Herr Karl aus dem Sausal – auch kein Gemütlicher

Zurück!

Seit der Neuzeit hat der Mensch eine genaue Zeit, was rein theoretisch Verbindlichkeit und Verlässlichkeit ermöglichen würde. Irgendwann scheint dem Menschen die Verbindlichkeit zu viel geworden zu sein und er hat mobile Endgeräte erfunden. Der Rudl tendiert dazu, das als kindlichen Rückfall ins Mittelalter zu betrachten. Seit der Mensch so ein Kommunikationsmittel in seiner Hose stecken hat, heißt es nicht mehr: „Am Sonntag um zwei fahren wir zum Heurigen.“, sondern „Wir rufen uns zusammen.“ oder jugendlicher: „Wir schreiben.“ Für den Heurigen bleibt bei so viel Kommunikation und Koordination dann oft keine Zeit mehr.

Die eschatologische Differenz

Ein bissl kulturpessimistischer ausgedrückt: Früher in der Neuzeit hat man unterschieden zwischen dem, was schon ist, und dem, auf das man sich freut. Sei das nur die Vorspeise, die ich gerade esse und die Hauptspeise, auf die ich mich freue. Heute im e-Mittelalter ist sowas undenkbar. Da gilt „alles&sofort“ und wehe das Essen braucht ein bissl länger, dann stehen die vernichtenden Kommentare auf irgendwelchen Wichtigtuerkommentarseiten, bevor das Schnitzl am Tisch angekommen ist. Schließlich hat man seine Zeit nicht gestohlen. Die braucht man für Wichtigeres, beispielsweise für e-Kommunikation.
Einem guten Wein ist derlei egal. Der kommt auch ohne mobiles Endgerät ganz gut zurecht. Und er braucht Zeit.

Wein = Zeit

Das Erdzeitalter des Bodens ist im Wein, gerade so wie das Alter seiner Rebstöcke. Und die Vegetationsperiode vom Austreiben bis zur Lese so wie die jahrelange Erfahrung des Weinbauers. Die Gärung und Klärung wie die Reifung. Wein ohne Zeit ist … und so schmeckt er auch.

Wein = Zeit = Geduld

Vincent Dauvissat bemerkt, dass die Ungeduldigen seinen Chablis Grand Cru Les Clos karaffieren, während die Passionierten den Wein öffnen, einschenken und dann zuerst einmal eine halbe Stunde seine Entwicklung riechen, bevor sie trinken.

Eine ganz kleine Blaufränkisch Hochegg Vertikale

Immer wieder schön nachzuschmecken sind die diversen Dimensionen von Zeit in Vertikalen – in einem Wein aus verschiedenen Jahrgängen im Vergleich. Und beim Blaufränkisch Hochegg von Karl Schnabel kommt noch dazu, dass er auf einem mineralreichen Schieferboden aus dem Paläozoikum gewachsen ist, auf einem Boden, der ungefähr 200 000 000 Jahre älter ist als die Kreideböden der Champagne.
Monsieur Schnabel fügt den Trauben von diesen alten Böden nichts dazu, keinen Schwefel, keine Pulverl und keinen Filter. Keine zugekauften Nahrungsergänzungsmittel für den Boden und kein Traktor im Weingarten, dafür Sense, Hinterwälder Rindviecher und Karsthaue.

Diese Woche glasweise in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils
Blaufränkisch Hochegg 2009, Karl Schnabel, Sausal
Blaufränkisch Hochegg 2010, Karl Schnabel, Sausal
Blaufränkisch Hochegg, 2011, Karl Schnabel, Sausal
… wie immer nicht ausschließlich diese Weine.

Wetter und Zeit

2009 gilt als heißer Jahrgang, 2010 als kühler, 2011 wieder als heißer. Dass die Franzosen für das Wetter und für die Zeit ein und dasselbe Wort temps verwenden, ist vielleicht auch kein Zufall.

Donnerstag, den 8. Oktober und Freitag, den 9. Oktober
von 16 bis 22 Uhr
in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

20 Jahre Wiener Integrationshaus

Eigentlich hat Herr Rudolf versprochen, diese Woche einen Bogen um die Heiligen zu machen, zumal ihm das Konzept von amtlich heilig zertifizierten Menschen sowieso nicht uneingeschränkt geheuer ist. Aber es ist Folgendes: Die Weinauktion zu Gunsten des Integrationshauses, eine der Lieblingsveranstaltungen vom Rudl steht ins Haus. Gute Weine zum Ersteigern, gute Weine zum Trinken und vor allem ein äußerst guter und bedauerlicherweise dringender Zweck. Das Integrationshaus feiert heuer einen runden Geburtstag. Vielleicht findet die Auktion deswegen am 11.11., dem burgenländischen Landesfeiertag. Das ist der Tag des Heiligen Martin.
http://www.integrationshaus.at/de/veranstaltungen/event.shtml?271

Herr Rudolf grüßt verbindlichst und wünscht eine schöne analoge Zeit!

Der Hl. Herr Franz – ein ungemütliches Französchen am Beginn einer neuen Zeit

Die Uhr und das Ich beenden das Mittelalter

 

Wenige Jahre bevor das iPhone7 das Licht der Welt erblickt haben wird, werden Menschen Uhren getragen haben. Und diese Menschen haben es für möglich gehalten, dass sich die Welt – die reale Welt, nicht die im iPhone7 – von ihrem Ich beeindrucken, vielleicht sogar beeinflussen lässt – beides charakteristisch für die Neuzeit. Noch früher war alles eines und der Mensch im Einen gut aufgehoben. Keine Uhr, kein Ich, nur das Eine. Das war das Mittelalter. Manche möchten wieder zurück ins Alleine, mit Stacheldrahtzäunen, elektronischen Daten oder Identifikationsphrasen. Auf mobile Endgeräte, Pensionsansprüche und Wochenendflugreisen wollen sie aber nicht verzichten. Darum ist die Rückkehr zum Alleinen keine Option. Da können Boulevardsprachartisten und ein paar Hetzer noch so hartnäckig etwas anders probieren. Das Mittelalter ist vorbei und mit diesem – zumindest in Europa – Brutalität, Gestank und hygienische Zustände, dass es einer Sau gegraust hat. Die Zivilisation war damals sowieso wo anders. Dafür hatte in Italien, Südfrankreich und ein paar anderen pulsierenden Gegenden Europas gerade der Kapitalismus angehoben.

 

Seinerzeit …

 

… im dreizehnten Jahrhundert hat in Assisi ein Narr gelebt. Ihm verdankt es die Welt, dass das Mittelalter positiv und vor allem herausfordernd zu Ende gegangen ist.

Sein Vater hat die Menschen mit „neichn Schoin“ versorgt, gerade so wie die Frau Gerti. Als sein Sohn, der kleine Giovanni auf die Welt gekommen ist, war der Tuchhändler gerade auf Dienstreise in Frankreich. Darum hat er den Bamperletsch bei seiner Rückkehr „Francesco“ (Französchen) gerufen.

Der hat es zuerst einmal ordentlich krachen lassen. Und wenn sein Vater nicht den entscheidenden Fehler gemacht hätte, ihn lesen, schreiben und rechnen lernen zu lassen, was möglicherweise für einen Kaufmann nicht selbstverständlich war und ist, dann hätte der Fils vielleicht eh nie bemerkt, dass Viel und Gut zwei unterschiedliche Kategorien sind. Den Vater hat diese Erkenntnis nicht euphorisiert. Und die Oberjassen im Franziskanerorden ein bissl später auch nicht. Die haben die ersten biographischen Schriften über ihren Ordensgründer vernichten lassen. Sie haben Angst gehabt, dass diese Biografien den „durch die veränderten Verhältnisse geforderten neuen Einrichtungen“ nicht förderlich sein könnten. „Die veränderten Verhältnisse“, so nannte Bonaventura das, was aus Schweiß und Maschinen Reichtum gemacht hat, das industrielle Kapital.

 

Uhren und Bürger

 

Keine hundert Jahre nach dem Tod Francescos war in Mailand die erste mechanische Uhr montiert worden. Und damit hatte eine neue Zeit begonnen, in der gleichmäßig dahinfließende und messbare Zeit Arbeitsteilung, Industrialisierung und Geschäfte ermöglicht hat. Bis heute tut sie das, die Zeit. Sie fließt gleichmäßig dahin und lässt sich messen. Und sie tut das überall gleichmäßig, außer auf den Anzeigen der Wiener U-Bahn. Herr Franz wollte diese Zeit partout nicht. Dass er sie nicht wollte und dass er sie erkannte, hatte er dem Umstand zu verdankten, dass er eben gerade als Bürger ein Kind dieser Neuzeit war. Der Neuzeit wiederum war das damals wurscht.

 

Gutmenschen, der Papst und die Viecherl

 

Die Mailänder Uhr hatte neun Jahre lang getickt, als die ersten radikalen Anhänger von Franz auf dem Scheiterhaufen in Marseille brannten. Als „gute Menschen“ hat man versucht, sie zu diskreditieren. Den Gebrauch von Geld haben die Gutmenschen abgelehnt, auf pulsierenden Märkten gepredigt, die Bibel studiert und ausschweifenden Mönchen und Pfaffen unmissverständlich die Meinung gesagt. Der Papst, auch kein Depp, hat Franz ganz hurtig heiliggesprochen und das Inquisitionsverfahren gegen Ketzer novelliert. Ein paar Mutige im Orden, nicht die, die in der Hierarchie ganz oben gestanden sind, haben die alten Biografien über Franz aufgehoben. Erschienen ist die erste solche Biografie non grata aber erst 1768. 1857 hat dann einer ein Buch über Franz von Assisi als politischen Menschen und seine Bezüge zum Klassenkampf geschrieben. Noch vor dem Ersten Weltkrieg ist dieses Buch vierzehn Mal neu aufgelegt worden. Das ist den Wichtigen endgültig über die Hutschnur gegangen und sie haben Franz als Viecherlfreund verkitscht. Bis heute mit Erfolg.

 

Ein Kind und die Mächtigen

 

Adolf Holl, auf den sich diese Ausführungen stützen, hat wie so oft auch über Franz von Assisi das Schönste und Gescheiteste geschrieben:

„Wir werden Franz weder als Heiligen noch als Ketzer betrachten. Wir werden Franz als den Narren erkennen, als den er sich selber bezeichnet hat; als einen, der die Mächtigen beim Arm nimmt, um ihnen wie ein Kind die Wahrheit zu sagen, mit einer Kraft, die sie zum Schweigen bringt. Sie singen uns ohnehin tagtäglich die Ohren voll.“ (Adolf Holl, Der letzte Christ. Franz von Assisi)

 

Dankbarkeit

 

Jetzt hätte Herr Rudolf um ein Haar vergessen zu erwähnen, warum er Ihnen das alles mitgeteilt  hat. Der Winzer und Wirt mit dem weltweit besten Musikgeschmack schätzt den Franz über die Maßen. Und ihm und dem Herrn Franz zu Ehren stehen diese Woche die ausgeschenkten Weine in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils im Zeichen der Dankbarkeit, auch im Zeichen der Dankbarkeit den Mutigen, Minderen und Unflexiblen, dem Sand im Getriebe der „neueren Einrichtungen“, den diese viel dringender brauchen, als sie das selber für möglich halten.

 

Diese Woche in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, glasweise und nicht ausschließlich:

 

Welschriesling 2013, Dankbarkeit

Muskat3 2013, Dankbarkeit

Pinot Noir 2010, Dankbarkeit

Pinot Gris Spätlese 2004, Dankbarkeit

Trockenbeerenauslese Schrammel 2012, Dankbarkeit

 

am Donnerstag, den 1. September und am Freitag, den 2. September

von 16 bis 22 Uhr

in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

 

Herr Rudolf grüßt die neue Zeit gerade so wie den alten Sand!

 

Kreide, Kalk und der Heilige Rupert. Ein verspäteter Beitrag zum Schulanfang

Verhaltensoriginelle Bildungsideologen

Vor zehn bis fünfzehn Jahren haben ein paar lustige Köpfe im Schulerhalterwesen eine Idee gehabt: die Schule ohne Papier. Beamer statt altvaterischer Tafel, Fernbedienung statt Overheadfolien und am allerbesten gleich Speichermedium statt Bücher. Auf einmal streuten justament jene, die bis dahin jede Methodenveränderung im Unterricht mit Argwohn quittiert hatten, den modernen Medien Weihrauch.
Schulmeister Rudolf hat damals Bedenken angemeldet, dass damit errungene Fortschritte auf dem Gebiet des ganzheitlichen Unterrichts gefährdet wären. Die Antwort der Experten: „Da brauchen Sie keine Angst zu haben.“ – der phrasegewordene Beweis dafür, dass etwas dem Wortsinn nach richtig, aber in seiner kommunikativen Bedeutung trotzdem ein Topfen sein kann. Wetten möchte der Rudl nicht müssen, dass diese Kapazunder das Wort „ganzheitlich“ damals verstanden haben.

Wir verändern die Welt von gestern

Jetzt tröten die Bildungsexperten selber das Lied von der Ganzheitlichkeit, wie unter derartigen Vorzeichen fast immer: in stark trivialisierter Variante. Sie stellen Ergometer in Schulklassen, deregulieren und uniformieren als gäbe es kein Morgen und reformieren einmal so richtig das System, ein System, das sie vom Hörensagen oder ihrer eigenen Schulzeit in den Siebziger Jahren kennen. Es zählt das, was sie, die Generation Sechzigplus – als praxisrelevant erachtet. Rückfragen unerwünscht.

Die Revolution der Kreide

Schulmeister Rudolf, selber vom Geist der Veränderung und des Überdenhaufenschmeißens motiviert in diese Profession geraten, hätte sich am Beginn seiner Berufslaufbahn nicht träumen lassen, dass er einmal ein Stück Kreide als Symbol für didaktische Lebendigkeit und methodische Zuverlässigkeit betrachten würde.

Wein

Und damit sind wir beim Wein: Kreide – das sind beim Wein Kalkböden. In der Champagne, in Vouvray und Teilen Savoyens aus der Kreidezeit, in Chablis, Sancerre und beim Marestel aus dem Jura, manchmal auch aus dem Trias. Kalkböden – da war Herr Rudolf nach eingehendem Nachdenken selber ein bissl überrascht – kommen in den österreichischen Weinbaugebieten gar nicht so häufig vor. Vermutlich deshalb, weil die Weinbaubundesländer für österreichische Verhältnisse doch relativ weit entfernt von den Kalkalpen liegen, wenn man die Region Bergland (Vorarlberg, Tirol, Salzburg, Oberösterreich und Kärnten) einmal außer Acht lässt.
In den französischen Weinbauregionen gibt es dafür umso massiver Kalk. Und von einigen dieser vielen französischen und wenigen österreichischen Böden offeriert Caviste Rudolf diese Woche glasweise Wein, auch einen aus dem kalkreichen Bundesland Salzburg, wo der Heilige Rupert am 24. September Namenstag und Kirtag feiert. Auch der hat seinerzeit den Menschen, konkret den Iren und Schotten, etwas beigebracht.

Grüner Veltliner Hundsberg 2009, Uibel, Weinviertel
Salzburger Hochthron (Chardonnay) 2011, Reiterhaindl, Bergland, Salzburg
Grüner Veltiner Rosenber Reserve, Josef Salomon, Falkenstein Weinviertel,
Zierfandler 2014, Friedrich Kuczera, Gumpoldskirchen, Thermenregion
Mondeuse 2011, Domaine Dupasquier, Aimavigne, Savoie
Marestel 2010, Domaine Dupasquier, Aimavigne, Savoie
Altesse 2011, David et Frédéric Giachino, Savoie

… das definitiv nicht ausschließliche Ausschankprogramm

am Donnerstag, den 24. September und am Freitag, den 25. September
von 16 bis 22 Uhr
in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

Herr Rudolf grüßt die Irinnen, die Schottinnen, die Ruperts und alle anderen auch!

A wie Altesse bis Ὠ wie Omega-3-Fettsäuren

Das Reindorfgassenfest 2015 ist vorbei und ab jetzt gibt’s keine Würschtl, abgesehen von den Trockenwürsteln der Fleischerei Karlo in Pamhagen.
Vor gut drei Monaten hat Herr Rudolf an dieser Stelle gefühlte vierundsechzig Seiten über eine seiner Lieblingsrebsorten, die Altesse, geschrieben.
An und für sich vierundsechzig Gründe, nicht gleich drei Monate später wieder damit daher zu kommen.

Aber

… jetzt ist es dem Rudl nach jahrelangem Bemühen endlich gelungen, an ein paar Altesse-Reben zu gelangen. Und er hat sie fast drei Wochen lang heil über lange Autofahrten, Ferienwohnungs- und Hotelaufenthalte gerettet. Dem will selbstredend Rechnung getragen sein. Darum steht diese Woche im Zeichen der einzigen Rebsorte, der in Savoyen eine Rebsortenappellation – A.O.C. Roussette de Savoie – zuerkannt worden ist: Altesse in ihrer Bandbreite.

Aromentechnisch

… hat Caviste Rudolf vor drei Monaten das eine und andere von sich gegeben und erspart Ihnen deshalb eine Repetition. Gegebenenfalls kann man dem Rudl seine Ausführungen über Gendergerechtigkeit bei Rebsortennamen und die Freiheit des Erdbeerjoghurts unter dem Titel „Die Hoheit Altesse und die königliche Tafel von Josef Umathum. Eine Urlaubslektüre “ im Newsletter vom 8. Juni dieses Jahres oder unter www.wein-polifka.at nachlesen. Auch dass Altesse oft nach Honig, Mandeln, Haselnüssen und Quitten schmeckt, steht dort. Darum wird sich Rudolf Polifka dieses Mal auf die regionalen Unterschiede der Altesse konzentrieren, so skeptisch er selber diesem Unterfangen gegenüber steht.
Heute scheint es möglich, einen neuseeländischen Sauvignon Blanc so schmecken zu lassen wie einen südafrikanischen. Ist es dann nicht fragwürdig, bei einer Rebsorte nach geschmacklichen Unterschieden zwischen diversen Crus zu suchen, wenn die äußerstenfalls achtzig Kilometer von einander entfernt wachsen? Monsieur Polifka betrachtet die folgenden, der jüngsten Fachliteratur entnommenen Herkunftscharakteristika als Arbeitshypothesen, deren Gehalt man diese Woche in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils untersuchen kann.

Seyssel

… liegt sechzig Kilometer nördlich von Chambéry. Altesse soll dort tendenziell nach Veilchen schmecken. Verifizieren oder Falsifizieren wird man das an der
Altesse 2013 von Georges Siegenthalers Garagenweingut Domaine de Vens-Le-Haut können.

Serrières-en-Chautagne

Ob Weine der aristokratischen Rebsorte in Frangy – wie in der Fachliteratur angegeben – nach Marillen schmecken, muss bis auf Weiteres ungeprüft bleiben. Der Rudl hat keinen von dort. Allerdings befindet sich gut zwanzig Kilometer südlich von Frangy Serrières-en-Chautagne, wo Monsieur Jacques Maillet hoch oben am Berg hoffentlich noch lange nicht in Pension geht. Seine Altesse wird möglicherweise erahnen lassen, ob das mit den Marillen in Frangy stimmen kann.

Marestel

In Jongieux gibt es den Cru Marestel, benannt nach Claude Marestel, dem weisen Oberkellner von Graf Emmanuel-Philibert aus dem sechzehnten Jahrhundert. Der Wein schmeckt nach Passionsfrucht, gegrillten Mandeln, weißen Trüffeln und Palmherzen. Dass der Marestel von der Domaine Dupasquier, wenn er zwanzig Jahre oder älter ist, nach weißen Trüffeln schmeckt, davon haben sich die Geschmacksrezeptoren von Monsieur Rudolf schon eigenhändig überzeugen können. Ob dieser Geschmack auch schon im 2010er zu finden ist, wird zu ermitteln sein.

Monterminod

Geschmack nach Grapefruit, Ananas, Wachs und Honig wird ihm zugeschrieben. Nicht einmal zehn Kilometer davon entfernt ist die Altesse 2011 von David und Frédéric Giachino aufgewachsen. Sie wird diesen Teil von Savoyen vertreten.

IGP Isère

Etwa zwanzig Kilometer außerhalb Savoyens, im Departement Isère, hat Nicolas Gonin 2005 das Weingut seines Onkels übernommen und auf biologischen Weinbau umgestellt. Seine Altesse 2013 muss den sogenannten „Rest der Welt“ repräsentieren.

Albertville

Gleich hinter dem Kirchturm von Saint-Sigismond in Albertville erheben sich die Weingärten, die Jean-Yves Peron gepachtet hat. Und aus den Trauben, die dort wachsen, macht er den, soweit de Rudl weiß, einzigen Orangewine aus Altesse, möglicherweise einen der extremsten, die Herr Rudolf je getrunken hat: La Grande Journée 2012, Jean-Yves Peron

Quartz

Dann ist da noch Cevins, am Weg von Albertville hinein nach Val d’Isère. Dort ist die längste Zeit Wein gewachsen. Und dann ziemlich lange Zeit kein Wein mehr, bis Michel Grisard und Brice Omont sich in den Kopf gesetzt haben, dort wieder einen Weingarten zu pflanzen, auf bis zu 60 % Hangneigung. Während der Rudl Argile und Schiste von der Domaine des Ardoisières schon das eine oder andere Mal glasweise kredenzt hat, harrt Quartz bis jetzt geduldig seiner Ausschank-Premiere. Bis jetzt. Es handelt sich beim Quartz um reinsortige Altesse. In der Regel steht Altesse fast ausschließlich auf Kalk. Quartz steht, genauso wie La Grande Journée auf Glimmerschiefer und Quarz und ist, soweit Caviste Rudolf weiß, die teuerste Altesse Savoyens und damit der Welt, zumindest wenn man gereifte Exemplare dieser Rebsorte außer Acht lässt.
Die Revue du Vin de France bezeichnet die Domaine des Ardoisières als das vorrangig zu entdeckende Weingut, das symbolhaft für die Qualitätsrenaissance in dieser Region steht.

For something completely different: Wurzeln

Dass die Rebsorte Altesse von der verrückten Henne und Tochter des Königs von Zypern und Jerusalem, Anne de Lusignan, nach Savoyen gebracht worden sei, dürfte so wenig historisch sein wie die ungleich unsympathischere These, dass sie einem Kreuzzug des Grafen Amédée VI. zu verdanken sei.
Letzte Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Altesse aus der ungarischen Familie des Furmint stammt. Diese Weine waren seinerzeit dem Herrscherhaus vorbehalten. Darum der Name „Altesse“ – die Hoheit. Das halten zumindest der renommierte Ampelograph Pierre Galet und das in diesen Belangen auch nicht ganz unerhebliche Schweizer Institut de Changins für wahrscheinlich.

Vielleicht ist das genau die Zeit, Altesse zu trinken. Und vielleicht erinnert sich zufällig irgendwer in Ungarn, welche großartigen Beiträge dieses Land früher einmal zur Geschichte des Kontinents geleistet hat.

Herrenhof Lamprecht

Und dann ist es Zeit, wieder einmal den Furmint 2013 vom Herrenhof Lamprecht aufzumachen. Es ist Gottfried Lamprecht nicht hoch genug anzurechnen, diese Rebsorte wieder in die Steiermark zurück gebracht zu haben. Allfällige verwandtschaftliche Beziehungen zur Altesse können bei dieser Gelegenheit rekonstruiert werden.

Rebsortencharakteristika

Altesse reift sehr spät und nimmt in der Vollreife einen roten Farbton an. Sie steht gerne auf kargen Kalkböden, erweist sich als relativ resistent gegenüber Fäulnis und Oidium, aber anfällig für Peronospora, Trauben eher lockerbeerig, Beeren elliptisch.

Speisebegleiter

Évelyne Léard-Viboux bezeichnet Altesse als „grande dame qui a la classe de coeur“, die besonders auf Hechtnockerl (Lyoner Spezialität) oder Felchenfilet (Genfer See), beides reich an Omega-3-Fettsäuren, reflektiert. Ernährungsstudienrat Polifka nimmt das wieder einmal zum Anlass, Sie darauf hinzuweisen, dass es ausgesprochen willkommen ist, wenn Sie sich das Essen zum Wein selber mitbringen, quasi Weinbegleitung in Form von Jause oder – falls Sie logistische Herausforderung schätzen – warum nicht Hechtnockerl oder Felchenfilet.

Altesse 2013, Domaine de Vens-Le-Haut, AOC Seyssel
Altesse 2013, Jacques Maillet, Serrières-en-Chautagne, AOC Vin de Savoie
Marestel 2010, Domaine Dupasquier, Jongieux, AOC Roussette de Savoie
Altesse 2011, David et Fred Giachino, Chapareillan, AOC Roussette de Savoie
Altesse 2013, Nicolas Gonin, Saint-Chef, IGP Isère
Quartz 2012, Domaine des Ardoisières, Cevins, Vin de Pays d’Allobrogie
La Grande Journée 2012, Jean-Yves Peron, Albertville, Vin de France
Furmint 2013, Herrenhof Lamprecht

… soweit das wie fast immer nicht ausschließliche Programm der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils

am Donnerstag, den 17. September und am Freitag, den 18. September
jeweils von 16 bis 22 Uhr
in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

Neuigkeiten im Flaschensortiment

Ab sofort sind Grüner Veltliner Steinfeder 2014, Grüner Veltliner Federspiel Klostersatz 2014 und Riesling Smaragd Achleiten vom Weingut Schmidl in Dürnstein, sowie ein Grüner Veltliner Landwein im Doppler vom Weingut Staringer in Stillfried (Weinviertel) verfügbar.

Herr Rudolf wünscht Ihnen einen anregenden Start in das neue Bildungsjahr und sich den lauwarmen Südwind zum Teufel oder zumindest ganz weit weg!

Prolog. Keine Riesling-Vertikale 1973 bis 1976, zumindest keine synchrone

Am Donnerstag, den 10. September beendet der Rudl seinen Sommerschlaf und kredenzt einen möglichst repräsentativen Querschnitt durch sein Sortiment und ein bissl darüber hinaus. Am 11. und am 12. September findet dann das Reindorfgassenfest statt. Auch da hat Monsieur Rudolf selbstredend geöffnet.

Reindorf

Über Reindorf ließe sich viel schreiben. Das Epizentrum des 15. Bezirks war seinerzeit von einem Meer bedeckt. Irgendwann hat dieses Meer dann begonnen sich zurückzuziehen und ein Binnenmeer zu bilden. Das muss ungefähr vor knapp siebzig Millionen Jahren gewesen sein, damals als das Erdmittelalter an die Erdneuzeit übergeben hat. Irgendwann hat dann auch das Binnenmeer den Hut drauf gehaut und es ist kalt geworden in Reindorf und darüber hinaus. Aus dem Frost resultierte Schutt, den wiederum Donau und Wienfluss in das Wiener Becken befördert haben. Der Wienfluss ist früher einmal mehrere hundert Meter breit gewesen. Aber das war vor dem Bau der U4. Damals hat die Wien als Fischwasser und Energiequelle Menschen ernährt. Der größte Mühlbach befand sich dort, wo jetzt Ullmannstraße und Mollardgasse nach dem Motto „Parkplätze statt Mehl!“ bewirtschaftet werden.
Wenn es am Ende einer Eiszeit warm geworden ist, haben sich Donau und Wien in die Schottermassen hinein geschnitten und Terrassen gebildet, je weiter weg vom Wasser, desto älter die Terrasse. Reindorf liegt auf der ältesten dieser Terrassen, der Laar-Berg-Terrasse, die an der musikgeschichtlich vermutlich berühmtesten Gehsteigkante der Welt beginnt und im Türkenschanzpark endet.

Geologischer Überbau

Reindorf ist bedeckt von einer dünnen Lössschicht, die im Lauf der Zeit vom Kalk und Sandstein aus dem Wienerwald integriert worden ist, oder umgekehrt. Sehen tut man beides nicht, weil der Großteil von Reindorf zuasphaltiert ist. Rudolfsheim-Fünfhaus ist der Bezirk mit den anteilsmäßig dritthöchsten Verkehrsflächen. Drum juckt es den Rudl immer wieder, wenigstens ein ganz kleines Fleckerl auf der Kreuzung Ölweingasse – Reindorfgasse zu begrünen, gerade so groß, dass ein Weinglasl drauf Platz hat, aber dazu fehlt der politische Wille, wie man sagt.

Basis

Die handfeste Basis des Ganzen stellen vor allem aus den Alpen zugewanderte Quarze dar. Ob das der Grund ist, warum Rudolfsheim-Fünfhaus bei Wahlen kein gutes Pflaster für Hetzer ist, oder die gute Durchmischung der Bevölkerung, die dafür sorgt, dass man einander kennt und nicht angafft, das weiß der Rudl nicht und es ist ihm auch egal, solange es nur so bleibt.

Nix fia unguat

Direkt maßgeschneidert für einen Bahööö wie das Reindorfgassenfest ist dem Rudl sein Einkaufsgeschäft ja nicht oder vice versa. Darum ersucht Monsieur Polifka Sie, gewogene Oenologin, geneigter Oenologe, gleich am Beginn des Trimesters um Nachsicht im Falle der einen oder anderen Inkonvenienz. Ein Pfand für das Hinaustragen von Gläsern und Flaschen zu verlangen ist auch dem Herrn Rudolf nicht die sympathischste Idee, aber es ist ihm noch nichts Schlaueres eingefallen. Und bevor er den Wein in Einwegbecherl füllt, sperrt er lieber ganz zu. Dasselbe betrifft die eine oder andere Minute des Wartens beim Anstellen. Die ist nicht auszuschließen. Aber auch da findet der Rudl nur das Vordrängen noch blöder als das Warten.

Auf alle Fälle kredenzt Herr Rudolf diese Woche folgende Weine

Grüner Veltiner Landwein, Staringer, Weinviertel
Grüner Veltliner Vollmondlese, Uibel, Weinviertel, 2014
Jacquère, Domaine Dupasqier, AOC Vin de Savoie, 2010
Blaufränkisch Landwein, Alfred Weber, Südburgenland
Zweigelt, Biohof Heideboden, Neusiedlersee, 2012
Mondeuse, Jacques Maillet, Vin de Savoie, 2013
Riesling, Klinglhuber, Kamptal, 1973
… und sollte sich der Dreiundsiebziger großer Beliebtheit erfreuen und deshalb leer sein, wird der Rudl den Vierundsiebziger vom selben Weingut aufmachen und dann gegebenenfalls den Fünfundsiebziger. Nach dem Klinglhuber Riesling aus dem Jahr 1976 wäre dann auf alle Fälle Schluss. Den Siebenundsiebziger hat Herr Rudolf nicht in Wien lagern.
Dazu gibt es das Bräustübl Märzen aus Salzburg Mülln und Trockenwürstel vom Steppenrind aus Pamhagen.

Carambar

Monsieur Rudolf hat diesen Sommer zum ersten Mal in seinem Leben bewusst einen Corton-Charlemagne getrunken hat. Dieses Geschmackserlebnis möchte er gerne mit Ihnen teilen. Darum gibt es für die ersten vierzig Kundinnen und Kunden der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils ein eigens aus Frankreich importiertes Carambar. Die Aufzeichnungen vom Rudl über den Corton-Charlemagne bestehen aus genau diesem Wort.

Donnerstag, den 10. September von 16 bis 22 Uhr
Freitag, den 11. September ab 16 Uhr und
Samstag, den 12. September ab 14(!) Uhr

Nachrichten aus dem Flaschensortiment

Caviste Rudolf freut sich, eine Rotweincuvée von der Domaine des Ardoisières anbieten zu können: Améthyste, 60 % Persan, 40 % Mondeuse Noire, gewachsen auf bis zu 60 Grad steilen, nach Süden ausgerichteten kargen Schiefer-Terrassen im Tal der Isère.
Und eine zweite Errungenschaft: Das Weinviertel mag der Monsieur Polifka besonders. Drum ist es im Sortiment seines Kaufladens auch gut vertreten. Aber jetzt kann er zum ersten Mal einen soliden Weißen im Zwei-Liter-Gebinde, das dessen Arterhaltung dem Rudl ja auch nicht ganz egal ist, anbieten: Grüner Veltiner Landwein vom Bio-Weingut Staringer aus Stillfried an der March.

Herr Rudolf wünscht einen agréable Eintritt in die R-Monate! Allez-y!

Aux cîmes, les Gams! Vier Weine und vier Weinbegleiter

Heute Montag reposieren die Radrennfahrer. Caviste Rudolf tut es ihnen gleich. Morgen, am Dienstag, touchieren sie dann fast seine Lieblingsappellation Irouléguy, die südwestlichste Appellation Frankreichs. Hinfahren geht jetzt nicht. Darum touchiert der Rudl die Etappe boutuell. Und weil die Weinhandlung Rudolf Polifk et Fils in der dritten Tour de France Woche aus studienreisetechnischen Gründen geschlossen bleiben wird, ergänzt Monsieur Polifka jeden Etappenwein durch einen geologisch vergleichbaren aus den französischen Alpen, wo sie dann ja in der dritten Woche mit ihren Vélocipèden herumkraxeln werden.

Irouléguy

ist eine Bergappellation. Aber dort wo Wein wächst, wächst er schon lange, seit dem elften Jahrhundert. Damals ist den Mönchen von Roncevaux die Offenbarung zuteil geworden, dass Schafkäse gut schmeckt, Wein aber auch nicht schlecht. Deshalb haben sie Weingärten zwischen und teilweise auch auf den Schafweiden angelegt. Michel Riouspeyrous von der Domaine Arretxea hält das immer noch für eine gute Idee. Darum düngt er seine Weinstöcke mit Schafmist. Und im Winter düngen die vierbeinigen Wollträger die Weingärten direkt.

aufi und owe

Die Mischung aus Atlantik- und Gebirgsklima mit viel Wasser im Winter und im Frühling, aber viel Sonnenschein im Sommer und im Herbst, ist in Frankreich einzigartig. Der trockene Herbstföhn kommt von Spanien herüber und haut sich auf der französischen Seite über die Pyrenäen herunter. Gefährlich ist der Spätfrost im Frühjahr. Darum werden die Reben auf ziemlich hohen Stämmen gezogen. Der Boden ist ein geologischer Fleckerlteppich: vulkanischer Ophite, Schiefer, Kalk, rostbraun eisenhältiger Sandstein und noch einiges andere mehr.

konsequent oder blöd

Bemerkenswert an der Appellation ist auch, dass sie bis vor wenigen Jahren als Rotweinappellation gegolten hat. Aber an einigen Winzern aus Irouléguy kann man schön sehen, dass Beharrlichkeit und Dummheit zwei zwar oft böswillig verwechselte, aber in Wirklichkeit grundverschiedene Wesenszüge sind, meistens zumindest. Auch wenn noch so viele Generationen vor allem Tannat und Cabernet Franc gesetzt haben, haben ein paar Weinbaumeister, Michel Riouspeyrous auch hier wieder der Pionier, die Arbeitshypothese zugelassen, dass die geologische Vielfalt der Zweihunderthektarappellation Weißweinen gar nicht so unfavorabel sein könnte. Und so ist Monsieur Rudolf selber einmal
gefragt worden: „Vous aussi, vous croyez, que l’appellation est mieux pour les blancs?“

Die Fischsuppe Bisque gilt als Spezialität der Basken, aber ziemlich sicher nur deshalb, weil die Basken die Neusiedlerseefischsuppe vom Gasthaus zur Dankbarkeit nicht kennen. Wenn Sie möchten und über das erforderliche Equipment verfügen, könne sie sich ja ein Becherl Bisque und ein Becherl Fischsuppe von der Dankbarkeit in die Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils mitbringen und vergleichen.

10. Etappe, Quatorce Juillet, Tarbes – La Pierre Saint-Martin
Für den Fall, dass Sie gerade keine Suppen bei sich haben, aber trotzdem etwas vergleichen wollen, öffnet der Rudl am Dienstag, dem Tag des Sturms auf die Bastille, an dem die Radler dieses Jahr in das Baskenland fahren, nicht nur ein Flasche

Hégoxuri 2012 von der Domaine Arretxea und eine Flasche
Le Feu 2012 von der Domaine Belluard aus Ayze in den Alpen

Der hohe Eisengehalt im Boden und der Geschmack vom Caviste Rudl verbinden diese beiden Weine. Zwei von fünf oder sechs Weinen, wegen derer Rudolf Polifka privat die Weinsuchmaschine strapaziert.

Jurançon

11. Etappe, 15. Juli, Pau – Cauterets
Vom Gave de Pau bis zum Gave d’Oloron erstreckt sich ein Höhenrücken, der der Quere nach von einigen Flüssen durchschnitten wird. Von oben schaut das aus wie ein Baguette. Bedeckt ist das Baguette mit dem sogenannten Poudingue de Jurançon, einem Tonboden, der mit glaskugerlgroßen Kieselsteinen durchsetzt ist, Süßwasserkalkstein, Mergel, Sand, … tertiäre Molasse.
Auf einem vergleichbaren Boden arbeitet Samuel Delalex in Marin, gleich neben der Quelle von Evian am Genfer See, nur dass die Steinderl dort von den Alpen herunter gespült werden, wohingegen die im Jurançon jetzt in den Pyrenäen fehlen. Kalk, Mergel, Ton, Sand und Eisen da wie dort. Darum macht Herr Rudolf am Tag der elften Etappe ein Flascherl

Jurançon sec, 2011, Domaine de Souch und einen
Marin, Clos de Pont 2009, Domaine Delalex auf.

Zwei unterschiedliche Weine von zwei vergleichbaren Böden. Der Jurançon kraftvoll und exotisch, der Marin kristallklar und schlank wie das Wasser aus der Evianquelle nebenan. Sollten diese beiden Weine außer ihrem Aggregatszustand noch etwas gemeinsam haben, dann kann das fast nur vom Boden kommen. Und weil trotzdem ziemlich sicher die Unterschiede überwiegen werden, könnten Sie sich ja ein Baguette mitbringen, um zwischen dem Konsum der beiden Weine Ihren Gaumen zu neutralisieren. Ob das auch mit einem Pudding geht, müsste man ausprobieren.

Collioure

12. Etappe, 16. Juli, Lannemazan – Plateau de Beille
Dann rollt es Richtung Osten. Fast bis auf Andorra. Dort soll auf über tausend Metern Riesling wachsen. Den hätte der Rudl natürlich gerne offeriert, aber das geht nicht.
Gar nicht so weit weg von Andorra befindet sich die Appellation Banyuls, eine Appellation für gespritete Weine mit ansehnlichen Alkohol- und Restzuckerwerten, Weine, die man wahrscheinlich eher zu einem Fünfzigkilometerlanglaufrennen trinkt als im Juli. Allerdings gibt es eine Appellation für trockene Rote und Weiße, die AOP Collioure. Dort stehen auf präkambrischem Schiefer und Gneis die Weingärten der Domaine de la Rectorie.
Schieferweingärten gibt es in Savoyen auch. Und neuerdings wird dort auch wieder Wein gepflanzt. Brice Omont und Michel Grisard haben in Cevins einen traditionellen Weinberg rekultiviert, die Domaine des Ardoisières, die Domaine der Schieferplatten. Bemerkenswerterweise haben die Domaine de la Rectorie in Banyuls und die Domaine des Ardoisière einen Wein, der Argile blanc heißt. Der mediterrane besteht aus zu 90 % aus Grenache Gris und zu 10 % aus Grenache Blanc, der alpine aus 70 % Jacquère und 30 % Mondeuse Blanche. Für gewöhnlich ist auch Chardonnay dabei. Aber 2013 haben die Schafe die Chardonnay-Lese übernommen.

Collioure, Argile blanc, 2010, Domaine de la Rectorie
Vin de Pays des Allobroges, Argile blanc, 2013, Domaine des Ardoisières

Gaillac

13. Etappe, 17. Juli, Muret – Rodez

Dann geht es in Richtung Alpen, knapp an Gaillac vorbei. Der Kalk dort ist noch weißer als Kimmeridge, vielleicht weil er mehr als hundert Millionen Jahre jünger ist. Das muss schon unter den Römern so gewesen sein. Deshalb haben die den roten Kaolinit-Ton, zu dem der weiße Kalk in Gaillac verwittert für ihre Amphoren und Ziegelsteine verwendet. Davon kündet unter anderem die Kathedrale von Albi. Vielleicht hat dieser Mangel an Jahren die Gaillacois in den Neunziger Jahren verleitet, auf ihre alten, möglicherweise von den Römern mitgebrachten Rebsorten zu pfeifen und wie die Wilden Sauvignon, Semillon, Chardonnay und Muscadelle zu pflanzen. Alle Gaillacois? Nein, die Familie Plageoles hat da nicht mitgespielt. Die hat gerade umso mehr Ondenc, Fer Servadou, Brocol, Duras, Mauzac und l’En de l’El – ein Dialektname für loin de l’oeil (aus dem Auge) gepflegt. Darum sind die jetzt eben nicht mehr aus dem Auge, sondern werden auch von anderen Weinbauern wieder entdeckt.
Und dazu einer vom alten steilen Kimmeridge-Kalkfelsen hinter der Domaine Dupasquier in Jongieux, dort wo der Montagne du Chat zur Rhône hin abfällt.

Ondenc, 2011, Domaine Plageoles
Altesse, 2009, Domaine Dupasquier

Der Wein zur Pyrenäen-Etappe, im vorauseilenden Ungehorsam ein darauf geologisch abgestimmter Vorbote der Alpen(etappen) und ein paar andere Weine schüttet Herr Rudolf diese Woche in die Gläser.
Ab Samstag, den 18. Juli ist der Laden dann bis 10. September dicht. Es muss ja auch geforscht werden. Die Forschung ist unser höchstes Gut.

Dienstag, den 14. Juli,
Mittwoch, den 15. Juli,
Donnerstag, den 16. Juli und
Freitag, den 17. Juli
erst von 19(!) bis 22 Uhr
in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

Der Rudl bedankt sich und wünscht einen formidablen Sommer!

Die Tour de France fährt ins Massif Armoricain. Vertikale Muscadet Michel Brégeon 2002 bis 2011

Äpfel und Birnen

In der ersten Woche fahren die Radrennfahrer durch die nördliche Landeshälfte von Frankreich. Sie starten in Holland, queren Belgien, um darauf die Apfelbäume Nordfrankreichs zu bewundern. Am Freitag geht es dann in die Bretagne. Weingärten werden sie dort auch keine sehen, zumindest weiß Monsieur Rudolf von keinen nennenswerten, Apfelplantagen aber auch dort, es sei denn, es gibt auch in Nordfrankreich einen Gottfried Lamprecht, der Apfelbäume ausreißt und Weinstöcke einsetzt.

Norden und Süden

Die heurige Tour ist zweigeteilt. Zuerst Flachetappen und Wind für die Sprinter, dann Bergetappen für die Kraxler. Und der Wind ist wichtig für einen Wein, der so nahe an der Bretagne wächst, dass er schon ein bissl als bretonischer Wein gilt und in den Gaststätten dieser Region auch überproportional stark vertreten ist, den Muscadet. Wenn von dem die Rede ist, kommt oft schnell ein Klischée: Massenware, ausdruckslos, bestenfalls noch Austernwein. Und dort wo er wächst, kann man die salzige Meeresluft der Bänke, wo die Austern gefangen werden, riechen, anders als in Chablis und Sancerre, die auch als Austernweine gelten. Wobei Monsieur Rudolf lieber Muscadet mit Chablis oder Sancerre, vielleicht auch alle drei miteinander kombiniert, als irgendeinen Wein mit Austern.

Stein und Obst

Eine aromatisch eher neutrale Rebsorte wie der Melon de Bourgogne, der ausschließlich für den Muscadet zugelassen ist, hat es sicher beträchtlich schwerer als Chenin Blanc, Riesling oder Sauvignon Blanc. Deshalb wollte der Organisme de Gestion du Muscadet für die „Vins génériques“, das sind die regionsweiten Weine ohne Ortsergänzung, eine Genehmigung, neben dem Melon de Bourgogne auch Colombard, Chardonnay und Sauvignon Gris verwenden zu dürfen. Bemerkenswerte Begründung: Man will aromatischere Weine, die auch Jugendlichen zugänglich sind, offerieren. Vorschnell könnte das Zweifel am Geschmack der Jugend wecken. Aber wer weiß, ob der Organisme de Gestion du Muscadet letztere kennt?

Kaufleute und Radfahrer

Schuld daran, dass in den Muscadet nur Melon de Bourgogne hinein kommt, sind sowieso diese holländischen Kaufleute. Die haben den Bretonen im 17. Jahrhundert eingeredet, dass sie diese Rebsorte forcieren sollen, weil sie sich gar trefflich destillieren lässt. Bleibt zu hoffen, dass die Radler, ihre Funktionäre, Begleiter, Apotheker und Anhänger an den ersten beiden Tour-Tagen wenigstens ordentlich Muscadet zu sich nehmen. Das ist sauberer Radsport.

Kelten und Pariser

Und dann muss man natürlich schon auch dazu sagen, dass die Bretonen – den Savoyarden nicht ganz unähnlich – ganz gerne Extrawürstel braten. Vielleicht hat sich das auch in der Rebsortenwahl niedergeschlagen. Armorika, die Grafschaft am Meer, ist im sechsten Jahrhundert von den Kelten beglückt worden, weil die Angeln und Sachsen drüben keinen Wert auf deren Präsenz gelegt haben. Zu veritablen Fans der Zentralregierung in Paris hat das und alles seither Geschehene die Bewohner des Pays Nantais nicht gemacht.

Osten und Westen

Quasi als Grenzstadt zwischen Kult und Muscadet könnte man Angers betrachten, wobei das auch nicht ganz stimmt, weil westlich von Angers noch ein bissl Chenin Blanc auf Schieferböden wächst. Östlich gibt es auf alle Fälle Kultkalk aus dem Jura und der Kreidezeit, westlich Urgestein aus dem Massif Armoricain, dem Skelett des seinerzeit ziemlich gewaltigen herzynischen Gebirges aus Schiefer, Granit und dem noch härteren vulkanischen Gabbro, auf dem der Gorgeois von Michel Brégeon gewachsen ist.

Schmetterlinge und Monate

Die Region Muscadet hat die Form eines Schwalbenschwanzschmetterlings, dessen Kopf die Stadt Nantes darstellt. In der Mitte des Schwanzes rinnt die Sèvre und an der Sèvre liegt ein Weinberg aus dem magmatischen Gabbro für den Cru Gorgeois. Der muss 24 Monate auf der Feinhefe ausgebaut werden, damit die Cru-Bezeichnung auf das Etikett darf. Der von Monsieur Brégeon war 89 Monate auf derselben.
In gar nicht so wenigen Kreisen, die sich mit Wein befassen, gilt Mineralität als das Qualitätskriterium schlechthin. Möchte man meinen, dass der Muscadet an und für sich da prädestiniert wäre. Wie auch immer, Caviste Rudolf mag Muscadet, für den Muscadet von Michel Brégeon fährt er sowieso bis an den untersten Unterlauf der Loire, wenn es sein müsste auch ein paar Gewässer weiter und er hat sich wie ein Christkindl gefreut, dass er den vom Maître lui-même in sein Sortiment aufnehmen dürfen hat.

Meister und Nachfolger

Drum ist es dem Rudl ein Plaisir, in der ersten Tour-Woche endlich die Muscadet-Vertikale von Michel Brégeon öffnen zu dürfen: 2002, 2004 und 2005 von den rabiat langen Feinhefekontakten in der Burgunder-Flaschen und 2006, 2007, 2009, 2010 und 2011 vom Muscadet Sèvre-et-Maine in der klassischen Sur-lie-Flasche. Und der Elfer ist der erste Jahrgang, den Michel Brégeon im Ruhestand mitgekeltert hat. Hauptverantwortlich war sein Nachfolger Fred Lallier.

Muscadets von Gabbro-Böden gelten in ihrer Jugend als karg und verschossen, mit einer markanten Säure und einer besonders ausgeprägten Mineralität. Schauma einmal.

9 Muscadets, aber nicht ausschließlich die

am Dienstag, den 7. Juli, am Mittwoch, den 8. Juli,
am Donnerstag, den 9. Juli und am Freitag, den 10. Juli
von 19(!) bis 22 Uhr
in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

Und wer es ganz comme il faut mag, kann sich ein paar Austern mitbringen und zum Muscadet schlürfen. Aber eine Garantie die Bekömmlichkeit betreffend übernimmt der Rudl nur für die Muscadets.

Die zweite Woche der Frankreich-Rundfahrt wird es TV-Pedalist Rudolf mit dem Accord Etappe – Appellation wesentlich strenger nehmen. Da wird er wirklich jeden Tag das Flascherl aufmachen, das in der Gegend spielt, wo sie gerade unterwegs sind. Und immer auch einen passenden Accord aus den Alpen dazu, weil der Rudl ja die dritte Woche mit den Alpenetappen voraus fahren muss. Da wird das Geschäft dann zu sein und Herr Rudl samt Femme und Fils in den französischen Alpen.

Aux Vélos … oder zumindest an die Fernsehbildschirme, les CitoyenNEs!

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30 Jahre Glykolskandal. Ad multos annos!

Etymologie

„Glykerós“ ist das griechische Wort für „süß“, „Glykol“ sozusagen der Spitzname des Diäthylenglykols und ein griechisches „skándalon“ bedeutet „Anstoß“ oder „Verführung“. So steht es in der ersten Auflage des lesenswerten „Wörterbuchs der politischen Sprache in Österreich“ (Hg. Oswald Panagl und Peter Gerlich). Diese Wörterbuch erklärt knapp über fünfhundert Wörter. Dass „Glykolskandal“ eines davon ist, deutet darauf hin, dass der in der politischen Geschichte dieses Landes nicht ganz belanglos ist.

Biographie

Dem Rudolf Polifka kommt es vor, als wäre es vor ein paar Wochen gewesen: Um gepflegt Französisch zu lernen, haben ihn seine Eltern zu Bekannten nach Bergerac geschickt. Und obwohl sie das weder selber in nennenswerten Mengen zu sich genommen noch wirklich für österreichtypisch gehalten haben, wurden dem jungen Herrn Rudl Süßwein aus dem Seewinkel und Mozartkugeln aus Salzburg als Gastgeschenke in den damals noch radlfreien Koffer gestopft. Das muss Anfang Juli 1985 gewesen sein. In der Stadt des Mannes mit der langen Nase angekommen, hat der Rudl die Präsente auftragsgemäß ausgehändigt. Während die runde Marzipan-Nugat-Konditorware, die zumindest an den linken Gestaden der Salzbach schon ein bissl die Welt bedeutet, mit Freude entgegen genommen worden ist, haben sich die Reaktionen auf das flüssige Gold aus Illmitz etwas konsterniert ausgenommen, was dann wiederum den halbwüchsigen Rudl halbwegs verunsichert hat.

Troubleshooting à l’Autrichienne. Eine Chronologie

Dass man irgendwas im Wein gefunden hat, davon hatte der Rudl im April desselben Jahres schon etwas mitbekommen, aber sehr ausführlich war das in den Medien nicht thematisiert worden. Es wäre ja interessant, sich die einschlägigen Tageszeitungen dieser Wochen damals zwischen 21. Dezember 1984 und 9. Juli 1985 ausheben zu lassen und die Inserate der Nahrungsmittelindustrie im Allgemeinen und der Weinwirtschaft im Speziellen anzuschauen. Denn begonnen hatte das Ganze früher. Drei Tage vor Weihnachten 1984 war ein heute immer noch Unbekannter mit deutschem Akzent in der landwirtschaftlich-chemischen Bundesanstalt in Wien aufgetaucht und hatte eine Flasche auf den Tisch gestellt, mit dem Kommentar, dass dies die österreichische Weinfälscherszene verwende (Kurier, 2. Mai 2015).
Irgendetwas hat auf jeden Fall dazu geführt, dass die Leitmedien des Landes trotz der Hinweise ein gutes halbes Jahr andere Themen interessant gefunden haben. Vielleicht war es Sir Gascoignes Debut in der ersten englischen Liga, oder der Triumpf des Everton FC im Europacöp der Cöp-Sieger. Vielleicht war es Live Aid, oder der siebzehnjährige Wimbledon-Sieger Boris Becker.
Bernard Hinault hat in diesen Tagen damals gerade seine fünfte Tour de France gewonnen und an Gesamtsiegen mit Eddy Merckx und Jacques Anquetil gleichgezogen. Das ist bis heute der letzte Sieg eines Franzosen bei der Tour de France. Aber das hat damals noch niemand wissen können. Und so richtig in Atem gehalten hätte das die Redakteurinnen und Redakteure dieses Landes eher nicht.
Drum kann es der Rudl nicht ganz ausschließen, dass die Akzentsetzung des österreichischen Medieninteresses in diesen Wochen andere Gründe gehabt hat.
Am 9. Juli ist dann auf jeden Fall alles anders gewesen. Da hat dann der Hut gebrannt, und zwar ordentlich. Das Gesundheitsministerium der BRD hochoffiziell hatte vor dem Kauf österreichischer Prädikatsweine gewarnt. Lähmungserscheinungen und so. Ab dann: „Glykolskandal!“ Genau diese Tage müssen es gewesen sein, die zwischen dem Rudl seinem Reiseantritt und der Übergabe der Gastgeschenke in Bergerac gelegen sind.

Wonn da Huat brennt

Dass das offizielle Österreich damals auch etwas anderes als Abwarten und Grinsen kannte, hat es in den Wochen darauf ganz eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Noch im August 1985 ist ein strenges Weingesetz verabschiedet worden. Gegen die Stimmen jener Partei, deren Agrarvertreter bis heute nicht müde werden, fast eitel auf das strenge österreichische Weingesetz hinzuweisen.

Der Weinjahrgang 1985

… war quantitativ klein: Frost, Verrieselung, Hagel. Ein großes Probelm war das aber nicht. Die internationale Nachfrage hat sich in Grenzen gehalten. Qualitativ war der Fünfundachtziger außergewöhnlich gut, gehaltvoll, fruchtig und sortentypisch. Sortentypizität scheint sowieso ein Charakteristikum von quantitativ kleinen Jahrgängen zu sein.

Zeitbotschafter aus dem 85er-Jahr

Repräsentiert wird der 85er diese Woche bei Monsieur Polifka von drei Weinen aus den drei größeren Weinbaubundesländern

Nikolaihof Riesling Cabinet trocken, Weingebirge 1985
Erst mit 1986 haben sie in der Wachau die heute geläufigen Qualitätsstufen Federspiel und Smaragd eingeführt. Nikolaus Saahs sen. kann man ruhig als Doyen des biologischen und biodynamischen Weinbaus in Österreich bezeichnen. Er hat nie versucht, irgendwem irgendwas zu beweisen und dem Rudl kommt vor, dass man das auch schmeckt. Heute bewertet das Nomen Agentis von der abgegrenzten und mehr oder weniger gepflegten Freilufterholungsfläche einen Wein von Herrn Saahs mit hundert Punkten.
Der Riesling Cabinet Weingebirge 1985 hat 11 Prozent Alkohol. Das steht auf einem Etikett, das noch nicht den strengen Informationsrichtlinien des im August 1985 beschlossenen und 1986 novellierten Weingesetzes entspricht. Der Wein in der Flasche wurde von Herrn Saahs damals schon nach strengeren Regeln gekeltert, als sie in Österreich je gegolten haben oder gelten werden.

Otto Riegelnegg, Ollwitschhof, Riesling 1985
Das ist ziemlich sicher nicht der für lange Lagerung prädestinierte Wein. Aber der 1985er Weißburgunder Kabinett aus demselben Haus ist, der am 26. und 27. März dieses Jahres auf der Tafel der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils gestanden ist, war erstaunlich gut beisammen. So oder so, der Rudl hat keinen anderen steirischen Wein aus diesem Jahr. Darum wird er einmal schauen.

Weingut der Stadt Rust, Weißburgunder Auslese 1985
Der ist süß. Für einen Grund zur Beunruhigung hält Herr Rudolf das nicht. Wer im Herbst 1985 unlautere Mittel im Keller verwendet hat, der muss entweder äußerst dreist gewesen sein oder sich dem öffentlichen Diskurs der Monate davor sehr konsequent entzogen haben. Diese Auslese war außerdem bis weit in die Neunziger Jahre im Ruster Rathauskeller im Verkauf. Und Herr Rudolf hat schon das eine oder andere Flascherl davon konsumiert. Keine Lähmungen, so far.

Diese drei Flaschen aus dem Jubiläumsjahrgang 1985 schenkt Herr Rudolf diese Woche aus, wie immer nicht ausschließlich diese drei Weine.
So steht in Anbetracht der Unfähigkeit oder Unwilligkeit österreichischer Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene, 1213 (eintausendzweihundertdreizehn!) von der EU-Kommission zugewiesene Flüchtlinge halbwegs menschenwürdig unterzubringen, wieder einmal der

Primitif, Domaine Giachino, Chapareillan, 2011

auf der Karte.
Rebsorte Jacquère, frühe Lese, biologischer Säureabbau mit Naturhefen, drei Monate auf der Feinhefe, 9 Prozent Alkohol, wie ein Biss in eine Weintraube, eine Reminiszenz an prae-moderne Weinbaumethoden.
Kristallin klar, florale Noten, Zitronenzesten – geeignet zu jedem Essen und zu jeder Jause, was Rudolf Polifka wieder einmal zum Anlass nimmt, Sie zum Mitbringen Ihrer Jause zu animieren. Bei diesem Wein denkt Herr Rudolf sofort an Reblochon, an eine Tartiflette oder eine Quiche.

Zurück zum Anlass für den Primitif:
An und für sich zieht es Citoyen Rudolf ja vor, Politik implizit zu thematisieren. Aber das, was in der Flüchtlingsdebatte im Moment läuft, zwingt den Rudl förmlich, von seinem Prinzip abzugehen:
Wer es nicht schafft, ein paar tausend Flüchtlinge menschenwürdig unterzubringen, ohne sie einem mitleidslosen Hetzer als Kanonenfutter auszuliefern, der hat seine Unfähigkeit ganz klar unter Beweis gestellt und verdient das Prädikat „primitiv“.

Drei Weine aus dem Skandaljahr, einen Primitif und ein paar andere Weine, diese Woche glasweise

am Donnerstag, den 2. Juli und am Freitag, den 3. Juli
von 16 bis 22 Uhr
in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22
Am Samstag, den 4. Juli findet dann in Utrecht der Prolog zur diesjährigen Tour de France statt. Das nimmt Caviste Rodolphe wie jedes Jahr zum Anlass, Weine aus der näheren oder weiteren Umgebung der jeweiligen Etappen glasweise zu kredenzen. Wie immer zu tourlichen Öffnungszeiten:
Dienstag, Mittwoch, Donnerstag und Freitag von 19(!) bis 22 Uhr
Nur dass er das heuer nicht drei, sondern lediglich zwei Wochen lang macht. Denn dieses Jahr kommen die Radler in der dritten Tourwoche in die Alpen. Und da wird sich der Rudl mit Femme und Fils deplacieren, um vielleicht ohne Fernsehkastl vor Ort eine Zielankunft mitzuverfolgen.
Das heißt, dass sich Weinlehrer Rudolf heuer bereits am 18. Juli in die Sommerferien begibt.

Happy Birthday, Glykolskandal!

 

Sieben Rieslinge. Wer ist der König von den Königen der Weine?

In und nicht so in

Es gibt Rebsorten, die sind einmal in und dann wieder out, Chardonnay und Sauvignon Blanc zum Beispiel. Und es gibt Rebsorten, die sind nie richtig in, Müller Thurgau oder Blauburger. Und dann gibt es ein P(!)aar, das scheint immer gefragt zu sein: Pinot Noir und Riesling.

Rebsortentrendforscher, bitte melden!

Warum das so ist, das ist für den Rudl selber ein Mirakel. Er geht zwar eher nicht davon aus, dass sich ein Trendforscher unter den Adressaten dieser Zeilen befindet. Falls doch, würde ihn eine Kurzexpertise schon interessieren. Zuerst hat der Herr Rudolf ja geglaubt, dass die immerwährende Beliebtheit von Riesling und Pinot Noir mit deren weltweiter Verbreitung zusammenhängen könnte. Aber dann müsste der Chardonnay ja auf der ganz, ganz sicheren Seite sein. Der scheint jedoch erst langsam und mühsam aus seinem Popularitätstief der letzten Jahre wieder heraus zu kraxeln.
Und dass die gewogene Haltung dem Riesling gegenüber mit seiner späten Reife und damit einer relativen Resistenz gegen den Klimawandel zu tun haben könnte, ist auch nur bedingt erklärend. Da müssten Furmint und Petit Manseng ja auch boomen wie nur irgendwas.

Pantheon

Wenn es nach Arômes du Vin aus dem Hachette-Verlag geht, hat der Riesling Zugang zum Pantheon der Rebsorten, zumindest dann, wenn er von den steilen Schieferlagen an der Mosel kommt. Demnach sind hohe Säure und niedriger Alkohol die ausschlaggebenden Kriterien. Ob das der liegende Achter auch gelesen hat?

Mineralik und des Weana Gmiat

Weiße Blüten, Pfirsich, Zitrone und – welche Überraschung – Mineralik, zu der man im Reifestadium „Petrolton“ sagt. Die Frau Rudl nennt es „Tankstelle“. Das, sagt man, ist der Riesling.
Sehen Sie, das ist auch wieder wo etwas, was den Rudl interessieren täterte: Mit dem Attribut „mineralisch“ ist man sowieso schnell einmal zur Stelle, wenn man einen Wein als besonders hochwertig auszeichnen will. Und Weinen, die auf Urgesteinsverwitterungsböden wachsen, sagt man die Mineralität ja fast toposartig nach, wie den Wienern die Gemütlichkeit. Aber hat das die Wissenschaft einmal untersucht? Oder leben diese Wahrheiten von ihrer Wiederholung? Und dann könnte man natürlich auch noch hergehen und die positive Konnotation von Mineralität und Gemütlichkeit zur Diskussion stellen.

Monarchen der Ampelographie

Monsieur Rudolf würde sich weder als Urgestein noch als gemütlich bezeichnen. Aber dafür kann der Riesling ja nix. Drum stellt der Rudl diese Woche unter das Motto des Königs der Weine.
Und damit es ein bissl ein Querschnitt wird, diversifiziert Herr Rudolf auf drei Staaten.

Domaine Ostertag, Riesling Heissenberg, AOC Vin d’Alsace 2010
Dass Heissenberg der Lieblingselsässer Riesling von Monsieur Rudolf ist, das kann er seriöserweise nicht behaupten, denn dazu kennt er zu wenige Rieslinge aus dem Elsass. Aber dass Ostertag der unumstrittene Lieblingswinzername vom Rudl ist, da fährt die Eisenbahn darüber.
Heissenberg ist ein steiler Abhang über der Ortschaft Nothaltern, eine silikatreiche Mischung aus rotem Sandstein und Gneis. Winzermeister André Ostertag bezeichnet seinen Riesling Heissenberg als „Vin de Pierre“, weil keine anderer Rebsorte Mineralität und Hitze der Lage so präzise respräsentiert.

Auch ein passabler Name für eine Winzermeisterei ist:
Forstmeister Geltz, Saarburg Rausch, Erste Lage, Riesling Kabinett, Mosel 2011, feinherb,
laut Gault Millau bester deutscher Kabinettwein des Jahrgangs.
Bis zu zehn Meter weit wurzeln diese Rieslingstöcke in mittelgrauen, feinblättrigen Devonschiefer und vulkanisches Eruptionsgestein hinein. Einzigartige Kombination aus niedrigem Alkohol (8 Prozent), prägnanter Säure und natürlicher Restsüße – Limetten, Rosmarien und Stein.

Josef Salomon, Riesling Reserve Rabenstein, Falkenstein, Weinviertel 2012, lieblich
Caviste Rudolf weiß, dass untrockene Weißweine uncool sind und so langsam weggehen wie trockene, steinharte Semmeln, aber egal. Monsieur Salomon lässt so wie sein Vater und wahrscheinlich auch dem sein Vater die Weine gären. Und wenn sie nicht mehr gären, dann gären sie nicht mehr und dann gibt es auch keine Reinzuchtnachhilfe und keine Würschtel. Dann ist der Wein, so wie er ist. Monsieur Polifka mag das. Und in Sachen Haltbarkeit muss Josef Salomon niemandem mehr etwas beweisen, gerade beim Riesling nicht.

Josef Zens, Rheinriesling Spätlese, Mailberg, Weinviertel, 1999, halbtrocken
Kalkhaltige Lehm- und Lössböden bringen im Mailberger Kessel individuelle Weine hervor. Ob das mehr am Kalk oder an der Kessellage liegt, ist schwer zu sagen. Auffällig ist schon, dass viele auffällig gute Weine aus dem Weinviertel auf den dort eher nicht so zahlreichen kalkhaltigen Böden wachsen, ob das am Ziersdorfer Köhlberg bei Leo Uibel, in Falkenstein bei Josef Salomon oder in Mailberg ist.

Karl Schnabel, Riesling, Sausal, Südsteiermark, 2011, orange
So viele orange Rieslinge gibt es gar nicht. Der vom Herrn Karl wächst auf Urgesteinsverwitterungsböden, hoch oben in Kitzeck. Karl Schnabels Zugeständnis an die Weißweinwelt.
Kein zugesetzter Schwefel, kein Filtrieren, keine Insektizide, Herbizide, Fungizide, Mineraldünger und wie der ganze Zauber sonst noch heißt. Dafür Baldrian, Brennesseln, Ackerschachtelhalm, Karstheindl zur Bodenlockerung, Sense und Hinterwälder Rinder zum Mähen, Steinhaufen und Wasserstellen für Reptilien.

Weingut Schmidl, Riesling Küss den Pfennig Smaragd, Wachau, 2013
Riesling aus der Dürnsteiner Kleinriede am Kellerberg. Wer wissen will, wodurch sich Bioweine von konventionellen Weinen geschmacklich unterscheiden, dem rät Caviste Rudolf, jetzt in die Wachau zu fahren und 2014er zu vergleichen.

Hirtzberger, Riesling Singerriedel Smaragd 2000
Riesling aus den alten Steinterrassen, die seit etwa zwanzig Jahren Schritt für Schritt wieder aufgebaut und rekultiviert werden. Paragneis, Glimmer, Schiefer und erzhaltiges Gestein.

Diese sieben Könige, aber wie fast immer nicht ausschließlich diese Weine gibt es glasweise

am Donnerstag, den 25. Juni und am Freitag, den 26. Juni
von 16 bis 22 Uhr
in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22.

Nachrichten aus dem Flaschensortiment
Ab sofort sind Buchertberg Weiß 2013 und Schrammelberg 2013 vom Herrenhof Lamprecht verfügbar.

Herr Rudolf grüßt ungeachtet allfälliger Popularitätsschwankungen die Gemütlichen gerade so wie die Ungemütlichen!