Der Rudl hat einen Gefallen gefunden. In den abgelaufenen Wiener Schulferien hat er zweimal die Pforten seines Geschäfts geöffnet, einmal um auf neue französische Weine aufmerksam zu machen und einmal um ein paar Weine von Andreas Tscheppe herzuzeigen. Das will er beibehalten.
Neue Öffnungszeiten, die eigentlich keine Öffnungszeiten sind
Vor den Ferien hat der Rudl an Dienstagen und Donnerstagen, sofern die ein Schultag waren, aufgesperrt.
Jetzt wird er außerhalb der Tour de France-Zeiten quasi nur mehr außertourlich aufsperren. Ein Übermaß an Konkretheit werden Sie, geneigte Oenologin, gewogener Oenologe, dieser Ankündigung jetzt wahrscheinlich nicht attestieren. Dafür wird Caviste Rudolf ebenso verlässlich wie verbindlich stets zeitgerecht auf diesem Weg bekanntgeben, wann er aufsperren und was er dabei kredenzen wird.
Soweit, so hoffentlich auch gut.
Darüber hinaus wird der Rudl sozusagen auch „on demand“ sein Geschäft öffnen. Nicht dass ihm dieses Prinzip der Kundinnen- und Kundenorientierung, der neoliberalistischen Deregulierung und des „Wir-Spielen-was-Sie-Sich-Wünschens“ auch nur in irgendeiner Hinsicht sympathisch wäre! Ganz im Gegenteil. Aber Schulmeister Rudolf freut sich, wenn er andere für Weine, die er mag, oder ein Bier, das er mag, begeistern kann. Diesbezüglich kann und will Caviste Rudolf einen Hang zum Missionarischen gar nicht einmal ganz leugnen, aber auch wirklich nur diesbezüglich.
Das heißt: Wenn Sie Sich in einer gewissen Runde auf ein paar Achtln, Sechzehnteln oder Biere treffen oder, respektive und Wein erstehen möchten, dies dem Rudl ein paar Tage vorher am besten per Elektrocourriel mitteilen, die zeitlichen und energiemäßigen Reserven des Schulmeisters Rudolf das erlauben und der Caviste Ihnen diesen Termin ganz klassisch bestätigt, dann werden zum entsprechenden Zeitpunkt die Hütte offen, die gewünschten Getränke eingekühlt und die Glasln blitzblanc poliert sein.
Darüber hinaus wird cycling Caviste Polifka gerne auch Wein per Radl oder Tramway zustellen, wenn der Ausnahmefall einer Menge über 18 Flaschen es erfordert, sogar auch einmal mit der automobilen Kraxn.
Resümierend auf drei Punkte gebracht:
- themenbezogene Weinverkostungen, bei denen man wie bisher glasweise konsumieren kann, in mehr oder weniger unregelmäßigen Abständen nach Ankündigung auf diesem Weg,
- Bewirtung von Gruppen nach Vereinbarung und Maßgabe der zeitlichen Reserven des Rudls sowie
- schadstoff- und zustellgebührfreie Lieferung von Wein in Wien und sogar Simmering
Altesse
Welche Rebsorte wäre würdiger, den Auftakt zu diesen Außertourlichkeiten zu celebrieren als ihre Hoheit Altesse?
Viel hat Caviste Rudolf schon geschrieben über diese Rebsorte. Aber das ist auch schon wieder ein Zeitl her. Vor ziemlich genau zwei Jahren ist das gewesen. Und Altesse ist halt eine Rebsorte, mit der sich Weinrat Rudolf intensiver beschäftigt, als Weinstock, als Traube, vor allem aber als Vergorenes. Da lässt es sich gar nicht vermeiden, dass sich neue Forschungsergebnisse, Erkenntnisse und Errungenschaften einstellen, Unklarheiten klären, aber auch Fragen stellen. So ist das mit der Forschung.
Je intensiver Caviste Rudolf seine Studien an Ihrer Hoheit betreibt, desto mehr erhärtet sich sein Verdacht, dass es sich bei Altesse nicht um einen Rebstock, über den der Rudl mehr oder weniger zufällig gestolpert und im Anschluss daran hängen geblieben wäre, handelt, sondern vielmehr um eine der wenigen wirklich ganz extraordinaire großen Rebsorten dieser Welt. Monsieurs Brice Omont und Michel Grisard sehen das genauso, nur nebenbei.
Außerhalb der alpinen Grafschaft Savoyen gibt es keine nennenswerte Altesse. Vielleicht wirft dieser Umstand ein aristokratisches Licht auf Savoyen. Eher hat es mit den Bergen zu tun. Einen Stock Altesse gibt es freilich außerhalb von Savoyen. Der steht in Wien Hasenleiten, macht aus Hasenleiten aber eher kein aristokratisches Pflaster.
Dass Altesse mit der Appellation Roussette die Savoie die einzige Rebsortenappellation in der Weinbauregion Savoyen gewidmet ist, deutet in dieselbe Richtung.
Zur Wiederholung
Ludwig von Savoyen hat im fünfzehnten Jahrhundert eine gewisse Charlotte de Lusignan, ihres Zeichens Hoheit der Insel Zypern, abgeschleppt. Über die daraus resultierende Begeisterung der Betroffenen gibt es unterschiedliche Angaben. So oder so, soll sie der Deplacierung nur unter der Bedingung, sich ein paar Rebstöcke aus ihrer Heimat mitzunehmen, zugestimmt haben.
Pierre Galet sieht Altesse bei Furmint, dem Wein des österreichisch-ungarischen Hofes. Louis Levadoux wiederum in der Familie der Sérines, zu der auch Marsanne, Roussanne, Viognier und Syrah, damit auch Mondeuse gehören.
Vermutlich können nicht alle dieser drei Erklärungsversuche denselben Grad an wissenschaftlicher Seriosität aufweisen. Dem Rudl gefällt ein gut erzählter Schmäh im Zweifelsfall tendenziell besser als eine wissenschaftlich kaschierte Ideologie.
Rebsortencharakteristika
Altesse reift sehr spät und nimmt in der Vollreife einen roten Farbton an. Sie steht gerne auf kargen Kalkböden, erweist sich als relativ resistent gegenüber Fäulnis und Oidium, aber anfällig für Peronospora, Trauben eher lockerbeerig, Beeren elliptisch.
Speisebegleiter
Évelyne Léard-Viboux bezeichnet Altesse als „grande dame qui a la classe de coeur“, die besonders auf Hechtnockerl (Lyoner Spezialität) oder Felchenfilet (Genfer See), beides reich an Omega-3-Fettsäuren, reflektiert. Ernährungsstudienrat Polifka nimmt das wieder einmal zum Anlass, Sie darauf hinzuweisen, dass es ausgesprochen willkommen ist, wenn Sie sich in die Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils das Essen zum Wein selber mitbringen, quasi Weinbegleitung in Form von Jause oder – falls Sie logistische Herausforderung schätzen – warum nicht Hechtnockerl oder Felchenfilet.
Haselnüsse, Mandelkern haben die Altessen gern.
Haselnüsse und Mandeln schmecken nach Altesse. Ohne Biosynthese kein Haselnussaroma, und auch die frische Butter müsste dann eines eigenen Aromas entraten, was für gar nicht so wenige Zeitgenossen verschmerzbar wäre, weil dieses Aromerl, das die Haselnuss mit der frischen Butter gemeinsam hat und das aus einer Dekomposition einiger Fettsäuren durch Microorganismen resultiert, sich gar nicht so wenigen Zeitgenossen eh verschließt. In den Saint Nectaire, ein Kaserl aus der Auvergne, wird dieser Geschmack durch besondere Pilzstämme hinein gebracht. Unter den Weinen gilt sonst Chardonnay als das rebsortegewordenes Haselnussaroma. Das dürfte so zu dieser Rebsorte gehören, dass es fast egal ist, ob der Weinstock in der Champagne, in Meursault, Puligny, im Napa Valley oder in Großgmain steht.
Bei der Mandel schaut die Geschichte ein bissl schwieriger aus, weil es da zwei Mandelgeschmäcker gibt: die gebrannte Mandel und die frische Mandel.
Das Aroma der gebrannten Mandel ist eine Spur komplexer und näher an der Haselnuss. Es ist ein Tertiäraroma, das sich aus Sulfiden entwickelt. Besonders oft findet man es in trockenen Weißweinen aus Burgund, in den Altessen aus Savoyen sowie in Saint-Péray und Crozes-Hermitage an der nördlichen Rhône.
Das Aroma der frischen Mandel dagegen steht mit Benzaldehyd in Verbindung und kommt in den Steinobstkernen vor. In Koalition mit ein paar anderen Molekülen sorgt es vor allem in den Rotweinen von Bordeaux, Burgund und der Touraine, ganz besonders in den Italienern aus Piemont für Kirscharomen. Benzaldehyd war am Beginn des neunzehnten Jahrhunderts das erste Geruchsmolekül, dessen Produktion in einem Labor gelungen ist. Der Wein schuldet das frische Mandelaroma den Stielen und Stengeln der Traube. Darum handelt es sich grundsätzlich einmal um ein Primäraroma. Wenn dessen Intensität mit zunehmendem Alter und einer dezenten Oxydation zunimmt, mutiert es zum tertiären.
Kennen muss man Altesse nicht. Dafür ist die Weinbauregion Savoyen insgesamt zu klein. Aber es entgeht Ihnen etwas, wenn Sie sie nicht kennen.
Landschaftlich hängt das natürlich auch davon ab, wie man zum Ergebnis dieser tektonischen Kollision damals vor gut zwanzig Millionen Jahren steht. Der Rudl ist ja selber ein Kind der Alpen. Weinmäßig ist Rudolf Polifka dort in seinem Element. Viel Kalk, mehr Kräuter und Blüten als Früchte, wenig Alkohol, … und reserviert eigenbrötlerische bis starrsinnige Weinbaumeister, die sich nach einiger Zeit sehr oft als besonders herzliche Narren im positivsten Sinn erweisen.
- Altesse aVé 2020, Côteaux des Girondales, Villaz, Haute-Savoie, Vin de France (4,50/7)
Neuerwerbung vom Rudl, vom Weinmeister Francis und vom Weinberg, auf dem seit der Zeit des Katasters auf dem ziemlich schönen Etikett kein Wein mehr gewachsen ist
- Roussette de Savoie 2017, Domaine Giachino, Chapareillan, AOP Vin de Savoie (4/6)
keine Neuerwerbung, demeterzertifizierter Naturwein in einer Präzision und kristallinen Sauberkeit, wie man sie in diesem Genre nicht so leicht trifft.
- Roussette de Savoie 2017, Domaine Dupasquier, Aimavigne, AOC Vin de Savoie (3/5)
- Son Altesse 2017, Les Vignes de Paradis, Ballaison, Haute-Savoie, IGP Vin des Allobroges (6/9)
Auch im Nachbardepartement Haute-Savoie wächst Altesse, wenn sie auch dort oben beim Genfer See nicht mehr für die Appellation zugelassen ist. Aber das ist Dominique Lucas sowieso Powidl, weil er mit „Les Vignes de Paradis“ aus der Appellation ausgestiegen ist.
- Prieuré Saint Christophe blanc 2016, Domaine Giachino, AOP Vin de Savoie (7/11)
Als Basis der seit gut dreißig Jahren biodynamisch kultivierte Weingarten von Michel Grisard in Fréterive, als Überbau der Giachino Fils. Auch wieder ein Indiz dafür, dass das Beste aus dem konstruktiven Zusammenwirken von jungen und alten Menschen resultiert.
- Quartz 2018, Domaine des Ardoisères, IGP Vin des Allobroges (11/17)
- Quartz 2019, Domaine des Ardoisères, IGP Vin des Allobroges (11/17)
Der Weinberg von Cevins wurde dann in den Fünfzigerjahren von Bauern an den Wald übergeben und war bald darauf kein Weinberg mehr.
So wäre es ziemlich sicher auch geblieben, wenn sich im April 1997 nicht der Bürgermeister von Cevins, das ist ein Dorf an der Isère in der Tarentaise, vergleichbar vielleicht mit Tenneck, wer das kennt, und ein paar Verantwortliche der Vereinigung „Vivre en Tarentaise“ mit dem damals eher noch belächelten Biodynamiepionier Michel Grisard zusammengesetzt hätten. Michel Grisard wird man ohne große Übertreibung als den Pierre Overnoy von Savoyen bezeichnen können. Was damals im April 1997 geredet worden ist, weiß der Rudl nicht. Das steht nicht auf der Homepage der Domaine des Ardoisières, was auf dieses Treffen hinauf passiert ist aber schon, ziemlich exakt noch dazu.
Im Mai 1998 sind zwanzig Ar Altesse ausgepflanzt worden. Ende desselben Jahres haben die Grundbesitzer dem Wald die rote Karte gezeigt und Anfang 1999 ist es dann richtig losgegangen. Zuerst haben Sie die Wurzeln entfernt, dann den Weinberg terrassiert. Im Oktober 2002 hat Michel Grisard zweiundzwanzig Hektoliter vom Weinberg in Cevins vinifiziert.
Der Rudl würde immer noch viel dafür geben, diesen Wein einmal kosten zu dürfen. Ein 2005er Schiste ist bis jetzt das Älteste, was er von diesen damals extrem jungen Reben getrunken hat. Und das war alles andere als ungut.
Davor, 2003, haben einander Michel Grisard und Brice Omont getroffen. Letzterer kommt von einem Getreidebauern aus der Champagne und wollte eigentlich ein besseres Bier brauen. Aber das hat er sich dann überlegt. Vielleicht war es auch Michel Grisard, der ihm das ausgeredet hat.
Und bei der Inauguration im selben Jahr war dann der damalige französische Landwirtschaftsminister Hervé Gaymard anwesend, was schon darauf hindeutet, dass es sich bei der Domaine des Ardoisières von Beginn an nicht um ein Projekt mit provinziellem Horizont gegangen ist.
Seit 2010 trägt Brice Omont die Verantwortung allein. Michel Grisard hat sein Stammweingut Prieuré Saint Christophe in Fréterive noch bis zum Jahrgang 2014 weitergeführt, bis er das gemacht hat, was andere Winzer gut zehn Jahre früher machen, nämlich in die Rente zu gehen. Aber auch die Weingärten von Michel Grisard in Fréterive sind in gute Hände geraten. Dort wachsen jetzt Prieuré Christophe rouge und Prieuré Christophe blanc von den Giachinos. Dazu hoffentlich mehr im Oktober oder November.
Synchron
Achtzig Prozent der Qualität entsteht im Weingarten, wobei alle Maßnahmen ein einziges Ziel haben: die Charakteristik der jeweiligen Parzelle in die Weintraube zu transferieren.
Quartz wächst fast ausschließlich auf Glimmerschieferfelsen.
8000 Rebstöcke am Hektar in Stockkultur führen nicht nur zu einer Drängerei, sondern vor allem zu ziemlich tiefen Wurzeln und in weiterer Folge zu einer veritablen Steinigkeit dieser Weine.
Keller
Jede Arbeit dort verfolgt ein Ziel: die aromatische Vielschichtigkeit der Trauben muss in die Flasche. Neun bis achtzehn Monate hat sie dafür Zeit, wobei das, was sich in den Jahren danach in der Flasche noch tut, auf gar keinen Fall zu unterschätzen ist.
Die Weine werden selbstverständlich spontan vergoren. Und in diesem Fall bedeutet das zu hundert Percent das, was es heißt, denn der Keller der Domaine des Ardoisières ist früher nicht von einem Weingut, sondern von einer Rebschule genutzt worden. Es können sich darin also auch keine lustigen Heferln aus früheren Zeiten wichtigmachen.
Wer sich Qualität und Länge der verwendeten Korken genauer anschaut, weiß noch vor dem ersten Schluck, dass er einen Wein im Glas hat, der nicht nach zehn Jahren über seinem Zenit ist.
… glasweise
am Donnerstag, den 16. September von 17(!) bis 21 Uhr
in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22
Caviste Rudolf freut sich über Reservierungen und stellt Ihnen darüber hinaus weiterhin gerne CO2-, kontakt- und zustellgebührfrei Wein zu.
Im Übrigen bleibt Rudolf Polkifka der Meinung, dass endlich der 27. Jänner, der Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz zu einem europäischen Feiertag zu erklären ist.
Monsieur Rudolf grüßt außertourlich!
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Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22, 1150 Wien
kosten- und fast CO2-lose Zustellung innerhalb von und um Wien, auch von Einzelflaschen