Sommerschule: Burgenland! Freitag, 23. August, 18 bis 22 Uhr

Ist in den letzten beiden Unterrichtseinheiten das Baskenland wenigstens teilweise im Mittelpunkt der Forschungen in der Weinhandlung Rudolf Polifka et fils gestanden, besinnt sich der Rudl diese Woche wieder mehr auf das Regionalitätsprinzip. Damit gehen in diesem Fall auch billigere Weinpreise einher. Allerdings ist es dem Rudl ein Herzensanliegen dazu zwei oder drei Dinge klarzustellen:

 

Exkurs: Weinpreise

Ja, es stimmt, dass in den letzten Jahren manche Weine überhaupt nicht mehr ihren Weg in den Fachhandel finden. Und viele Weine, die schon noch verfügbar sind, haben seit etwa 2010 preislich in einem Ausmaß deutlich jenseits der Inflation zugelegt. Soweit der Rudl das überblickt, erkennt er zumindest drei Ursachen. Im Folgenden erlaubt er sich, in umgekehrter Reihenfolge der Wichtigkeit auf diese drei Faktoren einzugehen.

 

Betriebe

Es gibt Weinbauern, die in den letzten Jahren sei es aufgrund allgemeiner volkswirtschaftlicher Unübersichtlichkeiten, sei es aufgrund von Betriebsneuübernahmen die Preise unverhältnismäßig angehoben haben. Solche Fälle gibt es, aber sie scheinen dem Rudl äußerst überschaubar.

 

Klima

Von viel größerer Tragweite sind in den letzten fünfzehn Jahren Extremwetterphänomene, wenn es um Weinpreissteigerungen geht. Eine Weinbäuerin oder ein Weinbauer, der respektive die eine Familie ernähren muss, hat eine beschränkte Anzahl an Möglichkeiten, kurzfristig auf beinahe jährlich wiederkehrende Widrigkeiten wie Spätfrost, Hagel, Dürre oder Dauerregen zu reagieren. Dass davon am mit Abstand allermassivsten biodynamisch arbeitende Winzerinnen und Winzer, die terroirspezifisch präzise, saubere Weine machen wollen und auch in Wetterextremen keine Rechtfertigung für Weinfehler suchen, betroffen sind, kann eigentlich niemanden überraschen, sofern wir, geneigte Oenologin, gewogener Oenologe, uns einig sind, dass beim Addieren von 1 und 1 auf gar keinen Fall eine höhere Zahl als 3 resultieren kann. Man kann den Preis anheben, irgendwelche Trauben zukaufen oder den Beruf wechseln. Eine vierte Möglichkeit gibt es auch. Leider wird sie von immer mehr biodynamischen Weinbauern gewählt.

 

Influenca

Und dann gibt es freilich noch ein Phänomen, auf das der Rudl vor ziemlich genau einem Jahr unter dem Titel „Der Weinmarkt leidet an Long-Covid“ detaillierter eingegangen ist. Er erlaubt sich, den entsprechenden Text hier nach ein paar aktualisierenden Zeilen zu überarbeitet zu wiederholen. Etwas salopp formuliert, hat das Internet auch die etablierte Weinkritik entgegen anfänglichen Hoffnungen nicht demokratisiert, sondern verbolschewisiert. Citoyen Rudolf Polifka sieht eine Analogie zwischen der Übernahme privater Produktionsmittel durch den Staat im zwanzigsten Jahrhundert und der Beschlagnahme nicht nur von erheblichen Teilen der Realwirtschaft, sondern auch von öffentlicher Meinungsbildung durch monopoloid agierende Digitalkonzerne im einundzwanzigsten. Statt einer Handvoll inseratengesteuerter Sprachgiganten decretiert heute eine algorithmusgesteuerte Influenca über Kultwein oder nicht. Caviste Rudolf Polifka ist die Weinbauregion Bordeaux kein Anliegen. Aber dass dem Griss um Wein aus Bordeaux heute in manchen Bereichen eine regelrechte Aversion gewichen ist, wundert ihn nicht. Die historisch bedingte, überdurchschnittliche Betriebsgröße in Bordeaux erschwert digitalen Wichtigtuern das Hochstilisieren eines Bordeaux zu einem Kultwein. Da eignet sich ein Wein aus dem Jura oder der Auvergne, aber auch ein Stillwein aus der Champagne, den so gut wie niemand in der Hand gehabt, geschweige denn getrunken hat, deutlich besser.

 

Eines

… sollte aber klar sein: Das Terroir kann nur ins Glas, wenn in ihrer Anzahl kontrollierte, kleine, lockerbeerige Trauben mit kleinen Beeren sorgfältig händisch selektioniert gelesen mit sehr viel Aufmerksamkeit verarbeitet und in ihrer Weinwerdung begleitet werden. Das erfordert auf die Flasche gerechnet eine beträchtliche Anzahl an Arbeitsstunden. Diese stehen in überhaupt keinem Verhältnis zu jenen Weinen, bei denen nicht nur die Lese, sondern auch Rebschnitt und Wipfeln maschinell erfolgen, der Ertrag durch Düngung hochgehalten und eine Überdosis SO2 die sorgfältige Selektion der Beeren ersetzt. Der langen Schreibe kurzer Sinn: Caviste Rudolf Polifka sieht keine zwangsläufige Relation zwischen einem Terroirwein und dreistelligen Flaschenpreisen. Aber zu Supermarktpreisen kann es Terroirwein in einem sinnvollen Sinn des Wortes sicher nicht geben.

 

Der österreichische Weinmarkt leidet an Long-Covid, der internationale an Influenca. Eine Wiederholung

Wenn Sie den Rudl fragen, leidet der österreichische Weinmarkt an Long-Covid. Caviste Rudolf hat das ja schon einmal thematisiert. Es drängt sich ihm schon ein bissl der Verdacht auf, dass das versandkostenfreie Verschicken von Wein einer der Hauptgründe dafür ist, dass etliche Weinpreise in Österreich stärker gestiegen sind. In Luft lösen sich Transportkosten ja nicht auf. Allerdings könnten die Online-Shops der Winzerinnen und Winzer etwas verhindern, das man momentan in Frankreich beobachten kann und das dem Rudl auch nicht viel besser schmeckt als die Ausbeutung von Arbeitskräften durch schwindlige Zustelldienste.

Unter französischen Weinmeisterinnen und Weinmeistern sind Online-Shops weit weniger verbreitet als in Österreich. Von den Weingütern, mit denen Caviste Rudolf arbeitet, betreibt kein einziges einen. Allerdings fällt dem Rudl seit einem Zeitl schon auf, dass immer mehr französische Weine, die der Rudl vor wenigen Jahren noch gekauft hat, quasi vom allgemein zugänglichen Weinmarkt verschwinden. Vor zehn Jahren hat es genügt, in ein besser sortiertes Geschäft hineinzumarschieren und eine mehr oder weniger geschmalzene Summe Geld hinzulegen. Der Rudl hat sich darüber nie beschwert und es hat ihn so gut wie nie gereut, weil es ihm das wert war. Heute ist das bei weit weniger bekannten Namen nicht mehr möglich. Früher hat eine Hand voll Kritiker entschieden, was ein Wein wert ist. Das war bekannt und daran hat man sich orientieren können, indem man das jeweilige Verdikt geglaubt oder darauf gepfiffen hat. Heute hat sich Weinkritik diversifiziert, vor allem aber digitalisiert und dabei womöglich verbolschewisiert. Wein ist weniger Genussmittel als Statussymbol. Und ein Statussymbol ist halt per definitionem vor allem etwas, das viele oder fast alle anderen nicht haben. Und so vergeht kaum ein Tag, an dem nicht irgendein Wein, von dem es fast nichts gibt, zum Kultwein erhoben wird. Sehr oft von digital Natives, deren Kompetenz im Umgang mit digitalen Plattformen außer Streit steht, über deren oenologische und degustatorische Kompetenzen jedoch weit weniger bekannt ist. Es geht darum, der oder die Schnellste und Lauteste im Netz zu sein. Bald darauf ist der betreffende Kultwein aus allen Regalen verschwunden und nur mehr auf digitalen Versteigerungsplattformen zu beziehen. Dabei geht es um Weine, die ursprünglich ab Hof, aber auch im Fachhandel um dreißig bis sechzig Euro zu kaufen waren.

Der Rudl hat ein Faible für Weinbaumeisterinnen und Weinbaumeister mit überschaubaren Weingärten. Das hat bei ihm aber keine elitären Gründe, sondern ist eher eine Frage der Nachhaltigkeit und der Sympathie. Man mag das als ein bissl weltfremd, vom Rudl aus auch als dogmatisch erachten. Aber je besser eine Weinbäuerin oder ein Weinbauer die eigenen Rebstöcke kennt und je öfter er, respektive sie bei diesen persönlich vorbeischaut, desto sympathischer ist dem Rudl das. Dass das arbeitsintensiv ist und so ein Wein nicht um Zweieurofünfzig zu produzieren ist, wird hoffentlich niemanden wundern. Dass solche Rebstöcke resistenter sind, daher weniger Chemie im Spiel ist und der Wein viel besser schmeckt, auch nicht. Das ist dem Rudl sein oenologischer Standpunkt. Den kann man teilen. Müssen tut man das aber nicht.

Und selbst der Rudl bekommt als Händler jede Woche Mails, in denen ihm irgendwelche Gimpeln anbieten, gegen Geld dafür zu sorgen, dass sein Geschäft von einer bekannten digitalen Suchmaschine viel weiter oben ausgespuckt wird.

Das ist auch ein Grund für die Vorbehalte des Rudls gegenüber jedweder Art von Empfehlung. Caviste Rudolf erzählt Ihnen, geneigte Oenologin, gewogener Oenologe, gerne von Weinen, die er mag. Er schreibt gerne darüber. Wenn Sie und der Wein offen sind, lässt der Rudl Sie gerne auch kosten. Aber empfehlen tut er Ihnen nix. Er schreibt auch keinen Blog, hält Kanäle für eine sinnvolle Erfindung zum Abtransport von Fäkalien und Influenza für einen Grund, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Er freut sich, Ihnen schreiben zu können, was er oenologisch erlebt, gelesen und getrunken hat. Wenn Ihnen das gefällt, ersucht Sie der Rudl inständig, trotzdem keine Kommentare in irgendwelchen digitalen Kanälen zu hinterlassen. Wenn es Ihnen nicht gefällt, geht die Welt auch nicht unter. Das hysterische und wortreiche Warnen vor einem Wein, der einem nicht schmeckt oder der diesen, beziehungsweise jenen Fehler aufweist, hält der Rudl für mindestens so verzichtbar wie Empfehlungen und eigentlich für eine Form völlig überflüssigen Missionierens. Gerade so würde sich der Rudl als Schulmeister auch nie erlauben, Schülerinnen und Schüler dazu zu drängen, an etwas zu glauben oder nicht zu glauben, weil er diese Art von missionarischem Eifer in Wirklichkeit für Blasphemie hält.

 

Zurück ins Burgenland

Abgesehen vom gereimten Kalauer von Baskenland und Burgenland haben zwar nicht das Baskenland, aber Südwestfrankreich und das Burgenland für den Rudl weinbiographisch etwas gemeinsam. Es sind zwei Gegenden, in denen der Rudl seinerzeit als Kind irgendwie, ohne Wein zu trinken, eine Antenne für Oenologisches entwickelt haben muss. Herr Rudolf hat heute den Verdacht, dass diese Begeisterung ganz stark über die Landschaften des nördlichen Burgenlandes und der Dordogne ausgelöst worden ist. So oft der Rudl seither schon in den Seewinkel gefahren ist, so sehr geht ihm immer noch das Herz auf, sobald er von der Parndorfer Platte in die pannonische Tiefebene hinunterfährt.

Jedes Mal ist das wieder wunderschön.

  • 2022 Grauburgunder Klassik, Weingut Umathum, Frauenkirchen, Neusiedlersee (3/5)

Die Verwendung des Wortes „klassisch“ im Zusammenhang mit Wein gäbe wahrscheinlich auch Stoff für die eine oder andere linguistische Dissertation her. Der Rudl ertappt sich ja selber dabei, wie er diesen Terminus inflationär gebraucht. Im Zusammenhang mit den Weinen von Josef Umathum wird dieses Adjektiv im besten Sinn des Wortes vermutlich wenig Widerspruch auslösen.

  • 2022 Dankbarkeit Weiß, Podersdorf am See, Neusiedlersee (3/5)
  • 2021 Weißburgunder Alte Reben, Familienweingut Herist, Rechnitz, Südburgenland (4/6)
  • 2022 Muskat 3, Dankbarkeit, Podersdorf am See, Neusiedlersee (3/5)
  • 1976 Blaufränkisch, Klosterkeller Siegendorf, Rosalia (4/6)
  • 2017 Welschriesling Auslese „Schrammel“, Dankbarkeit, Podersdorf am See, Neusiedlersee (4,50/7)

 

Freitag, 23. August von 18 bis 22 Uhr

Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils

Reindorfgasse 22

Im Übrigen ist der Rudl der Meinung, dass der 27. Jänner, der Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Konzentrationslager Auschwitz, zu einem gesamteuropäischen Feiertag erklärt werden muss.

 

D‘Ehre!

 

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Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22, 1150 Wien