Hégoxuri und das Salz der Erde. Sonst nix. Eine Vertikale eines Lieblingsweins von Rudolf Polifka, am Dienstag, den 14. März von 17 bis 21 Uhr

Empfehlungen

Der Rudl freut sich vor. Gewaltig sogar. Er wird eine kleine Vertikale von einem seiner Lieblingsweine kredenzen. Es ist ja ein Gfrett mit Empfehlungen des Rudls. So etwas behagt ihm nicht. Da sträubt sich etwas in ihm, auch wenn das manchen vielleicht als Lappalie erscheinen mag. In seinem Brotberuf als Religionslehrer verfolgt der Rudl eine mündige Entscheidung von sachlich und seriös informierten Schülerinnen und Schülern als Ziel seines Handelns. Ohne überheblich sein zu wollen, sieht er da eine biblische Tradition der Ermutigung zum selbstverantworteten, aufrechten Gang als Vorbild. Nicht der Pharao, nicht die Assyrer, nicht die Babylonier, Perser, Griechen oder Römer. Auch nicht machtbesessene oder auf den Rückwärtsgang beschränkte Päpste. Und keine primitiven Hetzer, mit allen PR-Wasserln gewaschenen Kommunikationspredigerinnen oder -prediger des Zeitgeistes, Marktschreier oder Influencer. Eigene Entscheidungen von Menschen als dem Salz der Erde. Da bin ich Mensch, nicht in der Drogeriekette, im Glutamat oder im Netz. By the way, dass gerade ein Netz, noch dazu ein möglichst schnelles (sic!), von vielen Menschen als ein Weg zur Freiheit erachtet wird, ist für den Rudl eine der trostlosesten und perversesten Entwicklungen der letzten Jahrzehnte.

Aus seiner Begeisterung für den Hégoxuri von der Domaine Arretxea macht Caviste Rudolf aber keinen Hehl. Das ist ein Wein, der vor allem im gereiften Stadium für den Rudl kaum mehr Wünsche offen lässt. Und wenn Sie, geneigte Oenologin, gewogener Oenologe, diese Begeisterung teilen, dann freut sich der Rudl ganz gewaltig. Aber diese Freude stellt sich dem Rudl ausschließlich dann ein, wenn sie auf Ihren persönlichen geschmacklichen Erfahrungen mit diesem Wein basiert und nicht auf Empfehlungen, Lobhudeleien oder auf sonst was.
Hégoxuri, Domaine Arretxea

Wenn er alles richtig verstanden hat, dann war es im Siebenundneunzigerjahr, dass sie im Steinhaus, das ist die Übersetzung des baskischen „Arretxea“, zum ersten Mal den Weißwein Hégoxuri gemacht haben. Caviste Rudolf Polifka hat nichts gegen sogenannte „gemachte“ Weine. Er hält die Beteuerung, Wein mache sich im Keller mehr oder weniger „eh von selber“, sofern im Weingarten alles passe, für einen Schmäh. Weine mit einem Mangel an Intervention seitens der Winzerin oder des Winzers schmecken in der Regel auch so und dem Rudl nicht, Weine mit einem Zuviel davon detto. Andernfalls wäre es ja sehr einfach.

Mit dem Jahrgang 2007 ist Monsieur Rudolf dann auf Hégoxuri aufmerksam geworden, seither auch nicht mehr davon losgekommen. Und obwohl dieses Weingut mit dem Jahrgang 2009 in seinem Bemühen, den Boden in Wein zu verwandeln und dann ins Glasl zu bringen, mit geologischen Cuvées zuerst zwei, dann drei und jetzt wieder zwei Weiße über den Hégoxuri gesetzt hat, bleibt letzterer einer der allerliebsten Weine vom Rudl.

Verdanken tut er seine Begeisterung für die südwestlichste Appellation Frankreichs einer abfälligen Bemerkung des amerikanischen Petrogeologen James E. Wilson über Irouléguy in dessen an sich lehrreichem Buch „Terroir“. Darum ist der Rudl dem Herrn Wilson dankbar für diese Bemerkung.
Jahrgänge

Die eine oder andere Vertikale von seinem Lieblingswein hat der Rudl im Geschäft schon angeboten. Aber ersten waren diese Serien bis jetzt immer ergänzt durch andere Weine, die der Rudl als vergleichswürdig erachtet hat. Und zweitens ist er dabei noch nie bis zum Jahrgang 2005 zurück gegangen. Weil es aber immer schwieriger wird, irgendwo bei einem Cavisten in der großen weiten Welt einen reifen Hégoxuri zu darglengen, legt sich der Rudl kommende Woche ins Zeug und und folgt quasi mit seinem geistigen Ohr – von 2014 abwärts – dem Ruf der Dreijahresschritte, ergänzt vom bei ihm aktuellen Jahrgang 2019. Dieses Mal ganz ohne die Zusatzaufgabe eines Vergleichs mit anderen Weinen. Der ist zwar immer interessant, aber notwendig hat ihn Hégoxuri nicht.
2005

Gilt im Südwesten neben 1988 und 1990 als „millésime exceptionnel“. Ein langer kalter Winter hat den Rebstöcken viel Erholung und Sanierung ermöglicht. Ein milder Frühling mit viel Sonne und ausgewogenen Niederschlägen ist gefolgt. Im Sommer war es warm, aber nicht zu heiß, teilweise mit erfrischender Abkühlung in den Nächten. Das hat sich in den September hinein gezogen. Viel mehr kann sich ein Weingarten von einem Jahrgang nicht erwarten.
2008

Wenn 2005 als idealer Jahrgang gilt und 2003 davon in die eine Richtung ausreißt, dann tut 2008 das in die andere, wobei Caviste Rudolf – vor die Wahl zwischen 2003 und 2008 gestellt – nicht lange nachschmecken muss.

Bei der Beschreibung der klimatischen Bedingungen von 2008 stößt man auf ziemlich viele Superlative. „Exécrable“ steht oft dort. Das bedeutet „scheußlich“. Die niedrigsten Erträge seit 1991. Oidium, Peronospora, Grauschimmel, Verrieselung, Spätfrost, Hagel.

Und zwanzig Frosttage kommen unter den mildernden Konditionen des Atlantiks auch nicht alle Jahre vor. Ungeachtet all dieser Widrigkeiten hat der Rudl ziemlich viele ziemlich guten Weine aus dem Jahr 2008 getrunken. Das Gerede vom „Winzerjahrgang“ hin oder her, der Rudl vermutet ganz stark, dass in den immer selteneren kühlen Jahrgängen extraoridnaire Weine gemacht werden, wenn Beeren, die nicht sauber sind, aussortiert werden. Aber es ist dann halt nicht viel davon da.
2011

Äußerst trockener Frühling, abwechslungsreicher Sommer und ein September wie aus dem Weinbaubilderbuch. Viel wärmer als 2010, etwas kühler als 2012.
Terroir. Eine Wiederholung

Oft verkehrt und zu Unrecht strapaziertes beziehungsweise überstrapaziertes Wort, jedoch ein entscheidender Aspekt der Typizität eines Weines sowie Dreh- und Angelpunkt der Arbeit im Haus Arretxea.

Nicht erst seit gestern pflegen die Riouspeyrous eine intensive Zusammenarbeit mit Geologie, Botanik und Kartographie, um immer mehr von dem, worin ihre Rebstöcke grundeln, zu verstehen und angemessen darauf zu reagieren. Dass es sich bei der Basis vorwiegend um außerordentlich eisenreichen Glimmerschiefer, Sandstein und vulkanische Ophite- sowie Dolomiteinschlüsse handelt, hat Caviste Rudolf schon hie und da erwähnt. Aber der Rudl hat selten so viele für einen Laien erkennbare Wechsel an geologischen Gegebenheiten auf so engem Raum gesehen wie in Irouléguy. Und dem entspricht eine geschmackliche Vielfalt der Weine von dort, die sich gewaschen hat. Vielleicht hat das auch damit zu tun, dass Monokultur in Irouléguy wirklich noch ein Fremdwort ist, wobei für des Baskischen mächtige Menschen ja sowieso fast jedes Wort ein Fremdwort ist. Und natürlich ist auch Biodiversität ein Fremdwort, aber in der Sache sind die Weingärten der Riouspeyrous mit Biodiversität per Du. Pflanzen wie Farne, Brennessel, Löwenzahn, Fenchel, Schachtelhalm, Weide oder auch Piments stärken nicht nur das natürliche Gleichgewicht der Landschaft, sondern werden auch verwendet, um nicht so willkommenen Insekten oder Schwammerln den Weisel zu geben.

Wenn die Riouspeyrous von einem Minimum an Intervention im Keller schreiben, dann meinen sie damit alles andere als owezuzahn, sondern viel eher das, was dem Rudl sein unangefochtener Lieblingswirt und -winzer mit „kontrolliertem Nichtstun“ bezeichnet. Minutiös beobachten, vuasichtig sein und nötigenfalls so schonend wie virtuos das Richtige zu tun. Zum Glück!

  • Hégoxuri 2019, Domaine Arretxea, AOP Irouléguy, Sud Oest (6/9)
  • Hégoxuri 2014, Domaine Arretxea, AOP Irouléguy, Sud Ouest (6,50/10)
  • Hégoxuri 2011, Domaine Arretxea, AOP Irouléguy, Sud Ouest (7/11)
  • Hégoxuri 2008, Domaine Arretxea, AOP Irouléguy, Sud Ouest (8/12)
  • Hégoxuri 2005, Domaine Arretxea, AOP Irouléguy, Sud Ouest (8/12)

am Dienstag, den 21. März von 17 bis 21 Uhr
in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgsse 22

Der 27. Jänner, der Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz, muss zu einem gesamteuropäischen Feiertag erklärt werden. Wer das Richtige feiert und weiß, was er dabei tut, ist nicht nur kein Würstel, sondern wird sich auch leichter tun, den Angriffen der Heimatparteien auf Demokratie, Menschenrechte und Aufklärung etwas Wirksames entgegenzusetzen.

Exceptionelle Grüße vom Polifka-Rudl!

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