≤ elfkommafünf Percent

Ein Wochenthema von Weinen mit weniger als zwölf Prozent Alkohol geht vielleicht auch als Jacquère-Verkostung durch, oder als 2014er Jahrgangsverkostung. Aber lassen Sie den Rudl ein bissl ausholen: Es muss um die letzte Jahrtausendwende gewesen sein. Da war ein österreichischer Wein, wenn er weniger als dreizehn Volumsprozent Alkohol gehabt hat, ein schwerer Fall für den Psychotherapeuten. Zumindest hat Herr Rudolf das so oder so ähnlich in Erinnerung.

Weine mit vierzehn Prozent plus waren keine Exoten, vor allem nicht, wenn es sich um namhafte Weine gehandelt hat, Smaragde aus der Wachau zum Beispiel. Und Monsieur Rudolf müsste lügen, wenn er behauptete, damals von hohen Alkoholwerten nicht beeindruckt gewesen zu sein. Seine Leidenschaft, Weine reifen zu lassen, hat ihn anfällig gemacht für die theoretisch gar nicht so unplausible Hypothese, dass sich ein alkoholreicher Wein schon aufgrund seines Alkoholgrades besser hält. Ein im Barrique ausgebauter südsteirischer Sauvignon Blanc mit mehr als fünfzehn Prozent Alkohol aus dem Jahrgang 1997 etwa war so ein Ziel seiner Begierde. Herr Rudolf hat ihn nie bekommen. Heute hat er gelernt, mit diesem Mangel zu leben. Und die Hypothese hat vermutlich gelernt, mit ihrem Mangel an empirischer Verifizierbarkeit zu leben.

Jacquère

Wenn es in einer zweitausend Hektar kleinen Weinbauregion einen Massenwein gibt, dann kann man Jacquère als so einen betrachten. Mehr als tausend Hektar sind in Savoyen mit der autochthonen Jacquère bestockt. Ganz präzise hat sie ihren Ursprung, soweit man das rekonstruieren kann, in Abymes de Myans. Das liegt am nordöstlichen Rand des Chartreusegebirges.

Die dicken Beerenschalen erlauben eine späte Reife, was am kalkreichen, steinigen Fuß der französischen Alpen nicht ganz unwesentlich ist, und schützen die engbeerigen Trauben vor Oïdium und Mehltau.

Als Wein ist Jacquère eher blass bis weißgold und erinnert an vieles, was im Frühling blüht, manchmal sogar an Akazien. Dem Rudl seinem Geschmack nach stehen Alpenkräuter, Grapefruit, Bergamotte, Weißdorn und aneinander geriebener Feuerstein im Vordergrund. Manchmal kommen Mandeln, Haselnüsse und Lindenblüten dazu, wenngleich nie so intensiv wie bei der Altesse.

Die Spitznamen Coufe-Chien und Cugnète gefallen dem Rudl auch nicht so schlecht, obwohl oder vielleicht eher weil er keine Ahnung hat, was sie bedeuten.

Sommerweine

Caviste Rudolf Polifka trinkt und empfiehlt diese Weine vor allem im Frühjahr und im Sommer. Jacquère ist für ihn eine weingewordene Metapher für das Wiedererwachen der Vegetation. In den höher gelegenen Teilen der Alpen geschieht das ungefähr jetzt.

Accord Papperl – Jacquère

Oft endet Jacquère als Fonduebegleiter in den einschlägigen Skigebieten, als Winterwein. Caviste Rudolf findet das nicht unpassend, aber ein bissl ideenlos, zumal man von einem Fondue eh fast jeden Wein erschlagen lassen kann. Viel mehr als die Säure bleibt dann manchmal nicht über. Der kulinarische Deckel für den Topf einer gelungenen Jacquère, sofern man einen Wein als Topf bezeichnen kann, ist wahrscheinlich die Bachforelle. Das dezente Prickeln, der niedrige Alkohol, das kongeniale Zusammenspiel von Frische, Leichtigkeit und appetitanregendem Temperament der Jacquère erinnern den Rudl an einen Gebirgsbach während der Schneeschmelze. Wenn er bei vielen Weinen aus dem Elsass an den Rhein denkt, dann symbolisieren savoyardische den Zubringer eines Zubringers der Isère. Einer wie der Rudl, der quasi neben, beziehungsweise in Wald- und Wiesenbächen seine Kindheit verbracht hat, der Donau aber erst im stolzen Alter von vierzehn gewahr wurde, kann mit kleinen Gebirgsbächen und Wasserfällen und ihren korrelierenden Weinen vielleicht naturgemäß mehr anfangen. Der ist mit der Bachforelle per Du und diese quasi so vor der Haustür wie die Oelweingasse vor dem Rudl seinem Geschäft.

In und um drei Orte darf Jacquère einen Cru-Status beanspruchen, Abymes, Apremont und Chignin, alle drei im Combe de Savoie. Vielleicht ist einmal Gelegenheit, diese Crus zu vergleichen.

Jacquère ist nicht Jacquère ist nicht Jacquère

Es gibt Jacquères, denen der geschmolzene Käse quasi als Schicksal in die Wiege, treffender vielleicht an die Rebstockwurzeln gelegt worden zu sein scheint.

Es gibt auch Jacquères, die ausgesprochen ambitioniert, vor allem bodenspezifisch ausgebaut, aber mit einem synthetischen Korkimitator zugestoppselt werden. Ein Jammer.

Und dann gibt es Jacquères von Weinbaumeistern, die es wissen wollen und denen Tradition auch beim Verschließen von Flaschen ein Anliegen ist.

Jacques Maillet …

ist ein Original. Um das zu bemerken, muss man ihm nicht besonders lange zuhören. Ein Schnurrbart als Lebenshaltung. Schwer vorstellbar, dass er seine Jacquère von einem Fondue zum Schweigen bringen lässt. Die Pouilly-Fumés von Dagueneau, mit denen Maillets Jacquère gelegentlich verglichen wird, trinkt man in der Regel ja auch nicht zum Fondue.

Aber die Jacquère von Monsieur Jacques gibt es diese Woche beim Rudl so oder so nicht glasweise. Jacques Maillet macht etwas Naheliegendes, das in Savoyen aber dennoch kaum praktiziert wird. Er verschneidet die eine autochthone Weißweinrebsorte Savoyens, Jacquère mit der anderen, Altesse. Daraus resultiert Le P’tit Canon, auf Deutsch „Der kleine Schluck“, eine bemerkenswerte Kombination aus präsziser Aromatik und Frische.

David und Frédérik Giachino

Monsieur Jacques Kollegen, die Gebrüder Giachino haben die Jacquère auf die Spitze getrieben. Außer Weinbeißer machen sie fast alles aus Jacquère, lagentechnisch und weinstiltechnisch. Den Cru Apremont, den Monfarina, den rustikal ursprünglichen Primitif mit 9,2 Prozent Alkohol, den dezent auf der Maische vergorenen Marius et Simone, einen Schaumwein nach der Méthode Traditionelle und einen Pétillant Naturel Giac‘ Bulles als Giachinos Antwort auf Red Bull.

Doch nicht nur Jacquère

Auch der Teran von Branko und Vasja Čotar kommt mit elf Prozent Alkohol aus. Die Säure ist frisch, die Würzigkeit beträchtlich. Ein Rotwein für die Brettljause.

Gelber Muskateller 2015, Biohof Heideboden, Pamhagen

Herr Rudolf kommt mit Muskatellern nicht so ganz auf Du & Du, der von Maria und Sepp Muster ausgenommen. Und dann ist da noch einer, aber der Rudl weiß nicht, ob er über den schon etwas schreiben darf. Den gibt es noch nicht. So oder so, der Gelbe Muskateller 2015 von Gottfried Tschida war Mitte November 2015 schon im Verkauf. Trotzdem damals schon keine Jungweinstilistik.

Sauvignon Blanc 2014, Biohof Heideboden, Pamhagen

Der Sauvignon Blanc 2014 aus demselben Haus hat überhaupt nur 10,5 Percent Alkohol. Dass der Wein heute noch lebt, deutet darauf hin, dass auch dieser Wein nicht als Jungwein angelegt gewesen ist.

Zierfandler 2014, Friedrich Kuczera, Gumpoldskirchen

Caviste Rudolf Polifka findet, dass kaum ein Wein von seinem Etikett so treffend repäsentiert wird wie der Zierfandler von Friedrich Kuczera. Biologisch, geradlinig und präzise bereits zu einer Zeit, als diese Begriffe im Marketingjargon noch eher selten aufgetaucht sind.

Schilcher 2013, Christine und Franz Strohmeier, Lestein, Weststeiermark

Schilcherland von seiner besten Seite

Welschriesling Trockenbeerenauslese 2002, Josef Lentsch, Dankbarkeit

Die folgenden Weine und ein paar andere gibt es diese Woche in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils glasweise

  • Le P’tit Canon 2013, Jacques Maillet, Serrières-en-Chautagne, AOC Vin de Savoie, 11,5 %
  • Apremont 2013, Domaine Giachino, Chapareillan, AOC Vin de Savoie, 11 %
  • Monfarina 2011, Domaine Giachino, Chapareillan, AOC Vin de Savoie, 11 %
  • Primitif 2010, Domaine Giachino, Chapareillan, AOC Vin de Savoie, 9,2 %
  • Marius et Simone 2013, Domaine Giachino, Chapareillan, Vin de France, 11 %
  • Teran 2011, Branko und Vasja Čotar, Kommen, Kras, 11 %
  • Gelber Muskateller 2015, Biohof Heideboden, Pamhagen, 11,5 %
  • Sauvignon Blanc 2014, Biohof Heideboden, Pamhagen, 10,5 %
  • Zierfandler 2014, Friedrich Kuczera, Gumpoldskirchen, 11,5 %
  • Schilcher 2013, Christine und Franz Strohmeier, Lestein, Weststeiermark, 11 %
  • Welschriesling Trockenbeerenauslese 2002, Josef Lentsch, Dankbarkeit, 8 %

am Donnerstag, den 30. Juni und am Freitag, den 1. Juli

von 16 bis 22 Uhr (am Freitag ein bissl länger)

in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

Herr Rudolf grüßt den Sommer und weiter oben den Frühling!

Rosé scharwieda! Diesen Donnerstag (23. Juni) aber ausnahmsweise erst ab 18 Uhr geöffnet

Der Ausgewogenheit verpflichtet I. Flexibilisierung der Arbeitszeit

Letzte und vorletzte Woche hat der Rudl jeweils eine Überstunde mit Ansage gemacht.

Herr Rudolf sieht sich gezwungen, die eingetretene Inflation an Öffnungszeit diesen Donnerstag zu kompensieren, indem er sich die zwei Stunden quasi wieder zurück raubert und am 23. Juni erst um 18 Uhr aufsperrt. Es warad wegen dem Rudl junior. Der gibt an diesem Tag im Kindergarten eine wichtige Rolle. Er spielt einen Stein. Und der Rudl senior möchte diesem Ereignis unbedingt beiwohnen. Wer, wenn nicht die in geologischen Fragen versierten Gästinnen und Kunden der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils sollte dafür Verständnis haben?

Der Ausgewogenheit verpflichtet II. Laut & überheblich

Letzte Woche war an dieser Stelle von grauen Mäusen und Burgundern die Rede. Und vom Trainer, der beiden ein literarisches Denkmal gesetzt hat.

Da gebietet es die Ausgewogenheit, diese Woche die leidenschaftlichen Umjedenpreisbemerktwerdenmüsser zu bemerken. Unter anderem hat ein Besuch auf der VieVinum, der großen Weinverkostung in der Hofburg, den Rudl dazu inspiriert. Genauer, ein kurzer Abstecher in die Naturweinbar auf der VieVinum.

Forsch und flott

Zeitgenossen männlichen Geschlechts, um die dreißig, mit seltsamen Hemden, auffälligen Schuhen, langen Bärten und irgendwie angecoacht wirkender Souveränität, denen es ein Anliegen zu sein scheint, ihre Umgebung wissen zu lassen, wie kompetent und kompromisslos sie da jetzt ihr Urteil über diesen oder jenen Wein fällen. Mit dem Eifer von Hasspredigern ziehen sie gegen Schwefel oder laute Aromen zu Felde, nicht immer leise. Dass sie den Rudl nicht falsch verstehen: Er schätzt es, wenn ein Wein so wenig wie gerade notwendig geschwefelt ist. Und natürliche Aromen sind ihm hundertmal lieber als die aus dem Zuckerlregal. Aber kann man einem Wein und damit dem, der ihn gekeltert hat, nicht zuerst einmal Respekt entgegenbringen? Nicht jeder Wein schmeckt einem. Aber was spricht dagegen, sich möglichst unbefangen für das, was man da im Glas hat, und dessen Entstehungsbedingungen zu interessieren? Welcher Zacken fällt einem denn aus der Krone, wenn man bemerkt, dass man einen Wein nicht versteht oder keinen Zugang zu ihm findet? Ähnliches soll einem ja auch im Umgang mit Menschen widerfahren. Was ist denn gewonnen, wenn die Begegnung mit einem Wein oder einem Menschen mit einem Gerichtsurteil endet?

Rosé

Die Weinfarbe, die man möglicherweise am meisten mit künstlichen und übertriebenen Aromen in Verbindung bringt, ist Rosé. Da hat Monsieur Rudolf wirklich schon die allerunterschiedlichsten Geschmacksrichtungen und Stile kennengelernt, von Rosés mit einem Batzen Tannin über dezente bis karge Aromen bis zu Rosés, die er blind für ein Sackerl Erdbeermarshmellows gehalten hätte. Und warum fallen ihm bei Marshmellows jetzt die überheblichen Juvenilen von der Naturweinbar ein?

Breitbandrosés & ein Pirat

Herr Rudolf versucht diese Woche, Rosés in all ihrer Bandbreite auszuschenken. Auch einen lauten, der von seiner Schreierei nicht derrisch, sondern blind geworden ist, als blinden Pirat ohne Augenklappe, aber im Stoffsackerl sozusagen. Und für die ersten soundsovielten gibt es ein Marshmellow, quasi als Referenzaroma.

  • Irouléguy Rosé 2014, Domaine Arretxea, Sud Ouest (3/5)

Wenn Monsieur Rudolf einen Rosé blind für einen Rotwein hält, dann vielleicht den.

  • Himmel auf Erden Rot 2012, Christian Tschida, Illmitz (4/7)

Wenn Monsieur Rudolf einen Rotwein blind für einen Rosé hält, dann vielleicht den.

  • Schilcher 2013, Christine und Franz Strohmeier, Lestein, Weststeiermark (2,50/4)
  • Rosa 2015, Umathum, Frauenkirchen, Neusiedlersee (2,50/4)
  • Rosareuth 2011, Reiterhaindl, Großgmain bei Salzburg, Bergland (gratis)

Rosé aus der Weinbauregion Bergland

  • Rosé Frizzante, Menhard, Südsteiermark (2,50/4)
  • Rosa Pearls, Leo Uibel, Ziersdorf, Weinviertel (2,50/4)
  • Rosé Frizzante, Dankbarkeit, Podersdorf, Neusiedlersee (2,50/4)

Selbstverständlich gibt es nicht ausschließlich Rosés glasweise

am Donnerstag, den 23. Juni von 18(!) bis 22 Uhr

und am Freitag, den 24. Juni von 16 bis 22 Uhr

in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

nächste Woche am 23. und 24. Juni in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils:

Weine mit weniger als 12 Prozent Alkohol

Herr Rudolf grüßt laut, aber undeutlich.

Oid & grau

hat der Trainer seinerzeit geschrieben. Obwohl selber eher dem Bier gewogen, hat er es sich nicht nehmen lassen, dem Pinot Gris, alias Grauburgunder, Ruländer oder Grauem Mönch ein literarisches Denkmal zu setzen. Später hat der Trainer seine Farbenlehre in einem auch ziemlich schönen Text vertieft. Der ist dann von Denk vertont worden und heißt „Graue Mäus“. Herrn Rudolf ist es ein Anliegen, zumindest einmal die Idee zu ventilieren, die oben genannte Rebsorte auf „Graue Maus“ oder noch besser „Trainer-Rebe“ umzubenennen, zumal man sich bis jetzt offensichtlich sowieso auf keinen halbwegs einheitlichen und nachvollziehbaren Namen verständigen können hat.

Ampelographische Farbenlehre, die iggste

Der Graue Burgunder ist vieles eher als grau, die Traube und der Wein sowieso. Geradeso wie Weißwein niemals weiß ist. Der Grauburgunder ist grün, dann gelb oder goldgelb und wenn er reif ist, bekommt er einen grauen Schimmer, der meistens rötlich ist. Nur hätte man ihn schwer Pinot Rouge nennen können. Da hätte man ihn womöglich für einen Rotwein gehalten. Der heißt aber Pinot Noir. Und fast kein Rotwein dieser Welt ist so wenig schwarz wie Pinot Noir.

Dann wenigstens Burgund?

Mit Burgund hat der Graue Burgunder ungefähr gleich wenig zu tun. Vielleicht stammt er von dort, vielleicht auch aus der Champagne. Rolle spielen tut er heute weder dort noch da eine nennenswerte. In der Champagne ist Pinot Gris zumindest noch als Rebsorte für die Appellation zugelassen, als Formenteau. Drappier pflanzt den aktuell auch wieder aus.

Namen

Bemerkenswert erscheinen die Namen des Pinot Gris. Im Wallis heißen sie ihn „Malvoisie“. Und das Elsass war angeblich erst durch eine Klage des ungarischen Weinbaugebietes Tokaj-Hegyalja davon zu überzeugen, ihn nicht mehr „Tokay d’Alsace“ zu nennen. Graue Savoyertraube ist ein anderer Name. Er könnte darauf hindeuten, dass Pinot Gris früher einmal auch in Savoyen dick da war. Heute enthält Schiste von der Domaine des Ardoisières zwanzig Percent Pinot Gris. Und Dominique Lucas hat auf dem savoyardischen Teil seines Weinguts Les Vignes de Paradis ein bissl Pinot Gris gepflanzt. Abgesehen davon ist dem Rudl diese Rebsorte in der Weinbauregion Savoyen noch nicht untergekommen.

Ursachenforschung

Wenn der Eindruck, dass Pinot Gris in einigen renommierten Weinbauregionen früher bedeutend war, jetzt aber nicht mehr, stimmt, dann könnte das darauf zurückzuführen sein, dass Pinot Gris nicht gerade der Elefant unter den Rebsorten ist. Viele Krankheiten haben mit ihm ein leichtes Spiel, der richtige und der falsche Mehltau zum Beispiel. Pinot Gris mag gern Kalk, neigt aber zur Chlorose. Frühlingsfrost und Wetterschwankungen sind auch keine Feiertage für ihn. Und an wem bleiben derlei Kapriziertheiten hängen? Letztendlich immer am Weinbaumeister. Wenn der jetzt eher dazu tendiert, um Widrigkeiten einen großen Bogen zu machen, dann wird er eher nicht Pinot Gris auspflanzen. Aber den Problemen aus dem Weg zu gehen ist sowieso kein Lebenskonzept, das den Rudl besonders beeindruckt. Vielleicht ist seine Begeisterung für diese Rebsorte auch darauf zurückzuführen, gerade so ähnlich wie beim Neuburger.

Zurück in die Burgund

Von dort dürften Zisterzienser Mönche den Grauen Burgunder schon im dreizehnten oder vierzehnten Jahrhundert nach Österreich gebracht haben. Das könnte den Namen „Grauer Mönch“ erklären.

Oid

Der Graue Burgunder mag nicht besonders grau sein und auch nicht mehr sehr burgundisch, dafür ist er vor allem rund um den Neusiedlersee schon sehr alt. Und Alte dürfen wahrscheinlich ein bissl kompliziert sein. Auf alle Fälle ist der Rudl allen Weinbauern dankbar, die den Pinot Gris pflegen, vor allem auch dem vielleicht virtuosesten unter ihnen, dem Wirt und Winzer seines Vertrauens aus Podersdorf. Und dem Trainer ist der Rudl dankbar für das Lied.

Unter anderem gibt es diese Woche folgende Weine glasweise in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils (in Klammern zuerst der Sechzehntel-, dann der Achtelpreis)

  • Grauer Burgunder 2015, Weingut Umathum, Frauenkrichen (2,50/4)
  • Grauer Burgunder Schiefergestein 2015, Weingut Schauer, Kitzeck (3/5)

Herr Rudolf hat sich schon längere Zeit vorgenommen, einmal den Buschenschank der Familie Schauer in Kitzeck aufzusuchen. Heuer in der Karwoche hat er es endlich geschafft und nicht bereut. Der kulinarische Höhepunkt einer Dienstreise mit einer atemberaubenden Aussicht.

  • Grauburgunder Reserve 2014, Michael Opitz, Apetlon, Neusiedlersee (3/5)
  • Pinot Gris 2013, Josef Lentsch, Dankbarkeit, Neusiedlersee (4/6)
  • Pinot Gris 2010, Josef Lentsch, Dankbarkeit, Neusiedlersee (4,50/7)
  • Grauer Burgunder Salamander 2005, Andreas Tscheppe – Burgweinbau Riegersburg, Südoststeiermark (6,50/10)

ein Wein aus lebendigeren Tagen der Weingärten auf dem Vulkan der Riegersburg

  • Pinot Gris Spätlese 2004, Josef Lentsch, Dankbarkeit, Neusiedlersee (3/5)
  • Pinot Gris Le Clos Saint Urban Rangen de Thann, Grand Cru 2004, Domaine Zind-Humbrecht, Alsace (12/24)

Der Rangen de Thann ist die südlichste Grand Cru Lage des Elsass, ein erloschener Vulkan mit Steigungen, die man nicht in Sonntagsschuhen bezwingt. Und heiß. Kein Spargelwein. Sebastian Brant dürfte im ausgehenden fünfzehnten Jahrhundert schon brennende Erfahrungen mit Wein vom Rangen de Thann gemacht haben. Zumindest hat er das in seinem „Narrenschyff“ angemerkt.

Selbstverständlich nicht ausschließlich diese Weine glasweise

am Donnerstag, den 16. Juni von 15 bis 22 Uhr

und am Freitag, den 17. Juni von 16 bis 22 Uhr

in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

nächste Woche am 23. und 24. Juni in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils:

leite und ein lauser Rosés

Monsieur Rudolf grüßt alle, ganz besonders aber die grauen Mäuse!

 

Weine, Bürsten und ein 30 Jahre altes Fußballspiel auf VHS. Herrn Rudolfs Beitrag zur Vorbereitung auf die Fußballeuropameisterschaft

Daft as a brush“

… zu sein war bis 1990 kein Kompliment. Seither ist es eines. Sir Bobby Robson hat damit den Fußballer Paul Gascoigne gemeint. Der hat bei der Fußballweltmeisterschaft 1990 in Italien durch Unbekümmertheit, Schmäh, eine begnadete Technik und den Antritt eines Champagnerkorkens einem Land und nicht nur diesem seinen Lieblingssport zurückzugeben. Beckham und ein paar pfiffige Geschäftsleute haben dann abkassiert und aus einem Spiel ein Geschäftsmodell gemacht. Vielleicht haben sie das Spiel damit irreversibel beschädigt. Am Verdienst Gascoignes ändert das gar nichts.

Dem Rudl seine Lieblingswelt- und -europameisterschaften

Herr Rudolf ist ein rückwärtsgewandter Mensch. Für ihn endet die Fußballzeitrechnung am 31. Mai 1998. Da hat der als Fußballer ziemlich versierte Techniker Glenn Hoddle unglücklich probiert, Konturen als englischer Teamchef zu zeigen und den Spieler, der England zur Weltmeisterschaft nach Frankreich gespielt hat, aus dem Kader eliminiert. Damit war der Fußball an sein Ende gekommen. Er kann dort ruhig bleiben.

Zwanzig Jahre Fußball

In den zwanzig Jahren bis zum 31. Mai 1998 hat es die besten Fußballwelt- und -europameisterschaften gegeben. Und wenn Sie jetzt sagen: „Das ist aber sehr subjektiv“, dann fragt Sie der Rudl: „Was soll es denn sonst sein?“ Und wenn Sie dann sagen: „Sie können doch den modernen Fußball nicht mit Prohaska, Gascoigne oder Gasselich vergleichen“, dann erwidert Ihnen der Rudl: „Meine Worte!“ Und wenn Sie dann noch sagen: „Aber Neymar, Christiano Ronaldo und Messi sind doch nicht nichts“, dann sagt Ihnen der Rudl: „Eh. Aber das ist zu wenig.“

Freilich hat es selbst innerhalb dieser zwanzig Jahre von 1978 bis 1998 bemerkenswertere und weniger bemerkenswerte Fußballwelt- und – europameisterschaften gegeben. An erstere will Caviste Rudolf diese Woche mit jeweils einem Wein erinnern. Nicht alle wird man zahlen müssen, denn auffällig ist es schon, dass gar nicht so wenige beigeisternde Fußballgroßereignisse in hundsmiserablen Weinjahrgängen stattgefunden und mit einem unerfreulichen Sieger geendet haben.

Auch Bild-, Ton- und Textmaterial zu einigen dieser Turniere wird diese Woche in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils vorhanden sein.

Argentinien 1978

Wahrscheinlich vergisst niemand die erste Fußballweltmeisterschaft, die sie oder er bewusst wahrgenommen hat. Der Rudl auch nicht.

Der Wein zur WM 1978:

Joseph 1978, Weingut Frank, Zurndorf, Neusiedlersee

Frankreich 1984

Europameisterschaft in Frankreich. Drei Spieler. Allan Simonsen, Alain Giresse, Michel Platini. Und ein paar andere. Das einzige große Fußballturnier mit einem Sieger, über den sich der Rudl gefreut hat.

Der Wein zur EM 1984:

Seit 1970 einer von nur zwei Jahrgängen, aus denen der Rudl kein einziges Flascherl im Keller hat. Blede Gschicht.

Mexico 1986

Guadalajara, 21. Juni 1986.

Carlos, Edinho, Junior, Muller, Careca, Josimar, Julio Cesar, Alemao, Branco, Socrates, Elzo

gegen

Bats, Amoros, Bossis, Battiston, Fernandez, Tusseau, Tigana, Platini, Giresse, Stopyra, Rocheteau

…vielleicht das beste Fußballspiel, das der Rudl in seinem Leben gesehen hat, ganz sicher das offensivste. Darum wird am Freitag, den 10. Juni ab 16 Uhr ein VHS-Video mit diesem Spiel in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils abgespielt werden.

Der Wein zur WM 1986:

Pinot Noir 1986, Artner-Thunshirn (jetzt Bio-Artner), Göttlesbrunn, Carnuntum

Italien 1990

Nach der Weltmeisterschaft in Italien haben sie Lothar Matthäus zum inoffiziellen Weltfußballer des Jahres gewählt. Hätte es mehr Spiele wie das Halbfinale Deutschland v England am 4. Juli in Turin gegeben, wäre die Wahl sicher anders ausgegangen. Vor dem Spiel hatte Sir Bobby den jungen Paul Gascoigne auf die Seite genommen und versucht, diesem zu erklären: „The key issue will be you an Matthäus.“ Gascoignes Antwort: „Leave him to me, boss. Go and smoke your cigar!“ … halt in einem Geordieakzent. Gascoigne hat sich an seine Zusage gehalten. Darum musste Thomas Berthold das Problem dann auf die für die deutsche Fußballnationalmannschaft damals übliche Art regeln. Die gesamte deutsche Trainerbank rund um Beckenbauer hat hysterisch wie zwölfjährige Mädchen bei einem Konzert von Duran Duran eine gelbe Karte für Gascoigne gefordert und bekommen. Damit wäre der für ein Finale gesperrt gewesen und ein solches obsolet. So hat das Finale dann auch ausgeschaut.

Der Wein zur WM 1990:

Pinot Gris Vendange Tardif 1990, Domaine Josmeyer, Wintzenheim, Alsace

England 1996

Wieder. Wieder. Wieder, nur dass es dieses Mal ein paar fehlende Zentimeter gewesen sind, die Gascoigne in der Verlängerung zwei Meter vor dem leeren Tor an einer Flanke von Steve McManaman vorbei gerutscht ist. Damals hat die Golden Goal Regel gegolten. Der gesamte Weinjahrgang muss das gespürt haben. Herrn Rudolf ist es ähnlich gegangen. Darum hat er auch keinen Sechsundneunziger mehr im Keller. Traurig ist er darob überhaupt nicht.

Die deutsche Fußballnationalmannschaft

Wenn Sie jetzt sagen: „Der hat etwas gegen die deutsche Fußballnationalmannschaft“, dann haben Sie natürlich Recht. Noch mehr, der Rudl hat sich auch noch nie für einen deutschen Fußballverein begeistern können. Weder für einen erfolgreichen noch für einen sogenannten Kultklub. Trotzdem steht er nicht an festzuhalten, dass die Deutschen später für ihre Zumutungen 1982, 1986, 1990 und 1996 gebüßt haben. 2002 und 2006 wären sie dem Rudl seiner Meinung nach würdige und verdiente Weltmeister gewesen. Aber da haben andere ihren Antifußball aus den Achtziger und Neunziger Jahren erfolgreich kopiert.

Lernen Sie Geschichte, aber nicht ausschließlich!

Das alles heißt jetzt natürlich nicht, dass der Rudl heute eine Welt- oder Europameisterschaft ignoriert. Das geht ja gar nicht. Aber er hat bei den Dichotomien des Bildungssystems von Anfang an ganz klare Positionen bezogen: Lesen oder Rechnen? Rechnen. Musik oder Zeichnen? Musik. Französisch oder Griechisch? Französisch. Und Geographie oder Geschichte? Geschichte.

Privat. Aber die Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils ist bekanntlich eine Bildungseinrichtung mit Öffentlichkeitsrecht. Als solche hat sie einen an Ganzheitlichkeit sowie humboldtschem Bildungsideal orientierten Bildungsauftrag und ist der Äquidistanz verpflichtet. Darum ergänzt Herr Rudolf das Weinprogramm dieser Woche um Franzosen, die sehr wohlwollend betrachtet, zumindest in der weiteren Umgebung der Austragungsstätten dieser Europameisterschaft aufgewachsen sind und sich trefflich als Matchbegleiter eignen, falls Ihnen einmal bei einem Match nach Wein sein sollte.

Hégoxuri 2014, Domaine Arretxea, AOC Irouléguy, Sud Ouest

Bordeaux und Toulouse

Altesse 2011, David und Frédérik Giachino, Chapareillan, AOC Roussette de Savoie

Saint Etienne, Lyon, Marseille und Nizza

Tradition Brut, Egly-Ouriet, Champagne

Paris, Saint Denis, Lille und Lens

Diesen Champagner könnten Sie in der Vinothek La Cave flaschenweise erwerben, für den Fall dass Ihre Lieblingsmannschaft das Finale gewinnt. Im Fall vom Rudl werden derartige Flaschen sehr alt.

Das Spiel Brasilien v Frankreich von der WM 1986 und die folgenden Weine (in Klammern Preise für 1/16 und 1/8)

  • Joseph 1978, Weingut Frank, Zurndorf, Neusiedlersee (nix)
  • Pinot Noir 1986, Artner-Thunshirn (jetzt Bio-Artner), Göttlesbrunn, Carnuntum (6/9)
  • Pinot Gris Vendange Tardif 1990, Domaine Josmeyer, Wintzenheim, Alsace (9/18)
  • Hégoxuri 2014, Domaine Arretxea, AOC Irouléguy, Sud Ouest (5/8)
  • Altesse 2011, David und Frédérik Giachino, Chapareillan, AOC Roussette de Savoie (3/5)
  • Tradition Brut, Egly-Ouriet, Champagne (10/20)

, wenn auch selbstverständlich nicht ausschließlich diese Weine, gibt es glasweise

am Donnerstag, den 9. Juni und am Freitag, den 10. Juni

von 16 Uhr bis 22 Uhr

in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

Herr Rudolf freut sich, dass er wenigstens noch rechtzeitig zur Europameisterschaft ein würdiges Bier, das Bräustübl Märzen aus Salzburg Mülln zu kredenzen vermag.

Allez les dafts!