Hätten Rebsorten einen Account bei Facebook, wäre es einfach. Dann ließe sich ganz leicht feststellen, welche gerade die beliebteste ist, sofern man selber im Facebook wäre. Aber auch ohne den Sanctus der elektronischen Akklamation wagt Diplomampelziologe Rudolf Polifka die Prognose, dass es der Malvasier, in Österreich als Frühroter Veltliner bekannt, eher nicht unter die drei beliebtesten schafft, sofern man Triest und Umgebung nicht zu Österreich zählt. Umso mehr ein Grund, dieser Rebsorte einmal nahezutreten, reifegradtechnisch und terroireusement.
Etymologisches
Etymologisch bemerkenswerterweise hat die erste Silbe nichts mit „schlecht“ zu tun. Der Rebsortenname leitet sich von der griechischen Hafenstadt Monemvasia ab. Dort befand sich seinerzeit ein bedeutender Exporthafen für Wein. In anderen Sprachen klingt der Name ähnlich: Neben dem italienischen „Malvasia“ findet sich das slowenische wie kroatische „Malvazija“. In Frankreich heißt die Rebsorte „Malvoisie“, ohne dort eine nennenswerte Rolle zu spielen. In Portugal gibt es „Malvasía Preta“, „Malvasía Fina“ und „Malvasía Rei“. Keine ist mit dem mitteleuropäischen verwandt. Wenn Sprache und Wein zwei inkompatible Sphären sind, dann dürfte das in Portugal ganz besonders gelten, so benennt man dort manche Rebsorten mit Lautfolgen, die sich jeder Artikulation entziehen. Weils eh wurscht is.
Hinterfotzige graue Maus
Aber auch die hierzulande geläufige Bezeichnung als „Frühroter Veltiner“ ist hinterfotzig. Der Frührote ist weder mit dem Roten noch mit dem Grünen Veltliner verwandt. Und ohne jetzt irgendeiner Weinbaumeisterin oder einem Weinbaumeister nahe treten zu wollen, kennt der Rudl kaum ein österreichisches Weingut, in dem der Frührote über den Status des Jungweins oder Einstiegsweins hinaus kommt. Für Leo Uibel gilt das nicht. Sein Frühroter kommt von bis zu sechzig Jahre alten Reben, liegt vier Monate auf der Gärhefe und hat mit vordergründiger Zuckerlaromatik überhaupt nichts zu tun.
Wenn es heute um interessante Malvasiers geht, sind wir aber nicht in Österreich zuhause, zumindest nicht im Österreich nach Saint-Germain 1919. Interessant wird es da vor allem im Triestiner Karst und in Istrien. Und dort sind viele der besseren Malvasiers orangene. Von denen öffnet Malvasieur Polifka diese Woche ein paar, nämlich
Čotar, Malvazija 2006
Klinec, Malvazija 2007
Renčel, Malvazija 2007
Sancin, Malvasia 2009
Wein aus Triest von einem Winzer, der auch ein ziemlich guter Zitronenolivenölpresser ist.
Dazu natürlich den
Frühroten Veltliner 2013 von Leo Uibel
1991er Spätlese
Und dann fehlt da noch die diachrone Dimension. Möglicherweise war es ja nicht immer so, dass der Malvasier in Österreich nicht viel gegolten hat. Da hat der Rudl in seinem Keller beispielsweise eine 1991er Malvasier Spätlese von Johannes Zillinger gefunden, vor gar nicht so langer Zeit aufgemacht und war beeindruckt. Dabei hätte ja schon der Terminus „Spätlese“ auf einem Etikett der frühen Neunziger Jahren darauf hingedeutet, dass es sich bei diesem Wein nicht um den Einstieg in das Sortiment gehandelt hat. Darum wird auch der diese Woche glasweise zur Kredenzung gebracht.
Und weil es gerade um das Weingut Zillinger geht, möchte der Rudl ein Kleinod als Dialog, den er beim Orange-Wine-Festival vorletzten Montag in Wien am Stand von Johannes Zillinger aufgeschnappt hat, wiedergeben:
Ein sich gerade vorgedrängt habender Experte, der sich keine Sorgen um die Wartenden hinter ihm macht:
„Herr Zillinger, erzählen Sie mir etwas über Ihre Weine. Sind Sie jetzt auch bio?“
Herr Zillinger:
„Ja, seit 1984.“
Malvasiers, maischevergorene und andere, aber nicht ausschließlich:
am Donnerstag, den 27. November und am Freitag, den 28. November
von 16 bis 22 Uhr
in der „Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils“, Reindorfgasse 22
Rudolf Polifka grüßt die Bewohnerinnen und Bewohner von Monemvasia und die seiner näheren und weiteren Umgebung!