Drei unterschiedliche Kategorien von Meinungen und Meinungsfreiheit
Wenn es um Wein geht, gibt es zwei, drei verbreiteten Meinungen, die sich hartnäckig halten, obwohl sie einer Überprüfung nicht standhalten. Und wenn es nicht um Wein geht, gibt es noch ein paar Meinungen mehr, die sich gegebenenfalls ähnlich verhalten. Und dann gibt es noch Meinungen, die verbreitet werden, um Menschen zu manipulieren.
Adeins: Gar nicht so wenige Menschen glauben zum Beispiel, dass Weine mit niedrigem Alkoholgehalt nicht gut lagerfähig sind. Monsieur Rudolf nimmt es mit dem Wein ziemlich ernst, aber wenn jemand meint, dass Wein über dreizehn Volumsprozent Alkohol aufweisen muss, um lagerfähig zu sein, dann hält er das im Rahmen der Meinungsfreiheit gut aus.
Adzwei: Andere vertreten die Meinung, es handle sich bei den Machwerken der „So … & … exclusiv-Edelfedern“ um Presse. Diese Meinung findet der Rudl blöd. Ein Problem hat er damit aber eigentlich nur dann, wenn das Leute glauben, die Steuergeld in Form von Presseförderung und öffentlichen Inseraten verteilen.
Addrei: Und dann gibt es Leute, die sagen, dass sich das NS-Verbotsgesetz „ein bisschen mit der Meinungsfreiheit spießt“. Vor solchen Meinungen hat Rudolf Polifka Angst, so viel Kreide kann der, der sie vertritt, gar nicht gefressen haben.
Reifepotential
Den Versuch zu zeigen, dass Wein mit elf Prozent Alkohol unter Umständen nach ein paar Jahren Lagerung besser schmeckt als vorher, den erachtet der Rudl auf alle Fälle als höchst willkommene Herausforderung. Freilich ohne Garantie und alles eher als exclusiv.
Monfarina
Der Name „Monfarina“ hat nichts mit einer Überproduktion an gemahlenem Getreide zu tun. Er kommt von einem piemontesischen Tanz. Und an den haben die Brüder David und Frédéric Giachino gedacht, als sie einen ihrer sieben Jacquères nach ihm benannt haben.
Der Monfarina wächst auf einem Mergel- und Kalkgeröllhang. Litschi und Passionsfrucht sind an und für sich nicht die Aromen, die der Rudl ganz offensiv sucht, aber im Fall des Monfarina werden sie von steinigen Noten und Zitrusanklängen in Schach gehalten.
Monfarina gilt als idealer Begleiter von Fisch und Meeresfrüchten. Die Domaine Giachino gibt seine Haltbarkeit mit fünf bis zehn Jahren an. Will man das verifizieren, muss man eine Tugend aufbringen, der Herr Rudolf äußerst ambivalent gegenüber steht. In Bildungs-, Integrationsangelegenheiten und in der U3 kann es dem Rudl nicht schnell genug gehen, und zwar von beiden Seiten her. Da ist er ungeduldig wie ein kleines Kind.
Beim Wein und beim Chauffieren eines Kraftfahrzeuges schaut die Angelegenheit diametral entgegengesetzt aus. Wein ist nichts für kleine Kinder. Und wessen Stärke das Warten nicht ist, … na ja, wie soll man schreiben? … es gibt ja auch noch Dreh&Trink oder Ovomaltine. Oder Industriewein.
Will man Monfarina einer Reifeprüfung unterziehen, braucht man auf alle Fälle Geduld. Denn bei den Giachino Brüdern kann man immer nur den aktuellen Jahrgang kaufen und den nur bis etwa Mitte des Jahres nach der Lese. Wer reifere Jahrgänge vergleichen möchte, muss diese aufheben.
Das hat Monsieur Rudolf getan, wenn auch mit Aussetzern. Darum vermag er diese Woche eine kleine, ungerade Mikrovertikale zu offerieren: Monfarina 2009, 2011 und 2013. Und weil so eine kleine Vertikale vielleicht too small for se World in big Reindorf ist, ergänzt Caviste Rudolf die drei Monfarinas durch die drei anderen Jacquère-Stillweine des Jacquère-Kompetenzzentrums Giachino.
Jacquère
Postreblausesk ist Jacquère die Leitweißweinrebsorte in Savoyen. Mehr als etwa tausend Hektar benötigt sie dafür in einer insgesamt zweitausend Hektar umfassenden Weinregion auch nicht. Jacquère ist rebsortentechnisch der Deckel für die ton-kalkige Geologie des Topfes Savoyen. Die Weine sind leicht, sehr trocken und frisch, mit einer diskreten Frucht und Anklänge an Almblumen, exotische Früchte und Zitrusaromen. Immer wieder schreibt man Jacquère eine appetitanregende Wirkung zu. André Combaz, Autor des Werkes über die Weine Savoyens, nennt sie „pierreux“, steinig. Meeresfrüchete, sowie Süß- und Salzwasserfische gelten als kongeniale Hawara der Jacquère. Die Lagerung auf der Feinhefe lässt sie gegebenenfalls fein „perlant“ erscheinen.
Monfarina 2009, David et Fred Giachino, AOC Vin de Savoie
In Savoyen ein atypischer Jahrgang. Vor allem manchen Weißweinen fehlt die Säure. Einem Winter mit konstanten Temperaturen über dem sonst übliche Monatsdurchschnitt, nie unter minus zwei Grad, folgt ein sonniger, trockener Frühling und ein ausgesprochen heißer Sommer.
Monfarina 2011, David et Fred Giachino, AOC Vin de Savoie
Trockener Winter, gefolgt von einem ebensolchen Frühling. Achthundertfünfundfünfzig Sonnenstunden führen zu Frühreife. Knapp vor der setzen Niederschläge ein. Zum Glück ist Jacquère ziemlich resistent gegen beide Mehltaue.
Monfarina 2013, David et Fred Giachino, AOC Vin de Savoie
Erneut übermäßig kalt und feucht im Winter, scheußlicher Frühling. Nasser Juni. Das Wenige, was noch nicht verrottet ist, wird von einem heißen Juli gerettet, bevor ein Gutteil davon dem Hagel zum Opfer fällt. Eine lange Vegetationsperiode bringt qualitativ extraordinaire Weine, leider nicht viel davon.
Apremont 2013, David et Fred Giachino, AOC Vin de Savoie
Am kleinen Lac de Saint André. Hollunder, Bergamotten und Ananas.
Primitif 2010, David et Fred Giachino, AOC Vin de Savoie
Frühzeitige Lese im bislang letzten „grand millésime“ nicht nur Savoyens, spontan vergoren, biologischer Säurabbau, Batonnage und drei Monate auf der Feinhefe. Kristalline Klarheit, Gebirgsblumen und Weintrauben. 9 % Alkohol. Tagespolitische Assoziationen, die der Name dieses Weines nahelegt, unterdrückt der Rudl heute.
Marius et Simone 2013, David et Fred Giachino, Vin de France
Dezente Maischevergärung von gut zehn Tagen, eine Hommage an die Großeltern mütterlicherseits, von denen die Giachinos ihre ersten Reben bekommen haben.
Diese sechs Weine, aber nicht ausschließlich diese sechs Weine gibt es glasweise diese Woche
am Donnerstag, den 28. April und am Freitag, den 29. April
von 16 bis 22 Uhr
in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22
Nachrichten aus dem Flaschensortiment
Ab sofort ist eine andere Hommage – die an Kristof Ferstl, den Vorfahren von Frau Margit Mantler – der Neuburger vom Mantlerhof (Jahrgang 2015) verfügbar.
Herr Rudolf wünscht trotzdem eine passable Woche!