Flexibilität steht hoch im Kurs, vor allem beim Wirtschaftsbund, wobei Flexibilität bemerkenswerterweise fast immer von Arbeitnehmern gefordert wird, viel viel seltener von Unternehmern. Von denen fallen gar nicht einmal so weniger, weniger in arbeitsrechtlicher als in parteipolitischer Hinsicht durch ein Übermaß an Flexibilität auf. In besonderem Ausmaß scheint das für den Links- und Rechtsliberalismus in diesem Land zu gelten, wobei der Rudl offen gestanden den Unterschied zwischen diesen beiden fast noch nie ganz verstanden hat. Gut: Der eine scheint als viel hipper als der andere zu gelten, der eine eher etwas für die Bezirke innerhalb des Gürtels, der andere eher für die mit absichtlich herbeigeführten Verwundung auf der Wange. Der eine lässt sich lieber vom Standard bestätigen, was er sich sowieso immer schon selber gedacht hat, der andere eher von den Wiener „So … unsere …“- und „… exklusiv“-WortakrobatInnen. Parteipolitisch scheint es liberalen KandidatInnen auf beiden Seiten schwer zu fallen, bei zwei aufeinanderfolgenden Wahlen für ein und dieselbe wahlwerbende Gruppe – früher einmal „Gesinnungsgemeinschaft“ – zu kandidieren. Dort scheint fast alles möglich und fast nichts fix zu sein.Beispielsweise scheint es bei so mancher zur Wahl zum EU-Parlament antretenden Gruppe schier unmöglich zu sein, herauszufinden, als wessen Nachfolgepartei sie dieses Mal antritt. Wie auch immer: Flexibilität, auf gut Deutsch Biegsamkeit oder Geschmeidigkeit scheint eine Eigenart von „hippen“ Bewegungen zu sein. So zog vor noch gar nicht so vielen Jahren das Wort „gschmeidig“ in der Bedeutung von „erfreulich“, „angenehm“ und „nicht übermäßig strapaziös“ in die urbane Jugendsprache ein. Ein Klassiker an hipper Geschmeidigkeit war seinerzeit der Herr Karl, überall genau so lange dabei, so lange es mit persönlichen Vorteilen verbunden ist. Und wenn man sich heute sogenannte Bildungsreformen genauer anschaut, könnte einen schon der Verdacht beschleichen, das Ziel von Bildung sei, Schüler dazu zu befähigen, biegsam und geschickt günstige Gelegenheiten zu erkennen und wahrzunehmen, anstatt „an der Entwicklung der Anlagen der Jugend nach den sittlichen, religiösen und sozialen Werten sowie nach den Werten des Wahren, Guten und Schönen durch einen ihrer Entwicklungsstufe und ihrem Bildungsweg entsprechenden Unterricht mitzuwirken“, die jungen Menschen „zu gesunden, arbeitstüchtigen, pflichttreuen und verantwortungsbewussten Gliedern der Gesellschaft und Bürgern der demokratischen und bundesstaatlichen Republik Österreich“ heranzubilden, zu „selbständigem Urteil und sozialem Verständnis“ zu führen, „dem politischen und weltanschaulichen Denken anderer aufgeschlossen sowie befähigt“ zu werden, „am Wirtschafts- und Kulturleben Österreichs, Europas und der Welt Anteil zu nehmen und in Freiheits- und Friedensliebe an den gemeinsamen Aufgaben der Menschheit mitzuwirken“, wie das der Gesetzgeber im Paragraph Zwei des österreichischen Schulorganisationsgesetztes ungeschmeidig fordert.
Das Gegenteil von Flexibilität, Biegsamkeit und Geschmeidigkeit wäre übrigens Rückgrat oder aufrechter Gang, heute möglicherweise nicht ganz so hoch im Kurs.
Der Graue Burgunder scheint auf den ersten Blick genau in dieses Bild zu passen: Bei kaum einer anderen Rebsorte ist die Liste der Namen, unter denen man ihn kennt oder auch nicht kennt, so lange wie beim Pinot Gris. Nur: Er bleibt mehr oder weniger er selbst, die pfiffigsten Selektionsmaßnahmen haben aus ihm keine hippe Rebsorte gemacht und das, obwohl er verdammt eng mit dem doch nicht ganz unpopulären Pinot Noir verwandt ist und in kaum einer ampelographischen Beschreibung der Hinweis auf sein großes Qualitätspotential und den besonders edlen Charakter der aus ihm gewonnen Weine fehlt. Aber der Graue Burgunder ist und bleibt eine graue Maus. Wahrscheinlich nicht zuletzt auch deshalb, weil es sich bei ihm um eine weinbaulich eher schwierige Rebsorte handelt, in seiner Dünnhäutigkeit anfällig für Rebkrankheiten und Wetterkapriolen.
Darin mag auch der Grund zu suchen sein, dass der Pinot Gris zwar unter seinem französischen Namen am bekanntesten, aber nichtsdestotrotz in Frankreich eher bescheiden verbreitet ist, im Elsass noch mehr, in Burgund, Lothringen, der Champagne, an der Loire und in Savoyen ein bissl, sonst bestenfalls ein ganz kleines bissl. Nach Österreich brachten ihn übrigens Mönche im dreizehnten oder vierzehnten Jahrhundert, weshalb er auch „Grauer Mönch“ genannt wird. Noch charmanter findet der Rudl ja die Bezeichnungen „oststeirischer Traminer“ oder „kleiner Traminer“, wobei beide eher darauf hindeuten, dass im Prestige dieser Rebsorte nach oben hin noch Potential ist. Und darum gibt es kurz nach der Pinot Gris Vertikale vom Wirt und Winzer Josef Lentsch jetzt gleich wieder eine, und zwar gleich aus dem Nachbarort von Podersdorf, nämlich aus Frauenkirchen von Josef Umathum. Zum Winzer ist alles gesagt und geschrieben, vielleicht nur das eine: Allein die ruhige und kompetente Art von Josef Umathum passt zum Pinot Gris. Seiner steht übrigens in der Mitte einer seiner Paradelagen, der Riede Hallebühl, dem heiligen Hügel. Der ist nicht nur von eisenhältigem Kiesel und Magnesium durchzogen, was die Eleganz der Weine erklärt, sondern auch die mit 128 Metern Seehöhe höchste Erhebung östlich des Neusiedlersees, als solcher quasi das Gegenstück zur Riede Tiglat, dem tiefstgelegenen Punkt Österreichs.
Und von diesem Wein kredenzt Herr Rudolf diese Woche jeweils eine Flasche aus den Jahren 1997, 2006, 2007, 2008, 2011 und 2012, aber nicht ausschließlich,
und zwar am Mittwoch, den 5. März und am Freitag, den 7. März
von 16 bis 22 Uhr in der „Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils“, Reindorfgasse 22
Herr Rudolf grüßt graue Eminenzen, Mäuse, Burgunder und den farbenfrohen Frühling!
All the best! Rudolf Polifka