Wonn z’wenig oder z‘spät wos weidageht. Muscadet

Letzte Woche hat Herr Rudolf an dieser Stelle schriftlich darüber nachgedacht, warum es an manchen Orten so wenige Biowinzer gibt. Seine implizit aufgestellte Arbeitshypothese ist darauf hinaus gelaufen, dass Weinbauern in renommierten Weinbaugebieten möglicherweise weniger und oder oder später Veranlassung verspüren, neue Wege zu gehen, weil sie ihren Wein so oder so verkaufen. Das könnte man einfach zur Kenntnis nehmen. Dem Rudl seine Art ist das Zurkenntnisnehmen noch nie gewesen. Darum möchte er diese Woche einen Schritt weiter gehen. Was passiert mit Appellationen, Weinbauorten, -gebieten oder Crus, wenn anhaltend niemand oder fast niemand schaut, dass etwas weiter geht?

Apremont

Der Cru Apremont in Savoyen ist so ein Beispiel. Die nahen Schigebiete haben mehr oder weniger alles genommen, die Winzer mehr oder weniger alles geerntet. Was überhaupt nicht mehr zu trinken war, ist in den Glühweinhäfen gekommen. Was dafür zu minder war, ins Fondue. Irgendwann war der Ruf dann so desolat, dass Apremont in der Region regelrecht zum Synonym für Ungenießbarkeit wurde. Der Weg zurück ist dann gar nicht so einfach. Monsieur Polifka wird ihm demnächst trotzdem ein Wochenthema widmen.

Muscadet

Ein anderes Beispiel ist der Muscadet. Wo es Austern gibt, es er meistens nicht weit. Genügt das? Ein Wein für Angeber war er vermutlich nie. Aber in einem derartigen Ausmaß den Anschluss an andere Appellationen zu verlieren, wäre vielleicht auch nicht notwendig gewesen.

Für gscheit hält es der Rudl jedenfalls, auf solche Gegenden genauer hinzuschauen. Denn ausgemacht ist es nicht, dass etwa die Champagne oder die Wachau auf immer und ewig einen guten Ruf besitzen. Und „Steirische Klassik“ hat, das kommt zumindest Monsieur Rudolf so vor, auch schon einmal besser geklungen als heute.

Statistische Wahrscheinlichkeiten

Der Vorteil des Muscadet gegenüber dem Apremont ist die Größe der Appellation. Bleibt es dort mehr oder weniger eine Angelegenheit von zwei Winzern, so ist bei einem fast dreizehntausend Hektar umfassenden Weinbaugebiet wie dem Muscadet schon die statistische Wahrscheinlichkeit, dass dort ein paar engagierte Winzer es angehen, den Möglichkeiten des Terroirs auf den Grund zu gehen, eine viel größere. Anfangs konnte man die Pioniere noch an einer abzählen. Jo Landron, die Domaine de l’Ecu,

Aurore & Véronique Günther Chéreau vom Château du Coing und einer, dessen Weingut es dem Rudl ganz besonders angetan hat.

André-Michel Brégeon

Auf die Gefahr hin, sich zu wiederholen, kommt der Rudl nicht darum herum, die Geschichte wieder einmal zu erzählen. Samstag viertel vor zwölf, nach zwei Wochen Dienstreise durch Frankreich und in einem plattelvollen, längst nicht mehr voll belastbaren Ford Focus: Kein idealer Zeitpunkt für einen Besuch bei einem Weinbauern, kein ideales Transportmittel für Wein und schon gar keine Ausgeglichenheit in der Stimmung der Madame auf dem Beifahrersitz. Trotzdem.

Scheu klopft Herr Rudolf an mehrere holzverschlagartige Türen. Hinter einer ertönt ein „Oui, entrez!“ und sitzt ein sehr gebückter Herr, der händisch und einzeln Etiketten auf seine Schaumweinflaschen klebt. Es folgt die ziemlich sicher kurioseste Verkostung, die der Rudl erlebt hat. Schaumwein, Gros Plant Nantais, Muscadet Sèvre et Maine sur lie, Muscadet Cru Gorges 2004, 64 Monate auf der Feinhefe, Muscadet 2002, 84 Monate sur lie und Cabernet Franc 2005. Erkläungen über die besonderen Beschaffenheiten der Böden, auf denen der Cru Gorges wächst, Küche, Keller und das Leben an sich geben den Weinen einen kongenialen Rahmen. Die hätte sich Monsieur Rudolf in einer derartigen Präzision nach allem, was er bis zu diesem Tag über Muscadet gelesen hat, nicht erwartet. Jean-François Raveneau, Ikone aus Chablis, soll es ähnlich gegangen sein. Am Rande einer Verkostung soll er Brégeon gefragt haben, warum seine Weine zweihundert Euro kosten und dessen Weine zwanzig. „Weil Du in Chablis bist und ich im Muscadet“, war die selbstbewusste Antwort von Brégeon.

Nachfolger

Mit dem Jahrgang 2011 hat Monsieur Michel sein Weingut an den sympathischen Fred Lallier übergeben. Im Keller arbeite er strenger als biologisch, im Weingarten lasse er sich aber von keiner Zertifizierung daran hindern zu intervenieren, wenn er das für notwendig erachte, war die Devise von Michel Brégeon. Der junge Herr Fred geht einen Schritt weiter. Er befindet sich bereits in der Umstellungsphase auf Bioweinbau. Eine dramatische Umstellung wird das nicht, dank Altmeister Michel.

Vertikale und Horizontale von 2004 bis 2010

In Würdigung der Verdienst Michel Brégeons um den Muscadet im Speziellen und den Wein im Allgemeinen kredenzt der Rudl diese Woche bemerkenswerte Muscadets von den angesprochenen vier Betrieben, aus den Jahren 2004, 2005, 2006, 2007, 2008, 2009 und 2010.

  • Muscadet 2004 (89 Monate auf der Feinhefe), Michel Brégeon, AOC Muscadet, Loire

Frankreichmeister im Sur lie-Ausbau

  • Muscadet 2005 (64 Monate auf der Feinhefe), Michel Brégeon, AOC Muscadet, Loire
  • Château da la Gravelle Gorges 2006, (= Château du Coing), AOC Muscadet, Loire

Einer der Lieblingsweingüternamen vom Rudl, erstens weil er Quitten mag und zweitens weil der Name gar nicht vom französischen Coing für Quitten kommt. Die Weingärten des Chateau du Coing liegen genau an der Mündung von Sèvre und Maine. Das ist naturgemäß ein Eck und hat den Namen Château du Coin (coin ist das französische Wort für „Eck“) nahe gelegt. Blöderweise sagt man jetzt zu dem, was Bruno Kreisky seinerzeit am Opernball als „Häsl“ bezeichnet hat, in Frankreich auch „Coin“. Und weil das irgendwie schlecht zu einem „Château“ passt, hat man ein g dran gehängt. Einen direkten Einfluss auf den Wein hat das nicht gehabt. Das war auch nicht notwendig. Die Weine vom Château du Coing waren immer schon Weine, die bei Blindverkostungen ganz andere Ursprünge vermuten lassen haben.

  • Muscadet Sèvre et Maine sur Lie 2007, Michel Brégeon, AOC Muscadet Sèvre et Maine sur Lie Loire
  • Muscadet Expression de Granite 2008, Domaine de l’Ecu, AOC Muscadet Sèvre et Maine sur Lie, Loire
  • Muscadet Sèvre et Maine sur Lie 2009, Michel Brégeon, AOC Muscadet Sèvre et Maine sur Lie Loire
  • Muscadet Le Fief du Breil 2010, Domaine London, AOC Muscadet Sèvre et Maine sur Lie 2010, Michel Brégeon, AOC Muscadet Sèvre et Maine sur Lie Loire
  • Muscadet Sèvre et Maine sur Lie 2010, Michel Brégeon, AOC Muscadet Sèvre et Maine sur Lie Loire

Diese zehn Muscadets, aber nicht ausschließlich diese gibt es glasweise

am Mittwoch, den 16. November und am Freitag, den 18. November

von 16 bis 22 Uhr

in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

Auf den guten Ruf der, respektive und die Gutmenschen!