„Barrique“. Intersubjektiv betrachtet
Monsieur Rudolf war einmal ein junger Mensch. Nicht dass er sich nicht heute noch als solcher fühlen würde, aber intersubjektiv betrachtet gilt man in den Augen der Mehrheit mit vierundfünfzig wohl nicht mehr als junger Mensch. Egal. Auf alle Fälle, als der Rudl intersubjektiv betrachtet noch ein junger Mensch war, so Anfang und Mitte der Neunziger Jahre, war Riesling seine erste wirkliche Lieblingsrebsorte. Von einem G‘riss um den Rielsing hat diese Rebsorte seinerzeit vermutlich nicht einmal geträumt. Und es sollte noch die eine oder andere oenologische Modewelle über die österreichischen Weingärten zwischen Stainz und Poysdorf schwappen, flankiert von Dogmatisierung einer maximalen Gradation, hoher Intransparenz oder zuckerlhaften Kitsches, ehe sich die Säure und mit ihr der Riesling ganz oben auf der Liste der Angesagtheit findet. Damals auf alle Fälle, Anfang und Mitte der Neunzigerjahre, als dem Rudl seine oenologische Begeisterung erwachte, war Chardonnay das Maß der Dinge. Und wenn dann noch „Barrique“ am Etikett gestanden ist, wusste man sich im oenologischen Olymp. Aber wie der Meister Eder schon gesagt hat, kann sich der Wind sehr schnell drehen. Und keine zwanzig Jahre nach dem Höhepunkt des Chardonnay- und Holztraras, haben pfiffige Weinschreiberlinge die Formal „A.B.C.!“ in der Bedeutung „Anything else but Chardonnay!“ ausgegeben. Jetzt trinkt und studiert natürlich niemand im luftleeren Raum und ist schon gar nicht isoliert von den diversen selbsternannten Parkerepigonen auf den digitalen Plattformen, aber Ziel muss es sein, wenn Sie, geneigte Oenologin, gewogener Oenologe, den Rudl fragen, sich von der Wichtigtuerei dieser Experten zu emanzipieren. Und das ist viel leichter geschrieben als getan. Bei der Vorbereitung auf diese Lehrveranstaltung hat sich der Rudl dabei ertappt, ganz und gar nicht stolzer Besitzer eines ziemlich blinden Flecks in seinem privaten Weinkeller zu sein, wenn es um Chardonnay geht, alles andere als bewusst oder gar absichtlich. Der Rudl schätzt zwar das Weinbaugebiet Chablis überaus. An der Côte d‘Or hingegen schmeckt der Rudl vor allem das Holz vor dem Weingarten. Das können Sie dem Rudl als Banausentum auslegen, aber so hat er es in den seltenen Fällen, in denen er Weiße aus der Gegend um Beaune getrunken hat, halt wahrgenommen. Bei guten Chablis hingegen hat Monsieur Rudolf sehr wohl den geschmacklichen Verdacht oder zumindest den Anreiz, die Lage zu erschmecken. Nur bekommt man diese guten Chablis halt so gut wie nicht. Und die anderen schmecken, wenn Sie den Rudl fragen, halt ausgesprochen unaufregend. Die Weine von Vincent Dauvissat gibt‘s bei Cavistinnen und Cavisten in Frankreich mittlerweile auch nicht einmal mehr mit Bitten und Betteln. Ab Hof hat Herr Rudolf einmal eine Flasche La Forest 2009 kaufen dürfen. Jene von Raveneau sind wahrscheinlich schon sehr gut, aber mit denen tut sich der Rudl offen gestanden nicht so leicht. Abgesehen davon bekommt man sie noch weniger leicht als Dauvissat. Und dann kennt Caviste Rudolf noch eine knappe Hand voll interessanter Winzer aus Chablis. Einer davon ist Monsieur Moreau-Naudet. Den hat Brice Omont, der Weinmeister von der Domaine des Ardoisières, seinerzeit dem Rudl empfohlen. Das Teleffon abgehoben hat dann beim Rudl seinem Versuch, dort Wein zu kaufen, trotzdem niemand. Aber von Moreau-Naudet kann man zumindest hin und wieder die eine oder andere Flasche im gut sortierten Fachhandel kaufen. Und so eine muss bei einer Lehrveranstaltung über Chardonnay dabei sein. Von der Premier Cru Lage Les Vaillons in Chablis wird der Rudl einen Bogen über Bugey, die Verbindungsappellation von Savoyen und Jura, nach Hochsavoyen machen und diesen drei „Franzosen“ drei „Österreicher“ sowie einen Chardonnay von der Dankbarkeit gegenüber stellen.
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Welschriesling 2021, Dankbarkeit, Podersdorf am See, Neusiedler See (2,50/4)
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Dankbarkeit Rot 2019, Dankbarkeit, Podersdorf am See, Neusiedler See (3/5)
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Sous les Rochers la Vigne, Cru Manicle 2020, Domaine Bärtschi, AOC Vin de Bugey (6,50/10)
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Chardonnay „Khéops“ 2017, Les Vignes de Paradis, IGP Vin des Allobroges, Haute-Savoie (7/11)
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Chablis Premier Cru Les Vaillons, Moreau-Naudet, AOC Chablis 1er Cru (8/12)
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Morillon „Salamander plus“ 2021, Andreas Tscheppe, Glanz (7/11)
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Trauben, Liebe und Zeit „Gelb“ 2018, Strohmeier (6,50/10)
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Chardonnay „Plafond“ 2018, Leo Uibel, Ziersdorf, Weinviertel, Retzer Land (5/8)
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Chardonnay 2021, Dankbarkeit, Neusiedler See (4,50/7)
Dienstag, 23. Mai von 17 bis 21 Uhr
in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22
Der 27. Jänner, der Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz, muss zu einem gesamteuropäischen Feiertag erklärt werden. Wer das Richtige feiert und weiß, was er dabei tut, ist nicht nur kein Würstel, sondern wird sich auch leichter tun, den Angriffen der Heimatparteien auf Demokratie, Menschenrechte und Aufklärung etwas Wirksames entgegenzusetzen.
Unkünstlich grüßt Herr Rudolf!
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Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22, 1150 Wien