Neue Öffnungszeiten
Caviste Rudolf Polifka wird im neuen Studienjahr am Donnerstag von 17 bis 21 Uhr sein Geschäft aufsperren.
Corbières
Der Rudl hat an einer weiteren Pyrenäenappellation einen Narren gefressen. Er weiß zwar nicht, was dieser Ausdruck genau bedeuten soll, beziehungsweise wo er herkommt. Aber dass in den Corbières seit etwa zwanzig Jahren ein paar wirklich außerordentlich begnadete Weinbäuerinnen und Weinbauern am Werk sind, das weiß Caviste Rudolf Polifka. Und er hat sich heuer im Rahmen eines Lokalaugenscheins davon vergewissert, indem er den einen oder anderen Weinmeister persönlich kennen gelernt hat.
Früher hat der Rudl bei „Corbières“ immer an Pierre Richard gedacht. Der betreibt dort schon seit einer halben Ewigkeit seine Domaine de l‘Evêque. Und dann war da noch ein Schotte, bei dem der Rudl vor fast dreißig Jahren einmal Wein gekauft hat. Aber da war der Rudl noch ein junger Bub. Danach hat Herr Rudolf diese Appellation aus dem Geschmacksfeld verloren. Wahrscheinlich war das ein Fehler.
Mittelmeer
Die Corbières befinden sich im Languedoc, einer südfranzösischen Weinbauregion, quasi eingekeilt zwischen Mittelmeer und Pyrenäen. Jetzt hat der Mittelmeerraum in der Vergangenheit geistes-, vor allem aber demokratiegeschichtlich große Verdienste aufzuweisen. Oenologisch ist er aber nicht unbedingt dem Rudl sein Revier: zu heiß – zu viel Schmalz.
Exceptionel
Aber es geht auch ganz anders. Damit meint der Rudl jetzt nicht jene Experimente, die phenolisch unreif heruntergeschnitten werden, um dann mit elf Percent Alkohol und einer Apfelsäure, die an die Stimme von politischen Berufskeifern erinnert, in ein Flascherl mit lustigem Etikett gefüllt zu werden. Je länger der Rudl vergleichende Oenologie studiert, desto mehr erhärtet sich ihm der Verdacht, dass Säure ein überschätztes Thema ist. Darum erlaubt sich Weinoberlehrer Rudolf Polifka gleich, ein paar Überlegungen dazu anzustellen.
Säuren im Wein
Schaut man sich an, welche Jahrgänge als wirklich extraordinaire in die Weinannalen eingegangen sind, kann man zumindest aus heutiger Sicht stutzig werden. Das sind fast durch die Bank Jahrgänge mit einer Affenhitze. 1947 zum Beispiel. Da sind im Jura Nutztiere verendet, weil die Sonne das Grünzeug weggebrannt hatte. Freilich bedeutet das nicht, dass ein heißer Jahrgang per se große Weine mit sich bringt. Dass für einen großen Wein viel Sonne nicht von Nachteil ist, aber womöglich schon. Freilich muss man da auch die Auswirkungen der Erderwärmung in Betracht ziehen. 1947 war ein ganz großer Jahrgang, weil die Trauben in diesem Jahr einmal wirklich reif geworden sind. In den Jahren davor und danach sind sie das zumindest in nördlicheren Weinbaugebieten wie dem Jura nicht. Heute ist Voll- oder Überreife die Regel und Jahrgänge mit markanter Apfelsäure sind die Ausnahme. Jacques Néauport, Weingelehrter, der immerhin Weingüter wie Rayas beraten hat, weist darauf hin, dass Säure ein Betätigungsfeld für den Chemiekasten ist. Ein Jahr setzen sie die Säure zu, das andere Jahr entsäuern sie. Da kann sich der oenologische Zauberer wichtig machen. Vielleicht wäre genauer hinzuschauen auf die Art der Säure. Die oft spitze Apfelsäure in den Beeren wird etwa durch Hitze gemindert. Die Frage ist, ob man überhaupt so viel davon braucht, wenn man einen guten Wein trinken will. Sie ist sicher von Vorteil, wenn es darum geht, den biologischen Säureabbau so lange einzubremsen, bis die Hefen ihr Werk der alkoholischen Gärung finalisiert haben. Aber danach? Die Weinsäure hingegen erweist sich gegenüber der Sonne als ziemlich resistent. Der setzt eher der Regen zu. Richtig Bröseln wegen eines Mangels an Säure hätte ein Jahrgang vermutlich, wenn es sehr heiß ist und viel regnet. Das ist zum Glück eine eher seltene Kombination. Wenn es jetzt dann nicht bald aufhört zu regnen, könnte aber genau das zum Problem für die noch nicht gelesenen Trauben werden. Der Rudl hat vor wenigen Tagen einen Silex aus dem Affenhitzejahrgang 2003 studiert. Der Wein war alles andere als müde oder plump. Wahrscheinlich hat die Weinsäure ihn gerettet.
Zurück in die Corbières
Die Trauben für die erfreulichen und extraordinairen Weine aus dem Mittelmeerraum, die der Rudl meint und von denen er im Sommer den einen oder anderen kennengelernt hat, wachsen zum Großteil auf uralten Rebstöcken von Rebsorten, die man vor wenigen Jahrzehnten noch aufgrund zu geringer Zuckereinlagerungskapazitäten und Erträge ausgerissen hat, in zerstreuten Höhenlagen, manchmal sogar ein bisschen nördlich ausgerichtet.
Corbières. Stundenwiederholung vom 6. August 2024
Diese zehntausend Hektar große Appellation gehört nicht zu den renommiertesten Frankreichs. Spritzmittel, Alkohol, kolossale Erträge und Weinbauernproteste sind vermutlich die ersteren Assoziationen mit dieser Gegend im Südwesten von Narbonne.
Der Rudl hat diese Gegend seit 1996 als landschaftlich ausgesprochen schön in Erinnerung. Damals hat er bei einem Schotten in Albas Wein gekauft. Pensées sauvages, Jahrgang 1994. Leider findet der Rudl diesen Wein im ganzen Internet nirgends mehr. Das Weingut gibt es nicht mehr. Der ehemalige Betreiber Nick Bradford ist in der Rente nach Schottland zurück gegangen. Die das Weingut übernommen haben, machen angeblich auch keinen Wein mehr. Die Landschaft ist immer noch so verlassen wie vor dreißig Jahren. Felszacken, Garrigue und die eine oder andere Klamm. Schlangen.
Corbières, geographisch, historisch und oeno-soziologisch
Die Corbières werden im Norden von der Aude, im Süden und Westen von den Pyrenäen und im Osten vom Mittelmeer, quasi zwischen den Pyrenäen und dem Massiv central eingegrenzt. Als höchster Punkt steigt der Pic de Bugarach auf 1230 Meter. Die geologische Besonderheit der Appellation liegt in Terroirs aus allen Erdzeitaltern. Darin ist sie Irouléguy nicht ganz unähnlich. Nur dass die atlantische Entsprechung der Corbières ihre geologische Vielfalt auf zweihundert Hektar ausbreitet, während die Corbières fünfzigmal mehr Platz dafür brauchen. Erlauben Sie dem Rudl einen kurzen Abstecher in die Vergangenheit. Mehr als 245 Millionen Jahre ist es jetzt schon wieder her, dass die Corbières nur vom hercynischen Massiv besetzt waren. Dann war die Gegend bis vor 65 Millionen Jahre vom Meer bedeckt. Aus dieser Zeit stammen nicht nur die markanten Felszacken, sondern auch die Kalkaromen in den Weinen der meisten Terroirs. Vor 65 bis 1,65 Millionen Jahren stehen dann die Pyrenäen auf, indem sich der zerbrochene Sockel nach oben schiebt. Erosion zerbröselt und verteilt den ehemaligen Granitsockel dann. Das sind heute die Haute-Corbières im Süden der Appellation. Dort stehen viele der verstreuten Weingärten von Maxime Magnon. Von ihm wird später die Schreibe sein. Die Landschaften sind in den Corbières nicht weniger vielfältig als die Steine. Und mit den Rebsorten fängt der Rudl gleich gar nicht an. Nur vielleicht so viel, dass in den siebziger Jahren die Corbières wie fast ganz Südfrankreich nicht wie 265 Millionen Jahre davor vom Urmeer, sondern von der Rebsorte Syrah geflutet worden sind. Ein paar jüngere Weinbäuerinnen und Weinbauern, die entweder ganz von woanders in die Corbières gekommen sind oder zumindest eine Zeitlang weg waren, haben dann darauf aufmerksam gemacht, dass auf so uralten Grenache- oder Carignan-Stöcken vielleicht weniger und kleinere, aber dafür viel geschmackvollere Beeren wachsen.
Die Corbières sind aber auch soziologisch eine bemerkenswerte Appellation. Zuerst einmal das übliche Auf-und-Ab in Sachen Weinbau, wobei wie eh fast allerweil die Aufs zuerst den Römern und später den Mönchen, die Abs eher den Barbaren aus dem Norden und dem Osten zuzuschreiben waren. Interessanter wird es dann Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts mit der Erlaubnis zum Verschneiden mit algerischen Weinen und zum Aufzuckern. Die resultierende soziale Krise führt 1907 zu Revolten mit sieben Toten und einem Gesetz zum Schutz natürlicher Weine aus französischen Weintrauben vor aufgezuckerten oder teilimportierten „vins mouillés“. In den siebziger Jahren wiederholt sich die Geschichte, nur dass am 4. März 1976 bei Protesten nur ein Weinbauer und ein Polizist erschossen worden sind. Alle dürften es noch nicht verstanden haben, dass mit Mochma-liawa-vü, wie der Herr K. dazu sagt, Probleme nicht gelöst, sondern erzeugt werden. Aber viele gibt es, die Geschichte gelernt haben, wie ein anderer Herr K. einem Reporter einmal geraten hat. Einige von ihnen hat der Rudl in den Corbières kennengelernt. Dafür ist er dankbar.
Zurück zu den Weinen
Wenn Sie den Rudl fragen, ist hohe Säure genauso wenig ein Wert an sich wie Alkohol, Bitter- oder Mineralstoffe. Wenn die Weinbäuerin oder der Weinbauer es schafft, die natürlichen Gegebenheiten in Balance zu bringen – dazu gehört neben dem Talent manchmal vermutlich auch ein Batzerl Glück -, dann kann das schon ein interessanter Wein werden, sogar im Mittelmeerraum.
- 2021 Campagnès, Maxime Magnon, Durban-Corbières, AOC Corbières, Languedoc (7/11)
uralte Carignan-Stöcke
- 2019 Cuvée Rose, Maxime Magnon, Durban-Corbières, AOC Corbières, Languedoc (9/14)
Grenache noir – harmonische Kombination aus blühender Garrigue, Waldboden und Steinigkeit
- 2021 Versicolore, Domaine Balansa, Villeneuve-les-Corbières, Vin de France (6/9)
reinsortiger Carignan von alten Rebstöcken, die auf Schiefer wachsen – ähnlich dem Grenache erweist sich Carignan als ziemlich „zäher Knochen“. Dieses sprachliche Bild gefällt dem Rudl, denn es führt ihm manch uralten Carignan Rebstock vor sein geistiges Auge.
- 2023 Les Brunelles, Frères Ledogar, Ferrals-les-Corbières, AOC Corbières, Languedoc (4/6)
reinsortiger Cinsault
- 2021 Haut Gléon rouge, Domaine Haut Gléon, Villesèque des Corbières, IGP Vallée du Paradis (4/6)
DONNERSTAG, 19. September von 17 bis 21 Uhr
Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils
Reindorfgasse 22
Im Übrigen ist der Rudl der Meinung, dass der 27. Jänner, der Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Konzentrationslager Auschwitz, zu einem gesamteuropäischen Feiertag erklärt werden muss.
Frisch, aber nicht sauer grüßt Caviste Rudolf Polifka!
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Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22, 1150 Wien