Zwei Vertikalen von Raubvögel-Veltlinern und ein 2015er

Ausgefallen nicht um des Auffallens willen

Ausgefallen seien sie, dem Rudl seine Weine, das hört er immer wieder und nicht ungern. Es sei denn der Kommentar erschöpft sich in diesem repetitiven „ausgefallen“. Dann ist vieles ausgefallen. Auch gut, aber außerhalb Österreichs ein ausgefallener Standpunkt.
Wie auch immer, in den vergangenen Wochen hat sich beim Rudl viel um Weine und Rebsorten, die es nicht überall gibt, gedreht. Darum diese Woche for something completely different (© Monty Python): Grüne Veltliner

Nicht ausgefallen, auch nicht um des Auffallens willen

Wenn ein junger Mensch in Österreich beginnt, sich für Wein zu interessieren, für Weißwein zum Beispiel, dann führen am Grünen Veltliner nicht viele Wege vorbei, wahrscheinlich sogar in der Steiermark, wo der Gevau nicht unbedingt zu den Leitweißweinrebsorten zählt, eine gewisse Affinität von den Landesfarben her aber nicht von der Hand zu weisen ist.
Beim Herrn Rudolf ist das nicht anders gewesen. Wenn sein Radl und er im Zug die Stadtgrenzen von Wien überschreiten, dann kommen sie selten ohne einen Grünen Veltliner (getrunkten zu haben) zurück. Und schmecken tun die oft recht unterschiedlich, areal unterschiedlich und temporal unterschiedlich auch.
Beides möchte Rudolf Polifka diese Woche geschmacklich nachvollziehbar machen. Nicht einfach so, sondern aus einem bestimmten Anlass.

Grüner Veltliner Steinleithn, Geyerhof

Zurück zum Zugfahren: Einer der dem Rudl am nachdrücklichsten in Erinnerung gebliebenen Ausflüge in den letzten zwanzig Jahren hat ihn, es muss Ende Jänner neunundneunzig gewesen sein, nach Oberfucha, Kremstal rive droite geführt. Mit mindestens zwei verschiedenen Zügen und zu Fuß. Der Hügel, den man dabei von Palt hinauf nach Oberfucha zu überwinden hat, ist verschneit gewesen. Es war kalt und dunkel, weil doch schon eher gegen Ende der Exkursion. In Oberfucha am Geyerhof angekommen hat Monsieur Polifka einmal an allen Türen, die er gesehen hat, geklopft. Und als er seine Mission gedanklich bereits beendet gehabt hat, ist eine der zahlreichen Türen aufgegangen. Eine ältere Dame ist heraus gekommen. Der hat Rudolf Polifka sein Ansinnen unterbreitet. Die Dame hat das aber lediglich mit „Wir haben keinen Wein mehr.“ quittiert. Zweites Ende der Mission. Gedanklich.
Hat Herr Rudolf so einen verzagten Eindruck gemacht oder hat sich die Dame halt erst ein bissl später erinnert? Der Rudl wollte sich auf alle Fälle gerade verabschieden, da hat die Frau gemeint: „Einen Karton Grünen Veltliner Steinleithn 1997 haben wir noch. Der ist nicht abgeholt worden.“ Nicht ganz bequem, aber ausgesprochen zufrieden ist Monsieur Polifka daraufhin mit seinem Karton Grüner Veltliner Steinleithn zur Bahnstation Furth-Palt hinunter gegangen. Er hat dann im Lauf der Jahre immer wieder eine Flasche aufgemacht und ist jedes Mal begeistert gewesen. Die letzte hat er lange Zeit nicht aufgemacht, bis irgendwann einmal, 2008 oder 2009, ein paar Forscherkollegen die Idee gehabt haben, den einen oder anderen Grünen Veltliner aus dem hochgejubelten Jahr 1997 gegeneinander antreten zu lassen.
Und wenn nicht auch namhafte Mitbewerber neben dem Steinleithn vom Geyerhof recht alt ausgeschaut hätten, dann würde Sie der Rudl mit dem letzten Absatz nicht behelligt haben.

Lage Steinleithn

Steinleithn ist karg, nach Osten ausgerichtet und besteht aus den fast genauso kargen Resten des geologischen Schulwissens vom Rudl: Feldspat, Quarz und Glimmer – geschiefert. Fette Weine wachsen auf anderen Böden.

Keller

Der Wein wird Ende Oktober gelesen, Ganztraubenpressung, natürliche Vorklärung, langsame Vergärung im Stahltank, auf der Hefe bis Ende Juli und Füllung Ende August. Der Wein ist steinig, elegant, schmeckt nach Äpfeln, Birnen und vor allem nach den Wiesenkräutern, die man riecht, wenn man nicht gerade Ende Jänner zu Fuß nach Oberfucha hinauf geht.
Letzteres hat der Rudl vorige Woche gemacht, geleitgeschützt vom Fils im Kinderwagen. Darum gibt es ab sofort den 2013er Grünen Veltliner Steinleithn vom Geyerhof in seinem Weinkaufsgeschäft. Sie könnten diesen Wein gegebenenfalls in zehn Jahren mit Lamm, Honivogl, Achleiten oder Vinothekfüllung vergleichen.

Geyer

Quasi zur Begrüßung des Steinleithn im Sortiment öffnet Caviste Rudolf diese Woche einen Grünen Veltliner Steinleithn vom Geyerhof aus den Jahren 2008, 2012, 2013 und 2014

Falken

Eine Vertikale, die mit dem Jahrgang 2008 beginnt, ist jetzt freilich nicht Ambition par exzellence. Weil Grüner Veltliner nicht nur im Kremstal wächst und weil Grüner Veltliner ein Reifepotential haben kann, das weit über sieben Jahre hinaus geht, verlängert Herr Rudolf die Vertikale sozusagen in die Vergangenheit hinein durch Grüne Veltliner eines Raubvogels aus dem Weinviertel.

Grüne Veltliner Vogelsang, Weingut Falk, Bockfließ

Die Böden rund um den Hochleithenwald in Bockfließ könnten sich von der Steinleithn nicht stärker unterscheiden: Dort metamorphes Urgestein, da Löss und Lehm. Begrenzt der Boden auf der Steinleithn den Ertrag quasi selber, wird auf der Riede Vogelsang der Ertrag durch strengen Schnitt dezimiert.

Bussard-Kalauer

Und weil der Rudl einem Kalauer nur ungern aus dem Weg geht, ergänzt er die beiden Raubvogel-Veltliner-Vertikalen um einen Muscadet Sèvre-et-Maine Expression de Granite 2008 von Guy Bossard (Domaine de l’Ecu). Die Domaine de l’Ecu ist wie der Geyerhof Mitglied der Renaissance des Appellations. Der Boden im Muscadet hat mit der Steinleithn mehr Gemeinsamkeiten als mit Vogelsang. Die Domaine de l’Ecu ist 1975 auf biologische Landwirtschaft umgestellt worden, der Geyerhof 1988. Wer weiß, wie das Weingut Falk in einigen Jahren bewirtschaftet wird?

Grüner Veltliner Steinleithn 2014, Geyerhof, Kremstal
Grüner Veltliner Steinleithn 2013, Geyerhof, Kremstal
Grüner Veltliner Steinleithn 2012, Geyerhof, Kremstal
Grüner Veltliner Steinleithn 2008, Geyerhof, Kremstal
Muscadet Sèvre-et-Maine Expression de Granite 2008, Domaine de l’Ecu, Muscadet
Grüner Veltliner Vogelsang 2004, Weingut Falk, Weinviertel
Grüner Veltliner Vogelsang 2003, Weingut Falk, Weinviertel
Grüner Veltliner Vogelsang 2001, Weingut Falk, Weinviertel
Grüner Veltliner Vogelsang 1997, Weingut Falk, Weinviertel
Grüner Veltliner Vogelsang 1993, Weingut Falk, Weinviertel

… dieses Mal ein etwas umfangreicheres und wie fast immer nicht ausschließliches Arbeitspensum „au verre“

am Donnerstag, den 19. November und am Freitag, den 20. November
von 16 bis 22 Uhr
in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

Nachrichten aus dem Flaschensortiment

Ab sofort sind außer dem Grünen Veltliner Steinleithn vom Geyerhof auch Sauvignon Blanc 2014, Syrah 2013 und Cassiopeia 2012 vom Biohof Heideboden in Pamhagen verfügar. Darüber hinaus rechtzeitig zum Beaujolais Primeur, den Sie beim Rudl aber nicht suchen müssen, ein nicht krampfhaft zurecht gezimmerter oder geschusterter Jungwein, ein Gelber Muskateller 2015 vom Biohof Heideboden.
Und auch die Hühnerleberpasteten aus dem Gasthaus zur Dankbarkeit gibt es wieder.

Herr Rudolf grüßt Feldspat, Quarz und Glimmer und wünscht eine plaisante Woche!