Donnerstag
Der Rudl kann kommende Woche aufgrund Verpflichtungen als Schulmeister nur am Donnerstag aufsperren.
2019
Caviste Rudolf Polifka hat Ihnen, geneigte Oenologin, gewogener Oenologe, Ende Jänner eröffnet, dass er den Weinjahrgang 2019 überaus schätzt. Diese Begeisterung hat sich auch darin manifestiert, dass der Rudl damals mindestens doppelt so viele exceptionelle Zweitausendneunzehner für eine Kredenzung in Erwägung gezogen hat, als er an einem Abend sinnvollerweise öffnen konnte. Für die anderen Weine dieses Jahrgangs hat es geheißen: Warten! … bis 15. Juni. Da wird der Rudl jetzt jene 2019er ausschenken, die Ende Jänner nicht dran gekommen sind.
Im Folgenden erlaubt sich der Rudl, jene Zeilen, die ihm vor knapp einem halben Jahr zum Jahrgang 2019 eingefallen sind, zu wiederholen:
2019. Eine Wiederholung, rechtzeitig zum Notenschluss
Wenn Sie, geneigte Oenologin, gewogener Oenologe, den Rudl nach dem Wetter fragen, dann fällt ihm dazu nicht viel ein. Nur vielleicht so viel, dass Caviste Rudolf die Klimakrise neben dem Chemiekasten für den größten Feind des Weines hält. Ob man sich deswegen irgendwo anpicken muss, das weiß der Rudl auch nicht. Gar nicht so wenige spucken jetzt – boulevardbeschränkt wie sie immer schon waren – Gift und Galle auf ein paar Jugendliche, die Federn haben, wenn sie an ihre Zukunft denken. Man muss deren Aktionen vermutlich nicht gut finden, um das hysterische Gekeife der anderen, die Bedrohung chronisch dort wahrnehmen, wo sie nicht ist, und mindestens ebenso chronisch dort nicht, wo sie sehr wohl ist, als Indiz für die Wirksamkeit des Protests zu respektieren. Es gibt Zeitgenossinnen und Zeitgenossen, die es als Menschenrecht betrachten, staubtrockenen Fußerls im Lift in die Garage, von dort in der überdimensionierten Tschäsn möglichst ohne Kontakt zu irgendwem und irgendwas bis auf den Parkplatz des sogenannten Supermarktes oder in irgendeine Tiefgarage zu fahren und dabei andere, die zwei oder drei Ecken weiter schauen und vor allem denken, durch Gestank, Radau und Platzraub zu terrorisieren. Und justament solche Hirschinnen und Hirschen bezeichnen Jugendliche, denen nach gut dreißig Jahren Absichtserklärungen schön langsam der Reis geht, als „Terroristen“. So etwas hält Citoyen Rudolf Polifka nicht nur für eine Sauerei, sondern auch für einen Amoklauf gegen die menschliche Vernunft.
Die Stadt, in der Monsieur Rudolf sein Geschäft betreibt, beteuert zwar seit Jahrzehnten, eine westeuropäische Stadt zu sein. Aber ihr Anteil an Bewohnerinnen und Bewohnern mit Beton- und Blechfetischismus scheint diesbezügliche westeuropäische Grenzwerte deutlich zu überschreiten. Das wiederum hat sehr viel mit den Edelfedern zu tun.
Aber was hat das mit Wein zu tun?
In der Sprache der Oenologinnen und Oenologen gibt es den Terminus vom „warmen Jahrgang“. Wenn Sie den Rudl fragen, dann handelt es sich dabei zunehmend um einen Pleonasmus. Seit mindestens zwanzig Jahren ist ein Jahrgang ein warmer Jahrgang und es ist ein Jahrgang ein Jahrgang mit existenzgefährdenden meteorologischen Vorkommnissen. Und wenn Sie, geneigte Oenologin, gewogener Oenologe, das Wort „existenzgefährdend“ in diesem Zusammenhang als überzogen erachten, dann empfiehlt Ihnen der Rudl einen kurzen Blick auf landwirtschaftsspezifische Suizid-Statistiken.
Erfreulicherweise …
… scheint es Weinjahrgänge zu geben, die, zumindest was die Affenhitze während der Vegetationsphase betrifft, noch das eine oder andere Anzeichen von Resistenz zeigen. Viele sind es nicht. Mehr werden es auch nicht. Aber 2019 war ganz sicher so ein Jahrgang. Und damit folgt Caviste Rudolf nicht dem Trend, Jahrgänge auf Neun kategorisch als besonders grandios einzustufen. Die Lobeshymnen auf 2009 etwa kann der Rudl überhaupt nicht nachvollziehen. Da erscheinen zumindest dem Rudl seinem Geschmack nach 2008 und 2010 als viel anmutigere Weinjahrgänge. Aber 2019 könnte sich wirklich als ein ganz extraordinairer Jahrgang im einundzwanzigsten Jahrhundert herausstellen. Und wenn die Beton- und Bequemfetischistinnen und -fetischisten nicht recht bald und recht drastisch eingebremst werden – selber werden sie das ziemlich sicher nicht machen -, dann könnten Weinjahrgänge wie 2019 in ihrer Grandiosität auch ziemlich lange und ziemlich allein bleiben.
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Riesling Wieland 2019, Mantlerhof, Brunn im Felde, Kremstal (6/9)
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Adaxl Welsch 2019, Weinbau Helga und Alfred Weber, Deutsch-Schützen, Südburgenland (4,50/7)
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Gamay Blanc 2019, Pignier, Montaigu, AOP Côtes de Jura (6,50/10)
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Chignin-Bergeron „Les Filles“ 2019, Gilles Berlioz, AOP Vin de Savoie (7/11)
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Hégoxuri 2019, Domaine Arretxea, AOP Irouléguy, Sud Ouest (6/9)
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Sankt Laurent Klassik 2019, Josef Umathum, Frauenkirchen, Neusiedler See (3/5)
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Dolia Rouge 2019, Domaine Arretxea, AOP Irouléguy, sud Ouest (6,50/10)
DONNERSTAG, 15. Juni von 17 bis 21 Uhr
in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22
Der 27. Jänner, der Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz, muss zu einem gesamteuropäischen Feiertag erklärt werden. Wer das Richtige feiert und weiß, was er dabei tut, ist nicht nur kein Würstel, sondern wird sich auch leichter tun, den Angriffen der Heimatparteien auf Demokratie, Menschenrechte und Aufklärung etwas Wirksames entgegenzusetzen.
Wetternd grüßt Herr Rudolf!
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Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22, 1150 Wien