Sprachliche Treffsicherheit
Geneigte Oenologin, gewogener Oenologe, Sie haben natürlich sofort bemerkt, dass diese Überschrift kein Musterbeispiel sprachlicher Treffsicherheit darstellt. Vielleicht könnte sie lauten: „Rebsorten, von denen der Rudl in Österreich noch keinen Rebstock gefunden oder von solchen noch nichts vernommen hätte“ – etwas sperrig, zugegeben, aber näher an den nicht-alternativen Fakten.
Rebsorten
… spielen in Österreich eine große Rolle. Darum werden sie in weinaffinen Kreisen meist auch positiv oder negativ besetzt. So gilt der Grüne Veltliner etwa als regelrechtes Identitätssymbol, Welschriesling hingegen eher als Synonym für Schlichtheit und Belanglosigkeit. Das hat zur Folge, dass es für Weinbäuerinnen und Weinbauern oft schwierig ist, durch eine Änderung in der Arbeitsweise, eine andere Wahrnehmung ihrer Weine herbeizuführen. Welschriesling bleibt halt für viele Welschriesling. Was engagierte Winzerinnen und Winzer damit machen, gärt oft unter dem Radar.
Für den Rudl ein regelrechtes Mysterium stellt die Anerkennung von Rebsorten in Österreich dar. Nehmen Sie beispielsweise Syrah. Es gibt Weinmeister, die folgen der Maxime „Mochma liawa vü!“ (A.K.) und haben eine Freude mit Syrah. Es gibt Weinmeister mit Weingärten an der Côte-Rôtie, in Saint Joseph oder Hermitage. Die haben auch eine Freude. Bei vielen anderen hingegen hat sich das Auspflanzen von Syrah nicht als zukunftsträchtige Idee erwiesen. Darum gibt es gar nicht so wenig Winzerinnen und Winzer, etwa im Languedoc, die jetzt rückgängig machen, was ihre Väter in guter Absicht an Reformen im Weingarten durchgeführt haben. Sie reißen Syrah wieder heraus und pflanzen Carignan, Terret oder andere alte Rebsorten, die der Affenhitze dort unten besser gewachsen sind als der vormalige Wunderwuzzi Syrah. In Österreich hat man Syrah auch als Rebsorte für Qualitätswein anerkannt, Hárslevelü nicht.
Es gibt natürlich Rebsorten, die in Österreich in keinem Weingarten oder äußerstenfalls in Versuchsanlagen stehen. Zumindest wüsste Caviste Rudolf Polifka nichts davon. In Anbetracht der Dimensionen Österreichs sind das naheliegenderweise ziemlich viele. Die wenigstens davon kennt der Rudl, ein paar schon. Und denen widmet er das Forschungsprogramm der kommenden Woche.
- 2024 Ribolla gialla, Marco Sara, Povoletto, Friuli Colli Orientali (5/8)
Über diese Rebsorte wundert sich der Rudl. Gar nicht weit weg von der Steiermark ist sie autochthon und fast ein bissl dominant. Sie hat sogar einen eingedeutschten Namen: „Gelber Ribolla“. In Österreich spielt sie aber überhaupt keine Rolle. Es soll sich bei ihr um ein Relikt des Imperium Romanum gehandelt haben. Dass dieses oenologisch ganz weit vorne war, hat sich sogar zur Volksfront von Judäa durchgesprochen.
- 2018 Muscadet Cru Gorges, Domaine Michel Brégeon, Gorges, AOC Muscadet, Loire (6/9)
Was geschieht, wenn man nur auf Masse für den Export setzt, kann man im Muscadet studieren. Und wie schwer es ist, vom Image des „Mochma liawa vü!“ wieder wegzukommen, kann Ihnen André Michel Brégeon erzählen. Melon de Bourgogne stammt aus Burgund, spielt dort aber keine Rolle mehr. Am Unterlauf der Loire ist sie dafür Platzhirsch.
- 2018 Père Joseph, Giulio Moriondo, Quart, Aostatal, Italien (10/16)
Stundenwiederholung. Petit Rouge à baie blanche. Diese Rebsorte hat Giulio Moriondo auf einem seiner unermüdlichen Streifzüge durch alte Weingärten identifiziert. Den Weingarten, in dem er ihn aufgespürt hat, gibt es wie viele andere alte Weingärten im Aostatal nicht mehr. Giulio Moriondo hat diesen Wein nach seinem Lehrer Pater Joseph Vaudan (1925-2008) benannt. Vaudan gilt als Personifizierung der oenologischen Beziehungen zwischen Schweizer Wallis und dem Aostatal, sowie als Initiator der Wiedergeburt des Weinbaus im Aostatal in den fünfziger Jahren. Père Joseph ist am 26. September 2018 bei voller Reife streng selektiv gelesen worden. Sehr sanfte Pressung, ähnlich vorsichtig die Schwefelung, fünf Gramm pro Hektoliter. Dann hat der Wein spontan zu gären begonnen. Aber das macht sowieso jeder nicht pasteurisierte und nicht von Schwefel erstickte Traubensaft. Zweimal ist Père Joseph umgezogen worden, das erste Mal nach der Gärung, das zweite Mal am 8. Dezember 2021 beim Abfüllen in die Flascherln. Keine Klärung, kein Filter und auch keine Stabilisierung. Mehr Goldreflexe als Grünreflexe – im Aostatal ist es heiß. Intensität, Blumenwiese, Würze, balsamisch und ein Batzen Steinigkeit. Giulio Moriondo empfiehlt Père Joseph genauso zu Fisch in Saucen wie zu reifem Käse. Dem Rudl seine Lieblingsweinzeitschrift schreibt von „pureté cristallin“ (kristalliner Reinheit).
- 2023 Silice Blanc, Maison des Ardoisières, Fréterive, Vin de France (4,50/7)
Für Caviste Rudolf Polifka und viele von Ihnen, geneigte Oenologin, gewogener Oenologe, ist Jacquère keine Unbekannte, für das Gros weinaffiner Zeitgenossinen und Zeitgenossen aber schon, für weniger weinaffine sowieso. Aber das ist keine Schande. Selbst in Frankreich muss man als oenologisch halbwegs interessierter Mensch Jacquère nicht kennen. Dafür ist die Rebfläche der Weinbauregion Savoyen viel zu klein. Ungefähr tausend Hektar sind in Frankreich mit Jacquère bestockt. Der Fähigkeit dieser Rebsorte, den Kalkboden in das Glas zu befördern und an ihrer Resistenz gegenüber heißen Sommern tut die Unbekanntheit aber keinen Abbruch.
- 2020 Altesse, Domaine Dupasquier, Aimavigne, AOC Roussette de Savoie (4/6)
Von der Verbreitung her ist Altesse noch um ein Eck rarer als Jacquère, gute 300 Hektar. Ob sie den Herausforderungen der Klimakrise im selben Ausmaß gewachsen ist wie Jacquère, bezweifelt der Rudl, hofft es aber. Denn Altesse, Petit Manseng und Chenin blanc sind vielleicht so etwas wie „Lieblingsrebsorten“ von Caviste Rudolf Polifka, sofern dieser Terminus einen Sinn hat.
- 2021 Mondeuse « mattäi », Côteaux des Girondales, Villaz, Vin de France (5/8)
Wie Altesse gehört Mondeuse zur Rebsortenfamlie der Sérines. Darüber hat Weinschulmeister Rudolf Polifka im März 2024 ausführlicher doziert. Autochthone Savoyardin, möglicherweise bereits Plinius dem Älteren als „Allobrogicae“ bekannt. 300 Hektar und Weine, die wirklich ein Pfefferl haben, ein ganz ordentliches sogar. Wenig Alkohol, umso mehr Tannin.
- 2022 Mine de Rien, Les Deplaude de Tartaras, Tartaras, IGP Collines Rhôdaniennes (5/8)
Mornen noir ist seinerzeit sowohl an der Rhône als auch an der Loire gewachsen. Heute wächst sie fast gar nicht mehr. Wenig Alkohol, Cassis, Hollerbeeren, Schlehe.
- 2021 Campagnès, Maxime Magnon, AOC Corbières, Durban-les-Corbières, Languedoc (7/11)
Reinsortige Carignan von Maxime Magnon aus den Corbières
Donnerstag, 27. November von 17 bis 21 Uhr
Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils
Reindorfgasse 22
Im Übrigen ist der Rudl der Meinung, dass der 27. Jänner, der Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Konzentrationslager Auschwitz, zu einem gesamteuropäischen Feiertag erklärt werden muss.
Rudolf Polifka grüßt Autochthone gerade so wie weniger und nicht Autochthone! Gut müssen sie sein, die Rebsorten und die Menschen.
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