Weinfeste finden meistens im Frühling oder im Herbst statt, selten im Sommer und so gut wie nie im Winter. Die Percée du Vin Jaune schon. Zum zwanzigsten Mal versammeln sich am ersten Wochenende im Februar, ungefähr sechs Jahre und drei Monate nach der Fassfüllung Liebhaber dieses ungewöhnlichen Weins in einem Dorf im Jura. Dieses Jahr in Lons-le-Saunier. Inzwischen sind das einige Zigtausend. Und dann wird wettgekocht, in alten Trachten durch die Straßen prozessiert, alter Jaune ersteigert und in den Kellern degustiert. Natürlich wird auch das Fass des neuen Jahrgangs geöffnet. Heuer ist das der 2009er.
Der Gelbe
Die Revue du Vin de France bezeichnet Vin Jaune in ihrer aktuellen Ausgabe als „breuvage pouvant traverser le temps“, als Getränk, das die Zeiten zu überschreiten vermag.
Ausschließlich die Rebsorte Savagnin ist für Vin Jaune zugelassen. Der Saft kommt in ein Fassl. Dort bleibt er sechs Jahre und drei Monate. Was verdampft, verdampft und wird nicht nachgefüllt. Kein Abstich, von der Grobhefe nicht und von der Feinhefe sowieso nicht. Das bleibt alles am Fassboden liegen. Irgendwann bildet die Oxidation eine Hefeflorschicht, die den Wein paradoxerweise vor allzu massiver Oxidation schützt. Oder auch nicht. Wenn sich der Hefeflor bildet, dann hat dieses Fass ganz gute Karten, einmal ein Vin Jaune zu werden. Wenn nicht, wird es irgendetwas anderes auf der Skala zwischen Wein und Essig. Nach den sechs Jahren und drei Monaten wird der Wein, der es zum Vin Jaune gebracht hat, in eigene Flascherln gefüllt, die Clavelins. Sie enthalten 62 Centiliter, was von einem Liter nach dem Aufenthalt im Fass übrig bleibt.
Monsieur Rudolf Polifka macht am 28. und 29. Jänner, gut eine Woche vor der diesjährigen Percée, Reindorf zur Vin-Jaune-Metropole am Wienfluss und kredenzt vier Gelbe glasweise, unter anderem von den zwei unangefochtenen Iconen im Jura.
Jacques Puffeney, Vin Jaune 2007, AOC Arbois, Jura
In Montigny-les-Asures wohnen Monsieur Jacques Puffeney und regenbogenfarbenschillernder, toniger Mergel. Angeblich kennen die meisten Kinder heute Ton und Kitt nicht mehr, zwei Grundwerkstoffe vom Rudl in seiner Kindheit. Monsieur Puffeney kennt Ton sicher noch, auch aus seinem Weingarten. Auf den tonhältigen Mergel von Montigny schaut eine Corniche aus Kalkgeröll herunter. Da die Erhebungen im Jura nicht so hoch sind, schaut sie nur. Jacques Puffeney hat 2014 seine 52 und letzte Lese eingebracht. In der Rentn ist er zum Glück trotzdem nur de jure. Das verbindet ihn mit dem Polifka-Rudl und dem Kurtl. Zum Glück, zumindest im Fall der Monsieurs Kurt und Jacques. Der Vin Jaune 2014 von Letzterem wird ja erst 2021 gefüllt. Wenn es eine Personifizierung des Gegenteils von Selbstdarstellertum gibt, dann ist es Monsieur Puffeney. Und der Rudl ist der Meinung, dass das seine Weine treffender beschreibt als alles Geschreibe über Komplexität und Engmaschigkeit.
Was vom Zweitausendsiebener, den Herr Rudolf anlässlich des Geburtstags letzte Woche aufgemacht hat, noch über geblieben ist, kann diese Woche mit drei anderen Gelben verglichen werden, zumindest am Donnerstag um 16 Uhr noch.
Domaine Jean Macle, Château-Chalon 2002, Jura
In Château-Chalon ist der Mergel eher blau. Er ist unter der Bodenoberfläche so besonders, wie das der Felsen darüber ist. Nur dass sich der Felsen besser auf Ansichtskarten ablichten lässt als der blaue Mergel. Darum kennen den Felsen auch mehr als den blauen Mergel. Den Felsen kann man leicht anschauen, wohingegen man den blauen Mergel entweder ausgraben oder im Château-Chalon schmecken muss. Das Auge ist halt ein viel bedienungsfreundlicheres Organ als der Geschmack, was wiederum einen nicht zu unterschätzenden Wettbewerbsvorteil für den Felsen mit sich bringt.
Die Weine der Domaine Jean Macle gelten als rauchig und salzig. Die Entscheidung zwischen Mächtigkeit und Stil ist bei Macle schon vor 2002 gefallen.
Domaine Pignier, Vin Jaune 2007, AOC Côtes du Jura
Den hat Caviste Rudolf seit fast zwei Jahren im Sortiment und darum auch schon das eine oder andere über ihn geschrieben. Seit 2002 sind die Weine der Domaine Pignier demeter-zertifiziert. Sie reposieren in einem Fassl-Keller der Chartreuse-Mönche. Durch solch imposante Räume führt man wo anders Touristen.
Domaine Villet, Vin Jaune 2008, AOC Arbois, Jura
Eigentlich käme jetzt ein Vertreter der vierten Vin Jaune Appellation Étoile. Aber von der hat der Rudl keinen Wein und so schnell in Wien auch keinen auftreiben können. Andererseits vielleicht eh nicht so schlecht, wenn man sich Ziele nach oben offen lässt.
Darum kehrt der vierte Gelbe dorthin zurück, von wo der erste seine Reise nach Reindorf angetreten hat: Arbois. Vin Jaune vom ersten Bioweingut Arbois‘, Domaine Villet.
Weinbegleiterin
Früher ist Monsieur Rudolf öfter gefragt worden, welches Essen denn zu diesem oder jenem Wein passen würde oder vice versa. Meistens hat ihn das maßlos überfordert. Vermutlich wird er darum auch nicht mehr so oft gefragt. Aber eines weiß der Rudl und da fährt die Eisenbahn drüber. Zum Vin Jaune passt eine Hühnerleberpastete „au vin jaune“. Und darum wird er danach trachten, ein Patzl von so einer Pastete in Kombination mit einem Briochestriezel zu den gelben Weinen offerieren zu können.
Vin Jaune 2007, Puffeney (zumindest in Spurenelementen)
Château-Chalon 2002, Macle
Vin Jaune 2007, Pignier
Vin Jaune 2008, Villet
Marin „Clos de Pont“ 2009, Delalex
P’tit Canon 2013, Jacques Maillet
Syrah 2013, Biohof Heideboden, Neusiedlersee
Zweigelt 2011, Schnabel, Südsteiermark
Pinot Noir 2010, Uibel, Weinviertel
Nicht ausschließlich diese neun Weine gibt es glasweise am
Donnerstag, den 28. Jänner und am Freitag, den 29. Jänner
von 16 bis 22 Uhr
in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22
In den Wiener Semesterferien bleibt die Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils geschlossen. Nächster Öffnungstag ist Donnerstag, der 11. Februar. Schon zwei Tage vorher findet am 9.2. im Guesthouse in Wien I eine ganz besonders ambitionierte und interessante Veranstaltung statt. Zehn Weine zu ebensovielen Gerichten, von beiden nicht die schlechtesten.
http://www.theguesthouse.at/events-specials.html#perfect-match
Herr Rudolf grüßt den Hefeflor oben auf, gerade so wie die groben und die feinen Hefen unten in dem Wein!