Nach einem berühmten Professor aus München hat jede Sache nicht nur zwei, sondern drei Seiten, nämlich auch eine komische.
Der Blick auf ein neues Jahr muss vielleicht auch nicht zwingend optimistisch oder pessimistisch sein. Wobei sich freilich optimistisch in die Zukunft blicken lässt. Obrigkeiten schätzen es in der Regel, wenn das Volk durch die rosa Brille in jeder Sauerei irgendetwas Hoffnungsvolles zu erkennen trachtet. Das entlastet vor allem die großen, aber auch die kleinen Schlaucherln. Es ist quasi alles gut und wer es nicht so gut hat, der hätte halt ein bissl gerissener sein müssen, die hundert besten Steuertipps, die zweihundert besten Freunderl, …
Und natürlich kann man auch pessimistisch in ein neues Jahr gehen. Das hat am Ende des Jahres sehr oft den Vorteil, dass man „es eh schon immer gewusst“ hat. Außerdem lassen sich Lethargie und Fatalismus blendend mit Pessimismus rechtfertigen, was den meisten Obrigkeiten auch gar nicht so unrecht ist. Aktivität oder gar Widerstand ist schließlich nur sehr selten die Konsequenz von naseweisem Pessimismus, die Erhebung in den Stand des Staatsphilosophentums hingegen schon viel öfter.
Der Rudl entscheidet sich beim Blick in die Zukunft für den dankbaren. Dankbare Menschen wissen, dass sie sich (und damit ihre Erfolge und Misserfolge) nicht ausschließlich selbst gebastelt haben. Das entlastet einerseits, lähmt aber nicht. Manchmal motiviert es, weil man das, wofür man dankbar ist, ja vielleicht auch anderen wünscht. Und damit ein Wunsch nicht ein Wunsch bleibt, gilt es die Anstrengungen ein bissl mehr auf das Nachhelfen und ein bissl weniger auf das Wegschauen zu richten: paradox, um nicht zu sagen: komisch.
Und dann gibt es da natürlich noch dieses Gasthaus: Das „Gasthaus zur Dankbarkeit“ in Podersdorf. Die Karte besteht zwar nicht aus drei Seiten, aber aus drei Teilen: einem fürs Trinken, einem fürs Essen und einem literarisch-musikalischen. Kindisches Plexiglasdesign sucht man dort umsonst, gedämpfte Musik aus dem Hintergrund und hyperaktive Kellner auch. Dafür ein Angebot, das einen jedes Mal wieder vor schwierige Entscheidungen stellt, weil man am liebsten drei oder vier Hauptspeisen, drei Vorspeisen und zwei Desserts essen möchte. Und eine Weinkarte mit offenen Weinen des Hauses, von denen zumindest drei oder vier zu jedem Gericht passen. Dazu kommt noch ein Patron, der eine äußerst seltene Mischung aus personifizierter Herzlichkeit und personifizierter Höflichkeit ist.
Das Gasthaus zur Dankbarkeit hat nach dem Martinitrubel ein paar Wochen Ruhe verdient, aber nächstes Wochenende sperrt es wieder auf. In Vorfreude darauf öffnet Rudolf Polifka diese Woche eine Vertikale über 21 Jahre: Pinot Gris von der Dankbarkeit – der Wirt ist ja wie erwähnt auch ein begnadeter Winzer.
Pinot Gris, Dankbarkeit 1989, 1994, 2000, 2006, 2007 und 2010, zu verkosten
Mittwoch, den 8. und Freitag, den 10. Jänner
von 16 bis 22 Uhr in der „Weinhandlung Rudolf Polifka“,
Reindorfgasse 22, 1150 Wien.
Herr Rudolf bedankt sich für die letzten fünfzehn Saisonen in der Dankbarkeit und freut sich auf die sechzehnte. Ostbahn lebt!