Hat man Fragen nach den Hobbys mit „Wein“, „Kochen“ oder „Essen“ beantwortet, dann hat man darauf schon einmal verständnislosere Blicke als Reaktion bekommen, als man das heute tut. Der Rudl vermutet ja, dass das mit der Industrialisierung, wenn nicht sogar mit der Digitalisierung von Ernährung zu tun hat. Zum einen gibt es gar nicht so wenige Menschen, die Maschinen für sich kochen lassen, zuerst einmal in der Fabrik und dann oft noch ein zweites Mal in der Mikrowelle. Dem Rudl Seines ist das nicht, aber wer meint… Fast noch bemerkenswerter erscheinen Monsieur Rudolf Zeitgenossinnen und Zeitgenossen, die essen, beziehungsweise trinken, das zu Verzehrende davor aber photographisch festhalten, um es in weiterer Folge irgendwo hochzuladen, auf dass es möglichst oft geteilt werde. Rudolf Polifka hält vom Teilen der Nahrungs- und Genussmittel sehr viel. Er hält es für möglich, dass es geradezu zu den Bestimmungen eines vernünftigen Nahrungs- oder, beziehungsweise im Idealfall und Genussmittels gehört, geteilt zu werden. Als ersten Schritt dazu würde er auf einer globaleren Ebene einem gutheißen, dem Fladern von Lebensmitteln entschieden Einhalt zu gebieten. Da wäre dringendst mit dem Wasser zu beginnen und auf gar keinen Fall bei eben demselben stehen zu bleiben. Beim Rudl stetzt es da mit dem Verständnis sowieso aus: Gar nicht so wenigen kann dort, wo es nichts kostet, gar nicht genug auf Teufel komm‘ heraus gegendert, inkludiert, sprachsensibilisiert und hyperkorrektiert werden. Gleichzeitig legen sie ein imperiales Konsum- und Mobilitätsverhalten an den Tag, dass es einem die Sprache verschlägt und man sich in einem feudalistischen Schnöselcircel wähnt. Darum sagt Monsieur Rudolf Nein! Zu den Imperien, zu denen auf den Landkarten genauso wie zu denen in den Köpfen, die sich in hirn- und gewissenlosem Mobilitäts- und Konsumverhalten manifestieren. Den Einwand, dass es da um Menschen ginge, von denen man aufgrund ihrer nicht so komplexen Bildung nicht mehr erwarten dürfe, lässt der Rudl nicht gelten. Er hält das eher für ein Problem von Bequemlichkeit als eines von mangelnder Bildung, wobei diese beiden Faktoren einander nicht ausschließen müssen.
Aber zurück zum Teilen: Herr Rudolf hat nicht erst einmal die Erfahrung gemacht, dass ein noch so formidables Flascherl Wein, auf das er sich noch so lange gefreut hat und das er noch so ideal temperiert und belüftet hat, nicht so gut schmeckt wie ein geteiltes. Nur muss die Teilung dem Rudl seiner Auffassung nach eine analoge sein. Digitalisiertes Teilen von hochgeladener Nahrung ist dem Rudl zu platonisch und also für die Fische, wenn Sie so wollen für den Victoriabarsch, mit dem Tansania mitzerstört wird, damit ihn in Japan oder Europa jemand in sich hinein stopfen kann.
Das digitalisierte Teilen von Bildern mit Tellern und Gläsern ist in den Augen vom Rudl zu hundert Percent wertfrei. Aber es hält halt das Thema am Kochen. Und spätestens nach dem zwanzigsten Aufkochen, ist auch das exotischste Gericht nicht mehr fremd, was den Rudl zum zugegebenermaßen nicht nobelpreisverdächtigen Schluss bringt, dass fremd eine relative Kategorie ist und unter Umständen sogar mehr über den eigenen Standpunkt und auch den Zeitgeist aussagt als über das gerade als fremd Empfundene. Professor Karl Valentin hat Bier getrunken und das vor fast hundert Jahren schon eleganter auf den Punkt gebracht.
Vielleicht wecken Industrialisierung und Digitalisierung von Speisen und Getränken als Gegenbewegung eine Sehnsucht nach Natürlichem und Authentischem. Dass die in jedem Wein erfüllt wird, behauptet Monsieur Rudolf nicht. Monsieur Rudolf behauptet nicht einmal, dass diese Sehnsucht in jedem Naturwein erfüllt wird. Aber das ist eine andere Geschichte.
So oder so, der Rudl kann sich noch gut an die Zeit erinnern, in der er mit seiner Begeisterung für Wein und vor allem mit der für das Weinkaufen und noch viel mehr mit der für das Bioweinkaufen einen beträchtlichen Erklärungsbedarf gehabt hat. Dass sich das geändert hat, liegt nicht nur daran, dass der Rudl heute kein Student mehr ist. Heute gilt die Beschäftigung mit Wein in studentischen Kreisen als ziemlich angesagt, was in besonderem Ausmaß auf die Beschäftigung mit Biowein in akademisch geprägten Milieus zutrifft. Jetzt ist dem Rudl grundsätzlich jeder Hype ein bissl suspekt. Aber dass es besorgniserregendere Entwicklungen gibt, als die Zunahme von relativ jungen Menschen, die immer mehr Biowein trinken, das muss sogar Herr Rudolf zugeben. Und wie manch Kultwinzer auf diese Entwicklung im Weingarten, im Keller und in den Society-Redaktionen darauf reagiert, steht ja wieder auf einem ganz anderen Blatt.
Caviste Rudolf Polifka freut sich immer ganz besonders, wenn er den Eindruck hat, dass ein Winzer stolz auf seinen guten Wein ist, sich der Publicität aber weitestgehend verweigert, wie der Baske Michel Riouspeyrous von der Domaine Arretxea oder Sepp Muster und auch Jacques Maillet und einige andere.
Fremdes am Etikett und in der Flasche
Sprachlich geht es in Europa nicht viel fremder als in Irouléguy, der Weinappellation des französischen Teil des Baskenlandes, zumal Baskisch die einzige Sprache in Europa ist, die einer Sprachfamilie entraten muss, was erkenntnistheoretisch ein Unfug ist, denn selbstverständlich hat auch das Baskische eine Familie. Nur hat so noch kein Sprachforscher dieser Welt gefunden. Dass Baskisch dennoch als „isolierte Sprache“ gilt, findet der Rudl erkenntnistheoretisch wieder höchst aufschlussreich. Kann es sein, dass der postfaktisch säkularisierte Mensch dazu tendiert, sein kleines Hirnderl mit dem Maß des Universums zu verwechseln? Und alles, wofür da drinnen kein Platzerl mehr frei ist, das kann und darf es dann zwangsläufig nicht geben. Just ned!
So oder so, die verwandtschaftlichen Verhältnisse des Baskischen sind ziemlich ungeklärt. Für einen großen Teil der nicht baskisch sprechenden Welt, gilt das auch bezüglich der Aussprache. Und für einen wahrscheinlich kleineren, aber immer noch ziemlich großen Teil der nicht baskisch sprechenden Welt, steht zu befürchten, dass das auch hinsichtlich der Weine aus dem Baskenland gilt. Was weinmäßig aus dem Baskenland dann unter Umständen schon bekannt ist, scheint am ehesten noch der Txakoli zu sein. Den erachtet Monsieur Rudolf aber, vielleicht abgesehen vom Namen, wieder als nicht so bemerkenswert.
Aber die Appellation Irouléguy schätzt der Rudl halt einmal, weil oder obwohl sie weitgehend als fremd betrachtet wird.
AOP Irouléguy
Bei der Appellation Irouléguy handelt es sich um versprengte Überreste eines Weinbaugebietes, das Mönche im Mittelalter kultiviert haben. Das wäre an sich jetzt nicht besonders erwähnenswert. Nur im Fall von Irouléguy sind das die Mönche von Roncevaux gewesen. Das ist in Niedernavarra, wo Roland und seine Kollegen in einen Hinterhalt geraten sein sollen. Der phaffe Chunrat hat die Geschichte über Rolands Kampf gegen die Zivilisation aufgeschrieben, nicht als die erste, aber doch als eine besonders gern kopierte Vorlage für bornierte Närrinnen und Narren mit Hang, jede Zwangsneurose und Ideologie gleich einmal für eine Religion zu halten.
Heute gilt Irouléguy als „mosaïque de terroirs“. Das muss derweil einmal genüben. Und wer mehr über diese Appellation lesen will, der sollte besser nicht das Terroir-Büchl von James E. Wilson lesen, sondern sich im gut sortierten Fachhandel die aktuelle Ausgabe von All you can eat zulegen.
Hégoxuri, Domaine Arretxea
Dass Thérèse und Michel Riouspeyrous sich beim Versuch, ihre Weingärten zu verstehen, von Wissenschaftlern unterstützen lassen, hat Sie Caviste Rudolf schon einmal wissen lassen. Dass sie danach trachten, diese Erkenntisse schmeckbar zu machen, auch. Dass Michel Riouspeyrous nicht gerade in Freudenskundgebungen ausbricht, wenn man das Wort „Terroir“ inflationär verwendet, sowieso.
Hégoxuri wächst auf vier Böden: Schiefer, Ophite, Sandstein und Ampèlite.
Ananas- und Zitrusaromen sind der Beitrag der Rebsorte Gros Manseng, zu Baskisch Izkiriota. Wenn Sie daraus korrekt ableiten, ob eher Petit Manseng oder eher Courbu auf Baskisch Izkiriota Ttipia heißt, dann wissen Sie jetzt zumindest schon das baskische Wort für Manseng.
Zu jung kann man den Hégoxuri schon auch trinken. Man muss es aber nicht. Die Trüffelaromen tanzen auf alle Fälle erst nach ein paar Jahren Flaschenreife an.
Kalk
In Irouléguy gibt es auch Kalk. Auf dem wächst der Weißweine von Peio Espil (Domaine Ilarria).
Literaturbegleitung: All you can eat
Was Sie zu diesen Weinen essen können, das steht in der neuesten Ausgabe des überaus erfreulichen Magazins „All you can eat“. Wenn Sie eher empirisch vorgehen, sind Sie herzlich eingeladen, sich etwas zum Essen in die Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils mitzubringen und es einfach auszuprobieren. Als ideale Lektürebegleitung erlaubt es sich der Rudl noch einmal, auf die Nummer zwei von All you can eat hinzuweisen, zu erwerben im gut sortierten Fachhandel sowie im Abonnement.
Nicht ausschließlich folgende Weine gibt es diese Woche glasweise in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils
- 2014 Hégoxuri, Domaine Arretxea, AOP Irouléguy, Sud Ouest (5/8)
- 2013 Irouléguy Blanc, Domaine Ilarria, AOP Irouléguy, Sud Ouest (5/8)
- 2012 Irouléguy Blanc, Domaine Ilarria (5/8)
- 2012 Hégoxuri, Domaine Arretxea (6/9)
- 2010 Irouléguy Blanc, Domaine Ilarria, AOC Irouléguy (6/9)
- 2009 Hégoxuri, Domaine Arretxea, AOC Irouléguy, Sud Ouest (6,50/10)
(in Klammern die Preise für das Sechzehntel und das Achtel)
am Mittwoch, den 10. Mai und am Freitag, den 12. Mai
jeweils von 16 bis 22 Uhr
Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22
Im Übrigen ist Rudolf Polifka der Meinung, dass man den 27. Jänner, den Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz zu einem europäischen Feiertag erklären sollte!
Vorschau auf die Lehrveranstaltungen vom 17. und 19. Mai:
vermutlich eine kleine Schilcher-Vertikale von Sepp Muster und andere extraordinaire Rosés
Herr Rudolf würde gerne auf Baskisch grüßen, vermag es jedoch nicht.
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Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22, 1150 Wien
Öffnungszeiten: Mittwoch und Freitag, 16 bis 22 Uhr, an Schultagen
kostenlose und CO2-minimierte Zustellung innerhalb von Wien ab einem Bestellwert von 57 Euro