Neue Weine, ein paar Warnungen vor Empfehlungen und ein paar Empfehlungen, am Donnerstag, den 24. August von 17 bis 21 Uhr

Domaine Les Petits Riens

Nachdem Ihnen, geneigte Oenologin, gewogener Oenologe, der Rudl vor zwei Wochen Professor Giulio Moriondo und seinen Zugang zu Wein vorgestellt hat, erfahren Sie in den folgenden Zeilen etwas über ein anderes kleines Weingut aus dem Aosta-Tal. Es nennt sich „Les Petits Riens“, was in etwa „die kleinen Nichtse“ bedeutet. Hintergrund dieses Namens ist die Überzeugung, dass Großes, Schönes und Gutes entsteht, wenn ganz viele kleine Nichtse sich bemühen und etwas beitragen.

Der Weinmarkt leidet an Long-Covid

Vor etwa zwei Wochen hat Ihnen, geneigte Oenologin, gewogener Oenologe, der Rudl ein paar Beobachtungen am Weinmarkt angekündigt. Wenn Sie den Rudl fragen, leidet der österreichische Weinmarkt an Long-Covid. Caviste Rudolf hat das ja schon einmal thematisiert. Es drängt sich ihm schon ein bissl der Verdacht auf, dass das versandkostenfreie Verschicken von Wein einer der Hauptgründe dafür ist, dass etliche Weinpreise in Österreich stärker gestiegen sind als anderswo. In Luft lösen sich die Transportkosten ja nicht auf. Allerdings könnten die Online-Shops der Winzerinnen und Winzer etwas verhindern, das man momentan in Frankreich beobachten kann und das dem Rudl auch nicht viel besser schmeckt als die Ausbeutung von Arbeitskräften durch schwindlige Zustelldienste.

Bei französischen Weinmeisterinnen und Weinmeistern scheinen Online-Shops weit weniger beliebt zu sein als in Österreich. Von den Weingütern, mit denen Caviste Rudolf arbeitet, betreibt kein einziges einen. Allerdings fällt dem Rudl seit einem Zeitl schon auf, dass immer mehr französische Weine, die der Rudl vor wenigen Jahren noch gekauft hat, quasi vom allgemein zugänglichen Weinmarkt verschwinden. Vor fünf bis zehn Jahren hat es genügt, in ein besser sortiertes Geschäft hineinzumarschieren und eine mehr oder weniger geschmalzene Summe Geld hinzulegen. Der Rudl hat sich darüber nie beschwert und es hat ihn so gut wie nie gereut, weil es ihm das wert war. Heute ist das bei weit weniger bekannten Namen nicht mehr möglich. Da müssen Sie gar nicht nach Vatan, Dauvissat oder Houillon-Overnoy fragen. Viele Weine, die Herr Rudolf schätzt, sind im Handel nicht mehr oder so gut wie nicht mehr erhältlich. Ein Kollege aus Aix-les-Bains hat das dem Rudl gegenüber als bewusste Entscheidung zur Abkehr von den großen Namen dargestellt. Herr Rudolf hat einen anderen Verdacht. Früher hat eine Hand voll Kritiker entschieden, was ein Wein wert ist. Das war bekannt und daran hat man sich orientieren können, indem man das jeweilige Verdikt geglaubt oder darauf gepfiffen hat. Heute hat sich Weinkritik diversifiziert, demokratisiert, vor allem aber digitalisiert. Wein ist weniger Genussmittel als Statussymbol. Und ein Statussymbol ist halt per definitionem vor allem etwas, das viele oder fast alle anderen nicht haben. Und so vergeht kaum ein Tag, an dem nicht irgendein Wein, von dem es fast nichts gibt, zum Kultwein erhoben wird. Sehr oft von digital Natives, deren Kompetenz im Umgang mit Instagram, Twitter und Tiktok außer Streit steht, über deren oenologische und degustatorische Kompetenzen jedoch weit weniger bekannt ist. Es geht darum, der oder die Schnellste und Lauteste im Netz zu sein. Bald darauf ist der betreffende Kultwein aus allen Regalen verschwunden und nur mehr auf digitalen Versteigerungsplattformen zu beziehen. Dabei geht es um Weine, die ursprünglich ab Hof, aber auch im Fachhandel um dreißig bis sechzig Euro zu kaufen waren.

Der Rudl hat zugegebenermaßen ein Faible für Weinbaumeisterinnen und Weinbaumeister mit überschaubaren Weingärten. Das hat bei ihm aber keine elitären Gründe, sondern ist eher eine Frage der Nachhaltigkeit und der Sympathie. Man mag das als ein bissl weltfremd, vom Rudl aus auch als dogmatisch erachten. Aber je besser eine Weinbäuerin oder ein Weinbauer die eigenen Rebstöcke kennt und je öfter er, respektive sie bei diesen persönlich vorbei schaut, desto sympathischer ist dem Rudl das. Dass das arbeitsintensiv ist und so ein Wein nicht um Zweieurofünfzig zu produzieren ist, wird hoffentlich niemanden wundern. Dass solche Rebstöcke gesünder sind, weniger Chemie im Spiel ist und der Wein viel besser schmeckt, auch nicht. Das ist dem Rudl sein oenologischer Standpunkt, den man teilen kann, aber nicht muss.

Und auch beim Rudl kommt es vor, dass ein von ihm hochgeschätzter Wein mehrere Jahre lang im Sortiment wartet, sich fast niemand dafür interessiert. Und dann bekommt Herr Rudolf in kurzer Zeit mehrere Anfragen pro Tag, ob er den entsprechenden Wein irgendwohin schicken kann.

Das ist auch ein Grund für die Vorbehalte des Rudls gegenüber jedweder Art von Empfehlung. Caviste Rudolf erzählt Ihnen, geneigte Oenologin, gewogener Oenologe, gerne von Weinen, die er mag. Noch lieber schreibt er darüber. Wenn Sie und der Wein offen sind, lässt der Rudl Sie gerne auch kosten. Aber empfehlen tut er Ihnen nichts. Er schreibt keinen Blog, hält Kanäle für eine sinnvolle Erfindung für den Abtransport von Fäkalien und Influenza für einen Grund, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Er freut sich, Ihnen schreiben zu können, was er oenologisch erlebt, gelesen und getrunken hat. Wenn Ihnen das gefällt, ersucht Sie der Rudl inständig, trotzdem keine Komplimente in irgendwelchen digitalen Kanälen zu hinterlassen. Wenn es Ihnen nicht gefällt, geht die Welt auch nicht unter. Das hysterische und wortreiche Warnen vor einem Wein, der einem nicht schmeckt oder der diesen, beziehungsweise jenen Fehler aufweist, hält der Rudl für mindestens genauso verzichtbar wie Empfehlungen und eigentlich für eine Form völlig überflüssigen Missionierens. Gerade so würde sich der Rudl als Schulmeister auch nie erlauben, Schülerinnen und Schüler dazu zu drängen, an etwas zu glauben oder nicht zu glauben, weil er diese Art von missionarischem Eifer in Wirklichkeit für blasphemisch hält.

Für den Rudl gibt es im Prinzip vier Kategorien von Wein. Weine, die sogar mit Sodawasser vermischt unangenehm auffallen. Weine, die weder in die eine noch in die andere Richtung Emotionen auslösen. Gute Weine. Und ausgezeichnete Weine, um in diesem Zusammenhang das Adjektiv „groß“ zu vermeiden. Caviste Rudolf bietet in seinem Sortiment keinen Wein an, der ihm nicht selber schmeckt. Insofern kann er jeden seiner Weine empfehlen. Ob er auch Ihnen schmeckt, finden Sie ohne begleitendes Geschwätz über „Engmaschigkeit“, „Länge“ oder „Mineralität“ selber heraus.

Les Petits Riens, Aosta

Vom Weinprofessor Giulio Moriondo fährt der Rudl kaum drei Kilometer weiter in Richtung Savoyen. Der Boden ist hier etwas weniger geschiefert als in Quart bei Signore Moriondo, enthält dafür mehr Gneis. Wir befinden uns am nord-westlichen Rand der schönen Stadt Aosta.

Dort haben Stefania und Fabien vor etwa zehn Jahren die Domaine „Les Petits Riens“ gegründet, ein zwei steile Hektar kleines Weingut mit zwölf Rebsorten, autochthonen und internationalen. Die Weingärten liegen zwischen sechshundert und achthundert Metern Seehöhe, Ausrichtung Süden, gut durchlüftet. Ein Unkrautvernichtungsmittel haben diese Weingärten nie gesehen.

Die Dimensionen des Weingutes ermöglichen eine lückenlose Begleitung aller Weine vom Austreiben der Rebstöcke bis zur Flaschenreife.

Petit Bout de Lune

Neunzig Percent internationaler Chardonnay, zehn Percent autochthone Erbaluce. Vierzig Stahl, sechzig im Sechshundertliterholzfass. Wenn man „abschaltet“, bevor man den Wein trinkt, ist das kein Schaden. Das hat der Rudl gelesen, nachdem er das erste Flascherl von diesem Wein in der Trattoria di Campagna in Aosta bestellt hat. Zum Glück hatte er trotzdem abgeschalten. Bereut hat er das nicht. Forelle in Wildkräutern könnte man dazu essen. Schwammerl mit Polenta aber auch.

  • Petit Bout de Lune 2018, Domaine des Petits Riens, Aosta, Italien (6,50/10)

  • J‘écume des jours 2021, Les Déplaude de Tartaras, Tartaras, IGP Collines Rhodaniennes (5/8)

    85 % Marsanne, 15 % Viognier

  • Gastine 2021, Domaine les Cortis, Andert-et-Condon, Ain, Vin de France (4,50/7)

    Gamay, Mondeuse, Chardonnay, Altesse, Corbeau, Pinot noir, Chasselas kurze Maischestandzeit, zehn Monate gebrauchtes Holz und Stahltank – ein Rotwein für die aktuellen Temperaturen

  • Welschriesling 2021, Dankbarkeit, Podersdorf, Neusiedler See (2,50/4) – Einer der wenigen Welschrieslinge, die das Potential dieser Rebsorte zeigen. Dazu in nächster Zeit mehr. Ein Wein, den man empfehlen kann, muss nicht teuer sein.

  • Königlicher Wein MMXIX, Josef Umathum, Glimmerschiefer und Quarz (4,50/7) – Josef Umathum hat den Hárslevelü wieder in das Burgenland zurück gebracht. Die Behörden haben ihm das nicht leicht gemacht. Er hat der Verlockung, deshalb daraus einen „Kultwein“ zu machen, widerstanden. Dafür ist der Rudl dankbar und Professor Moriondo war es auch.

  • Neuburger Hommage 2021, Mantlerhof, Brunn im Felde, Kremstal (4/6) – Kristof Ferstl, ein Vorfahre von Margit Mantler hat mit dem Neuburger in der Wachau so etwas Ähnliches gemacht wie Josef Umathum mit dem Hárslevelü im Burgenland. Manchen schmecken die letzten Jahrgänge dieses Weins nicht so gut. Dem Rudl schmecken sie ausgezeichnet. Insofern kann er diesen guten Gewissens empfehlen. Ob er Ihnen schmeckt, können Sie diese Woche in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils herausfinden.

  • Monsieur Gringet 2020, Dominique Belluard / Domaine du Gringet, Ayse, AOP Vin de Savoie (9/14) – nicht ganz, aber fast der Nachfolger von Le Feu und eine Hommage an Dominique Belluard

Donnerstag, 24. August von 17 bis 21 Uhr

in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

Der 27. Jänner, der Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz, muss zu einem gesamteuropäischen Feiertag erklärt werden. Wer das Richtige feiert und weiß, was er dabei tut, ist nicht nur kein Würstel, sondern wird sich auch leichter tun, den Angriffen der Heimatparteien auf Demokratie, Menschenrechte und Aufklärung etwas Wirksames entgegenzusetzen.

Leise und zurückhaltend grüßt Herr Rudolf!

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Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22, 1150 Wien

Sieben teils grenzeüberschreitend neue Weine in der Sommerschule, am Donnerstag, den 10. August von 17 bis 21 Uhr

Bis auf die Zähne oenologisch weitergebildet freut sich Caviste Rudolf Polifka, Ihnen, geneigte Oenologin, gewogener Oenologe, Forschungsergebnisse mitteilen zu dürfen. Der Rudl hat nämlich ziemlich entgegengesetzt zu seinen ursprünglichen Ambitionen heuer vier ihm bislang nicht oder fast nicht bekannte Weingüter besucht und überall drei bis vier Weine für sein Geschäft erworben, aber halt in Mengen, die der spärliche Platz im Urlaubsauto zulässt. Ein paar davon erlaubt sich der Rudl, im Rahmen der Sommerschule zu kredenzen.

Dass aus dem ursprünglichen Ansinnen vom Rudl, intensiver bei französischen Cavistinnen und Cavisten zu forschen, nicht viel Mitnehmbares geworden ist, hat betriebswirtschaftliche und, wie dem Rudl scheint, vor allem digitale Gründe. Es wird zu einem anderen Zeitpunkt abzuhandeln sein.

Aostatal, Italien – ja wirklich!

Schon lange vernimmt der Rudl in seinem geistigen Ohr den Ruf, sich dem Mont Blanc oenologisch nicht nur von einer Seite, nämlich der hochsavoyardischen von Dominique Belluard und der Domaine du Gringet zu näheren. Der höchste Berg Europas schaut ebenso wohlwollend auf das Schweizer Wallis und das italienische Aostatal herunter. Während das eine noch warten muss, hat der Rudl heuer dem Aostatal oenologisch die Reverenz erwiesen. Dabei ist er nicht nur auf einen Franzosen aus dem Jura gestoßen. Fabien Bonnet hat in Beaune studiert hat, um dann über Marie Thérèse Chappaz im Wallis seine Frau kennenzulernen und mit dieser 2013 in Aosta ein sehr kleines Weingut von zwei Hektar Rebfläche zu gründen: vielversprechender Name „Les Petits Riens“, die kleinen Nichtse. Spätestens in dem Moment, als nach dem obligaten Seidl lokalen Bieres die Kellnerin in der ausgezeichneten Trattoria di Campagna die Flasche „Petit bout de lune“ von ihrem Kork befreit hatte, war dem Rudl klar, dass die Idee, über Aosta nach Savoyen zu fahren, kein Unsinn war. Zwei Tage später hat der Rudl dann mit Fabien Bonnet ziemlich beeindruckende Fassproben studiert und ein paar Schachteln mit abgefüllten Weinen in seinen Kofferraum geschlichtet.

Weil alles auf einen Haufen aber eh wenig Sinn hat und Wissenschaft etwas Aufbauendes ist, stellt Ihnen der Rudl heute einmal Professor Giulio Moriondo und seine Weine vor. Das passt auch gut zu einer Sommerschule. Zu den anderen neuen Weingütern wird sich Caviste Rudolf Polifka mit ein paar Anmerkungen begnügen, diesen aber zu späteren Zeitpunkten weiterführende Explicationen hinzufügen.

Giulio Moriondo

Dass er bei diesem einen Termin bekommt, hat Caviste Rudolf offen gestanden nicht erwartet. Einen halben Hektar bewirtschaftet der emeritierte Professor des Institut agricole régional du Val d‘Aoste. Seine Forscherfreundschaften, zum Beispiel mit dem Ampelographen Genetiker José Vouillamoz aus dem Valais, pflegt er intensiv. Den Rudl interessiert das Wissen von Weinbauern grundsätzlich. Aber im Keller von Professor Moriondo ist er sich wie in einem Hörsaal vorgekommen. Vom Verhältnis der drei Weinbaugebiete rund um den Mont Blanc zueinander angefangen über den wissenschaftlichen, aber nicht ideologischen Zugang zum Bioweinbau, Geschichte, Volkswirtschaft und selbstverständlich Rebsorten hat Giulio Moriondo in neunzig Minuten einen beeindruckenden Einblick in seine Forschung vermittelt.

In einem Jahrhundert hat das Aostatal über achtzig Percent seiner Rebfläche verloren. Jetzt wächst sie wieder, aber minimal. Dabei haben die steilen Hanglagen, teilweise terrassiert und bis deutlich über tausend Höhenmeter hinauf reichend stets als besonders hochwertig gegolten. Vor allem der Föhn ist ein ganz großer Triumpf, wenn es um das Ausreifen von gesunden Trauben geht. Die gravierenden Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht sind auch kein Schaden. Aber Ende des neunzehnten Jahrhunderts ist es dann zuerst einmal mit Oidium losgegangen, dann die Reblaus und Kriege. Am meisten hat den Rebflächen jedoch die Eisenbahn zugesetzt. Der Zugang zu den deutlich billigeren, weil auf einfacher zu bewirtschaftenden Rebflächen wachsenden Weinen aus dem Piemont hat das Ende für ganz viele vor allem steile Weingärten bedeutet.

Zum Glück war Professor Moriondo die Arbeit im Labor und am Schreibtisch zu wenig. Darum hat er vor knapp fünfundzwanzig Jahren ein paar Parzellen mit alten, steilen Weingartenterrassen erworben. Dort stehen bis über hundertzehn Jahre alte, teilweise wurzelechte Rebstöcke. Wilde Minze und Thymian leisten ihnen Gesellschaft. In einem überschaubaren Keller, den Giulio Moriondo „mon laboratoire“ nennt, macht er im Prinzip zwei Weine. Einen auf der Basis von Nebbiolo Rosé, genetisch ein Sohn von Nebbiolo und einen zweiten aus Rebsorten, die ausschließlich im Aostatal, manche sonst höchstens noch im Schweizer Wallis vorkommen. Dabei ist zu ergänzen, dass Nebbiolo und Nebbiolo Rosé im Aostatal immer schon daheim waren, aber halt nicht nur dort. Mit dem gar nicht so weit entfernten Savoyen hat das Aostatal oenologisch nicht viel zu tun. Während man in Richtung Norden nämlich lediglich über den Grand Saint Bernard fahren muss, um im jeweils benachbarten Weinbaugebiet herunterzukommen, schaut das in Richtung Westen, nach Frankreich hinüber anders aus. Da fährt man von Aosta zuerst einmal ein ganzes Stückl, bis man am Petit Saint Bernard ist. Dann geht es drüben über La Rosière hinunter. Aber unten in Bourg Saint Maurice wächst dann noch lange kein Wein. Die ersten Weingärten sind die Terrassen der Domaine des Ardoisières in Cevins, die ersten appellationsberechtigten gibt es überhaupt erst nach Albertville in Fréterive. Darum haben die savoyardischen Rebsorten mit denen des Aostatals nichts gemeinsam, wohingegen Wallis und Aostatal eng verwandt sind. So ist der Schweizer Humagne Rouge ident mit dem Cornalin im Aostatal. Dafür sind beide Namen französisch. Der Cornalin du Valais ist wieder etwas anderes. Der hat seinen Ursprung paradoxerweise im Aostatal. Dort gibt es ihn heute aber nicht mehr. Petite Arvine ist den umgekehrten Weg gegangen, aber in beiden Tälern noch daheim. Petit Rouge à baie blanche hat Giulio Morionda auf einem seiner unermüdlichen Streifzüge durch alte Weingärten identifiziert. Den Weingarten, in dem er ihn aufgespürt hat, gibt es wie viele andere alte Weingärten im Aostatal nicht mehr, auch weder Grund zur Freude noch zu Verständnis für den Professor. Man kann von Professor Moriondo viel lernen. Wenn man Forscher ist, muss man viel ausprobieren und geduldig warten, ist der Zugang von Giulio Moriondo. Mit seinen Weinen möchte Giulio Moriondo den ursprünglichen Geschmack des Tales zugänglich machen. Einen ganz kleinen Anflug von einem Eindruck dieses Geschmacks hat der Rudl im Keller von Professor Moriondo gehabt.

Sowohl Giulio Moriondo als auch Fabien Bonnet wollen gesunde Weine ohne Chemiekasten, aber auch ohne Ideologie. Darum behalten sie sich den Einsatz geringer Dosen Schwefel und Kupfer vor, weil sie präzise, saubere und erkennbare Weine anstreben.

Les Deplaude de Tartaras

Vor zwei Jahren war es. Da wollte der Rudl seinem Sortiment an französischen Bergweinen aus den Alpen, den Pyrenäen und den Vogesen solche aus dem Zentralmassiv hinzufügen. Der entsprechende Lokalaugenschein in Clermont Ferrand war dann etwas ernüchternd und vor allem flüchtig. Aber Caviste Rudolf hatte zu knapp davor im Bistrot der Giachinos und vor allem bei Matthieu Apffel von einem Weingut im Süden von Lyon Wind bekommen. Das liegt nicht ganz im Zentralmassiv, gehört aber auch noch nicht ganz zur nördlichen Rhône. Beaujolais ist es auch nicht. In the middle of nowhere. Heuer hat es der Rudl aber geschafft, dort sogar zwei Nächte verbracht, sich davon überzeugen können, dass dort wirklich ausschließlich Landschaft ist, und auch drei Weine erworben.

Domaine Les Cortis

Das erst vor wenigen Jahren in den Status einer Appellation aufgestiegene Bugey hat Caviste Rudolf Polifka eigentlich schon abgeschrieben gehabt. Zu oft hatte er sich beim Durchfahren oder Lesen über diese Gegend gedacht: „Da muss es außergewöhnlich gute Weine geben.“ Aber bis jetzt ist diese Arbeitshypothese von keiner Flasche, die der Rudl von dort erworben hat – und das waren ein paar – gestützt worden. Und dann hat Jacques Maillet dem Rudl geraten, einmal zu Jérémy Decoster zu fahren. Wenn Jacques Maillet etwas sagt, dann macht man das.

aus dem Aostatal:

  • Cuvée d‘Emile 2016, Giulio Moriondo, Quart (8/12)

Der Geschmack des Tales gemäß dem Professor, nicht nur was die Rebsorten betrifft, sondern auch von der Vinifizierung her.

Petit Rouge 53%, Premetta 16%, Vien de Nus 16%, Vuillermin 9%, Mayolet 6%, ausschließlich indigene Rebsorten, teilweise wurzelecht, auf Schieferterrassen in 540 und 630 Metern Höhe. Dass Professor Moriondo auf Synthetisches aus dem Chemiekasten verzichtet, versteht sich für ihn von selbst. Als Forscher weniger aus ideologischen Gründen, sondern weil er niemandem etwas vorsetzen will, das etwas enthält, vor dem er sich selber schützen würde. Schönung, Filtration, Klärung oder Säurezusatz sowieso nicht. Barrique detto. Sechzig Milligramm pro Liter Schwefel bei der Füllung. Wie ein Waldspaziergang nach dem Regen oder so, das hat der Rudl über diesen Wein einmal gelesen. Ganz abwegig erscheint ihm das nicht. Wildrose und Waldbeeren sind vielleicht leichter nachzuvollziehen.

  • L‘air des cîmes 2018, Domaine des Petits Riens, Aosta, Italien (7/11)

irgendwo zwischen Zentralmassiv und Rhône:

  • La Poussières des Étoiles 2022, Les Deplaude de Tartaras, IGP Collines Rhodaniennes (4,50/7)

  • Côte-Rôtie Côte brune 2020, Chambeyron-Manin, Ampuis, Rhône nord (10/15) – zum ersten Mal der Jahrgang 2020 und eine Flasche von insgesamt sechs, die der Rudl von dieser weiteren Microdomaine zugeteilt bekommen hat

von Hochsavoyen ins Jura:

  • Uzée 2022, Domaine Les Cortis, Vin de France (4,50/7)

  • Eponyme Mise Tardive 2020, Domaine du Gringet et Dominique Belluard, Ayse, AOP Vin de Savoie (7/11) – zum ersten Mal glasweise

  • Sauvageon 2020, Domaine Pignier, Montaigu, AOP Côtes du Jura (7/11) – zwölf Monate im Betonei ausgebauter Savagnin

Donnerstag, 10. August von 17 bis 21 Uhr – ohne ganz strenge Sperrstunde

in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

Der 27. Jänner, der Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz, muss zu einem gesamteuropäischen Feiertag erklärt werden. Wer das Richtige feiert und weiß, was er dabei tut, ist nicht nur kein Würstel, sondern wird sich auch leichter tun, den Angriffen der Heimatparteien auf Demokratie, Menschenrechte und Aufklärung etwas Wirksames entgegenzusetzen.

Monsieur Rudolf freut sich!

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Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22, 1150 Wien