Prüde
Einer der – so kommt es zumindest dem Rudl manchmal vor – letzten Intellektuellen dieses Landes, Adolf Holl, hat einmal gemeint, dass eine Gesellschaft, die sich auf Schritt und Tritt an die scharfen Dinge im Leben erinnern muss, ein ziemlich prüdes Leben führen muss. Er hat in diesem Zusammenhang von einer „frigiden Gesellschaft“ gesprochen. Die Konsumentinnen und Konsumenten der Wiener Qualitätsblätter dürften das genauso wenig gelesen, beziehungsweise verstanden haben wie die Produzentinnen und Produzenten derselben. Ein bissl was verrät das möglicherweise schon über das Leben der Menschen, die so einen Käse machen oder anschauen. Und wie trostlos die Kapazunder der diversen Marketing-Abteilungen ihr enthaltsames Dasein fristen, das möchte sich der Rudl eher nicht so genau vorstellen müssen.
Sündhaft einst und jetzt
Könnte sein, dass es sich beim Essen ähnlich verhält? Wie oft und vor allem was essen Menschen, die ständig und überall an das Essen erinnert werden müssen? Und erst die Erinnerer? Sind es vielleicht die, die krampfhaft versuchen, den Begriff „Sünde“ bedeutungszuwandeln? Ausbaden können das Schweinsbraten, Schnitzel und vor allem die Mehlspeisen.
Ellbogen hinaus, angeben, ausnützen und lügen, bis sich die Balken biegen … das war alles einmal nicht in Ordnung. Der Rudl kann sich an diese Zeiten noch persönlich erinnern. Heute sagt man dazu „sich gut verkaufen“ und behauptet, das sei nicht wörtlich zu verstehen und oberstes Bildungsziel. Wen es trotzdem stört, der hat ein Glück, wenn er nicht als religiöser Fundamentalist da steht. Ultimativer Inbegriff von Sünde ist es heute anscheinend, ein Eis, einen Schweinsbraten oder Schokolade zu essen. Gemeint ist damit nicht, dass ein Säugling im Tragetuch seiner Mutter stirbt, weil die in der Kakaoplantage arbeiten und Pestizide versprühen muss. Und auch nicht die Zustände in der Schweinemast. Gemeint sind mit „Sünde“ die Kalorien.
Religiöse Terminologie oder das, was manche dafür halten, ist zum Spielball für frigide Marketingwappler geworden. Prüfet nichts und bewahret das irgendwo Aufgeschnappte. Etwas verstehen zu wollen, das war gestern.
Süß
Rudolf Polifka kredenzt diese Woche all dem zum Trotz vergorene Mehlspeisenbegleiter mit und ohne Restzucker, selbstredend nicht ausschließlich. Darüber hinaus lässt er die Weingläser von Schokoladekugerln begleiten, hundertpercent margarinefrei, die Schokolade im gleichen Ausmaß biologisch angebaut wie fair gehandelt und fait maison. Wie immer ermuntert Sie Herr Rudolf, den Effekt des Alkohols beim Zutritt zu Ihrem System durch die Einnahme selbst mitgebrachter Speisen, je süßer und sündiger, desto besser, zu mindern. Kekserl täterten sich da förmlich aufdrängen, wenn Sie den Rudl fragen.
Diese Woche unter anderem folgende Weine glasweise in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils:
- Pinot Gris Spätlese 2004, Josef Lentsch, Neusiedlersee
- Traminer Classic 2013, Josef Wonisch, Südoststeiermark
- Jurançon Cuvée du Domaine 2006, Domaine de Souch, Sud Ouest
- Vintage Passion 2007, Leo Uibel, Weinviertel
- … und eine 1981er Trockenbeerenauslese von Martin Haider, Untere Hauptstraße, Illmitz
Dem Rudl selber zu seiner größten Freude kann er ab sofort den Weihnachtsbock und das Märzen von seiner Lieblingsbrauerei in Salzburg Mülln wieder ausschenken.
Silberner Sonntag
Wie alle Jahre und wie fast alle Zeitgenossinnen und Zeitgenossen pfeift Rudolf, das Renntier auch heuer um diese Zeit aus dem letzten Loch und auf die langen Einkaufssamstage. Da mögen sie einander im Shoppingeldorade an der A4 die letzten Fetzen vor den Nasen weggeiern. Herr Rudolf sitzt kommenden Samstag Nachmittag beim Heurigen oder geht durch die Kellergassen.
Dafür pflegt er wie jedes Jahr eine Tradition aus den Fünfziger Jahren. Am Silbernen und Goldenen Einkaufssonntag – das sind der dritten und der vierte Adventsonntag – sperrt Caviste Rudolf jeweils von 14 bis 18 Uhr seinen Weinkaufmannsladen auf.
Donnerstag, den 10. Dezember und Freitag, den 11. Dezember
wie immer von 16 bis 22 Uhr,
sowie am Silbernen Sonntag, den 13. Dezember außertourlich von 14 bis 18 Uhr
Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22
Herr Rudolf wünscht Ihnen eine scharfe, silberne Woche!