Georgia on my Mind. Fast keine Hinführung zum Wochenthema

Das Wappen am Leiberl von Sir Paul Gascoigne und Klöch

nicht einmal eine zu Ray Charles. Dürer, Raffael, Donatello und Kandansky haben ihn gemalt. Sein Kreuz ist auf den Leiberln der englischen Fußballnationalspieler. Ein amerikanischer Bundesstaat, Georgien und Richard Löwenherz haben ihn als Schutzpatron. Und das Epizentrum des Traminers, Klöch, auch. Am 23. April haben die Georgs Namenstag und Klöch feiert sein Patrozinium. Darum gibts am Sonntag in Klöch nach der Kirche Standln und am Donnerstag und Freitag beim Rudl vor der Reindorfkirche acht Traminer, die wahrscheinlich älteste in Europa bekannte Edelweinrebsorte. Nach zwei hochpreisigeren Wochenthemen diese Woche wieder ein Thema, über das sich das „Börserl“ freut, wie eine vormals revolutionäre Partei jetzt spießbürgerlich-boulevardinfiziert plakatieren würde.

Heilige Narren und überforderte Trotteln

Aber zurück zu Wesentlicherem: Das mit den Heiligen ist dem Rudl eh nicht ganz koscher, wobei er nicht grundsätzlich etwas gegen die Idee von heiligen Menschen hat. Eher gegen die Auswahl. Georg ist auf alle Fälle aus ein paar Gründen bemerkenswert. Historisch gesichert ist nicht viel, genau genommen nicht einmal, dass es ihn als Menschen gegeben hat. Letzteres einmal unterstellt, wurde er Anfang des vierten nachchristlichen Jahrhunderts unter Diokletian umgebracht. Und Diokletian war ein unguter Patron. Das römische Imperium hatte zu diesem Zeitpunkt vor allem im Westen schon bessere Zeiten gesehen. Unfähige Kaiser waren mit den Krisen überfordert und kompensierten einen Mangel an Format durch Grausamkeit. Heute ist das ganz anders.

Georg gilt in der orthodoxen Kirche als Erzmärtyrer und im Islam als Prophet, insofern pikant, als sich die Höhle des Drachens, den er getötet haben soll, in unmittelbarer Nähe der Kreuzritterburg Crac des Chevalliers befindet. Und auf Crac des Chevalliers war vor gut achthundert Jahren ein selbst innerhalb der Kreuzritter erbittert umstrittener Militärstützpunkt.

Katholische Irrtümer

In der römisch-katholischen Kirche gilt Georg als Heiliger, wobei er 1969 aufgrund von Zweifeln an seiner Historizität aus dem Generalkalender gestrichen worden ist. 1975 hat man ihn dann wieder hinein geschrieben. Manche meinen, Rom sei nicht in der Lage, Irrtümer einzugestehen und richtigzustellen. Möglicherweise haben aber nicht alle römischen Irrtümer die gleiche Halbwertszeit.

Heiligenlegende statt Hollywood-Kitsch

Monsieur Rudolf ist die Historizität nicht so ein großes Anliegen. Ihm ist gegebenenfalls ein guter Mythos oder eine gute Legende lieber als eine historisch gesicherte, farblose Biographie. Die Legenden um Georg handeln von einem grausamen, ständig nur auf Unterschiede und Ausschluss bedachten Zeitgeist, dem Georg Glaube, Standhaftigkeit und Solidarität entgegen gestellt hat. Er hat sein Land an Arme verschenkt, heidnische Götzenbilder zerstört und gegen einen Drachen als das Böse an sich gekämpft. Der Kampf gegen den Drachen ist bemerkenswert. Einer rettet eine jungfräuliche Königstochter vor einem Drachen, der diese als Opfer von der Bevölkerung verlangt. In jeder halbwegs zeitgemäßen Hollywood-Produktion hätte der Held jetzt wie in jedem vernünftigen mittelhochdeutschen Heldenepos die Königstochter geehelicht. Anders der Schurl. Intention seines Kampfes gegen den Drachen ist nicht biedermeierlich-hormoneller Druckausgleich, sondern die Taufe. Eine Watschen für die Machthaber, für den Zeitgeist sowieso.

Althochdeutsches Urheberrecht

Und noch ein Detail an der Georgslegende begeistert Altoenologen Polifka: Um den Beginn des elften Jahrhunderts hat ein bis jetzt und wahrscheinlich noch ein Zeitl Unbekannter in eine Handschrift des ersten namentlich bekannten althochdeutschen Dichters Otfrid von Weißenburg das Georgslied hinein geschrieben, und zwar ohne die Möglichkeit von „copy“ und „paste“. Man stelle sich einen Jungakademiker vor, der heute seine Forschungsergebnisse zu einem Thema wie, sagen wir, „Der Beitrag Wiener Boulevardmedien zur Verbreitung humanistisch-aufgeklärten Gedankengutes unter besonderer Berücksichtigung der Förderung von Meinungsvielfalt, parlamentarisch-rechtsstaatlichem Bewusstsein und seiner integrativen Implikationen“ nicht in einer eigenen Bachelor-Arbeit publiziert, sondern anonym in ein Buch seines Professors hinein kopiert. Oder einen sogenannten Volksrocker, der seinen lyrischen Erguss nicht selber vertont, sondern dem Wahlplakatdichterfürsten, der aktuell gerade im Burgenland für Heiterkeit und eine unkonventionelle Orthographie sorgt, schenkt.

Der 23. April und das Waschl-Feld

Übrigens hat sich rund um den Heiligen Georg ein ganzer Haufen Bauernregeln gebildet. So darf man ab dem 23. April die Felder nicht mehr betreten, außer mit dem Traktor oder dem Harvester, wegen der Bodenverdichtung. Für den Rudl ist das eine prägende Kindheitserinnerung. Das Verbot des Betretens der Felder von Bauern ist für ihn damals gleichrangig mit den zehn Geboten gewesen. Im Winter hat er dürfen. Im Frühling auch noch ein Zeitl. Aber dann war der Kuhzaun rund um das Waschl-Feld wieder ungefähr so überwindbar wie der Eiserne Vorhang.

Caviste Rudolf Polifka hofft, Ihnen mit diesen Zeilen Gusto auf die folgenden acht Traminer gemacht zu haben:

  • 2007 Vin Jaune, Domaine Pignier, Jura – In den Vin Jaune darf nur Savagnin hinein. Und Savagnin sagen sie im Jura zum Traminer. Mindestens sechs Jahre und drei Monate muss der Vin Jaune in einem kleinen Holzfass liegen. Dabei verdunsten etwa vierzig Prozent. Wenn alles so läuft, wie der Weinbauer es will, bildet sich auf dem Weine eine Hefeflorschicht als Schutz. Die wird dann nach sechs Jahren und drei Monaten am ersten Februarwochenende feierlich durchstoßen. An diesem Wochenende darf die Öffentlichkeit den Wein kosten und erst dann wird er gefüllt, und zwar ausschließlich in 620 Milliliter fassende Flaschen, die Clavelins. Möglicherweise sind das wirklich die haltbarsten Weine der Welt. Verkostungen von Flaschen aus der Zeit vor der Französischen Revolution lassen das zumindest als nicht ganz ausgeschlossen erscheinen. Schmecken tut der Vin Jaune nicht erst nach zweihundert Jahren Flaschenreife nach grünen Walnüssen, Curry, und was weiß der Rudl noch was. Passen tut er besonders ideal zu einem gereiften Comté aus dem Jura. Drum wiederholt Herr Rudolf an dieser Stelle wieder einmal, dass es ausdrücklich erwünscht ist, wenn Sie sich die festen Nahrungsmittel in die Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils selber mitbringen und ebendort verzehren. An den Jausenbrettln und -messern wird es sicher nicht scheitern. Die sind vorhanden.
  • 2010 Mont Blanc, Ayse Brut zéro, Domaine Belluard, Rebsorte Gringet – So heißt der Traminer in Savoyen und „Champagne des Alpes“ nennen sie diesen Schaumwein im Rest von Frankreich.
  • 2013 Gewürztraminer Premium, Roland Minkowitsch, Mannersdorf an der March – eine Referenz
  • 2008 Weißer Traminer Oberer Höhweingarten, Rudolf Fidesser
  • 2006 Gelber und Roter Traminer, Umathum
  • 2008 Gewürztraminer Sankt Andrae DOC, La Vis, Südtirol – In Südtirol gibt es den Ort Tramin. Viele halten das für eine ausreichendes Motiv, dort die Hochburg des Traminers anzunehmen. Die Klöcher nicht.
  • 2010 Tsinandali, Badagoni – kein Traminer, sondern Rkatsiteli und Mtsvane, dafür aus Georgien
  • 2003 Gewürztraminer Exquisit, Josef Wonisch, Klöch
  • 2013 Traminer Classic, Josef Wonisch, Klöch – Bleibt man jetzt nicht gleich beim Ortsnamen hängen, dann ist man hier im Zentrum des Traminers, „aufgrund einer geologischen Anomalie“, wie es Wikipedia nennt, nicht aber erklärt. Und schaut man sich gereifte Weinliteratur an, dann werden die vulkanischen Basaltböden in Klöch immer wieder als die kongeniale Grundlage für den Traminer genannt. Zwei Weine vom Weingut Wonisch, zwischen denen zehn Jahre liegen und die zeigen, dass ein guter Traminer reif wird, ohne dabei alt auszuschauen.

Acht Traminer, aber nicht auschließlich das

am Donnerstag, den Georgstag und am Freitag, den 24. April

von 16 bis 22 Uhr

in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

Herr Rudolf wünscht den Georginen und Georgen alles Gute zum Namenstag und allen eine plaisante Frühlingswoche!