Dupasquier, die Rebsorte Altesse „à sa plus haute expression“ – zu ihrem höchsten Ausdruck zu bringen. Trotzdem gibt es diese Woche die kleine Schwester mit etwas trockenerem Hamur als der Marestel.
Für österreichische Trinkgewohnheiten ist der Marestel nicht gerade eine „Faust auf’s Aug“, wenn man die Redensart wörtlich nimmt, vielleicht gerade eine solche, wobei das jetzt vermutlich auch wieder auf die letzten Jahrzehnte einzuschränken ist. Bis 1985 dürften Weine mit Restsüße in Österreich ein deutlich weniger großes Imageproblem gehabt haben.
Schulmeister Rudolf fasst eher schon länger einmal eine Lektion zum Marestel ins Auge. Diese Woche versucht er, dafür die Basis zu legen. Die ist trocken, aber das ist die Basis meistens, vor allem wenn sie solide sein soll.
Roussette de Savoie, Domaine Dupasquier, Aimavigne, trocken
2013
Der kalte und niederschlagsreiche Winter hat den savoyardischen Rebsorten keine grauen Federn wachsen lassen. Auf den sind sie eingestellt. Auf einen furchtbarer Frühling wie 2013 nicht. Ein heißer Sommer bedeutet auch in Savoyen ein erhöhtes Hagelrisiko. Die Trauben, die im September das Handtuch immer noch nicht geworfen hatten, haben bei der Lese nicht durch Pünktlichkeit geglänzt, erwiesen sich in qualitativer Hinsicht aber als äußerst kompetent, ausgeglichen und gesund.
2012
Auch ein kalter Winter, wie in Wien. Erst im August halbwegs standesgemäße Temperaturen für Ihre Hoheit Altesse.
2011
Ungefähr das Gegenteil von 2013. Trockener Frühling, heißer Juli, viel zu niederschlagsfreudiger August, dem die zu diesem Zeitpunkt viel zu reifen Trauben jede Menge Angriffsflächen geboten haben. Für Savoyen ungewöhnlich frühe Lese ab Ende August. Der erste von vier aufeinanderfolgenden Jahrgängen, von denen nicht nur in Savoyen jeder einzig und allein darum bemüht schien, zu zeigen, dass es für den selber denkenden Weinbauern noch um ein Eck schwieriger geht als im jeweiligen Jahr davor.
2009
Den weißen Zweitausendneunern aus Savoyen sagt man nicht die allergrößten Fähigkeiten auf der Langstrecke nach. Zu heiß der Sommer, zu wenig Säure die Weinderl. Auf einen mittelkalten Winter mit ausgesprägtem Weitblick, was die hohen Niederschläge betrifft, folgen ein sehr sonniger Frühling und ein heißer Sommer. Eher südfranzösischer Stil (Danke an A.K.!).
2004
Nach fünf ziemlich bis extrem heißen Jahrgängen der erste „avec modération“. In Österreich haben ihn gar nicht so wenige wahrscheinlich deshalb sehr schnell abgeschrieben. Für den Rudl ist der Jahrgang 2004 auch existenziell bedeutend. Bei einer Verkostung steirischer Weine im Museumsquartier hat er damals einen Sauvignon 2004 von Andreas Tscheppe, damals noch von der Riegersburg, gekostet. Dabei ist ihm aufgegangen, dass Wein auch ganz anders schmecken kann, als er es bis dahin gewohnt war.
Mit 2008, 2010 und 2013 ist der Vierer einer seiner allerliebsten Jahrgänge in den letzten zwanzig Jahren. In Savoyen wirklich nur bei vernünftiger Ertragsbegrenzung raisonable Weine.
Die folgenden fünf Jahrgänge Roussette de Savoie von Dupasquier
- Roussette de Savoie (Rebsorte Altesse) 2004, Domaine Dupasquier, Aimavigne, AOC Vin de Savoie (5/8)
- Roussette de Savoie (Rebsorte Altesse) 2009, Domaine Dupasquier, Aimavigne, AOC Vin de Savoie (4/6)
- Roussette de Savoie (Rebsorte Altesse) 2011, Domaine Dupasquier, Aimavigne, AOC Vin de Savoie (3/5)
- Roussette de Savoie (Rebsorte Altesse) 2012, Domaine Dupasquier, Aimavigne, AOC Vin de Savoie (3/5)
- Roussette de Savoie (Rebsorte Altesse) 2013, Domaine Dupasquier, Aimavigne, AOC Vin de Savoie (3/5)
…, aber nicht ausschließlich diese Weine gibt es glasweise
am Mittwoch, den 1. März und am Freitag, den 3. März
jeweils von 16 bis 22 Uhr
in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22
Im Übrigen ist Rudolf Polifka der Meinung, dass man den 27. Jänner, den Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz zu einem europäischen Feiertag erklären sollte!
Vorschau auf die Lehrveranstaltungen vom 8. und 10. März:
Vertikale Chignin-Bergeron „Les Filles“ von Giles Berlioz – internationaler Frauentag
Herr Rudolf grüßt bildhaft und hundertpercent selfiefrei!
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Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22, 1150 Wien
Öffnungszeiten: Mittwoch und Freitag, 16 bis 22 Uhr, an Schultagen
kostenlose und CO2-minimierte Zustellung innerhalb von Wien ab einem Bestellwert von 57 Euro