Damit Sie den Rudl nicht falsch verstehen … ein Rätsel
Er hat nichts gegen Marktwirtschaft. Gegen Marktwirtschaft als Instrument hat der Rudl nichts; wäre etwas seltsam, andernfalls ein Geschäft zu betreiben. Aber gegen totalitäre Ideologien und Ersatzreligionen hat der Rudl so ziemlich alles, was man auf dieser Welt gegen etwas haben kann.
Und wozu es führt, wenn der Kapitalismus als Ersatzreligion und totalitäre Ideologie nach etwas greift, das kann man momentan ganz eindrucksvoll in Katar studieren: Vor dreitausend Jahren hat das Judentum die Menschheit von der unbarmherzigen Logik des Menschenopfers erlöst. Was eine gnadenlose Ideologie und Ersatzreligion fordert, wenn sie ihre dreckigen Krallen nach einem Spiel(!) ausfährt und aber auch wirklich nichts von ihrer besessenen Kommerzialisierung verschont, das besteht aus dreizehn Buchstaben und endet auf ein r.
Jacquère
Ein zweites Mal hofft Monsieur Rudolf, nicht falsch verstanden zu werden. Was man mit Jacquère oder Gamay aufgeführt hat und aufführt, darf man in keinster Weise mit den Tragödien der Wanderarbeiter in Katar vergleichen. Eine gemeinsame Ursache ist dennoch nicht von der Hand zu weisen: Geschäftemacherei auf Teufel komm ‘raus
Im Fall von Jacquère war es zuerst die Explosion der Skistationen in den französischen Alpen und dann waren es die Olympischen Winterspiele von Albertville 1992. Beide sind ein Kapitel für sich … und für die Architektur der Beweis, dass man nicht viel Platz benötigt, um Unmengen an Beton zu verbauen. Das hat man getan und in den dazugehörigen Gaststätten hat man das architektonische Rezept des Warum-GUT-wenn-auch-VIEL-geht? gleich auf die Speisen- und Getränkekarten übertragen. Dabei ist eine der vielleicht interessantesten Rebsorten der Welt dermaßen versaut worden, dass diese eine ganze, zugegebenermaßen nicht besonders große Weinbauregion mit sich in den Dreck gezogen hat. Wenn Sie, geneigte Oenologin, gewogener Oenologe, heute beim Skifahren einen Apremont oder einen Abymes trinken, dann gibt es im Prinzip drei Möglichkeiten:
- Sie schlucken jenes Produkt der Pharmaindustrie, das angeblich den Magen aufräumt, und nehmen sich fest vor, so etwas nie wieder zu trinken.
- Sie stopfen dem Wein Unmengen an Fondue, Raclette oder Tartiflette nach, um auf einen anderen Geschmack zu kommen.
- Oder Sie freuen sich, weil Sie Glück gehabt haben, eine Jacquère von den Giachinos, von Jean-Claude Masson oder von einer Handvoll anderer Weinbauern zu trinken. Nicht zuletzt die Giachinos und Masson waren es, die es sich quasi zur Lebensaufgabe gemacht haben, Jacquère zu retten und wieder als das zugänglich zu machen, was diese Rebsorte eigentlich wäre: eine rebsortifizierte Resistenz gegen Klimakrise, Oidium und Peronospora, vor allem aber ein großartiger Transporteur von Feuersteinaromen aus dem Boden in das Glas.
- Jacquère „Jonona“ 2021, Côteaux des Girdonales, Villaz, Haute-Savoie, Vin de France (4,50/7)
9 % Alkohol und trotzdem ein Wein
- Apremont 2020, Giachino, Chapareillan, AOP Vin de Savoie (4/6)
Der Ort am Fuß des imposanten Mont Granier kann ja nichts dafür. Darum verwenden die Giachinos auch die Cru-Bezeichnung. Jean-Claude Masson hat überhaupt neun Spielarten des Apremonts im Register. Einzig seine Altesse kann kein Apremont sein. Aber bei einer willkürlich zusammengestellten Apremont-Blindverkostung würde Sie, geneigte Oenologin, gewogener Oenologe, die Apremonts von Masson und Giachino ziemlich sicher als Piraten klassifizieren.
- Jacquère 2018, Dupasquier, Aimavigne, AOP Vin de Savoie (3/5)
- Genesis 2020, Domaine de l‘Aitonnement, Aiton, IGP Vin des Allobroges (6,50/10)
von ziemlich hoch oben am Eingang zum Tal der Maurienne, Schieferböden einer einst renommierten Lage
- Chignin „1903“, Anne und Pascal Quenard, Chignin, AOP Vin de Savoie
Beinahe sagenumwoben ist die Rivalität zwischen den beiden einander gegenüberliegenden Ortschaften Apremont und Chignin. Und nicht immer hat sie sich produktiv auf die Qualität der Weine ausgewirkt.
Das Gros der Jacquère-Rebstöcke in diesem Weingarten ist fast hundertzwanzig Jahre alt. Das ist bei dieser Rebsorte, ähnlich wie bei Grenache Noir, gar nicht so eine Seltenheit, weshalb etwa Jean-Claude Masson Jacquère als eine der beeindruckendsten Pflanzen dieser Welt erachtet.
- Le P‘tit Canon 2015, Jacques Maillet, Serrières-en-Chautagne, AOC Vin de Savoie (4,50/7)
… eine der allerletzen Flaschen von Jacques Maillet
- Argile Blanc 2019, Domaine des Ardoisières, Saint Pierre de Soucy, IGP Vin des Allobroges (5/8)
49 % Jacqu?er, 40 % Chardonnay, 20 % Mondeuse Blanche
- In Extremis 2013, Château de Merande, Arbin, Vin de France (5/8)
Vendange Tardive von Jacquère, das haben, zumindest soweit der Rudl weiß, noch nicht einmal die Giachinos mit dieser Rebsorte probiert.
… und ein paar Rote vom Eisen gibt es auch noch
glasweise am
am Dienstag, den 29. November
von 17 bis 21 Uhr
in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22
Der 27. Jänner, der Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz, naht. Wann wir er endlich zu einem gesamteuropäischen Feiertag erklärt?
Shalom wünscht Herr Rudolf!
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Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22, 1150 Wien
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Ostbahn lebt.