Die Rebsortenfamilie der Sérines. Eine Trilogie, Vol. II: Mondeuse, am Dienstag, 12. März, 16 bis 20 Uhr  

 

Nach dem Unterrichtsthema der letzten Woche über Roussanne aus der Rebsortenfamilie der Sérines bleibt Caviste Rudolf Polifka kommende Woche quasi in der Familie und widmet sich Mondeuse in einer beinahe lückenlosen Vertikale vom Jahrgang 2016 bis zum Jahrgang 2021.

 

Sérines

Zur Rebsortenfamilie der Sérines gehören unter anderen Roussanne, Marsanne, Altesse, Viognier, Syrah, Persan, Douce noire und Mondeuse. Das mag verwundern, zumal sich vor allem Roussanne und Marsanne einen gewissen barocken Beigeschmack eingetreten haben. Mondeuse ist unter den Rotweinrebsorten so ziemlich das glatte Gegenteil von barock: niedrig im Alkohol, deutlich viel mehr Würze als Frucht und im Fall versierter Vinifizierung eine schwer nachzuahmende Eleganz.

 

Mondeuse noire

… gibt es auch in der sogenannten neuen Welt, in Sizilien und in der Schweiz, aber so richtig charakteristisch ist sie für Savoyen. Nie wirklich per Du ist Mondeuse mit der Reblaus geworden. Die hätte ihr beinahe den Garaus gemacht. Und das Wenige, was dieses Gfrast von Mondeuse noire übrig gelassen hat, ist dann noch einmal durch den Höhenflug des oenologischen Chemiekastens in den siebziger und achtziger Jahren ganz knapp vor ihr völliges Ende gestellt worden. Zur Jahrtausendwende waren etwa zweihundert Hektar übrig. Da waren ganz andere Rotweine angesagt. Und anders als mit Jacquère hat sich Mondeuse nicht einmal zum Verdünnen und Hinunterspülen des Fondues aufgedrängt. Aber es war auch da einmal mehr der damals im günstigsten Fall belächelte Michel Grisard, der am absoluten Tiefpunkt für diese Rebsorte längst erkannt hatte, wozu so ein Mondeuse-Rebstock am richtigen Fleck fähig ist und welches Lagerpotential die markante Würze gepaart mit Säure und reifen Tanninen offeriert. Mondeuses von Michel Grisard waren dann auch die erste savoyardischen Weinflaschen, die in Pariser Restaurants und Vinotheken aufgetaucht sind. Seither wächst die mit Mondeuse bestockte Rebfläche, nicht mit einem Affenzahn, zum Glück, aber sie wächst.

Immer wieder wird eine Identität von Mondeuse noire mit dieser oder jener Rebsorte vermeintlich erkannt, etwa mit Refosco. Genetischen Untersuchungen hat, zumindest des Rudls Wissens, noch keine dieser Hypothesen standgehalten. Relativ nahe dürfte Mondeuse dem Muscardin, einer der dreizehn für Châteauneuf-du-Pâpe zugelassenen Rebsorten stehen, nur dass Muscardin nicht so empfindlich auf Peronospora reagiert.

 

Linguistisches

Es gibt gute Gründe anzunehmen, dass mit der vom römischen Schriftsteller Plinius dem Älteren erwähnten Traube „Allobrogica“ Mondeuse noire gemeint ist. Die Etymologie des Namens ist ungeklärt. So etwas schätzt der Rudl überaus. Denn so etwas lädt zum Fragen ein, und Fragen findet Schulmeister Rudolf sehr oft interessanter als Antworten. Es kann sein, dass „Mondeuse“ von einem provencalischen Wort für schälen, abwerfen kommt. Mondeuse noire erweist sich als sehr kooperativ mit der Weinbäuerin und dem Weinbauern, wenn es darum geht, den idealen Lesezeitpunkt zu ermitteln. Durch Abwerfen der Blätter signalisiert Mondeuse, dass man sich von der Photosynthese nichts mehr allzu viel erwarten braucht und zur Lese geschritten werden darf. Eine andere Erklärung stellt einen Zusammenhang altfranzösischer Ausdrücke für Most mit dem überdurchschnittlich ausgeprägten Hang zur Flüssigkeitsbildung dieser Rebsorte her. Eine dritte etymologische Hypothese führt den Rebsortennamen auf „mal doux“ in der wörtlichen Bedeutung von „schlecht mild“, also „bitter“ zurück. Als Weinbeeren genossen gibt es zugänglichere Rebsorten als Mondeuse. So ist ein behördlicher Erlass aus dem achtzehnten Jahrhundert überliefert, der neben der Rodung der alten jurassischen Rebstöcken Enfariné auch jene von einer Rebsorte mit dem Namen Maldoux anordnet. Mondeuse grise und Mondeuse blanche gibt es auch. Die eine hat man schon als ausgestorben betrachtet, bevor Pierre Galet ein paar Rebstöcke davon entdeckt und im Institut National de la Recherche Agronomique in Montpellier weitervermehrt hat. Die andere befindet sich im Schiste von der Domaine des Ardoisières und womöglich noch in diesem Jahr im Sortiment vom Rudl. Eine Rebkrankheit, für die Mondeuse noire nicht anfällig ist, muss wahrscheinlich erst erfunden werden. Dazu kommt, dass Mondeuse zum Übertreiben in Sachen Wachstum neigt. Wird sie nicht durch Rebschnitt zum Einbremsen gezwungen, resultiert das meistens in keinen besonders charaktervollen Weinen. Steinige Böden von den Dupasquiers in Jongieux setzen dem Übermut der Rebsorte natürliche Grenzen.

  • Mondeuse 2016, Dominique Belluard, Ayse, Haute Savoie, AOC Vin de Savoie (8/12)

Viel Mondeuse hat Dominique Belluard nicht gemacht. Darum ist das womöglich die letzte Gelegenheit, einen Rotwein von ihm zu trinken. Aus der Amphore.

  • Mondeuse 2018, Domaine Dupasquier, Aimavigne, AOP Vin de Savoie (4/6)
  • Argile Rouge 2018, Domaine des Ardoisières, IGP Vin des Allobroges (6/9)

Würzigkeit und Strenge von Mondeuse gepaart mit der Elegance von Gamay – recht viel mehr Vielschichtigkeit geht vermutlich nicht.

 

 

  • Prieuré Saint Christophe Rouge 2019, Domaine Giachino, AOP Vin de Savoie (7/11)

von den alten Weingärten von Michel Grisard

  • Mondeuse „Black Giac“ 2020, Domaine Giachino, Chapareillan, AOP Vin de Savoie (4,50/7)
  • Mondeuse „Matthäi“ 2021, Côteaux des Girdondales, Villaz, Haute Savoie, Vin de France (4,50/7)

 

Dienstag, den 12. März von 16 bis 20 Uhr

in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils,

Reindorfgasse 22

 

Im Übrigen ist der Rudl der Meinung, dass der 27. Jänner, der Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Konzentrationslager Auschwitz, zu einem gesamteuropäischen Feiertag erklärt wird.

 

Monsieur Rudolf grüßt Ecken und Kanten sowie die Fähigkeit, mit den dazu komplementären Eigenschaften zivilisiert auszukommen!

 

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Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22, 1150 Wien