Die RAW 2015
Wenn Sie sich beeilen oder das leidige Problem mit der Lichtgeschwindigkeit lösen, dann schaffen Sie es vielleicht noch zur RAW 2015 in London, der – soweit der Rudl weiß – renommiertesten Naturwein-Messe. Sie findet heuer am 17. und 18. Mai statt.
Sprungbretter und Chronologien
Sollte es sich nicht ganz ausgehen oder sollten Sie wie Rudolf Polifka ungern in einen Flieger einsteigen und sogar dann, wenn Sie dort waren, können Sie diese Woche in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils acht Weine von acht verschiedenen Winzern, die schon einmal an der RAW teilgenommen haben, trinken.
Vier Weine aus dem Inland, vier Weine aus dem Ausland, equidistant, wie so oft, wenn auch nicht ganz repräsentativ von einem globalen Standpunkt aus betrachtet.
2012 wäre der Rudl sehr gerne dort gewesen: Domaine de Souch, Josmeyer, Maria und Sepp Muster, Domaine Pignier, Nikolaihof, Casot de Mailloles, Domaine Traginer, Geyerhof, Clos Canarelli, Michel Grisard vlg. Prieuré Saint Christophe, Strohmeier, Čotar, … Da waren schon einige dabei, die sich jetzt im Rudl seinem Sortiment wieder finden. Monsieur Rudolf gefällt auf alle Fälle die Vorstellung, sein Weinkaufmannsladen sei quasi das Sprungbrett zur weltberühmten RAW. Und kommen Sie ihm jetzt bitte nicht mit Kleinlichkeiten wie Chronologie oder so.
Aus dem Sortiment vom Rudl werden diese Woche auf alle Fälle folgende Weine der Teilnehmer an der RAW 2012 geöffnet sein:
Domaine de Souch, Juranҫon sec, 2011
Juranҫon trocken auszubauen gilt für traditionalistische Béarnais noch immer als Häresie. Seit dem Jahrgang 2010 machen sogar Louis-Benjamin Dagueneau und Guy Pautrat einen solchen. Und der mythenumwobene Clos Joliette war sowieso schon immer so trocken oder süß, wie der Jahrgang es wollte, und hat sich um Appellationsbürokratie nicht viel geschert. Bei den zweitausend Flaschen, die es von diesem Wein pro Jahrgang gibt, war das auch nie besonders aufsehenerregend. Und wenn man die Zuteilung an Gérard Depardieu dann noch abzieht, bleiben sowieso nicht viele Flaschen, die in den Verkauf gelangen, über.
Bei der Taufe des späteren Königs Heinrichs IV. sollen dessen Lippen mit Jurançon benetzt und mit einer Knoblauchzehe eingerieben worden sein, um den Neugeborenen zu stärken, bevor der kleine Stoppel sich gewöhnlichen Dingen wie Muttermilch, Red Bull oder Amtsgeschäften widmen kann. Dieser Taufritus heißt „baptême béarnais“ und wurde später im französischen Königshaus beibehalten.
Der Juranςon und das ungezwungene Landleben mit den Bauernkindern aus den Pyrenäenvorbergen sollen es gewesen sein, die dem später zum König avancierten Herrn Heini die körperlichen und geistigen Kräfte gegeben haben, um die feindlichen Lager aus den Religionskriegen durch das Edikt von Nantes zu versöhnen. So stellen das zumindest heute die Winzer im Juranςon dar. Und wenn man einen guten Juranςon trinkt, hält man das auf alle Fälle für nachvollziehbar.
In späteren Jahren zog es den Heinrich in den Norden. Er kaufte sich einen Weingarten bei Prépatour in der Nähe von Vendôme. Man kennt das ja: Promi kauft Weingut. Heinrichs Rieden sind auf alle Fälle mit Sauvignon Blanc bestockt gewesen. Darum gelten die Appellationen an der Loire noch heute als jene Heinrichs IV. Und es ist gut möglich, dass bei größeren Empfängen dieser „Surin“ genannte Sauvignon gereicht worden ist.
Was Herr Heinrich aber am Abend alleine oder für seine Dame und sich selber aus dem königlichen Keller geholt hat, das ist eine andere Geschichte. Herr Rudolf glaubt Juranςon. Die Oenologie kennt das Phänomen des Sich-auf-einen-Weintypus-Eingetrunkenhabens. In Anbetracht des Taufritus, dem der junge König unterzogen worden war, sollten die Vorlieben ziemlich schnell klar gewesen sein. In diesem Punkt macht der gute Geschmack da keinen Unterschied zwischen gekrönten Häuptern und dem einfachen Volk.
Ein kleines Detail erscheint dabei noch bemerkenswert. Didier Dagueneau galt zurecht als König, Papst und Commandante des Sauvignons. Neben seinen Sauvignon-Reben in Pouilly-sur-Loire und Sancerre hat er aber auch einen Weingarten im Juranςon bewirtschaftet. Auf die Idee dazu hatte ihn Mme Hégoburu von der Domaine de Souch gebracht. Der Jurançon von Dagueneau heißt Les Jardins de Babylone. Drei Jahrgänge lang hat es einen zweiten Juranςon, den Ravaillac, gegeben.
Und ein Herr Ravaillac ist es gewesen, der den Anherren der Loire-Appellationen, vormaligen Schlichter in den Religionskriegen und Sauvignon-Winzerkönig Heinrich IV. am 14. Mai 1610 ermordet hat, „aus religiösem Fanatismus“ steht in den Geschichtsbüchern. Damals haben die noch keine Unschuldsvermutung gekannt. Der arme Teufel Ravaillac ist durch Pferde viergeteilt und seine Familie angewiesen worden, den Namen nie mehr zu verwenden. Ganz geklärt ist der Fall aber nie worden. Vielleicht hat es dem Monsieur Ravaillac ja einfach nur missfallen, dass sich der mit Juranςon getaufte Heinrich mit dem Sauvignon eingelassen hat. Wer weiß das schon?
Darum schlägt Rat Rudolf posthum einen außergerichtlichen Trinkausgleich vor: Man lasse doch die beiden Weine, Sauvignon Blanc und Juranςon gegeneinander antreten. Dann ist der Käse ein für alle Mal gegessen. Für die Böden des Juranςon sind die sogenannten „poudingues“ charakteristisch. Sie sind äußerst kalkhältig. Daneben weisen die Böden dort hohe Anteile an Sand, Kies, Ton und Mergel auf. Die Niederschlagsmengen sind verhältnismäßig hoch (über tausend Millimeter), die Sonnentage durchschnittlich (tausendneunhundert Stunden), die Landschaft daher sehr grün. Die Reben wachsen vorwiegend auf Hanglagen. In Anbetracht dieser terroirspezifischen Daten drängt sich ein Vergleich vom Rudl seinem Lieblings-Juranςon sec mit seinem Lieblings-Sauvignon aus der Südsteiermark ja förmlich auf.
Maria und Sepp Muster, Sauvignon vom Opok, 2011
Opok ist das charakteristische Kalkmergelgestein der Gegend um den Leutschacher Schlossberg. Der Wein ist spontan vergoren, minimal geschwefelt und zwei Jahre im großen Holzfass ausgebaut.
Domaine Pignier, Savagnin, 2010
Wie Vin Jaune, nur nicht so lange unter der Hefeflorschicht. Darum kein Vin Jaune. Oxydativ ist der Wein trotzdem, reinsortiger Savagnin auch. Nur müsste er als Vin Jaune noch bis 4. Febraur 2017 in seinem Fassl unter seiner Hefeflorschicht auf seine Percée du Vin Jaune warten.
Geyerhof, Grüner Veltliner Steinleithn Reserve, 2007
Der Rudl hat ja schon seinerzeit, als er noch in der Rentn war, gerne Weine verglichen, im privaten Rahmen, wie man sagt. Und da hat es sich begeben, dass man einander im Jahr 2008 oder 2009 ein paar Grüne Veltliner aus dem Siebenundneunziger Jahr kredenzte, blind und möglichst unbefangen, aber schon die bekannteren. Den meisten Anwesend hat dabei der Grüne Veltliner Steinleithn 1997 vom Geyerhof am besten geschmeckt.
Branko und Vasja Čotar, Vitovska, 2008
Autochthonizität steht heute hoch im Kurs, Autentizität nicht so hoch, zumindest nicht in der Schule. Wie immer man den Begriff „autochthon“ jetzt versteht, dem Vitovska wird man diesen Titel schwer nicht zuerkennen können.
Franz und Christine Strohmeier, Rosé-Sekt
Sekt aus der Blauen Wildbacher Traube
im Jahr darauf auf der RAW:
Karl Schnabel, Zweigelt, 2010
Wein vom einzigen rotweinlastigen Betrieb der Südsteiermark, zumindest zuviel dem Rudl bekannt ist
Domaine de l’Ecu, Expression d’Orthogneiss, 2008
geologiespezifischer, demeter-zertifizierter Muscadet
Diese acht Weine, aber nicht ausschließlich diese acht
am Donnerstag, den 21. Mai und am Freitag, den 22. Mai
von 16 bis 22 Uhr
in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22
Sir Rudolf grüßt und krönt die ungekrönten Winzerkönige von London bis Lestoa!
Am Montag(!), den 15. Juni findet von 15 bis 20 Uhr nicht nur der Grätzelwalk zwischen Schwendermarkt und Ullmannstraße, sondern in den Hallen des Rudl eine Weinpräsentation der Weine des Herrenhof Lamprecht mit Gottfried Lamprecht statt.