Wenn der Rudl den Trainer richtig versteht, denn geht es dem auch um die kindliche Kompetenz, sich selber, aber auch der Welt nicht immer todernst gegenüber zu stehen, sich aber auch nicht auf ein rationell verwertbares Produktionsmittel reduzieren zu lassen und den persönlichen Träumen und Phantasien mehr Raum zu geben als angecoachtem Selbstdarstellungsgehabe und lächerlichen Souveränitätsallüren, auf die Gefahr hin, den Verstand abgesprochen zu bekommen und sich eine schlechte Nachred‘ einzutreten. Der Herr Kurt hat dafür einmal das Bild vom Profil eines Goiserers verwendet.
Das heißt ja nicht, dass man das, was man macht, nicht ernst meint. Ganz im Gegenteil! Aber dieser Hang, sich selber mit dem Kern seiner Existenz an ein Anliegen oder seine Handlungen zu ketten, der beunruhigt den Rudl zunehmend. Spitznamen sind abgeschafft und bei jedem Käse geht es gleich um die Wurst, um die Ehre sowieso.
Da wird dann jedes Anheben der Mundwinkel zu einem vermeintlichen Zeichen von Schwäche, Understatement oder Selbstironie zu einer Kapitulation. Heiliger Ernst, hundert Percent schmähfrei und unbarmherzig. Nicht selten Hand in Hand mit einem fundamentalistischen Vulgäratheismus, dem naturgemäß jede Möglichkeit einer Existenz über dem aufgeblähten Ego ein Dorn im Auge sein muss, vorgebracht mit einer positivistischen Überheblichkeit, die an Missionare während der Hochblüte des Kolonialismus erinnert. Das ist alles nicht dem Rudl sein Terroir. Das macht ihm Angst, ganz besonders Angst macht ihm diese Schmähfreiheit und Selbstironieresistenz im Bildungsbereich.
Vor ein paar Tagen ist es gewesen.
Da hat sich Schulmeister Rudolf von Schülerinnen und Schülern ein Lied vorspielen lassen. Das hat ihn mit drei oder vier Fragezeichen zurückgelassen, die Musik und der Text noch mehr. Hintergrund der Vorspielerei war, dass diese Schülerinnen und Schüler ihre eigenen Altersgenossinnen und Altersgenossen angeklagt hatten, sich an falschen Vorbildern zu orientieren und überhaupt ziemlich für die Haare zu sein. Jetzt ist es nicht so, dass der Herr Rudolf das seinerzeit nicht auch über etliche seiner eigenen Alterskolleginnen und -kollegen behauptet hätte.
Einerseits ist es natürlich schon so, dass der Rudl keine Generation kennt, der man nicht Ähnliches prophezeit hätte. Andererseits erfüllt die Besessenheit mancher Jugendlicher, aber natürlich noch mehr mancher Erwachsener von ihrem äußeren Erscheinungsbild Herrn Rudolf nicht nur mit Sorglosigkeit.
Bei Jugendlichen gehört der hohe Stellenwert von Panier und Matte ja irgendwo schon zur „job description“, wobei dem Rudl das zackig adrette Piccobello ein bisschen unheimlich ist. Und er fragt sich, ob eine Hose wirklich nur dann cool sein kann, wenn die Löcher deutlich erkennbar schon von der Fabrik hineingemacht worden sind.
Haben dagegen Vierzig- und Fünfzigjährige immer noch keine größeren Sorgen als zeitgemäßer Stil und richtig sitzender Kragen von einer Pfoad, alles angeblich unverzichtbare Hinweise auf Kompetenz und Souveränität, dann machen sich beim Rudl erste Anzeichen von Verzweiflung bemerkbar.
Und bevor …
… Schulmeister Rudolf dann versucht, in der Kurve zur Oenologie nicht hinauszufliegen, gestattet er sich noch einen Hinweis auf die Tagespolitik: Der Rudl meint, sich an Zeiten erinnern zu können, wo in allen oder vielleicht fast allen politischen Lagern Persönlichkeiten mit Format und der Gabe der Selbstironie zu finden gewesen sind. Rudolf Polifka fragt sich, wo die alle sind. Mit Ausnahme des Felsens in der Brandung Hofburg, ohne den sich der Rudl dieses Land lieber nicht vorstellen möchte, vermag er niemanden zu erblicken.
Und wer rennt den schmähfreien Ehrverteidigern nach und nimmt die ernst? Damit ist Polifka Fils wieder beim Bildungssystem.
Rebsorten
Wenn Rebsorten und Weine mit ihrer Nachrede zu kämpfen haben, dann hat das ziemlich sicher nichts mit Selbstironie zu tun. Aber vielleicht ist schlechter Nachrede mit Ironie zu begegnen, und mit Hartnäckigkeit.
Welschriesling
Dem Welschriesling möchte der Rudl schon seit längerer Zeit ein Wochenthema widmen. Den gibt es nicht überall, mehr oder weniger eh nur in und um Österreich. Aber dort kann er mit Rheinriesling, Traminer, Veltliner und den internationalen Rebsorten imagemäßig nicht mithalten, zumindest nicht im Trockenen. Eine der zahlreichen oenologischen Arbeitshypothesen des Rudls ist, dass mit Welschriesling viel mehr möglich wäre. Es ist noch gar nicht so lange her, da hat Caviste ein altes Buch über den Weinbau in Österreich in der Hand gehabt. Da ist der Welschriesling als die Rebsorte mit der drittspätesten Reife aufgezählt gewesen. Nur Rheinriesling und Zierfandler reifen demnach später als Welschriesling. Den Rudl erinnert Welschriesling ein bissl an Jacquère. Die reift auch spät, was in Anbetracht der Klimakatastrophe ja nicht die allerblödeste Eigenschaft für eine Rebsorte ist.
Gamay
In einer Umfrage nach den drei Erstassoziationen von „Gamay“ wird Beaujolais Primeur ziemlich sicher nicht oft außerhalb der ersten drei Nennungen landen. Und in einem guten Monat hebt die Primeurerei wieder an. Direkt dafürkönnen tut Gamay da nichts. Verdient hat er es aber auch nicht.
Im kleinen Weingarten, den sich Jacques Maillet nach seinem Rentenantritt behalten hat, stehen vor allem ganz alte Gamaystöcke, ziemlich sicher nicht zufällig.
Sämling 88
Es gibt ja die eine oder andere verunglückte Rebsortenbezeichnung. Über das Synonym des Rotburgers hat Ihnen der Rudl im März, zum Geburtstag des resistenten Josef Bauer, ein paar Überlegungen zukommen lassen.
Georg Scheu hat 1916 eine Rebsorte gezüchtet. Bis dahin ist alles mehr oder weniger gut gegangen. Schwarze Ribisel und Grapefruit, missglücktenfalls nach Schweiß, gut geeignet für hohe Prädikate, was sich mittlerweile bis in den englischen Weinbau durchgesprochen hat.
Herr Scheu hat seinerzeit verkündet, es handle sich bei seiner Züchtung um eine Kreuzung aus Riesling und Sylvaner. DNA-Analysen haben mittlerweile gezeigt, dass Riesling und Bukettraube die Eltern des Sämling 88 sind. Diese Bezeichnung ist aus heutiger Sicht zumindest unglücklich, obwohl die Zahl 88 zur Zeit der Züchtung des Sämlings unverdächtig gewesen ist. Aber auch aus heutiger Sicht ist Sämling 88 nur die zweitschlechteste Bezeichnung für diese Rebsorte.
In den Dreißiger Jahren haben die Kommunikationsexperten die Scheurebe nach dem NS-Landesbauernführer Richard Wagner „Wagnerrrebe“ benannt. Anders, genau genommen diametral entgegengesetzt zum Rotburger, hat man den Sämling dann in den Fünfziger Jahren in Scheurebe umbenannt.
Chasselas
Der Ursprung des Chasselas ist nicht mit letzter Sicherheit zu klären. Als wahrscheinlich gilt, dass Vorfahren des heutigen Chasselas aus Ägypten oder dem Jordantal in die Westalpen gelangt sind, wie so vieles, worauf heute kaum jemand verzichten möchte.
In seiner heutigen Form dürfte Chasselas von Winzern aus den Westalpen selektioniert worden sein. Seine Spielarten reichen vom frühen weißen Gutedel über den Chasselas doré zum Chasselas noir.
Wirklich anspruchsvolle Weine setzen sehr alten Rebbestand und viel Kultur seitens des Weinbauern voraus. Pierre Fonjallaz, Marie-Thérèse Chappaz und Dominique Lucas sagt man die nach.
Bouvier
Um 1900 soll ein steirischer Bankier mit dem sprechenden Namen Clotar Bouvier bei Bad Radkersburg aus Gelbem Muskateller und Weißburgunder gezüchtet haben. In der Steiermark hat sich Bouvier nicht nennenswert halten können. Im Burgenland führt er ein Rückzugsgefecht.
Jacquère
Achtzig Prozent der Weine aus der Leitrebsorte Savoyens werden im Jahr der Lese verkauft. Die von Giachino nicht. Die von Jacques Maillet auch nicht. Und die von Dupasquier sowieso nicht.
Muscadet
Seit in den Neunziger Jahren Geiz geil geworden ist, ist es an und für sich eh gar nicht mehr so leicht, sich eine schlechte Nachrede einzuhandeln, nur weil man versucht, aus Abfall Geld zu machen, wie das der Prophet Amos auf den Punkt gebracht hat. In manchen Bereichen der Nahrungsmittelindustrie scheint das als Geschäftsmodell längst anerkannt zu sein.
Im Muscadet dürften sie das schon deutlich vor den Neunziger Jahren gemacht haben. Und jetzt pickt der Dreck im Profil und geht nicht mehr heraus.
Chenin Blanc
Der hat eine gute Nachred‘, was den Rudl nicht daran hindert, mit ihm nicht und nicht per Du werden zu können. Ein neuer Anlauf dazu. Schiefer und Quartz.
- Monfarina 2015, David & Fred Giachino, Chapareillan, AOP Vin de Savoie (2,50/4)
- Welschriesling Opok 2016, Alice und Roland Tauss, Leutschach (2,50/4)
- Calamin Grand Cru Epesses 2012, Pierre Fonjallaz, Epesses, Lavaux (4,50/7)
- Himmel auf Erden II maischevergoren 2015, Christian Tschida, Illmitz (5/8)
- Gamay Les Vignes du Seigneur 2015, Jacques Maillet, Motz, AOP Vin de Savoie (4/6)
- Muscadet Cru Gorges 2013, Domaine Michel Brégeon, Les Guisseaux, Loire (5/8)
- Coulée de Serrant 2008, Coulée de Serrant (Nicolas Joly), AOC Coulée de Serrant, Loire (12/18, ohne Probieren en avance)
- Bouvier Ausbruch 1976, Weingut Frank, Zurndorf, Neusiedler See (6/-, sofern er noch geht)
(in Klammern die Preise für das Sechzehntel und das Achtel)
… selbstverständlich nicht ausschließlich diese Weine gibt es glasweise
am Mittwoch, den 10. und am Freitag, den 12. Oktober
von 16 bis 22 Uhr
in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22
Vorschau auf 17. und 19. Oktober
Ein Wein aus vier Gläsern, viermal. Wie wichtig ist das Glas?
Im Übrigen ist Rudolf Polifka der Meinung, dass man den 27. Jänner, den Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz zu einem europäischen Feiertag erklären sollte!
Ostbahn lebt!
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Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22, 1150 Wien
Öffnungszeiten: Mittwoch und Freitag, 16 bis 22 Uhr, an Schultagen
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