Alle Jahre wieder stellt der Rudl zur Zeit des Heiligen Nikolaus und des weniger bis gar nicht heiligen Krampus die Frage nach dem Schwefel im Wein, präziser die Frage nach dem Schwefelzusatz im Wein. Auch dieses Jahr.
Krampus
Dem Rudl seine Begeisterung für Krampusumzüge hält sich in Grenzen. Da mag eine mit Brauchtum kommen und da mag einer mit der Ambivalenz des Lebens kommen. So wenig wie Herr Rudolf der Frau Umweltstadträtin zu folgen vermag, wenn diese die allherbstliche Usurpation der Kurtlwiese vor dem Riesenrad als integrativen Treffpunkt von Menschen unterschiedlicher Weltanschauungen lobt, so wenig kann der Rudl in den Krampusumzügen viel mehr als eine kommerzialisierte Sauferei, untermalt von schmerzhaften Geräuschen erkennen. Beides verzichtbar, die Wiener Wiesn und die Krampusumzüge.
Kollateralnutzen
Die Vorangst vor dem Krampus hat sich in der Kindheit zumindest produktiv auf die Phantasie von Polifka Fils ausgewirkt. Der Rudl hat seinerzeit im Alter von sieben Jahren oder so gemeinsam mit seinem Cousin das Projekt entwickelt, auf den Rücken des Krampus zu springen und dem finsteren Gesellen von hinten mit dem Fuchsschwanz die Hörner abzusägen. Ob eine derartige Phantasieanregung ausreicht, um dem ganzen Gemisch aus Angst, Industriealkohol und Mpftagedröhne eine Legitimation zu verleihen, das zu entscheiden, überlässt der Rudl Ihnen, geneigte Oenologin, gewogener Oenologe.
Ideologischer Überbau. Zum Teufel mit dem Krampus
In Wirklichkeit tut sich der Rudl mit den ganzen Teufeln und Dämonen schwer. Er betrachtet die alle als nicht satisfaktionsfähig, mögen sie vielleicht auch einem gewissen Gerechtigkeitsempfinden entspringen. Da hält es der Rudl ausnahmsweise mit der wörtlichen Bedeutung von Sprache. Und da handelt es sich bei „besessen“ immer noch um das Partizipium Perfekt passiv des Verbs „besitzen“. Wenn also jemand besessen ist, vor zweitausend Jahren zum Beispiel oder heute, dann ist da, wenn Sie den Rudl fragen, nicht irgendein Hokuspokusteufel, -krampus oder -dämon im Spiel, sondern irgendetwas oder irgendjemand, der die Betroffene oder den Betroffenen fernsteuert und besitzt. Das können die Römer gewesen sein, eine dominante Vater- oder Mutterfigur, das kann aber auch das Streben nach Marie, einer guten Nachrede oder auch nur die Angst aufzufallen sein. Soviel zum Krampus, zum Teufel und zum Schwefel.
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Chemie ist das Fach, auf das sich der Rudl als Schüler am längsten gefreut hat. Das hat seinerzeit erst in der zweiten oder dritten Klasse Gymnasium begonnen und davon hat sich der Rudl Spektakuläres erwartet, zumindest Spektakuläreres als ein durchschnittlicher Unterrichtsgegenstand in den frühen Achtziger Jahren zu bieten vermocht hat. Viel ist das nicht gewesen, das können Sie dem Rudl glauben. Aber selbstverständlich ist auch diese Schülerhoffnung unerfüllt geblieben. Wenigstens im Chemiekasten vom Rudl hat sich ein Röhrl mit Schwefel befunden. Damit haben sich interessante Reaktionen erzeugen lassen. Was da im und außerhalb des Reagenzglases geschehen ist, hat der Rudl selten verstanden, aber das war ihm auch nicht wichtig. Schwefel war auf alle Fälle eines der beliebteren Elemente beim Rudl. Schade, dass er bis heute nicht viel davon versteht. Ein von Herrn Rudolf als durchaus nicht uninteressant befundenes Hochschulstudium der Oenologie ist ihm aufgrund einer Zugangsbarriere in Gestalt eines Chemieblocks verwehrt geblieben. Allerdings dürfte erst dieser Umstand die Eröffnung seines Geschäfts möglich gemacht haben.
Was bringt sich das? … und was sich das bringt!
Wenn Menschen im Bildungsbereich etwas nicht bewältigen, dann wird heute ganz gerne nicht der Akteur, respektive die Akteurin dafür verantwortlich gemacht, sondern die nicht bewältigte Materie, am allerliebsten ein zu hoher Theoriegehalt der nicht bewältigten Materie. Dazu passt ins Bild, dass heute ein unerfreuliches Ergebnis bei einem mittelaussagekräftigen Einheiztest nicht in einer Erhöhung der Lernanstrengung seitens Schülerinnen und Schüler, sondern in periodisch wiederkehrenden Revolutionen der Lehrpläne im Speziellen und des Bildungssystem im Allgemeinen zu resultieren pflegt. Nicht selten wird dabei ein Schulsystem revolutioniert, dessen man sich bereits vor dreißig Jahren – völlig zurecht – entledigt hat. In Anbetracht der Unzahl an pädagogischen Revolutionen und großen Würfen der letzten Jahre und Jahrzehnte scheint ohnehin kaum noch jemand einen Überblick zu haben über das, was ist, das, was war, und das, was sein wird oder soll. Aber das ist jetzt wirklich eine ganz andere Geschichte, zumal der pädagogische Ungeist hinter dem Krampus heute hoffentlich aus allen Schulen entfernt ist. Diesbezüglicher Vorreiter ist in den letzten dreißig Jahren übrigens, was nicht so viele wissen, die Religionsdidaktik gewesen, ein bissl gezwungenermaßen.
Jetzt aber wirklich S
Der scheint ein integrativer Bestandteil von vielen Vorstellungen im Zusammenhang mit Krampussen, Teufeln und der Hölle zu sein. Direkt zuträglich ist das der Nachrede vom Schwefel natürlich nicht. Das wiederum dürfte sich die Naturweinszene in besonderem Ausmaß zu Herzen genommen haben.
Schwefelige Ambivalenzen
Manchmal tut der Kopf weh. Schuld daran sind verhaltensoriginelle Wetterphänomene wie eine nur von wenigen Tagen unterbrochene Föhnperiode von ungefähr Ende August bis Mitte November. Auch daran ist etwas schuld, vor allem eine Religion. Eine Religion, die Bequemlichkeit zu einem Dogma macht. Ihr Papst hockt nicht im Vatikan, sondern im Silicon Valley oder wo und weist jegliche Verantwortung für die Klimakatastrophe und Schuld an ihr kategorisch von sich.
Jetzt aber wirklich wirklich S
In hohen Dosen scheint der nicht angenehm für den Kopf zu sein. Thérèse und Michel Riouspeyrous haben vor gut zwei Jahren den Rudl einmal besucht. Sie waren auf einer oenologischen Studienreise durch Österreich. Bedauerlicherweise muss dieses Unterfangen eher nur mittelgut vorbereitet gewesen sein, denn Thérèse und Michel haben über Unwohlsein im Kopf geklagt. Verantwortlich dafür haben Sie den Schwefelgehalt der verkosteten Weinen gemacht. Förderlich war das ihrem Bild vom österreichischen Wein nicht. Weine von Karl Schnabel, Josef Umathum und Franz Strohmeier haben dann die ehrenwerte Aufgabe übernommen, die Meinung des elsässisch-baskischen Paars über österreichische Weine zu korrigieren.
Der Rudl ist den Naturweinen dankbar für die Sensibilisierung in Sachen Schwefel, wobei man auch wieder dazu schreiben muss, dass es Winzer gibt, die vor dreißig Jahren, als biologischer Weinbau noch alles andere als cool gewesen ist, schon den Schwefeleinsatz minimiert haben. Josef Umathum wie erwähnt. Und sein Namensvetter im Nachbarort. Und noch ein paar andere Josefe, wie der Herr Kurt vielleicht sagen würde.
Diesen Weinbauern ist der Rudl genauso dankbar wie denen, die die Kunst beherrschen, langlebendige Weine ohne Schwefelung zu keltern.
Dogmatisierung
Weniger dankbar ist der Rudl denen, die den Verzicht auf Schwefelung zu einem Dogma erklären.
Verteufeln tut der Rudl den Schwefel nicht, schon deswegen nicht, weil der Wein bei der Gärung selber Schwefel produziert.
Wenn ein Winzer ohne den Einsatz von Schwefel präzise Weine zu kultivieren vermag, denn beeindruckt das den Rudl. Und wenn ein Winzer erkennt, dass er im Fall der Fälle mit einer möglichst geringen Schwefeldosis eingreifen muss, dann beeindruckt ihn das genauso.
Rosé vom Opok 2014, Maria und Sepp Muster, Schlossberg, Steirerland (3/5)
Muskateller vom Opok 2015, Maria und Sepp Muster, Schlossberg, Steirerland (3/5)
Morillon Graf 2013, Maria und Sepp Muster, Schlossberg, Steirerland (6/9)
Sgaminegg 2013, Maria und Sepp Muster, Schlossberg, Steirerland (6,50/10)
Pouilly Fumé „Pur Sang“ 1992, Didier Dagueneau, Saint Andelain, AOC Pouilly-Fumé, Loire (12/18)
Teran 2011, Branko und Vasija Čotar, Komen, Kras, Slowenien (4,50/7)
Rotwein 2012, Maria und Sepp Muster, Schlossberg, Steirerland (3/5)
Blaufränkisch Hochegg Special Edition 2013, Karl Schnabel, Sausal Steirerland (6/9)
Mondeuse 2015, Jacques Maillet, Chautagne, AOP Vin de Savoie (6/9)
(in Klammern zuerst der Preis für das Sechzehntel, dann der für das Achtel)
Diese Weine, aber nicht ausschließlich diese gibt es diese Woche glasweise
am Mittwoch, den 5. Dezember und am Freitag, den 7. Dezember
jeweils von 16 bis 22 Uhr
in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22
Vorschau auf die Lehrveranstaltung vom 12. und 14. und 16. Dezember:
Silberner Sonntag und vermutlich teure Weine
Im Übrigen erwartet Rudolf Polifka, dass man den 27. Jänner, den Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz zu einem europäischen Feiertag erklärt.
Herr Rudolf grüßt den Niglo!
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Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22, 1150 Wien
Öffnungszeiten: Mittwoch und Freitag, 16 bis 22 Uhr, an Schultagen
kostenlose und CO2-minimierte Zustellung innerhalb von Wien ab einem Bestellwert von 57 Euro