Zuerst zum dings
Zu dem ist dem Rudl letzte Woche nix Mitteilbares eingefallen, so konsterniert war Citoyen Rudolf Polifka.
In einer Woche hat er seine Gedanken zum dings aber natürlich etwas geordnet. Ein paar davon kann und will er Ihnen, geneigt Oenologin, gewogener Oenologe, nicht vorenthalten.
Der Rudl kann Ihnen gar nicht mitteilen, wie stolz er momentan ist, Citoyen der Europäischen Union zu sein.
Rudolf Polifka ergänzt ganz gerne, dass diese Entschlossenheit auch schon etwas früher und auch schon auf einer personalen Ebene sehr erfreulich und alles andere als naiv gewesen wäre. So hätte seines Erachtens ja auch schon früher nichts dagegen gesprochen, seiner Finger von den Aktien des weltgrößten Gaskonzerns zu lassen, den nach einem Fremdwort für Eilbotschaft benannten Digitalkanal und auch den, der etwas frei nach dem Geräusch des Sekundenzeigers der Uhr benannt ist, als das zu sehen, was ein Kanal immer schon war. Niemand hat einem verboten, den unheiligen Mobilfunknetzbetreiber, der sich für die Dreifaltigkeit hält, zu meiden. Und es wäre auch schon ein paar Jahrzehnte Zeit gewesen, fossile Brennstoffe wirklich nur mehr in einem Ausmaß, das unbedingt notwendig ist, zu verbrauchen, anstatt Unmengen davon dem dings abzukaufen. Es wäre des Rudls Erachtens auch nicht unbedingt notwendig gewesen, die Energiewende chronisch an eine nicht näher bestimmte „politische Ebene“, die man zuvor sehr vorsätzlich nach neoliberalistischem Strich und Faden desavouiert und dereguliert hat, zu delegieren.
Und diesen persönlichen Boykott kann jede und jeder, wenn ihm respektive ihr das als angebracht erscheint, auch gleich auf andere Diktatoren ausweiten.
Und wenn Sie jetzt einwenden, das sei naiv, dann repliziert Ihnen der Rudl, dass er umgekehrt das bequeme Das-muss-man-politisch-Lösen ziemlich infantil findet. Natürlich kann ich das bequeme Wandel durch Handel auch jetzt noch mantraartig herunter beten. Aber ich kann auch die Augen aufmachen und sehen, dass an den Händen dieses Handels Blut klebt, ganz besonders oft dann, wenn Öl oder Gas im Spiel sind.
Um das zu erkennen, hat man auch nicht zehn Semester Politikwissenschaft studieren müssen. Solche Regime nicht wirtschaftlich – und das ist die Sprache, die die dings verstehen – zu boykottieren, hält der Rudl für einer aufgeklärten Citoyenne, respektive eines aufgeklärten Citoyens unwürdig. Wenn Sie so wollen, stellt das Sich-auf-Sachzwänge-Ausreden für den Rudl auch nichts anderes als eine Spielart naiven Kreationismus‘ dar. Kismet. Is halt so. Da kann man als einzelner Anleger eh nix ändern. Notfalls soll‘s halt da Papa (vlg. der Staat) richt‘n, auch wenn ich ihn vorher besachwaltern lassen habe.
Dieses Arrangement mit fleischgewordener Skrupellosigkeit im Namen von Renditen und Dividenden gilt seit etwa dreißig Jahren Pragmatismus. Dabei möchte der Rudl schon gerne fragen, ob es nicht eben dieser Pragmatismus war, der uns epidemiologisch, klimatisch und politisch in die Sackgasse geführt hat? Und all das, obwohl zwischenzeitlich allerspätestens 2008 schon einmal evident geworden ist, dass Turbofinanzkapitalismus und Demokratie, aber auch Turbofinanzkapitalismus und Marktwirtschaft nicht zusammengehen.
Drei Ebenen
Der Rudl hat Folgendes nicht selber erfunden, sondern einmal irgendwo gehört. Und er hält es für clever, für ziemlich clever und für ziemlich würdig einer souveränen Citoyenne, respektive eines souveränen Citoyens:
Demzufolge hat ernst gemeinte Auseinandersetzung mit dem Weltgeschehen immer auf drei Ebenen zu erfolgen.
Auf einer politischen Ebene muss erörtert werden, was Kommunen, Staaten oder Staatenverbunde unternehmen können, wenn Menschenrechte verletzt werden. Diese Ebene funktioniert momentan zum Glück. Hoffen wir, dass das so bleibt!
Auf der Ebene der Körperschaften aller Art, wo wir arbeiten, lernen und lehren oder einfach nur dazu gehören, muss geklärt werden, was die jeweilige Körperschaft, sei sie ein Betrieb, eine Schule, Universität, Partei, ein Verein oder sonst etwas, unternehmen kann, um Menschenrechte und Demokratie anstatt Diktatur und Krieg zu unterstützen.
Und auf einer personalen Ebene darf sich eine souveräne Bürgerin oder ein souveräner Bürger nicht die Frage ersparen, wie groß sein, beziehungsweise ihr CO2-, aber auch menschenrechtsverletzender Fußabdruck, den sie oder er durch Mobilität, Konsum oder Veranlagung hinterlässt, ist.
Und wer eine Ebene gegen die andere ausspielt, hat, wenn Sie den Rudl fragen, die Komplexität moderner Gesellschaften nicht verstanden … oder ist einfach nur faul.
Das fällt dem Rudl zum dings ein.
Wein
Das eine oder andere hat Ihnen der Rudl bereits über seine zweitliebsten französischen Berge und seine liebste französische Appellation mitgeteilt. Da gäbe es viel mehr. Aber das muss warten, vielleicht bis zum Sommer. Für dieses Mal begnügt sich Caviste Rudolf mit dem Kredenzen folgender Weine:
- Irouléguy Rosé 2019, Domaine Arretxea, AOP Irouléguy, Sud Ouest (3/5)
- Irouléguy Rosé 2019, Domaine Ilarria, AOP Irouléguy, Sud Ouest (3/5)
- Dolia Rouge 2019, Domaine Arretxea, AOP Irouléguy, Sud Ouest (6/9)
Tannat und Cabernet Franc in Amphoren aus baskischem Ton – „Terre des Hommes“ ist der Name dieser Koalition.
- Ixilune 2015, Imanol Garay, Vin de France (7/11)
Imanol Garay werkt auf beiden Seiten der Pyrenäen, hält beim Weinmachen nicht viel von Regeln und zielt auf absolute Sauberkeit und Präzision im Geschmack. Petit Manseng und Petit Courbu.
- Nigrine 2019, Domaine Laroque d‘Antan, Laroque des Arcs, IGP Côtes du Lot (8,50/13)
Lydia und Claude Bourguignon haben ihr Leben der wissenschaftlichen Erforschung von Böden gewidmet. Das hat sie auf der ganzen Welt bis in den burgenländischen Seewinkel hinunter zur gefragten Expertin und zum gefragten Experten, wenn es die Wahl der geeignetsten Weinreben und Praktiken im Weingarten geht, gemacht. Selbstverständlich haben auch Thérèse und Michel Riouspeyrous nicht auf das Wissen diese phänomenalen Paares verzichtet. Irgendwann haben Lydia und Claude Bourguignon dann das tiefe Bedürfnis verspürt, dieses Wissen selber zu Wein zu machen und sich in der Nähe von Cahors sechs Hektar Wald, das hundervierzig Jahre vorher einmal ein Weingarten gewesen und ihnen als vielversprechend erschienen ist, gekauft, gerodet und rekultiviert. Dann sind sie zu den besten Weinbäuerinnen und Weinbauern gefahren und haben sich von deren besten Rebstöcken Edelreiser abgezwickt: Foucault-Brüder, François Cotat, Elian Da Ros, Plageoles, La Grange Tiphaine, Château Plaisance, Corbin-Michotte. Die haben sie dann auf Rupestris du Lot aufgepfropft und ausgepflanzt. Das Resultat sind jedes Jahr zwei Weine, ein roter und ein weißer, in deren Zusammenhang das Wort Terroir so angebracht erscheint wie kaum wo anders. Dem Rudl ist es nicht nur gelungen, eine ganz kleine Zuteilung davon zu bekommen, sondern auch eine fast genauso schwierige Zustellung dieser Weine Realität werden zu lassen. Malbec, Cabernet Franc, Négrette, Prunelard, Cot à Pied Rouge
- Irouléguy Rouge 2018, Domaine Ilarria, AOP Irouléguy, Sud Ouest (5/8)
- Irouléguy Rouge Tradition 2017, Domaine Arretxea, AOP Irouléguy, Sud Ouest (5/8)
- Lurumea 2019, Domaine Bordatto, Jaxu, AOP Irouléguy, Sud Ouest (5/8)
Reinsortiger Tannat ist heute eher selten. Früher war vieles anders, was nicht bedeutet, dass es auch besser war. Wenn man zwanzig Jahre warten muss, bis sich die Tannine eines Weine halbwegs zivilisiert haben, dann ist das sehr interessant, aber nicht ganz praktisch. Darum dürfen die beiden Cabernets in sehr vielen Weinen Südwestfrankreichs dem Tannat das Wilde ein bissl herunter räumen. In dem Fall ist das nicht so. Darum ist der Rudl selber schon ziemlich neugierig auf diesen Wein. Er hat einiges über ihn gelesen, ihn aber noch nie getrunken. Viel gibt es aber auch nicht davon, weil sich der Bauernhof mehr auf Apfelsaft, Cidre und Most spezialisiert und nur ein Hektar Weingärten hat. Der Jahrgangscidre gehört zu den besten, die der Rudl bis jetzt getrunken hat.
Die Weinstöcke sind sehr alt, werden biologisch bewirtschaftet und stehen auf Dolomit. Der Ertrag liegt bei zwanzig Hektoliter am Hektar. Die Arbeit wird als „à l’ancienne“ bezeichnet.
Reife Tannine, gerebelt, achtzehn Tage auf der Maische und achtzehn Monate ausgebaut. Indigene Hefen, kein Schwefel und auch sonst nichts aus dem Chemiekasten.
- … und einen jetzt vielleicht zugänglicheren Chignin-Bergeron „Les Christines“ 2019, Christine et Gilles Berlioz, Chignin, AOP Vin de Savoie (10/15)
am Donnerstag, den 10. März von 17 bis 21 Uhr
in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22
Monsieur Rudolf stellt auch gerne Wein zu, mit der U-Bahn und der Tramway, denn Wien ist entgegen anderslautender Beteuerungen keine radfahrerinnen- und radfahrerfreundliche Stadt. Das kann nur jemand glauben, die oder den es nur nach Süden und Osten, aber nie nach Westen oder Norden zieht.
Im Übrigen ist es höchste Eisenbahn, den 27. Jänner, den Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz, zu einem gesamteuropäischen Feiertag zu erklären.
Aux Consciences, Citoyennes et Citoyens!
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Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22, 1150 Wien