Stillste Zeit
Zu Weihnachten lassen es viele Menschen krachen. Fragen Sie jemand anderen, warum die Weihnachtszeit auch „die stillste Zeit des Jahres“ genannt wird. Vielleicht wegen diesem Lied, dessen Text der Rudl auch alles andere als geglückt erachtet. Aber das ist eine andere Geschichte.
Zugetroffen hat das mit der „stillsten Zeit“ schon vor zweitausend Jahren nicht und zeitgemäß ist dieses Fest auch nicht. Zu den Trompetenimperativen der Verkaufs- und Kommunikationsstrategen, noch viel mehr zu Weihrauch, Würde und Schmähfreiheit der artificiell intelligenten, aber umso weniger originellen Kasperl aus dem Silicon Valley und aus geistig benachbarten Regionen würde sich ein Fest von der Gottwerdung des Menschen viel eher anbieten als eines von der Menschwerdung Gottes, die zu feiern nicht gerade prestigeträchtig ist.
Jetzt scheint es aber halt einmal so zu sein, dass Einfallsreichtum und Esprit nicht zu den Reichtümern der diversen Modernisierungsgewinnler und Spaßvögel des einundzwanzigsten Jahrhunderts gehören. Ein eigenes Fest der Gottwerdung des Bitcoin bringen die nicht zusammen. So schauen sie auch aus. Darum hängen sie sich irgendwo an. An was und warum dürfte ziemlich egal sein. Hauptsache doppelt so laut, doppelt so viel und doppelt so teuer.
Wie schon vor ein paar Wochen erlaubt sich Monsieur Rudolf auch in diesem Zusammenhang den Herrn Kurt zu zitieren: „Ned meins.“
Der Vollständigkeit halber ergänzt der Rudl hier, dass auch das Weihnachtsfest nicht auf dem Baum gewachsen ist. Da hat man sich an das römische Fest des Sol invictus angehängt. Nur hat man unmissverständlich klar gemacht, dass einem der Sonnenmeister Powidl ist und man etwas ganz anderes feiert. Die Steuervermeider und Datenbettler geben sich säkular und sind doch in höchstem und unsympathischstem Maß klerikal, vor allem aber gnadenlos. Warum sie dann Weihnachten nicht einfach ignorieren können, weiß der Kuckuck.
Rudolf Polifka ist sich für eine Zeichen gegen den Zeitgeist nie zu schade. Darum heuer keine teuren Weine vor Weihnachten, no ja, fast keine, „fast“ in zweifacher Hinsicht.
Gewohnheiten, Traditionen, Bräuche und Diskontinuitäten
So verlässlich der Rudl an Gewohnheiten festhält, so verlässlich drängt ihn in unregelmäßigen Abständen etwas zum Ausbruch. Das ist, wenn Sie so wollen, einer der Unterschiede zwischen dem Rudl und der Badner Bahn. Die fährt immer nach Baden oder halt nach Wien. Und auch wenn es die Badner Bahn vielleicht hie und da reizen würde, in Meidling auf die Südbahnstrecke abzubiegen, nach Gumpoldskirchen zum Beispiel, wo kommendes Wochenende Frau und Herr Kuczera-Kritz wieder ausg’steckt haben, kann sie das nicht tun.
Der Rudl hat auch so seine Gewohnheiten. Die scheinen mit zunehmendem Alter nicht weniger zu werden. Aber der Rudl kann ab- und ausweichen, zum Beispiel (von) seiner Gewohnheit, vor Weihnachten teure Weine glasweise zu kredenzen. Fast.
teuer vs. teuer + Objekt im Dativ
Eine heute eher weniger gebräuchliche Bedeutung des Adjektivs „teuer“ weist auf einen gesteigerten emotionalen Bezug eines Menschen zu dem jeweiligen Gegenstand, dem das Wort „teuer“ umgehängt wird, hin. Man kann „teuer“ dann durch „lieb“ ersetzten, wobei dieses Wort auch wieder viel heißen kann. Nicht alles davon erachtet der Rudl als erstrebenswert.
Freilich können beide Bedeutungen von teuer auf ein und denselben Gegenstand zutreffen. Aber auch dann ist dem Rudl seines Erachtens zu differenzieren. Ist jemandem etwas nur deswegen teuer, weil es viel gekostet hat, dann handelt es sich beim betroffenen Objekt ziemlich sicher um ein Statussymbol und beim betreffenden Subjekt um einen bedauernswerten Menschen.
Ist jemandem etwas teuer, weil ihm viel daran liegt, dann kann das betreffende Objekt viel gekostet haben, es muss das aber nicht.
Marestel von der Domaine Dupasquier zum Beispiel.
Domaine Dupasquier, Aimavigne
Vor zwölf Jahren ist Monsieur Rudolf zum ersten Mal zu den Dupasquiers gefahren. Und er ist seither kein Jahr nach Frankreich gefahren, ohne einen Abstecher nach Jongieux in den Weiler Aimavigne zu machen. Von keinem anderen Weingut kann er derlei berichten.
Marestel
Die Geschichte mit dem Oberkellner und Berater Claude Mareste, dem der Cru Marestel seinen Namen verdankt, hat Ihnen der Rudl schon das eine oder andere Mal erzählt. Dass die Lage, in der der Marestel ausschließlich wachsen darf, weder an Steilheit noch an Kargheit so leicht zu überbieten ist, auch.
Zu hundert Percent aus Altesse muss er bestehen, der Marestel.
In Anbetracht dieser Tatsachen kann man diesen Wein nicht gut als hochpreisig bezeichnen. Trotzdem ist er dem Rudl teuer. Darum macht er heuer vor Weihnachten eine Vertikale Marestel von Dupasquier auf, vor allem auch weil der Marestel dem Rudl seinem Geschmack nach gut zu Weihnachten passt.
Und damit niemand dem der Ausgewogenheit verpflichteten Rudl vorwerfen kann, das Vokabel „teuer“ einseitig zu strapazieren, ergänzt Monsieur Polifka die Marestel-Vertikale durch den teuersten Weißen und den teuersten Roten aus seinem Sortiment, quasi als Zugeständnis an den Reflex, zu Weihnachten auch preislich zum Besonderen zu greifen. Caviste Rudolf kann und will es sich dabei nicht verkneifen, darauf hinzuweisen, dass er selber im Kaufsfall den Roten von Gravner schon dieses Jahr zu Weihnachten aufmachen würde, den Quartz 2016 dafür dann eher zu Weihnachten 2026 oder so. Da wird dieser Weißwein dann nicht nur ungefähr auf seinem Höhepunkt, sondern auch deutlich teurer sein.
Gleichwohl ist er ihm teuer.
Marestel 2000, Domaine Dupasquier, Aimavigne, AOC Roussette de Savoie
Einer der wenigen Jahrgänge, die auf dem „tableau des millésimes“ für Weißwein aus Savoyen als „grand millésime“ bezeichnet werden.
Langer, kalter Winter. Bis April dürfen die Rebstöcke winterschlafen. Über den Sommer keine Extreme und ein langer, trockener Herbst. Sauber und im Gleichgewicht.
Marestel 2002, Domaine Dupasquier, Aimavigne, AOC Roussette de Savoie
Noch ein „grand millésime“, vor allem auch was die Lagerfähigkeit betrifft. Sehr kalter Winter. Der Frühling beginnt noch ein bissl später als er das zwei Jahre davor getan hat. Dafür wird der Juni dann umso heißer. Das war es dann mehr oder weniger. Während die permanent sinkenden Temperaturen die Betreiber der öffentlichen Strandbäder weniger freuen, sind sie der langsamen Entwicklung der Aromen in den Weintrauben ziemlich zuträglich.
Marestel 2007, Domaine Dupasquier, Aimavigne, AOC Roussette de Savoie
Milder Winter. Alles beginnt mindestens einen Monat früher als sonst. Reichlich Niederschläge und viel Arbeit für die Weinbauern.
Marestel 2009, Domaine Dupasquier, Aimavigne, AOC Roussette de Savoie
Den weißen Zweitausendneunern aus Savoyen sagt man nicht die allergrößten Fähigkeiten auf der Langstrecke nach. Zu heiß der Sommer, zu wenig Säure die Weinderl. Auf einen mittelkalten Winter mit ausgesprägtem Weitblick, was die hohen Niederschläge betrifft, folgen ein sehr sonniger Frühling und ein heißer Sommer. Eher südfranzösischer Stil.
Marestel 2011, Domaine Dupasquier, Aimavigne, AOC Roussette de Savoie
Ungefähr das Gegenteil von 2013. Trockener Frühling, heißer Juli, viel zu niederschlagsfreudiger August, dem die zu diesem Zeitpunkt viel zu reifen Trauben jede Menge Angriffsflächen geboten haben. Für Savoyen ungewöhnlich frühe Lese ab Ende August. Der erste von vier aufeinanderfolgenden Jahrgängen, von denen nicht nur in Savoyen jeder einzig und allein darum bemüht schien, zu zeigen, dass es für den selber denkenden Weinbauern noch um ein Eck schwieriger geht als im jeweiligen Jahr davor.
Marestel 2012, Domaine Dupasquier, Aimavigne, AOC Roussette de Savoie
Auch ein kalter Winter, wie in Wien. Erst im August halbwegs standesgemäße Temperaturen für Ihre Hoheit Altesse.
Marestel 2013, Domaine Dupasquier, Aimavigne, AOC Roussette de Savoie
Der kalte und niederschlagsreiche Winter hat den savoyardischen Rebsorten keine grauen Federn wachsen lassen. Auf den sind sie eingestellt. Auf einen furchtbarer Frühling wie 2013 nicht. Ein heißer Sommer bedeutet auch in Savoyen ein erhöhtes Hagelrisiko. Die Trauben, die im September das Handtuch immer noch nicht geworfen hatten, haben bei der Lese nicht durch Pünktlichkeit geglänzt, erwiesen sich in qualitativer Hinsicht aber als äußerst kompetent, ausgeglichen und gesund.
Marestel 2014, Domaine Dupasquier, Aimavigne, AOC Roussette de Savoie
Auch in Savoyen ein prekärer Jahrgang. Der Fils kann das bestätigen, weil er in diesem Sommer zum ersten Mal in Savoyen gewesen ist. Mehr Sumpf als Wiesen.
Und ein jüngerer Marestel von Dupasquier ist noch nicht in der Flasche.
- Marestel 2014, Domaine Dupasquier, Aimavigne, AOP Roussette de Savoie (4/6)
- Marestel 2013, Domaine Dupasquier, Aimavigne, AOP Roussette de Savoie (4/6)
- Marestel 2012, Domaine Dupasquier, Aimavigne, AOP Roussette de Savoie (4/6)
- Marestel 2011, Domaine Dupasquier, Aimavigne, AOP Roussette de Savoie (4/6)
- Marestel 2009, Domaine Dupasquier, Aimavigne, AOP Roussette de Savoie (4,50/7)
- Marestel 2007, Domaine Dupasquier, Aimavigne, AOP Roussette de Savoie (5/8)
- Marestel 2002, Domaine Dupasquier, Aimavigne, AOP Roussette de Savoie (6/9)
- Marestel 2000, Domaine Dupasquier, Aimavigne, AOP Roussette de Savoie (6/9)
- Quartz 2016, Domaine des Ardoisières, Cevins, IGP Vin des Allobroges (11/17)
- Rosso Breg 2004, Joško Gravner, Oslavia, IGT Venezia Giulia (12,50/19)
(in Klammern zuerst der Preis für das Sechzehntel, dann der für das Achtel)
Diese Weine, aber nicht ausschließlich diese gibt es diese Woche glasweise
sowieso am Mittwoch, den 12. Dezember und am Freitag, den 14. Dezember jeweils von 16 bis 22 Uhr
und darüber hinaus am Silbernen Sonntag, den 16. Dezember von 14 bis 18 Uhr
in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22
Vorschau auf die Lehrveranstaltung vom 19. und 21. und 23. Dezember:
Goldener Sonntag und Schaumweine
Im Übrigen gibt Rudolf Polifka keine Ruhe, bis man wenigstens den 27. Jänner, den Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz zu einem europäischen Feiertag erklärt.
Herr Rudolf grüßt Gold, Silber und die anderen Musiker des Vertrauens vom Herrn Kurt!
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Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22, 1150 Wien
Öffnungszeiten: Mittwoch und Freitag, 16 bis 22 Uhr, an Schultagen
kostenlose und CO2-minimierte Zustellung innerhalb von Wien ab einem Bestellwert von 57 Euro