Sizilianische Pomeranzen, Frauenkirchner Pommes de terre und orange Weine. Warten II. Diese Woche ausnahmsweise am Dienstag und am Mittwoch geöffnet, Freitag geschlossen, Samstag Weinauktion zugunsten des Integrationshauses

Natürlich oder selbstverständlich?

Sie können heutzutage das ganze Jahr über Orangen kaufen. Natürlich ist das nicht, selbstverständlich aber schon, zumindest in einer Zeit, in der Zeit keine Kategorie mehr zu ein scheint. Vieles ist heute synchron. Die Ver-e-isierung macht das möglich. Und was die Rückdimensionierung des Lebens auf das Wischbrettl an Zeit einspart, entschleunigen WapplerInnen, die mit ihrer Wischerei den Betrieb auf Rolltreppen, Trottoirs und anderen Bereichen des öffentlichen Raums aufhalten. Alles aufkommensneutral quasi.

Alter gibt es auch keine mehr.

Individuell nicht und historisch sowieso nicht. In den Lehrplänen für Geschichte ist das chronologische Prinzip überwunden. Fast alles ist fast immer möglich. X-zig ist das neue X-minus-zwanzig. Das Obst- und Gemüseregal im Supermarkt, in der Größe eines Fußballfeldes, schaut das ganz Jahr gleich aus. Essen kann man das meiste davon nicht, zumindest nicht blind, wenn man es trotzdem erkennen will. Alles ist zeitlos. Wirklich alles? Nein, Wein bietet der Zeitlosigkeit den letzten Widerstand, zumindest seriöser Wein, der mehr als Kracherl mit Alkohol, sogenanntes Glouglou – Naturglouglou oder Industrieglouglou – sein will.

Seriöser Wein will erwartet werden. Und die Orangen von Nino Crupi auch. Auf die darf der Rudl noch warten. Darum schmecken sie ihm so gut.

Abgesehen davon kommt sich der Rudl oft vor wie in einem Film, den jemand seinerzeit beim Urknall gedreht hat und der jetzt mit der Rücklauftaste abgespielt wird. Alles zurück aus Raum und Zeit, zuerst zurück auf zwei Wischdimensionen, aber in der Bude vom Apfelmeister arbeiten sie vermutlich längst an der Eliminierung der zweiten Dimension.

Vor diesem Hintergrund kann der Rudl ja auch das Aufhebens um allfällige 3-D-Drucker nicht ganz nachvollziehen. Müsste man nicht in die entgegengesetzte Richtung entwickeln, ein Druck wo dann nicht mehr ein Blattl, sondern ein Punkt, mathematisch nicht ganz korrekt maximal ein Fliegendreck heraus kommt.

Wein ist anders. Darum wird er heute anders schmecken als morgen. Und wenn sich das halbe Silicon Valley gemeinsam mit allen plastischen Chirurgen und Gewächshausparadeiserzüchtern dieser Welt auf den Kopf stellt.

Pomeranzen

Etymologisch sind die eine Kreuzung aus italienischen Äpfeln (pomo) und bitteren Marillen (arancia). Das möchte man vielleicht gar nicht meinen, wenn man das unreif geerntete Hochglanzzeug probiert. Die Orangen von Nino Crupi werden erwartet, zuerst von den Erntemeistern, dann vom Rudl und von ein paar anderen auch. Das schmeckt man, kommt zumindest dem Rudl vor.

Pommes de terre

Das ist auch kein Lercherl gewesen, bis die von den Anden zu uns herüber gebracht worden sind. Und irgendwie dürften manche aus dieser Dislocierung trugschließen, dass Erdäpfel besser schmecken, wenn man sie lange herum kutschiert. Darum bauen sie die irgendwo in Ägypten an. Der LKW bringt’s dann nach Holland zum Waschen, ein anderer nach Griechenland zum Schälen, bevor sie dann wieder von einer anderen Drecksschleuder nach Portugal gefahren und dort zu Erdäpfelpüree vergatscht werden. Pulverisiert wird das Ganze dann vermutlich in Polen und zu Chips verarbeitet in Marokko. Die Rudl seine zweitliebst Musikkapelle singt darüber ein ganzes Lied. Exportförderung fällt die eine oder andere an. Profitieren tun fast alle dran, mit Ausnahme vielleicht vom Erdäpfelanbauer und dem, der diese Chips dann essen muss. Und halt das Klima. Aber die Klimakatastrophe scheint dem Rudl ja eher mehr etwas Platonisches zu sein, präziser ausgedrückt die Maßnahmen zur Abwehr derselben erscheinen ihm platonisch. Wer auf sich hält, warnt mit mahnender Stimme, veranstaltet eine Enquete oder ein Schulprojekt, haut sich dann einen Kaffee aus der Alukapsel hinein, in den gepanzerten Esjuwi und heim in die klimatisierte Wohnung. Freiwilliger Komfortverzicht ist nicht zeitgemäß, es sei denn in Form einer Diät.

Etymologisch betrachtet

könnte man Orangeweine als Kreuzungen, in der Linguistik heißt man so etwas Kontamination, aus guten Erdäpfeln und reifen Orangen betrachten, zumindest etwas frei etymologisch betrachtet.

Dass so viele Veranstaltungen rund um die diversen Gärprodukte mit Hautkontakt im November stattfinden, das weiß Caviste Rudolf nicht. Er nimmt das Eintreffen der ersten Orangen von Nino Crupi zum Anlass, den braunen bis rosaroten Weinen die Reverenz zu erweisen.

Um diesen Anlass hervorzuheben, bekommt jeder Gast nach Wahl eine unbehandelte Orange vom Ätna oder eine gekochte Bioerdäpfel der Sorte Laura aus Frauenkirchen.

Jetzt noch kurz wegn dem Wein

Organic Anarchy 2013, Aci Urbajs, Rifnik, Slowenien

Chardonnay, Welschriesling und Kerner. Archäologenwein von einem extraordinaire schönen Platz

Le Blanc du Casot 2010, Le Casot de Mailloles (Alain Castex), Banyuls-sur-Mer

Garagenwein im wörtlichen Sinn. Wo seit zehn Jahren Alain Castex Wein macht, sind davor Kraxen der Marke Citroën repariert worden.

Das nicht gerade als laut zu bezeichnende Hinweisschild auf den Wandel des Gewerbes in den Mauern der ehemaligen Citroën-Werkstatt hat der Rudl 2011 aus dem Fenster eines eher nicht so feinen Hotels in Banyuls erblickt. Nach ein paar Läutversuchen hat der Rudl dann gegen Ende des Urlaubs den Meister persönlich angetroffen und eine Flasche vom angeblich weißen Casot de Mailloles erworben. Jahrgang zehn, aber das steht natürlich nicht am Etikett, weil so ein Wein weder dem gewohnten Geschmacksbild eines Banyuls noch dem eines nicht mit Branntwein aufgebesserten Collioures entspricht, deswegen als Vin de France klassifiziert wird und auch nur ein lateinisches X auf den Jahrgang hinweisen darf. Etwa zwei Drittel Grenache Gris und eines Grenache Blanc. Insgesamt produziert Herr Castex fünftausend Flaschen im Jahr. Das erklärt vielleicht auch, warum diese Weine nicht in jeder zweiten Vinothek stehen.

Geschwefelt, filtriert, geschönt oder dergleichen wird nicht.

Wachsen tun diese Trauben auf ziemlich ausgesetzten, vom Tramontana gemarterten, Steinhalden aus schwarzem Schiefer, die man vielleicht als Pendant der Pyrenäen zum Alpenvorland betrachten könnte. Nur dass diese Weingärten auf das Mittelmeer und nicht auf das Salzkammergut hinunter schauen. Weniger grün sind sie auch. Darum brennt es im Sommer öfter.

Casot ist übrigens der Ausdruck für Steinhäusln, die man seinerzeit für die Arbeiter im Weinberg als Schutz vor Sonne, Wind und Unwettern errichtet hat.

Weißer Schiefer (m) 2011, Uwe Schiefer, Südburgenland

Weißburgunder und Welschriesling vom Eisenberg

La Grande Journée 2012, Jean-Yves Peron, Albertville (7/11)

Im Zeitalter des Humanismus und der Aufklärung haben die Maler begonnen, ihre Namen auf die Bilder zu schreiben. Der Rudl weiß nicht, ob es damals schon Weinetiketten gegeben hat. Jean-Yves Peron scheint der Frage nachzugehen, wie weit sich der Mensch aus dem Weinbau zurückziehen kann. Viel weiter eher nicht, wenn Sie den Rudl fragen.

  • Organic Anarchy 2013, Aci Urbajs, Rifnik, Slowenien (5/8)
  • Le Blanc du Casot 2010, Le Casot de Mailloles (Alain Castex), Banyuls-sur-Mer (7/11)
  • La Grande Journée 2012, Jean-Yves Peron, Albertville, Savoyen (7/11)
  • Gemischter Satz 2016, Erich Andert, Pamhagen (3/5)
  • Morillon 2013, Karl Schnabel, Sausal, Steirerland (6/9)
  • Weißer Schiefer (m) 2011, Uwe Schiefer, Südburgenland (6,50/10)
  • Sauvignon Blanc Gräfin 2015, Maria und Sepp Muster, Schlossberg, Steiererland (5/8)
  • Bianco Breg 2008, Josko Gravner, Oslavije, Italien (8/12)
  • Frühroter Veltiner Una, Leo Uibel, Ziersdorf, Weinviertel West (4,50/7)

Diese Weine, aber auch weniger tanninreiche und billigere kredenzt Herr Rudolf diese Woche ausnahmsweise

am Dienstag, den 13. November und am Mittwoch, den 14. November

jeweils von 16 bis 22 Uhr

in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

Weinauktion zugunsten des Integrationshaus

17. November. 19 30 im Alten Rathaus in der Wipplinger Straße 8 statt (Bank Austria Salon).

Wie geschrieben, kann man bei dieser Versteigerung gediegene Flascherl für einen mehr als guten Zweck ersteigern und das eine oder andere Glasl für einen ebensolchen trinken. Im Integrationshaus selber kann man das, wovon heute oft die Rede ist, das aber in viel zu geringem Ausmaß praktiziert wird, nämlich professionelle Integration at its best begutachten.

Fernbleiben nur gegen ärztliches Attest.

https://www.integrationshaus.at/de/eventarchiv/22-weinversteigerung-zugunsten-des-integrationshauses

Nachrichten aus dem Flaschensortiment

Herr Rudolf freut sich, einen ganzen Haufen neuer Weine und neuer Jahrgänge aus Savoyen offerieren zu dürfen. Nur die Preise weiß er noch nicht genau.

Vorschau auf die nächste Lehrveranstaltung

Tour de France 2019

Im Übrigen erwartet Rudolf Polifka, dass man den 27. Jänner, den Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz zu einem europäischen Feiertag erklärt.

Herr Rudolf grüßt, passt und wartet!

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Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22, 1150 Wien

Öffnungszeiten: Mittwoch und Freitag, 16 bis 22 Uhr, an Schultagen

kostenlose und CO2-minimierte Zustellung innerhalb von Wien ab einem Bestellwert von 57 Euro