Wein und Sprache
Mit dem Verhältnis dieser beiden zueinander ist es so eine Sache. Herr Rudolf hat darüber das eine oder andere Mal in die Tastatur seines mobilen Datenkübels hinein sinniert. Äußerungen wie „Wein X schmeckt nach Frucht Y“ sind meistens zumindest noch intersubjektiv nachprüfbar. „Wein X hat Tiefe“ ist dann schon eher Esoterik als Sensorik. Wenn dann auch noch Adjektive ins Spiel kommen, wird es dem Rudl meistens zu blöd.
Darum beschränkt sich Caviste Rudolf diese Woche auf die drei Früchte im Sack des Nikolauses: Äpfel, Nüsse und Mendelkerne, wobei sich nur Zweiteres und Dritteres auf den möglichen Geschmack der jeweiligen Weine beziehen. Wahrscheinlich. Die Äpfel sind eine Referenz auf den neuen Winzer im Sortiment der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils. Aber was weiß man?
Mathieu Apffel. Wahrscheinlichkeitsoenologie
Wenn man sich lange und vor allem intensiv mit etwas auseinandersetzt, senkt das quasi zwangsläufig die Chancen, im Hinblick auf dieses Objekt der Auseinandersetzung Überraschungen zu erleben.
Ist dieses Objekt der Auseinandersetzung dann sowieso quantitativ eher klein, nähert sich die Wahrscheinlichkeit, auf Unentdecktes zu stoßen dem Wert Null. Aber eben nur „nähert“.
Jacques Maillet
Wenn in Savoyen oder Irouléguy ein neues Weingut aufsperrt oder ein altes übernommen wird, lässt es sich schwer vermeiden, dass Caviste Rudolf davon Wind bekommt. Vielleicht halten Sie, geneigte Oenologin, gewogener Oenologe, den Rudl da jetzt für überheblich. Nur ist es halt so, dass Caviste Rudolf diesbezüglich von einem Vollständigkeitstick befallen ist. Darüber hinaus ist die Vorfreude auf den fast jährlichen Besuch in Savoyen beim Rudl immer ziemlich groß. Und in den Fensterstunden als Schulmeister wie in den freien Minuten als Hausmeister schreibt der Rudl schon im November das eine und andere E-Mail an Weinbauern, schaut sich das Sortiment der lokalen Cavisten an und vergisst auch auf die ortsansässige Gastronomie nicht. Dabei lässt es sich nicht vermeiden, dass man Veränderungen mitbekommt.
Einmal vor Ort gibt es für den Rudl sowieso kein bis nur mehr schwer ein Halten, wenn es um den Erwerb der ersten Flaschen Wein geht, fast immer an einem Samstagnachmittag. Da muss angekommen werden. Das erfordern die Statuten des Ferienwohnungsvermieterverbandes „Gîtes de France“. Und da muss Wein für die ersten drei Tage gekauft werden. Das erfordern die Ladenöffnungszeiten der Cavisten. Drum brennt gewissermaßen den ganzen Anreisesamstag lang der Hut, weil danach erst wieder am Dienstag offen ist.
Heuer hat Monsieur Rudolf gleich mit Raritäten begonnen, Marestel 1994 von Dupasquier und Altesse 2013 noch von Michel Grisard. Die markanten Etiketten eines Winzers namens Mathieu Apffel sind ihm aufgefallen, Wein hat er keinen gekauft. Herr Rudolf wollte im vergangenen Urlaub seinen oenologischen Horizont erweitern, vor allem in Richtung Südwestalpen. Wenn es in Hochsavoyen hervorragende Weine gibt und wenn es in Savoyen noch mehr und noch hervorragendere Weine gibt, dann könnte es ja auch in den Alpen weiter südlich gute Weine geben, theoretisch sogar bis ins Hinterland von Nizza hinunter. Und ungefähr dreizehn Kilometer von den Giachinos aus in Richtung Süden sollten sich dieser Arbeitshypothese sogar ein paar passable Weine abgewinnen lassen. Bis nach Le Touvet hinunter, zur Domaine des Rutissons. Was Herr Rudolf darüber hinaus, rund um Grenoble und auch weiter südlich davon getrunken hat, ist dann wieder weniger der Rede wert gewesen. Umso noch mehr hat der Rudl geschätzt, was er an den guten Weinen Savoyens hat, an den guten.
Zwei Tage vor der Abreise ist es sich dann noch ausgegangen, kurz bei Christiane und Jacques Maillet vorbei zu schauen. Das ist pfadfinderisch immer herausfordernd und menschlich umso erfreulicher. Im vergangenen Jahr ist es darüber hinaus auch noch oenologisch ergiebig gewesen.
Mathieu Apffel
Ob er eh schon bei dem gewesen sei, hat Jacques den Rudl gefragt. Dass sich bei dem der Hagel heuer im Juni von seiner gründlicheren Seite gezeigt habe, der Wein grundsätzlich aber eine „bombe atomique“ sei, hat Monsieur Jacques ergänzt.
Jetzt hält sich bei einem wie dem Rudl, der in den Achtziger Jahren politisch sozialisiert worden ist, die Begeisterung für nukleare Waffen in Grenzen, aber der Hinweis von Jacques Maillet hat dem Rudl seinen Jagdinstinkt gereizt. Darum hat er noch am selben Abend versucht, Herrn Apffel telefonisch zu erreichen. Da seine Nachricht auf der Sprachbox am nächsten Tag immer noch ihrer Erwiderung harrte, fuhrt Caviste Rudolf noch einmal systematisch von einem zum anderen Cavistenkollegen in Chambéry und Aix-les-Bains, um dort nach Weinen von seiner Neuempfehlung Jacques Maillets zu fragen. In einer Vinothek ist der Rudl fündig geworden. Die Frage des Cavisten, ob er diese Weine kenne, hat der Rudl wahrheitsgemäß verneint, mit ergänzendem Hinweis auf die Empfehlung von Jacques Maillet. Das wiederum hat den Weinverkäufer zu einer Entgegnung, die ambivalenter nicht sein hätte können, veranlasst: „Si Jacques Maillet dit quelque chose …“ (Wenn Jacques Maillet etwas sagt, …).
In diesem Moment waren sich beide Cavisten einig, dass man sich in Sachen Wein zwar
a) nicht auf Empfehlungen verlässt,
b) im Fall einer Empfehlung von Jacques Maillet das aber nicht gilt.
Irgendwann hat Monsieur Apffel dann zurückgerufen. Aber da ist der Rudl nicht mehr vor Ort gewesen. Er hat dann in Arbois noch einen Wein von Mathieu Apffel gefunden und später zu Hause per E-Mail mit dem Weinbauern Kontakt aufgenommen. Und letzten Freitag sind hundertzwanzig Flaschen von Mathieu Apffel in der Reindorfgasse von einem Lastwagen abgeladen worden.
… Nüsse, Mandelkern
Es gibt ein paar Sprüche, an denen kommt kein Kindermensch vorbei und die wird er auch nicht mehr los, egal ob sie ihr oder ihm gefallen oder nicht.
Dass Schürfwunden vor dem Eintritt in den Stand der Ehe rückstandslos abheilen, dem Tüchtigen die Welt gehöre – dürfte seit Veröffentlichung des „Wos wor mei Leischtung?“-Telefonprotokolls als widerlegt gelten – und einem irgendein x-beliebiges, unerwünschtes Verhalten in der Schule und wenn nicht dort, dann spätestens beim Bundesheer abgewöhnt würde, hat zumindest in den Siebziger Jahren zum Basislehrstoff eines Vorschülers gehört.
Weniger problematischen Inhalts, wenn auch nicht immer der Wahrheit entsprechend sind da zweifellos Reime zu den großen Festen gewesen. Etwa dass Äpfel, Nüsse und Mandelkern alle Kinder gerne hätten. Der Rudl hat diesen Satz eigenartigerweise besonders deutlich als Zitat aus dem ORF-Stehgreifspiel „Die liebe Familie“ im geistigen Ohr. Der von Franz Suhrada gespielte Hausmeister und in dieser Folge vom von Franz Suhrada gespielten Hausmeister gespielte Nikolaus rezitierte diesen Satz mit von alkoholischen Getränken beeinträchtigtem Sprechzentrum mehrmals zu mehr oder weniger passenden Gelegenheiten. Das hat sich der Rudl gemerkt, bis heute. Darum stellt er das Unterrichtsthema dieser Woche unter das Motto der erwähnten drei Früchte und öffnet Weine von seiner Neuempfehlung Mathieu Apffel, sowie einen Wein, der nach grünen Nüssen schmeckt, und drei Weine, denen Mandelaromen zugeschrieben werden.
Nüsse
Schauen Sie, geneigte Oenologin, gewogener Oenologe, mit den Nüssen ist es auch so eine Sache. Da könnte der Rudl glatt grundsätzlich werden. Wird er aber nicht. Statt des nächsten Plädoyers gegen den realen Neoliberalismus begnügt er sich an dieser Stelle mit der Verwunderung, warum man in diesen Landen auf Schritt und Tritt unter Nussbäumen durchspaziert, aber im Fall des Kochbedarfs zumindest im Super- und Biomarkt fast ausschließlich Nüsse von Ganzwoandersher kaufen kann.
Im Wein
… gilt Walnussaroma quasi als Signatur oxidativer Weine, vor allem des Vin Jaunes.
Beim Vin Jaune kommt zur Nuss auch die gebrannte Mandel und die getrocknete Marille. Ein Nikolauswein par excellence.
Mandelkern
Mandelaroma kommt in Weinbeschreibungen gerne handerlhaltend mit der Haselnuss daher. Sehr oft bei Chardonnays, die als besonders groß gelten. Bei einem Meursault hat der Rudl das schon einmal nachvollziehen können, bei Chardonnay von Leo Uibel auch.
Daheim ist es, so schreibt man, in Burgund, Savoyen und an der nördlichen Rhone.
Neben Altesse gilt Chardonnay als besonders affin zur gerösteten Mandel.
Aber weil der Rudl jetzt dann sowieso bald einmal wieder eine Altesse-Unterrichtseinheit vorgesehen hat, überlässt er es drei Chasselas vom französischen Ufer des Genfer Sees, den Mandelnachweis, eher den der frischen Mandel, zu erbringen.
Äpffel:
- Rouzan Blanc 2018, Altesse und Jacquère, Mathieu Apffel, Saint Badolphe, AOP Vin de Savoie (4/6)
- Terroir de Saint Alban 2018, Altesse und Jacquère, unfiltriert ohne Schwefelzusatz, Mathieu Apffel, Saint Badolphe, AOP Vin de Savoie (4/6)
- Apremont „Avant la Tempête“ 2018, Mathieu Apffel, Saint Badolph, AOP Vin de Savoie (4/6)
Nüsse:
- Vin Jaune 2009, Domaine Pignier, Montaigu, AOP Côtes du Jura (9/14)
Mandelkern:
- Quintessence de Chasselas 2016, Vins de Leman, AOP Vin de Savoie (3/5)
- Un Matin face au Lac 2018, Les Vignes de Paradis, IGP Vin des Allobroges (5/8)
- Marignan 1515 2016, Les Vignes de Paradis, IGP Vins des Allobroges (5/8)
(in Klammern die Preise für das Sechzehntel und das Achtel)
…nicht nur diese Weine gibt es glasweise
am Dienstag, den 3. Dezember und ausnahmsweise am Freitag, den 6. Dezember
von 16 bis 22 Uhr
in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22
Vorschau auf die Lehrveranstaltung vom 10. und 12. Dezember
vermutlich Sancerre „Les Romains“ von Vacheron 2007 – 2008 – 2010 – 2013
Im Übrigen ist Rudolf Polifka der Meinung, dass man den 27. Jänner, den Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz zu einem europäischen Feiertag der Menschenwürde erklärt!
Herr Rudolf grüßt mit der Würde des Heiligen Nikolaus!
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Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22, 1150 Wien
Öffnungszeiten: Dienstag und Donnerstag, 16 bis 22 Uhr, an Schultagen
kostenlose und CO2-minimierte Zustellung innerhalb von Wien ab einem Bestellwert von 57