Anfänge

So ein Jahr fängt im Lauf eines Jahres ja verhältnismäßig oft an. Das Vegetationsjahr irgendwann nach einer allfälligen Frostperiode. Gegebenenfalls. Das römische Jahr hat ursprünglich angeblich nach lediglich zehn Monaten wieder von vorne begonnen. Das englische Fußballjahr hebt am zweiten Augustwochenende an. Das Schuljahr im September. Das Kirchenjahr am Vorabend zum ersten Adventsonntag. Und das Kalenderjahr am ersten Jänner. Möglicherweise wird es Sie, geneigte Oenologin, gewogener Oenologe nicht überraschen, wenn Ihnen der Rudl eröffnet, dass es für ihn einschneidendere Jahresanfänge als den ersten Jänner gibt. Darum wird er Ihnen und sich Neuheiten und Vorsätze jedweder Art ersparen. Zuerst hat er schon einen kurzen Augenblick lang erwogen, einmal alle bislang noch nie glasweise angebotenen und also au-verre-mäßig durchaus als neu zu bezeichnenden Weine aus dem Sortiment seiner Weinhandlung auszuschenken. Andererseits sind die alle miteinander noch viel zu jung. Und von den hunderttausend Kulten, die in unserer angeblich säkularisierten Welt wuchern, gehen dem Polifka-Rudl der Jungseinkult und der Neuseinkult so ziemlich am massivsten auf die Nerven.

Justament keine Vertikale!

Was sprecherte also dagegen, vorerst einmal alles beim mehr oder weniger Bewährten zu belassen und 2016 so zu eröffnen, wie 2015 geschlossen worden ist, mit einer Vertikale? Einerseits nichts. Andererseits findet Steinzeitweinmeister Polifka kaum etwas Oenologisches interessanter als Stein- und Zeitweinthemen. Darum behält er Ihnen und sich Vertikalen für die höchsten Zeiten, wie sie der Trainer einmal treffend genannt hat, vor.

Dekaden

Auch ein Dekaden-Rückblick wäre am Beginn eines neuen Kalenderjahres gar nicht so übel: 1976, 1986, 1996 und 2006. Aus all diesen Jahren hätte der Rudl das eine oder andere Flascherl im Keller. Nur waren Sechsundsiebzig und Sechsundneunzig in Österreich hundsmiserable Jahrgänge, Sechsundsiebzig extrem heiß und trocken, Sechsundneunzig viel zu kühl und nass. Mit seinem Grünen Veltliner Spiegel 1986 hat Monsieur Josef Mantler Jahre später bei einer internationalen Verkostung einen ganzen Haufen viel namhafterer Weiße ganz alt ausschauen lassen. Aber das wird möglicherweise nächstes Jahr an diesem Ort ausführlich gewürdigt werden.

Oenologisch hat Alfred Polgar Recht.

Angeblich hat der einmal gemeint, die Österreicherinnen und Österreicher seien ein Volk, das mit Zuversicht zurück blickt. So etwas lässt sich ein sentimentaler Narr wie Rudolf Polifka nicht zweimal sagen. Darum kredenzt er unzeitgemäß zum neuen Kalenderjahr Weine, die ihm im alten Kalenderjahr oder halt irgendwann in letzter Zeit besonders positiv aufgefallen sind, sei das privat oder sei das dienstlich. Getreu seinem Motto: Wie es ihm gefällt, respektive gefallen hat.

Zierfandler 2014, Friedrich Kuczera, Gumpoldskirchen, Thermenregion

Es muss 1994 oder 1995 gewesen sein. Da hat sich der Rudl zum Ziel gesetzt, alle Bioweine des Landes kennenzulernen, seinerzeit ausschließlich mit Hilfe von Briefträgern und dem Personenkraftfahrzeug seiner Eltern. Dazu hat er sich vom Erntevervand Österreich ein Heftl mit den Postadressen aller Biowinzer schicken lassen. Die hat er dann sukzessive von Salzburg aus besucht. Aus der Thermenregion war damals allein Friedrich Kuczera aus Gumpoldskirchen in diesem Verzeichnis vertreten. Der erste Besuch hat den Rudl damals überzeugt. Friedrich Kuczera ist dann jahrelang mit seinen Weinen am Biobauernmarkt auf der Freyung gestanden. Und Herr Rudolf bereut es wie wenig anderes, dass er von damals keinen Zierfandler aufgehoben hat. Vor einem Jahr hat Caviste Rudolf festgestellt, dass die Thermenregion in seinem Sortiment nicht vertreten war. Grund dafür war vermutlich, dass dem Rudl viele Weine von dort zu plump sind. Auf den Zierfandler des mittlerweile aus dem Ruhestand heraus vinifizierenden Friedrich Kuczera trifft das nicht zu. Als Bergwein klassifiziert, trocken, im Fall von 2014 mit 11 Percent Alkohol, so wenig interventionistisch wie das Etikett. Jedes Mal wieder eine optische und geschmackliche Freude findet Herr Rudolf.

Grüner Veltliner Federspiel Klostersatz 2014, Schmidl, Dürnstein, Wachau

Von der Witterung im Stich gelassene Jahrgänge werden gerne als Winzerjahrgänge bezeichnet. Wer die Vierzehner-Serie von der Frau Ingenieur verkostet hat, wird diesen Jahrgang ziemlich sicher gendern.

Schrammelberg 2013, Herrenhof Lamprecht, Markt Hartmannsdorf, Oststeiermark

Wein aus dem ziemlich sicher ältesten Weingarten der Steiermark. Rudolf Polifka hat ihn ein einziges Mal verkostet und da einen ganz kleinen Schluck. Zumindest die Erinnerungen daran sind ziemlich einzigartig.

Signum 2003, Prünte, vlg. Schneckenkogler, Grassnitzberg, Südsteiermark

1997 war der erste Jahrgang, von dem der Rudl in der Südsteiermark ein bissl mehr Wein gekauft hat. Allerdings hat er damals nicht gewusst, dass man manche Weine reservieren muss. Außerdem war er spät dran. Darum sind dann nur mehr Weine geblieben, die überdurchschnittlich spät gefüllt worden sind, im Rudl seinem Fall Weine vom Sattlerhof und von Ing. Klaus Prünte. Irgendwann im vergangenen Jahr hat jemand den Rudl an Herrn Prünte erinnert. Recherchen haben ergeben, dass auch der mittlerweile seinen wohlverdienten Ruhestand genießt.

Un Matin face au Lac 2014, Les Vignes de Paradis, Ballaison, Vin des Allobroges

Dominique Lucas sitzt viel im Auto. Das ist an und für sich nichts, was dem Rudl imponiert, eher im Gegenteil. Aber Dominique Lucas tut das nicht aus Bequemlichkeit. Er hat zwei Weingärten, die nicht in derselben Weinbauregion liegen. Einen geerbten an der Côte-d’Or und einen gekauften in Hoch-Savoyen am Genfer See. Wenn ihm Chardonnay, Pinot Noir und Aligoté zu fad werden, dann fährt er nach Ballaison und spaziert dort durch seine Chasselas Rebstöcke, so stellt sich das der Rudl zumindest vor.

Le Comte Rouge, Arbin Mondeuse 2011, Château de Merande, Arbin, Savoie

In Österreich hat man mit den Grafen in den letzten Jahren nicht die aller appetitlichsten Erfahrungen gemacht. In Savoyen beginnt die Zeit der Grafen mit Amédée III. Im zwölften Jahrhundert. Den siebenten Amédée haben sie dann „le Comte Rouge“ geheißen. Bis nach Nizza hinunter war er „Protecteur“. Sein Nachfolger sollte es bis zum Gegenpapst Felix V. bringen, bevor die ganze Chose dann ziemlich schnell den Bach hinunter gegangen ist. Schuld soll eine ziemlich scharfe Zechn, die Prinzessin Anne de Chypre, gewesen sein. Eher unwahrscheinlich, dass diese Geschichtsschreibung aus der Feder einer Frau stammt. Den Comte Rouge vom Château de Merande könnte man als späte Wiedergutmachung betrachten. Männlicher Graf, weibliche Rebsorte: Mondeuse.

Crémant du Jura, Villet, Arbois, Jura

Ein Schaumwein méthode traditionelle aus dem Jura begegnet einem nicht auf Schritt und Tritt. Ein roter Schaumwein méthode traditionelle aus dem Jura detto, ein roter Schaumwein méthode traditionelle aus dem Jura, reinsortig Trousseau noch viel weniger und ein roter Schaumwein méthode traditionelle aus dem Jura, reinsortig Trousseau vom ersten Biowinzer aus Arbois noch ein bissl weniger leicht. Ziemlich rot für einen Schaumwein.

  • Zierfandler 2014, Friedrich Kuczera, Gumpoldskirchen, Thermenregion
    Grüner Veltliner Federspiel Klostersatz 2014, Schmidl, Dürnstein, Wachau
    Schrammelberg 2013, Herrenhof Lamprecht, Markt Hartmannsdorf, Oststeiermark
    Signum 2003, Prünte, vlg. Schneckenkogler, Grassnitzberg, Südsteiermark
    Un Matin face au Lac 2014, Domaine Les Vignes de Paradis, Ballaison, Vin des Allobroges
    Le Comte Rouge, Arbin Mondeuse 2011, Château de Merande, Arbin, Savoie
    Crémant du Jura, Villet, Arbois, Jura

Diese sieben Weine und zwei rote dazu glasweise

am Donnerstag, den 7. Jänner und am Freitag, den 8. Jänner
von 16 bis 22 Uhr
in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

Herr Rudolf grüßt Sie besonders herzlich aus dem erschtn Schnee!

 

Frohe Weihnachten!

Rudolf Polifka bedankt sich recht herzlich, wünscht Ihnen frohe Weihnachten und einen guten Rutsch.
Bis inklusive 6. Jänner bleibt die Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils geschlossen.

 

Goldener Schaumweinsonntag. Morgen, 20. Dezember von 14 bis 18 Uhr geöffnet

„Eigentlich

… würde und müsste ich jetzt über die schreiben, die gerade die Ausbildung für Kindergartenpädagoginnen und Kindergartenpädagogen optimieren“, denkt sich Rudolf Polifka. Dass die jedes Jahr zwei- bis dreimal das Schulsystem reformieren, daran hat sich der Rudl mittlerweile gewöhnt. Nur, jetzt die Ausbildung für die Verdienstvollsten in der Bildungskette. Darauf könnte Herr Rudolf auch verzichten. Bildernische Erziehung und Instrumentalmusik zu kürzen, um eine sogenannte „Früherziehung“ auszubauen, hätte der Rudl nur jemandem unterstellt, der seine ganze eigene Schullaufbahn chronisch überfordert war. Was soll ein Kind im Kindergarten denn lernen, außer mit anderen zu spielen und „Bitte!“ und „Danke!“ zu sagen?

Andererseits

… möchte Ihnen der Rudl nicht mit so viel Unerfreulichem frohe Weihnachten und einen guten Rutsch wünschen. Drum lässt er es am Goldenen Sonntag perln.

Aber

… auf dass Sie das mit dem Silbernen und Goldenen Sonntag nicht falsch verstehen: Weinhausmeister Rudolf ist gegen die Sonntagsöffnung der Kramerläden. Es kann ruhig einen Tag in der Woche geben, der nicht auf dem Altar der Konsumhetzer geopfert wird und an dem der Hierbinichmenschhierkaufichein Sapiens eine Pause im Hü-Hot der Sonderangebote, Bindestriche und Rufzeichen einlegen kann, um sich ein paar freie Gedanken, im Freien Bewegung oder was weiß der Kuckkuck was zu machen. Die Betreiber der wertfreien architektonischen Kleinode an den Autobahnknoten können ruhig zugesperrt lassen, wenn es nach dem Rudl geht. Wobei die Betreiber ja sowieso nicht selber aufsperren würden. Die verbringen ein Kreativ-Powerweekend mit Mandalamalen, Meditation und den fünf Tibetern, ohne WLAN und Handynetz. Aufsperren müssten ja die Hackler der Betreiber. Aber „Hackler“ sagt man heute eh nicht mehr. Das ist Proletensprache. Der Hackler ist heute ein Mitarbeiter, manchmal sogar ein freier Mitarbeiter.

Quod licet Rudl, non licet Zementl

Ein bissl diebisch freut es Rudolf Polifka schon, dass er am Sonntag aufmachen dürfte und der Zementl (© Querschläger) nicht. Zumindest darf der das solange nicht, solange er nicht unter seinem Einkaufszentrum einen Bahnhof bauen lässt.

Goldene Zähne statt goldene Nasen

Um eine Tradition aus der Nachkriegszeit wieder zu beleben und ein ganz kleines bissl auch aus Schadenfreude gegenüber Parndorf & Co. öffnet Monsieur Polifka am Goldenen Sonntag, den 20. Dezember von 14 bis 18 Uhr wieder sein Geschäft, auf dass er sich dort keine goldene Nase, aber irgendwann doch einen goldenen Zahn verdiene. Sonst bleibt er gegen den Cagney sein Lebtag lang ein Zweiter.

Und ein Letztes

Weil der Rudl heuer nicht wie all die anderen Jahre zu Silvester aufsperren kann, gibt es drei Schaumweine am Goldene Sonntag glasweise, auch für den Fall, dass Sie noch ein probates Flascherl für Silvester suchen.

Muskateller Sekt, Otto Riegelnegg, Olwitschhof: konventionell, fruchtig & steirisch
Bela, Branko und Vasja Čotar, Kras: ungeschwefelt, unfiltriert & extra brut
Mont Blanc Brut Zéro, Domaine Belluard, Ayse, Vin de Savoie: der Selosse der Alpen und dem Rudl sein Lieblingsschaumwein

Selbstredend gibt es nicht ausschließlich Schaumwein, sondern trinke und schreibe darüber hinaus zwölf Stillweine

am Goldenen Sonntag, den 20. Dezember
von 14 bis 18 Uhr
in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

Herr Rudolf wünscht Ihnen ein plaisantes Wochenende!

Das Fugen-s und Jahresrückblicke

Highlights

Jetzt heben sie schön langsam an, die Jahresrückblicke im Rundfunk. Die Sporthighlights des Jahres. Die innenpolitischen Highlights des Jahres. Die außenpolitischen Highlights des Jahres. Die Kulturhighlights des Jahres. Die Societyhighlights des Jahres. Die Insolvenzhighlights des Jahres. Und die Taubenzüchterhighlights des Jahres. Die größten Steuerreformhighlights des Jahres. Und die Highlighthighlights des Jahres. Nur auf die Finanztransaktionssteuerhighlights müssen wir überraschenderweise weiter warten. Der EU-Schuld sei Dank! Überraschenderweise.

… und Highlights

Monsieur Rudolf hat nichts gegen Lichter und Höhepunkte. Er versteht sie aber wie vieles gerne wörtlich. Ein Stern, ein Satellit, ein Flugzeug am Nachthimmel. Ein beleuchtetes Gipfelkreuz, eine beleuchtete Kapelle oder eine beleuchtete Bergstation. Das alles kann er sich stundenlang anschauen. Anders als eine in einem Mordstempo geschnittene Abfolge von Hansi-Hinterseer-Bildern, die von Toni Faber und Ulli Sima unterbrochen werden.

Jahrerückblick

Eine – möglicherweise von orthographieüberaffinen Zeitgenossinnen und Zeitgenossen immer wieder aufgeworfene – Frage betrifft das sogenannte Fugen-s. Zumindest kommt das dem Rudl so vor. Das Fugen-s verbindet meistens zwei Teile eines Kompositums. Manchmal handelt es sich bei ihm um die Genetivendung des ersten Wortes, zum Beispiel bei Jahreswechsel. Manchmal erleichtert es auch nur die Aussprache wie in Zeitungsverkäufer. Wenn der letzte Laut des ersten Wortes und der erste Laut des zweiten Wortes sehr ähnlich oder sehr unähnlich sind, dann kann man eine ungewollte Kollision von Zähnen, Zunge, Lippe oder Gaumensegen unter Umständen verhindern, indem man ein s dazwischen schiebt. Ob es dann Zeitungsverkäufer oder Zeitungverkäufer heißt, gehört zu den Dingen, über die sich manche Deutschlehrer und manche Menschen, die Deutschlehrer gerne einer Wissenslücke überführen, gerne unterhalten. Der Rudl gehört quasi zu beiden Personenkreisen. Im Sinne der Logik Karl Valentins ist freilich beides ein Blödsinn. Da müsste es in Analogie zu den Semmelnknödeln sinnvollerweise Zeitungenverkäufer heißen, außer es ist ein Kolporteur mit ganz, ganz wenig Umsatz. Aber das würde Schulmeister Rudolf jetzt zu weit führen. Das Fugen-s ist, sofern keine Genetiv-Endung, sehr oft Geschmackssache. Da können Sie nicht viel falsch machen, es sei denn, das Fugen-s signifiziert einen Bedeutungsunterschied.

Ohne

Und auf so einen Bedeutungsunterschied will Linguoenologe Polifka hinaus, wenn er fugen-s-los zurückblickt, auf Jahre, nicht nur auf eines. Er hätte auch eine Vertikale ankündigen können, aber dann wäre dieser Newsletter ausgesprochen kurz ausgefallen. Oder es wäre wieder so viel um Wein gegangen. Herr Rudolf blickt auf die letzten fünf Jahre des Apremont von der Domaine Giachino aus Chapareillan zurück: 2010, 2011, 2012, 2013 und 2014

Apremont

1973 wurde einigen Weinen Savoyens die Appellation Vin de Savoie zuerkannt. Fünfzehn Gemeinden haben darüber hinaus das Recht erhalten, dieser Appellation den Ortsnamen als Cru anzufügen.
„Apremont“ ist auf ein lateinisches asper mons, in der Bedeutung rauer Berg, zurückzuführen. Mit diesem Berg war der heutige Mont Granier gemeint.
Jacquère ist die Rebsorte für den Apremont. Man könnte meinen, die Rebsorte Jacquère sei extra für die vielen Fodues in den französischen Wintersportgebieten erfunden worden.

Gansl oder Fisch

Wo Weihnachten vom sackbauerischen Vater-Sohn-Konflikt – der Senior fordert traditionsbedacht ein Gansl, der aufmüpfige Junior einen Fisch – beeinträchtigt zu werden droht, ist ein Apremont zumindest in der Weinbegleitung ein nicht zu unterschätzender Kompromiss. Seine Frische passt zu Gerichten, die einem eher selten von Dietologen empfohlen werden. Aber auch ausgezeichnet zu Fisch. Und die ausgesprochen niedrigen Alkoholwerte sind in einer Zeit, in der das erste alkoholhältige Getränk nicht immer erst nach acht Uhr am Abend konsumiert wird, vielleicht auch kein Nachteil.

Ampelografie

Die Trauben des Jacquère geraten bei Vollreife zu einem hellen Rot. Besonders aromatisch sind sie nicht. Werden sie nicht drastisch zurück geschnitten, dann kann man champagneverdächtige 120 Hektoliter am Hektar ernten. Aber der Wein ist dann halt nicht besonders interessant.

Apremont, Domaine Giachino

David und Fred Giachino lassen dem Wein seine Feinhefe bis zur Füllung. Er wächst auf einer überwachsenen Geröllhalde und schmeckt nach Zitrusfrüchten, Bergamotten, Ananas, Wiesenkräutern und Feuerstein.

Apremont 2010, Domaine Giachino, AOC Vin de Savoie
Der letzte “grand millésime“. Ein extrem kalter Winter in Savoyen, dessen Niederschläge genug Feuchtigkeit für die gesamte Vegetationsperiode lieferten. Viel Sonne im Frühling. Extrem heißer Juli, Abkühlung im August, sonniger September, der für physiologisches Gleichgewicht gesorgt hat.

Apremont 2011, Domaine Giachino, AOC Vin de Savoie
Trockener Winter, gefolgt von einem ebensolchen Frühling. Achthundertfünfundfünfzig Sonnenstunden führen zu Frühreife. Knapp vor der setzen Niederschläge ein. Zum Glück ist Jacquère ziemlich resistent gegen beide Mehltaue.

Apremont 2012, Domaine Giachino, AOC Vin de Savoie
“Schawierig”, hätte Professor Conrads möglicherweise gesagt. Extrem kalter Winterausklang. Dann bleibt es kühl und regnerisch. Erst der August wird heiß. Der Ertrag bleibt gering.

Apremont 2013, Domaine Giachino, AOC Vin de Savoie
Erneut übermäßig kalt und feucht im Winter, scheußlicher Frühling. Nasser Juni. Das Wenige, was noch nicht verrottet ist, wird von einem heißen Juli gerettet, bevor ein Gutteil davon dem Hagel zum Opfer fällt. Eine lange Vegetationsperiode bringt qualitativ extraordinaire Weine, leider nicht viel davon.

Apremont 2014, Domaine Giachino, AOC Vin de Savoie
Ein Jahrhundertjahrgang der negativen Art, nicht nur in Savoyen.

Wie immer nicht ausschließlich diese fünf Weine glasweise

am Donnerstag, den 17. Dezember und am Freitag, den 18. Dezember
jeweils von 16 bis 22 Uhr,
sowie am Goldenen Sonntag, den 20. Dezember von 14 bis 18 Uhr
in der Weihandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

Herr Rudolf grüßt, ganz besonders die Wiesenkräuter und hoffentlich bald den ersten Schnee!

Silberner Sonntag, 13. Dezember, 14 bis 18 Uhr außertourlich geöffnet

Dem Polifka-Rudl sein Lieblingsmusikant war ursprünglich ja derselben Meinung wie die Wirtschaftskammer. Er hat geglaubt, es gehe nur mit Schmäh, ganz ohne Gold und Silber. Aber dann hat er sich eines Besseren belehren lassen. Er weiß davon ein Lied zu singen („Gold & Silber“, © Günter Brödl).
Seinerzeit, der Cagney hatte gerade „Shake Hands with the Devil“ gedreht, sind am Sonntag Gaudete, das ist der mit der rosanen Kerze am Adventskranz, noch die Geschäfte offen gewesen.
Monsieur Rudolf knüpf an diese Tradition an und sperrt morgen, am Sonntag, von 14 bis 18 Uhr seine Weinhandlung auf.
Ein agreables Wochenende!

 

Scharf, süß, sündhaft & der Silberne Sonntag

Prüde

 

Einer der – so kommt es zumindest dem Rudl manchmal vor – letzten Intellektuellen dieses Landes, Adolf Holl, hat einmal gemeint, dass eine Gesellschaft, die sich auf Schritt und Tritt an die scharfen Dinge im Leben erinnern muss, ein ziemlich prüdes Leben führen muss. Er hat in diesem Zusammenhang von einer „frigiden Gesellschaft“ gesprochen. Die Konsumentinnen und Konsumenten der Wiener Qualitätsblätter dürften das genauso wenig gelesen, beziehungsweise verstanden haben wie die Produzentinnen und Produzenten derselben. Ein bissl was verrät das möglicherweise schon über das Leben der Menschen, die so einen Käse machen oder anschauen. Und wie trostlos die Kapazunder der diversen Marketing-Abteilungen ihr enthaltsames Dasein fristen, das möchte sich der Rudl eher nicht so genau vorstellen müssen.

 

Sündhaft einst und jetzt

 

Könnte sein, dass es sich beim Essen ähnlich verhält? Wie oft und vor allem was essen Menschen, die ständig und überall an das Essen erinnert werden müssen? Und erst die Erinnerer? Sind es vielleicht die, die krampfhaft versuchen, den Begriff „Sünde“ bedeutungszuwandeln? Ausbaden können das Schweinsbraten, Schnitzel und vor allem die Mehlspeisen.

Ellbogen hinaus, angeben, ausnützen und lügen, bis sich die Balken biegen … das war alles einmal nicht in Ordnung. Der Rudl kann sich an diese Zeiten noch persönlich erinnern. Heute sagt man dazu „sich gut verkaufen“ und behauptet, das sei nicht wörtlich zu verstehen und oberstes Bildungsziel. Wen es trotzdem stört, der hat ein Glück, wenn er nicht als religiöser Fundamentalist da steht. Ultimativer Inbegriff von Sünde ist es heute anscheinend, ein Eis, einen Schweinsbraten oder Schokolade zu essen. Gemeint ist damit nicht, dass ein Säugling im Tragetuch seiner Mutter stirbt, weil die in der Kakaoplantage arbeiten und Pestizide versprühen muss. Und auch nicht die Zustände in der Schweinemast. Gemeint sind mit „Sünde“ die Kalorien.

Religiöse Terminologie oder das, was manche dafür halten, ist zum Spielball für frigide Marketingwappler geworden. Prüfet nichts und bewahret das irgendwo Aufgeschnappte. Etwas verstehen zu wollen, das war gestern.

 

Süß

 

Rudolf Polifka kredenzt diese Woche all dem zum Trotz vergorene Mehlspeisenbegleiter mit und ohne Restzucker, selbstredend nicht ausschließlich. Darüber hinaus lässt er die Weingläser von Schokoladekugerln begleiten, hundertpercent margarinefrei, die Schokolade im gleichen Ausmaß biologisch angebaut wie fair gehandelt und fait maison. Wie immer ermuntert Sie Herr Rudolf, den Effekt des Alkohols beim Zutritt zu Ihrem System durch die Einnahme selbst mitgebrachter Speisen, je süßer und sündiger, desto besser, zu mindern. Kekserl täterten sich da förmlich aufdrängen, wenn Sie den Rudl fragen.

 

Diese Woche unter anderem folgende Weine glasweise in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils:

 

  • Pinot Gris Spätlese 2004, Josef Lentsch, Neusiedlersee
  • Traminer Classic 2013, Josef Wonisch, Südoststeiermark
  • Jurançon Cuvée du Domaine 2006, Domaine de Souch, Sud Ouest
  • Vintage Passion 2007, Leo Uibel, Weinviertel
  • und eine 1981er Trockenbeerenauslese von Martin Haider, Untere Hauptstraße, Illmitz

 

Dem Rudl selber zu seiner größten Freude kann er ab sofort den Weihnachtsbock und das Märzen von seiner Lieblingsbrauerei in Salzburg Mülln wieder ausschenken.

 

Silberner Sonntag

 

Wie alle Jahre und wie fast alle Zeitgenossinnen und Zeitgenossen pfeift Rudolf, das Renntier auch heuer um diese Zeit aus dem letzten Loch und auf die langen Einkaufssamstage. Da mögen sie einander im Shoppingeldorade an der A4 die letzten Fetzen vor den Nasen weggeiern. Herr Rudolf sitzt kommenden Samstag Nachmittag beim Heurigen oder geht durch die Kellergassen.

Dafür pflegt er wie jedes Jahr eine Tradition aus den Fünfziger Jahren. Am Silbernen und Goldenen Einkaufssonntag – das sind der dritten und der vierte Adventsonntag – sperrt Caviste Rudolf jeweils von 14 bis 18 Uhr seinen Weinkaufmannsladen auf.

 

Donnerstag, den 10. Dezember und Freitag, den 11. Dezember

wie immer von 16 bis 22 Uhr,

 

sowie am Silbernen Sonntag, den 13. Dezember außertourlich von 14 bis 18 Uhr

Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

 

Herr Rudolf wünscht Ihnen eine scharfe, silberne Woche!

 

 

Äpfel, Nüsse, Mandelkern. Die obligate äquidistante Würdigung von Nikolaus und Krampus

Der Orient und wir

Wäre es in der Folge von 1095 nicht zu einem beispiellosen Wörter-, Zivilisations-, Wissens- und Reichtumstransfer von Südosten nach Nordwesten gekommen, hätten Siegfried, Lancelot und Giselbrecht ein paar Jahrhunderte länger in ihren trostlosen Sümpfen hocken bleiben, Waffen schmieden oder von Weinetiketten schauen müssen. Und hätte gut sechshundert Jahre davor im Südosten nicht ein Bischof genauer hingeschaut, dann hätte den Siegfrieds, Lancetlots und Giselbrechts nicht einmal einmal im Jahr der Nikolaus ein bissl Abwechslung, Süßes und Werte vorbei gebracht. Jene Werte, die heute oft von denen am ekelhaftesten mit Füßen getreten werden, die am meisten und am lautesten davon quatschen.
Darum bedankt sich Kind Rudolf diese Woche wieder einmal retardiert beim Niglo, indem er weingewordene Äpfel, Nüsse und Mandelkerne glasweise kredenzt.

Drei Nigloweine

Grüner Veltliner Vollmondlese 2014, Weingut Uibel, Weinviertel
grüner Äpfel, aber nicht ausschließlich

Savagnin 2010, Domaine Pignier, AOC Côtes du Jura
Nüsse, auch nicht ausschließlich … Der Vin Jaune muss ungefähr sechsundsiebzig Monate unter seinem Hefeflor auf seine Abfüllung warten, der Savagnin nur achtundvierzig. Drum soll man ihn auch nur vierzig Jahre aufheben.

Roussette de Savoie Cru Marestel 2010, Domaine Dupasquier, AOC Roussette de Savoie
Mandelkern, sowieso nicht ausschließlich … Wenn man mit dem Aufmachen nicht hudelt, nach ein paar Jahren Flaschenreife Trüffeln.

Äquidistanz

Und weil sich die Niglo wie kaum ein anderer eignet, der Ausgewogenheit zu frönen, erweist Herr Rudolf diese Woche auch dem Krampus die Reverenz, mit drei roten Komplementärweinen zu den weißen Äpfeln, Nüssen und Mandelkernen.

Der Vollmondlese ihr Krampus:
Wenn es eine rote Entsprechung zum Pfefferl des Grünen Veltliners – genau weiß der Rudl immer noch nicht, was dieses „Pfefferl“ ist – gibt, dann kann es nur Mondeuse sein. Dort ist der Pfeffer offenriechlich:
Mondeuse 2013, Jacques Maillet, AOC Vin de Savoie

Dem Savagnin sein Krampus:
… wäre, wenn es nach den Walnüssen geht, am ehesten ein reifer Portwein. Für den Hinweis bedankt sich Rudolf Polifka beim Grafen Thomas. Aber damit der Portugieser von Leo Uibel auch reifen kann, macht Herr Rudolf den erst nächste Woche auf und stellt dem Nikolaus von der Domaine Pignier, der auf grau-blauem Mergel gewachsen ist, einen auch vom Mergel geprägten
Rubis de Boisy (Pinot Noir und Mondeuse) 2010, Château la Tour de Marignan, AOC Vin de Savoie
an die Seite.

Dem Marestel sein Krampus
ist auch autochthon:
Teran 2011, Čotar, Kras

Insgesamt die folgenden sechs Wein diese Woche glasweise, aber auch die nicht ausschließlich:
Grüner Veltliner Vollmondlese 2014, Weingut Uibel, Weinviertel
Savagnin 2010, Domaine Pignier, AOC Côtes du Jura
Roussette de Savoie Cru Marestel 2010, Domaine Dupasquier, AOC Roussette de Savoie
Mondeuse 2013 Domaine Jacques Maillet, AOC Vin de Savoie
Rubis de Boisy 2010, Château la Tour de Marignan, AOC Vin de Savoie
Teran 2011, Čotar, Kras

am Donnerstag, den 3. Dezember und am Freitag, den 4. Dezember
von 16 bis 22 Uhr
in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

Herr Rudolf rasselt mit der Kette, fuchtelt mit der Rute und wünscht Ihnen einen schönen Start in die Zeit des Hinschauens!

Schiefer. Ein Beitrag zur größten Bildungsreform aller Zeiten

O

Die Welt hat den Atem angehalten. Wer da keinen oxidativen Wein an seiner Seite gehabt hat, ist ziemlich sicher einem Sauerstoffmangel erlegen und hat das epochale Ergebnis der Verhandlungen nicht mehr rezipieren können. Auf alle Fälle sind sie mitten in der Nacht vor die Kamera geschritten, ein Auge tränend gerührt, ein Auge erlöst müde: zuerst der Landeshauptmann von Kärnten, dann der Bürgermeister von Wien, nur Häuptling Lederstrumpf hat gefehlt. Dann wären sie vollständig gewesen, die Spitzen der drei glorreichen Bundesländer, von denen aus diese Republik regiert wird.

Aufkommensneutrale Angeberei

Das Ergebnis sprengt die kühnsten Erwartungen: von allem ein bissl mehr und alles aufkommensneutral. Mehr Schulautonomie und mehr Gleichschritt. „Individueller Bildungskompass“ für alle Kinder ab dreieinhalb Jahren, mit verpflichtenden Sprach- und Entwicklungsscreenings. Was passiert mit den Ergebnissen dieser „Entwicklungsscreenings“? Wer speichert sie wo? Wer wird einmal Zugriff auf diese Daten haben? Wer schützt sie wie? Welche Konsequenzen werden aus den Ergebnissen gezogen? Zuweisung in ein differenziertes Volksschulsystem? Und welche Experten bestimmen, was ein Dreieinhalbjähriger außer Legospielen können soll? NLP-Sichselbstverkaufstricks? Ein Tablett bedienen? Den Weg zum nächsten Designer-Outlet kennen?
Am allerwichtigsten ist sowieso High-Speed Internet in allen Klassen und Kindergarten-Spielecken.
Entwicklungstests für Dreieinhalbjährige, dafür ein Maturazeugnis für Tanzschulabsolventen. Umetikettierung statt Abschaffung. Präsentationstechniken statt Lesen, Schreiben und Rechnen. Geht’s der Wirtschaft(skammer) gut, geht’s uns allen gut. Und wahr ist, was auf das Berufsleben vorbereitet. Was auf das Berufsleben vorbereitet, bestimmen diejenigen, die so einen Topfen verzapfen.

Eh

Und wenn Sie jetzt sagen: „Das ist doch alles gut gemeint“, dann sagt Ihnen der Rudl: „Ja, da haben Sie vermutlich eh recht.“
Und wenn Sie jetzt sagen: „So schlimm wird das schon nicht werden“, dann sagt Ihnen der Rudl: „Ja, da haben Sie hoffentlich eh auch recht.“
Und wenn Sie jetzt sagen: „Und überhaupt übertreibt der Rudl da jetzt maßlos“, dann sagt Ihnen der Rudl: „Ja, da haben Sie eh sowieso recht.“
Aber wann sagt irgendwer dem Bildungssystem im Speziellen und der Realität im Allgemeinen, dass sie maßlos übertreiben?

Die Revolution der Schiefertafel

Konfrontiert mit so viel Esprit und Innovation kommt sich Schulmeister Rudolf ziemlich alt vor. Da wird ihm eine Schiefertafel wie vor einigen Wochen ein Stückl Kreide zum Inbegriff didaktischer Revolution.
Darum bedankt er sich diese Woche bei allen Bildungsexperten für diese epochale Reform mit glasweisen Weinen, die er dem Schiefer oder zumindest metamorphem Urgestein verdankt.

Schiste 2012, Domaine des Ardoisières, Cevins

Bis in die Fünziger Jahre ist in der Tarentaise (Tal der Isère) Wein angebaut worden. Bis 1998 immer weniger. Dann haben Michel Grisard, Mitbegründer der Renaissance des Appellations und Brice Omont begonnen, auf einem gleichermaßen kargen wie steilen Schieferhang Altesse zu pflanzen. Die Geburtsstunde der Cuvée Quartz von der Domaine des Ardoisières. Jacquère, Roussanne, Malvoisie und Mondeuse Blanche sind gefolgt. Daraus besteht Schiste – fünfundzwanzig Hektoliter Ertrag am Hektar. Das ergibt siebentausend Flaschen. Ausgebaut in drei- bis fünfjährigen Barriques, spontan vergoren und nur leicht filtriert. An und für sich verweigert sich Rudolf Polifka der boulevardesken Bild-statt-Wort-Logik. Beim Weingarten, in dem der Marestel von der Domaine Dupasquier wächst, hat er vor einem Jahr eine Ausnahme gemacht. Die Wiederbepflanzung des Weinbergs in Cevins provoziert gewissermaßen eine zweite:
… darüber hinaus „au verre“:
Muscadet Sèvre-et-Maine 2010, Domaine Brégeon, Gorges
Grüner Veltliner Federspiel Klostersatz 2014, Weingut Schmidl, Dürnstein
Schilcher 2013, Weingut Franz und Christine Strohmeier, Sankt Stefan ob Stainz
Zweigelt Kreuzegg 2010, Weingut Schnabel, Sausal
Grüner Veltliner Hollenburger Schifer 1983, Domäne Baron Geymüller

Nicht ausschließlich diese Weine

am Donnerstag, den 26. November und am Freitag, den 27. November
von 16 bis 22 Uhr
in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

Nachrichten aus dem Flaschensortiment

Ab sofort sind Vitovska 2012, Teran 2011 und der Schaumwein Bela 2011 von Čotar aus dem Karst hinter Triest verfügbar.

Herr Rudolf wünscht allen Forscherinnen und Forschern im Alter zwischen dreieinhalb und hundertdreieinhalb viel Neugier und Unruhe!

Zwei Vertikalen von Raubvögel-Veltlinern und ein 2015er

Ausgefallen nicht um des Auffallens willen

Ausgefallen seien sie, dem Rudl seine Weine, das hört er immer wieder und nicht ungern. Es sei denn der Kommentar erschöpft sich in diesem repetitiven „ausgefallen“. Dann ist vieles ausgefallen. Auch gut, aber außerhalb Österreichs ein ausgefallener Standpunkt.
Wie auch immer, in den vergangenen Wochen hat sich beim Rudl viel um Weine und Rebsorten, die es nicht überall gibt, gedreht. Darum diese Woche for something completely different (© Monty Python): Grüne Veltliner

Nicht ausgefallen, auch nicht um des Auffallens willen

Wenn ein junger Mensch in Österreich beginnt, sich für Wein zu interessieren, für Weißwein zum Beispiel, dann führen am Grünen Veltliner nicht viele Wege vorbei, wahrscheinlich sogar in der Steiermark, wo der Gevau nicht unbedingt zu den Leitweißweinrebsorten zählt, eine gewisse Affinität von den Landesfarben her aber nicht von der Hand zu weisen ist.
Beim Herrn Rudolf ist das nicht anders gewesen. Wenn sein Radl und er im Zug die Stadtgrenzen von Wien überschreiten, dann kommen sie selten ohne einen Grünen Veltliner (getrunkten zu haben) zurück. Und schmecken tun die oft recht unterschiedlich, areal unterschiedlich und temporal unterschiedlich auch.
Beides möchte Rudolf Polifka diese Woche geschmacklich nachvollziehbar machen. Nicht einfach so, sondern aus einem bestimmten Anlass.

Grüner Veltliner Steinleithn, Geyerhof

Zurück zum Zugfahren: Einer der dem Rudl am nachdrücklichsten in Erinnerung gebliebenen Ausflüge in den letzten zwanzig Jahren hat ihn, es muss Ende Jänner neunundneunzig gewesen sein, nach Oberfucha, Kremstal rive droite geführt. Mit mindestens zwei verschiedenen Zügen und zu Fuß. Der Hügel, den man dabei von Palt hinauf nach Oberfucha zu überwinden hat, ist verschneit gewesen. Es war kalt und dunkel, weil doch schon eher gegen Ende der Exkursion. In Oberfucha am Geyerhof angekommen hat Monsieur Polifka einmal an allen Türen, die er gesehen hat, geklopft. Und als er seine Mission gedanklich bereits beendet gehabt hat, ist eine der zahlreichen Türen aufgegangen. Eine ältere Dame ist heraus gekommen. Der hat Rudolf Polifka sein Ansinnen unterbreitet. Die Dame hat das aber lediglich mit „Wir haben keinen Wein mehr.“ quittiert. Zweites Ende der Mission. Gedanklich.
Hat Herr Rudolf so einen verzagten Eindruck gemacht oder hat sich die Dame halt erst ein bissl später erinnert? Der Rudl wollte sich auf alle Fälle gerade verabschieden, da hat die Frau gemeint: „Einen Karton Grünen Veltliner Steinleithn 1997 haben wir noch. Der ist nicht abgeholt worden.“ Nicht ganz bequem, aber ausgesprochen zufrieden ist Monsieur Polifka daraufhin mit seinem Karton Grüner Veltliner Steinleithn zur Bahnstation Furth-Palt hinunter gegangen. Er hat dann im Lauf der Jahre immer wieder eine Flasche aufgemacht und ist jedes Mal begeistert gewesen. Die letzte hat er lange Zeit nicht aufgemacht, bis irgendwann einmal, 2008 oder 2009, ein paar Forscherkollegen die Idee gehabt haben, den einen oder anderen Grünen Veltliner aus dem hochgejubelten Jahr 1997 gegeneinander antreten zu lassen.
Und wenn nicht auch namhafte Mitbewerber neben dem Steinleithn vom Geyerhof recht alt ausgeschaut hätten, dann würde Sie der Rudl mit dem letzten Absatz nicht behelligt haben.

Lage Steinleithn

Steinleithn ist karg, nach Osten ausgerichtet und besteht aus den fast genauso kargen Resten des geologischen Schulwissens vom Rudl: Feldspat, Quarz und Glimmer – geschiefert. Fette Weine wachsen auf anderen Böden.

Keller

Der Wein wird Ende Oktober gelesen, Ganztraubenpressung, natürliche Vorklärung, langsame Vergärung im Stahltank, auf der Hefe bis Ende Juli und Füllung Ende August. Der Wein ist steinig, elegant, schmeckt nach Äpfeln, Birnen und vor allem nach den Wiesenkräutern, die man riecht, wenn man nicht gerade Ende Jänner zu Fuß nach Oberfucha hinauf geht.
Letzteres hat der Rudl vorige Woche gemacht, geleitgeschützt vom Fils im Kinderwagen. Darum gibt es ab sofort den 2013er Grünen Veltliner Steinleithn vom Geyerhof in seinem Weinkaufsgeschäft. Sie könnten diesen Wein gegebenenfalls in zehn Jahren mit Lamm, Honivogl, Achleiten oder Vinothekfüllung vergleichen.

Geyer

Quasi zur Begrüßung des Steinleithn im Sortiment öffnet Caviste Rudolf diese Woche einen Grünen Veltliner Steinleithn vom Geyerhof aus den Jahren 2008, 2012, 2013 und 2014

Falken

Eine Vertikale, die mit dem Jahrgang 2008 beginnt, ist jetzt freilich nicht Ambition par exzellence. Weil Grüner Veltliner nicht nur im Kremstal wächst und weil Grüner Veltliner ein Reifepotential haben kann, das weit über sieben Jahre hinaus geht, verlängert Herr Rudolf die Vertikale sozusagen in die Vergangenheit hinein durch Grüne Veltliner eines Raubvogels aus dem Weinviertel.

Grüne Veltliner Vogelsang, Weingut Falk, Bockfließ

Die Böden rund um den Hochleithenwald in Bockfließ könnten sich von der Steinleithn nicht stärker unterscheiden: Dort metamorphes Urgestein, da Löss und Lehm. Begrenzt der Boden auf der Steinleithn den Ertrag quasi selber, wird auf der Riede Vogelsang der Ertrag durch strengen Schnitt dezimiert.

Bussard-Kalauer

Und weil der Rudl einem Kalauer nur ungern aus dem Weg geht, ergänzt er die beiden Raubvogel-Veltliner-Vertikalen um einen Muscadet Sèvre-et-Maine Expression de Granite 2008 von Guy Bossard (Domaine de l’Ecu). Die Domaine de l’Ecu ist wie der Geyerhof Mitglied der Renaissance des Appellations. Der Boden im Muscadet hat mit der Steinleithn mehr Gemeinsamkeiten als mit Vogelsang. Die Domaine de l’Ecu ist 1975 auf biologische Landwirtschaft umgestellt worden, der Geyerhof 1988. Wer weiß, wie das Weingut Falk in einigen Jahren bewirtschaftet wird?

Grüner Veltliner Steinleithn 2014, Geyerhof, Kremstal
Grüner Veltliner Steinleithn 2013, Geyerhof, Kremstal
Grüner Veltliner Steinleithn 2012, Geyerhof, Kremstal
Grüner Veltliner Steinleithn 2008, Geyerhof, Kremstal
Muscadet Sèvre-et-Maine Expression de Granite 2008, Domaine de l’Ecu, Muscadet
Grüner Veltliner Vogelsang 2004, Weingut Falk, Weinviertel
Grüner Veltliner Vogelsang 2003, Weingut Falk, Weinviertel
Grüner Veltliner Vogelsang 2001, Weingut Falk, Weinviertel
Grüner Veltliner Vogelsang 1997, Weingut Falk, Weinviertel
Grüner Veltliner Vogelsang 1993, Weingut Falk, Weinviertel

… dieses Mal ein etwas umfangreicheres und wie fast immer nicht ausschließliches Arbeitspensum „au verre“

am Donnerstag, den 19. November und am Freitag, den 20. November
von 16 bis 22 Uhr
in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

Nachrichten aus dem Flaschensortiment

Ab sofort sind außer dem Grünen Veltliner Steinleithn vom Geyerhof auch Sauvignon Blanc 2014, Syrah 2013 und Cassiopeia 2012 vom Biohof Heideboden in Pamhagen verfügar. Darüber hinaus rechtzeitig zum Beaujolais Primeur, den Sie beim Rudl aber nicht suchen müssen, ein nicht krampfhaft zurecht gezimmerter oder geschusterter Jungwein, ein Gelber Muskateller 2015 vom Biohof Heideboden.
Und auch die Hühnerleberpasteten aus dem Gasthaus zur Dankbarkeit gibt es wieder.

Herr Rudolf grüßt Feldspat, Quarz und Glimmer und wünscht eine plaisante Woche!

Endlich wieder Pomerandschen!

Leere Kilometer

 

An und für sich ist der Rudl keiner, für den irgendein Lastwagen irgendwo grüne Orangen, sprechende Spielzeugrasenmäher oder andere Segnungen des freien Warenverkehrs holen müsste. Das sinnlose Herumführen von angeblichen Nahrungsmitteln und lebenswichtiger Unterhaltungselektronik könnte man sich weitgehend sparen, wenn es nach Herrn Rudolf ginge. Und wenn schon unbedingt mit Steuergeld gefördert gefahren werden muss, dann wäre es ja eine Überlegung, das Zeugs von dort, wo von allem zu viel da ist, dorthin zu bringen, wo zu wenig da ist und nicht umgekehrt.

Ein, zwei Ausnahmen gibt es aber. Das ist in der Grammatik so, und warum soll es bei den Zitrusfrüchten anders sein.

 

Orangen und Mandarinen vom Ätna

 

Voraussichtlich gibt es diese Woche ab Dienstag bei Nino Crupi in der Margaretenstraße 3 in Wien wieder Orangen und Mandarinen. Wer ein gutes Gedächtnis hat und sich erinnern kann, wie Orangen und Mandarinen geschmeckt haben, als sie noch nicht das ganze Jahr Saison gehabt haben, der könnte schon in Erwägung ziehen, bei Herrn Crupi vorbei zu schauen. Monsieur Rudolf wird das diese Woche auf alle Fälle tun. Der Fils will schließlich fachgerecht ernährt sein und im Weinkaufmannsladen vom Cavisten Rudolf sollen diese Woche auch die eine Orange und die andere Mandarine herum kugeln. Weinbegleitet von mindestens fünf Orangeweinen, aber nicht ausschließlich.

 

Orangewine

 

Ganz früher einmal hat es vor allem in Georgien, Friaul und Istrien auf der Maische vergorene Weißweine gegeben. Dann den einen oder anderen in Österreich. Und wieder ein bissl später ist Mazeriertes ziemlich angesagt gewesen. Noch ein bissl später war das Griss um Orangeweine auch wieder mehr oder weniger vorbei. Die einen treiben längst den nächsten coolen Weintrend durchs Dorf. Andere jeijern, sie alleine seien immer schon die wahren Naturweinverfechter gewesen und bezichtigen wieder andere der Naturweintrittbrettfahrerei. Dem Rudl kommt manchmal vor: besonders gerne und laut die Trittbrettfahrer selber.

 

Naturweine und Naturweine

 

Monsieur Rudolf hat 1992 begonnen, sich für Bioweine zu interessieren. Der erste Biowein, den er bewusst als solchen wahrgenommen hat, war ein Wein von Weinsteindl aus Purbach, im Schaufenster eines Biogeschäfts in Sankt Veit an der Glan. Mit dem, was man heute unter Naturwein versteht, hat er längere Zeit nicht so viel anfangen können. Es muss ein Sauvignon Blanc 2004 von Andreas Tscheppe gewesen sein, der dem Rudl diesen Horizont geöffnet hat. Und dann hat er irgendwann alles, was ihm auf dieser Welle entgegen geschwommen ist, positiv aufregend gefunden. Irgendwann dann die ganze Aufregung aufregend, aber nicht positiv. Und ein paar Naturweinverkostungen später bildet er sich ein, doch beträchtliche Unterschiede zwischen Naturweinen wahrzunehmen, was er bei deren erster noch ziemlich schwierig gefunden hat.

 

fünf

 

Von den Orangeweinen, von denen er ein Zeitl überall einen gekauft hat, wo einer auf der Karte gestanden ist, sind im Laufe der Zeit nicht mehr so viele über geblieben, die er auch selber noch gerne trinkt. Ein paar schon. Und die begrüßen diese Woche die Pomerandschn und Mandarinen vom Ätna, speisebegleitet von denselbigen.

 

Marius & Simone 2013, David und Frédéric Giachino, AOC Vin de Savoie

Gräfin 2012, Maria und Sepp Muster, Schlossberg

Erde 2012, Maria und Sepp Muster, Schlossberg

Morillon 2013, Karl Schnabel, Sausal

Sauvignon Blanc 2006, Branko und Vasja Čotar, Kras, Slowenien

 

Selbstverständlich nicht ausschließlich diese fünf sehr unterschiedlichen Orangen, sondern auch Rotweine und Weißweine glas- und flaschenweise

 

am Donnerstag, den 12. November und am Freitag, den 13. November

von 16 bis 22 Uhr

in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

 

Nachrichten aus dem Flaschensortiment

 

Ab sofort sind Athena 2014, Grüner Veltliner Vollmondlese 2014, Grüner Veltliner Reserve Katzensprung 2013, Pinot Noir Reserve 2010, und Grand Rosé Brut – der Schaumwein vom Pinot Noir – vom Weingut Uibel wieder verfügbar.

 

11. November, 19 Uhr, Weinbar Schwarzberg, Schwarzenbergplatz 10

 

Wo früher im Ostklub musiziert und getanzt worden ist, findet am Martinitag die Weinversteigerung zugunsten des Integrationshauses statt, eine der schönsten Veranstaltungen im Weinjahr.

 

Herr Rudolf grüßt und freut sich auf den Martinitag. Salve!