Der Biachlbauer und der Weise. Zwei mal zwei Weinviertler (Rieslinge)

Bildungsexpertin Heinisch-Hosek verlautbart just am Ende der Feldtestungswoche von Schulmeister Rudolf, dass sich am Fahrplan zur Einheizmatura nichts ändern wird. Das werden jetzt bitte aber wirklich nur die allerarglosesten Zeitgenossen für einen Zufall halten. Offensichtlich liest das Ministerium hier mit und nimmt auch Anteil an den bildungspolitischen Bemühungen von Professor Polifka. Was das BIFI mit noch so viel Marie nicht schafft, das erledigt der Rudl mit fünf Flaschen Pinot Noir.

Es hat auf alle Fälle letzte Woche niemand nach einem Punsch verlangt. Selbst die kursorischsten Leserinnen und Leser unter den Kundinnen und Gästen verfügen über ausreichende Kompetenzen im Sinnerfassendlesen. Dass eine Korrelation zwischen dem Konsum bestimmter Weine und hoher Lesekompetenz besteht, will Herr Rudolf damit freilich nicht behauptet haben. Ganz ausschließen tut er es aber auch nicht. Sollte sich irgendwann herausstellen, dass es da eine Verbindung gibt, würden sich daraus natürlich interessante Konsequenzen für eine Bildungsreform ergeben.

Kurz und gut: Die Endverbraucher der Weine von Herrn Rudolf sind keine Trotteln. Darauf hat sich der Rudl zwar nichts einzubilden, aber unerfreulich ist es auch nicht. Und mindestens genauso freut es Rudolf Polifka, dass sich die Produzenten am anderen Ende der Kette nicht nur durch ziemlich gute Weine, sondern durch Herz, Hirn und Haltung auszeichnen.

Nehmen wir zum Beispiel Roland Minkowitsch: Als sein Vater das Weingut übernahm, war er darauf nicht vorbereitet. Darum ist es für ihn nahe gelegen, sich in Fachbüchern über den Weinbau zu informieren. Das hat damals ein Haufen „praxisorientierter“ Kollegen lächerlich gefunden und ihm den Namen „Biachlbauer“ gegeben. Die haben ihren Wein so wie alle anderen auch gemacht, mit massentragenden Rebsorten. Roland Minkowitsch sen. hat in den Fünfziger Jahren Qualitätsreben in Hochkultur ausgepflanzt und offensichtlich nicht nur sein Wissen, sondern auch Haltung seinem Sohn weitergegeben. Irgendwie scheint man das in den Weinen zu schmecken. Vielleicht verwendet Roland Minkowitsch deswegen noch heute eine alte Baumpresse aus dem Jahr 1820. Dass ein Mann wie Roland Minkowitsch sen. Staatssekretär im Innenministerium und zweiter Nationalratspräsident war, könnte einen fast ein bissl wehmütig machen, heute, in einer Zeit, in der Politik oft mehr von dämlichdreisten Einheizzeitungen und Kommunikationsberatern als von Fachbüchern und Haltung geprägt zu sein scheint.

Andere Weinviertler Persönlichkeiten sind Heinrich Salomon und sein Sohn Josef aus Falkenstein. Sie führen ein zertifiziertes Bioweingut. So etwas ist heute nicht so selten. Aber zu der Zeit, als sie an den sogenannten Pflanzenschutzmitteln zu zweifeln begannen, galten sie damit noch als Spinner und verantwortungslos. Noch ein bissl bemerkenswerter ist vielleicht, dass der Junior auf seinem Weg zum Bioweinbau schon sehr früh vom Vater bestärkt worden ist. Und ähnlich wie bei den Weinen von Roland Minkowitsch kann man auch bei diesen Weinen den Unterschied schmecken.

Am 2. und 4. April freut sich Herr Rudolf deshalb besonders, von beiden Winzern jeweils einem jungen Wein sein gereiftes Pendant gegenüber stellen zu dürfen. Eine 1997er Riesling de vite Jähe Lissen Spätlese von Roland Minkowitsch wird den 2012er, der ab sofort in der „Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils“ erhältlich ist, davor beschützen, allzu früh geöffnet zu werden. Und der 2002er Riesling Rabenstein von Josef Salomon wird vom 2012er an seine Jugend erinnert. Freilich wie immer nicht ausschließlich, so wird es beispielsweise einen zumindest für die Hallen von Herrn Rudolf neuen Grünen Veltliner von Leo Uibel geben.

am Mittwoch, den 2. und am Freitag, den 4. April

jeweils von 16 bis 22 Uhr

in der „Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils“, Reindorfgasse 22.

Herr Rudolf freut sich auf die Rieslinge und wünscht eine passable zweite Wochenhälfte!

Punsch – Nicht genügend

Punsch heißt Punsch, weil er aus 5 Zutaten besteht. Und 5 heißt in der Sprache derer, die den Punsch vielleicht erfunden haben, nämlich auf Hindi „paňc“, was soviel wie 5 bedeutet. 5, weil eben 5 Zutaten in den Punsch gehören: Arrak, Zitronensaft, Tee, Gewürz und Zucker. Wenn man früher im Winter durch die Stadt gegangen ist, konnte man an zahlreichen Plätzen stehen bleiben und so einen Punsch zu sich nehmen. Manchmal hat man dabei das Gefühl gehabt, dass man es dabei nicht nur mit 5 Zutaten zu tun hat, oder zumindest nicht mit den 5 oben genannten.Genau 5 und keines mehr oder weniger ist auch die Zahl der Jahrzehnte, aus denen Herr Rudolf nächste Woche österreichische Pinot Noirs öffnet. Und genau 5 und nicht eines mehr oder weniger ist die Zahl der österreichischen Weinbaugebiete, aus denen die 5 Pinot Noirs aus den 5 verschiedenen Jahrzehnten stammen: Neusiedlersee Hügelland, Carnuntum, Südburgenland, Neusiedlersee und Südoststiermark. 1971, 1986, 1994, 2009 und 2011 werden die Jahrgänge sein.

Und weil zum Pinot Noir – anders als letzte Woche zu Altesse und Mondeuse – fast das meiste eh schon geschrieben ist, erlaubt sich Rudolf Polifka, Ihre Lesegeduld dieses Mal weniger zu strapazieren.

Allerdings geht es jetzt trotzdem weiter. Es handelt sich beim vorliegenden Kurztext, nämlich gewissermaßen um eine Feldtestung in Sachen sinnerfassendes Lesen. Diese sogenannten „standardisierten“ Tests haben bis vor kurzer Zeit regelrecht geboomt. Ein ganz lukratives Feldtestergewerbe ist da entstanden, vorwiegend mit öffentlichen Aufträgen und deshalb lukrativ vorwiegend für schuleschwänzende Lehrerinnen und Lehrer, weniger lukrativ für Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Aber vor wenigen Wochen ist die Feldtesterei dann plötzlich in Misskredit geraten. Schuld ist ein rumänischer Server, wer sonst? Auf alle Fälle wurden die Feldtestungen sofort auf Eis gelegt, wo sie vielleicht eh am zweitbesten aufgehoben sind, aufgrund der Datenunsicherheit. Vielleicht lassen sich da noch drei oder vier Dinge finden, die man mit dieser Begründung aufs Eis legen könnte.

Der Rudl hat da auf alle Fälle nicht länger zuschauen können und die Initiative ergriffen. Mit diesen Zeilen wird er in dem Moment, in dem Sie, geneigte Leserin, gewogener Leser, sich diese zu Gemüte geführt haben werden, Österreich – und zwar nicht nur das halbwüchsige Österreich – auf seine Kompetenz, sinnerfassend zu lesen, feldgetestet haben. Und wer in der kommenden Woche in der „Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils“ einen Punsch verlangt, der hat nicht bestanden und muss einen Förderkurs besuchen, den dann vielleicht auch gleich Master of Education Rudolf P. anbieten könnte. Vorher wird das Zentralorgan aller Durchgefallenen titeln:
„So rettete Rudl Pisa“

Also 5 österreichische Pinot Noirs aus 5 verschiedenen Jahrzehnten und 5 verschiedenen Weinbaugebieten, aber nicht ausschließlich

am Mittwoch, den 26. März und am Freitag, den 28. März
von 16 bis 22 Uhr
in der „Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils“, Reindorfgasse 22

Herr Rudolf wünscht Ihnen und allen rumänischen Servern eine agreable Woche!
Rudolf Polifka

Der rote Graf und andere Querulantenweine aus den französischen Alpen

Die Anhänger des FC Évian Thonon Gaillard besingen das „Croix de Savoie“, weil der Fusionsverein des 1924 gegründeten FC Gaillard von 2003 bis 2007 „Football Croix de Savoie 74“ geheißen hat. 2007 wurde der wiederum mit dem Olympique Thonon Chablais zum „Olympique Croix de Savoie 74“ fusioniert. Den heutigen, vergleichsweise unklingenden kreuzlosen Namen trägt der Verein übrigens seit 2009, nachdem im Dezember 2008 die ehemaligen französischen Teamspieler Zidane, Lizarazu und Boghossian Anteile an der Kapitalgesellschaft erworben haben.

Das Croix de Savoie ziert fast jedes savoyardische Weinetikett. Seit 1991, vermutlich als Vorbereitung auf die olympischen Winterspiele in Albertville, ist es in das Glas der „Savoyarde“, einer spezifisch savoyardischen Weinflasche, geprägt. Doch deren Zeit dürfte auch schon wieder vorbei sein. Immer mehr savoyardische Weine, vor allem interessantere, werden in Burgunderflaschen gefüllt. Und in der „Veronique“, einer Rheinweinflasche mit vier Ringen am oberen Hals, finden man fast nur mehr reife Weine.

Beim Croix de Savoie handelt es sich um das Wappen Savoyens, einer französischen Region mit bewegter Geschichte, die für fast alles bekannter ist als für ihren Wein. Aber das hat quantitative Gründe, keine qualitativen, findet der Rudl. Zweitausend Hektar Rebläche sind für eine Weinbauregion mit Renommée vermutlich zu wenig. Aber viele Weine, die dort wachsen, verdienen eine eingehendere Auseinandersetzung.

Zurück zum Wappen: Es zeigt eigentlich ein silbernes Kreuz auf rotem Grund, das von den meisten Grafikern zu einem weißen Kreuz auf rotem Grund abstrahiert wird, übrigens gerade so wie das beim eigentlich auch silbernen Wiener Wappen der Fall ist. Wo der Ursprung des Croix de Savoie liegt und ob es dort eine Verbindung zum Wiener Wappen gibt, hätte eigentlich Hauptinhalt dieser Zeilen sein sollen. Doch Schulmeister Rudolf vermochte es nicht zu eruieren. Für zweckdienliche heraldische Hinweise ist er dankbar.

Das Wiener Wappen und das Croix de Savoie scheinen spätestens im dreizehnten Jahrhundert verwendet worden zu sein, in beiden Fällen ist ein Kreuzzugshintergrund anzunehmen. Wo damals nicht?

Als Missing Link zwischen Savoyen und Wien würde sich natürlich Prinz Eugen Franz von Savoyen aufdrängen, nahe dessen Denkmal die Familie Sackbauer beim versuchten Besuch des Opernballs geparkt hat. Aber für einen Wappentransfer war es zur Zeit Eugens schon zu spät. Da war der Hafer schon geschnitten, um die von Kurt Ostbahn überlieferten Worte Hans Krankls zu strapazieren.

Prinz Eugen ist ein Wiener Idol, das es unbedingt zu militärischen Ehren bringen wollte und das deshalb kein langes Federlesen machte, als es um die Wahl des Herrscherhauses, für das er Dienst tun wollte, ging. Seine Wahl fiel auf das Haus Österreich, in dem die erhoffte militärische Laufbahn am wahrscheinlichsten schien. Trotzdem führte er die Hinweise auf seine italienischen und französischen Wurzeln im Namen und unterzeichnete mit dem italienischen Vornamen“Eugenio“, der deutschen Präposition „von“ und der französischen Regionsbezeichnung „Savoy“. Seine Entscheidung für Österreich wird er vermutlich eher nicht bereut haben. Schon mit zwanzig Jahren war er 1683 im Kader für die Schlacht am Kahlenberg. Heute kämpfen junge Sportler, die sich für Österreich entschieden haben, in diesem Alter gegen die Sperrstunde in Grazer Tanzlokalen und gegen alkoholhältige Getränke, die sie nicht vertragen.

In der Geschichte Savoyens spielt Eugen Franz keine so große Rolle. Die wird dominiert von einer Kette Amadei, deren Höhepunkt vermutlich Amédée VIII (1391 – 1440) darstellt. Der Sohn von Amédée VII, dem „Comte Rouge“ (der Rote Graf), leitete eine Periode besonderer Blüte in Savoyen ein. Amédée VIII führte 1430 gegen den Widerstand des Adels und der Städte in der Region um den Genfer See und Piemont ein umfassendes Gesetzbuch ein. Wie wäre der mit den Interessen der sogenannten „institutionellen Anleger“ in der Causa Hypo Alpe Adria verfahren? Und wie mit den Falotten, die das Fiasko verbrochen haben und sich jetzt dreist über Umfragerekordwerte freuen?

Amédée VIII zog sich vier Jahre nach der Einführung dieses Gesetzbuches übrigens weder in die EU-Kommission noch in den Vorstand irgendeines „institutionellen Anlegers“, sondern in die Kartause Ripaille am Genfer See zurück. Dort wird heute ein erfreulich tonischer Weißwein („Château de Ripaille“) und ein Rotwein, der nach seinem Vater „Le Comte Rouge“ benannt ist, gekeltert.

Aber anstatt nur mehr dem Rebensaft zuzusprechen wird Amédée VIII nur fünf weitere Jahre später auf dem Konzil von Basel zum Gegenpapst von Eugen IV gewählt und das, obwohl er nicht einmal dem Klerus angehörte. Amédée VIII gab sich als Heiliger Gegenvater den Namen Felix V. Ob dieser Name dem Glück der tollen Weine von Ripaille oder der überraschenden Wahl zum Gegenpapst geschuldet war, wissen wir nicht. Immerhin zehn Jahre hielt Felix V der üblen Propaganda des amtierenden Papstes stand. Einer der Höhepunkte der Schmutzkübelkampagne von Eugen IV war 1440 eine Bulle, in der er unter anderem die Savoyer Alpen und das Aosta Tal als Hort von Hexen und Ketzern diskreditierte. Und noch heute haben die Bewohner der savoyardischen Alpen den Ruf von Querköpfen. Zum Glück nicht ganz zu Unrecht. Denn ginge es nach den Kontrollneurotikern der INAO, des „Institut national de l’origine et de la qualité“, dann sähen die kleinen Weinberge Savoyens mit ihren nicht ganz übersichtlichen 22 Crus und den mehr als zwölf Rebsorten vermutlich anders aus.

Als Reverenz an den savoyardischen Eigensinn gibt es diese Woche nach dem zugegebenermaßen nicht ganz ungewagten „Reife-Schilcher-Thema“ der Vorwoche quasi eine Bank: les Vins de Savoie. Die roten der spät reifenden Rebsorte Mondeuse, die sich vor allem auf Schiefer- und Kalkgeröllböden von ihrer besten schwarzgepfefferten Seite zeigt: Jacques Maillet, Frédéric Giachino, beide Mondeusen von der Domaine Saint Germain: „Le Pied de la Barme“ und „Le Taillis“ und ein „La Brova“ 2005 vom Rotweindoyen Savoyens, Louis Magnin – alle zusammen von Biowinzern.

 

Die weißen Weine sind von des Rudls Lieblingscepage: Altesse, zu Recht auf Deutsch „Hoheit“ genannt, als einzige Rebsortenappellation Savoyens auch Roussette genannt. Vermutlich 1366 wurde sie von Amédée VI. vom Kreuzrückzug aus Zypern mitgebracht. Die wirklich segensreichen Dingen sind aus dem Morgenland in das Abendland gelangt, zumindest bis man dort Erdöl entdeckt hat. Der Ampelograph Pierre Galet bringt die Altesse mit dem ungarischen Furmint in Verbindung. In voller Reife bringen die rötlichen Trauben elegant-rassige Weine mit einem unnachahmlichen Aroma nach Bergamotten, Haselnüssen, Mandeln, Honig und Lindenblüten hervor. Die drei Altesse von Jacques Maillet (Chautagne, über hundert Jahre alte Rebstöcke auf Sandstein), von Frédéric Giachino (Kalksteingeröll) und Noёl Dupasquier (Jongieux, von mit dem Pickel in Kalkfelsen gehauenen Rebstöcken) könnte der eine oder andere Besucher der „Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils“ schon einmal getrunken haben. Zusätzlich wird es eine Altesse vom biodynamischen Winzer Michel Grisard geben. Der ist gemeinsam mit Nicolas Joly (Coulée de Serrant) Gründungsmitglied der „Renaissance des Appellations“. Die setzt sich für die Unverwechselbarkeit von Weinen ein. Die vier Faktoren Temperatur, Licht, Wasserversorgung und Geologie arbeiten überall auf dieser Welt auf eine ganz bestimmte eigene Art zusammen. Und ein Wein, der nicht durch eine Unzahl an Herbiziden, Pestiziden, Aromaheferln und anderen segensreichen Interventionsmitteln verhunzt ist, sollte genau von diesem überall einzigartigen Zusammenspiel von Temperatur, Licht, Wasserversorgung und Gestein geprägt sein. Paradoxerweise wird gerade dem Altesse von Michel Grisard immer wieder die Appellation „Vin de Savoie“ verweigert, weswegen der Wein 2005 „Altesse le Refus“ (Altesse die Verweigerung, Ablehnung) geheißen hat. Ganz fremd muss einem das im DAC-Raiffeisenweinland nicht sein. Und für Verweigerer der Verweigerung gibt es die konventionelle Variante der Grisard-Altesse von den Brüdern von Michel: Philippe und Jean-Pierre

 

am Mittwoch, den 19. März und am Freitag, den 21. März

von 16 bis 22 Uhr     

in der „Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils“, Reindorfgasse 22

 

Wenn Sie diese Zeilen bis hierher gelesen haben, dann bedankt sich Herr Rudolf dafür auf das Heftigste. Es war der bisher vermutlich längste Newsletter des Rudl.

Merci! Monsieur Rudolf

Reife Schilcher und der Unterschied zwischen Deppen und Narren

Es gibt Menschen, die wollen vor allem eines: dass man ihnen Prestige zuschreibt. Und das atmen sie auch aus, mit jeder Pore ihrer Haut: sonore Stimme, langsame Sprache und Gestik, joviales Lachen und Fidelsein, an Psychose grenzender Mangel an Selbstironie und ein para-erotisches Verhältnis zu – nicht selten motorisierten – Statussymbolen: die personifizierten Souveränitäten. Gerhard Polt und Otto Grünmandl haben ihnen vor dreißig Jahren ein literarisches Denkmal gesetzt („Die ganze Welt und überhaupt. Gespräche in einem Raum“), dem eigentlich nichts hinzuzufügen wäre, wenn es diese geborenen oder penibel gecoachten Souveränitäten nicht in verzichtbarer Regelmäßigkeit herausfordern würden, dass man ihnen ihr überschaubares Format vor Augen hält. Und dann gibt es natürlich auch Menschen, die krankhaft von solchen Figuren fasziniert sind, die Claqueure und Claqueusen, manchmal auch Nachäffer der Souveränitäten.

Bemerkenswert erscheint dabei, dass vor ein paar Jahrzehnten solche Souveränitäten auch noch in der Politik zu finden waren. Heute sucht man sie dort vergeblich (nicht jedoch ihre Claqueure). Die Souveränitäten selber scheinen sich in die mehr oder weniger private Wirtschaft zurückgezogen zu haben. In der Politik machen sie sich bestenfalls als Berater(honorar) bemerkbar.

Solchen Erscheinungen mit Skepsis, nötigenfalls auch mit Spott zu begegnen, auf gar keinen Fall aber über ihre jovialen Witze zu lachen, ist eine der wenigen Lehren, die sich Herr Rudolf aus seiner frühen Kindheit gemerkt hat. Beide Seiten dieser konversen Erscheinung – die Darsteller wie die Anhimmler – betrachtet der Rudl als Deppen.
Und von diesen unterscheidet er die Narren, denen komplett zu Unrecht der Fasching als Zeit zugeschrieben wird. Schaut man sich so eine Faschingssitzung nämlich einmal an, dann sieht man dort keine Narren, sondern erst recht wieder die jovialen Deppen und ihre auch nicht viel gscheiteren Bewunderer. Die Narren hat man längst davon gejagt, gekreuzigt, eingeliefert, assimiliert oder in ihrem Narrentum pragmatisiert und ihnen damit den Narrenzahn gezogen.

Die Narretei begegnet aber natürlich nicht nur den anthropomorphen Souveränitäten mit Skepsis, sondern auch den entsprechenden Geistes- und Gemütshaltungen, den Weisheiten, die halt land- oder stadtläufig so angenommen werden, allem, was einem der Hausverstand angeblich so sagt und den übrigen kleinen und großen Konformismen, die so sind, weil sie immer schon so waren.

Eine Weinweisheit, die einem der Hausverstand nahelegt, ist es zum Beispiel, Schilcher jung zu trinken, wobei damit natürlich nicht gemeint ist, sich den entsprechenden Regelungen des Jugendschutzgesetztes zu widersetzen und dem Schilcher bereits im Vorschulalter zuzusprechen. Dazu wäre vermutlich jeder Wein besser geeignet als der Schilcher mit seiner rustikalen Säure und den herben Noten. Die gängige Meinung empfiehlt, Schilcher nicht lange zu lagern. Das wird in vielen Fällen sinnvoll sein, immer stimmt es nicht. Ein begeisternd lebendiger Schilcher von Sepp Muster aus dem Jahr 1992, der 2013 geöffnet wurde, hat das in der „Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils“ schon gezeigt. Gemäß dem Motto des Apostels Paulus, „Prüft alles und behaltet das Gute!“ (1 Thess 5,21), gebietet es die Narretei, diese Woche drei reife Schilcher zu öffnen, zwei aus dem Jahr 1990, einen aus dem Jahr 1991. Der Rudl ist auf das Resultat selber schon gespannt. Einer davon ist übrigens vom Weingut Fuchs-Maierhofer aus Gundersdorf, das in Weinbüchern der Siebziger Jahren immer wieder als Pionier der naturbelassenen Weine, des lagenspezifischen Ausbaus und der Interventionsreduktion genannt wird (Helmut Romé, Die großen Weine Österreichs).

Dabei sei natürlich darauf hingewiesen, dass das Anrennen eines Narren gegen etablierte Meinungen und Weisheiten nicht ausschließlich mit Siegen über die etablierten Meinungen und Weisheiten endet. Manchmal erweist sich das Etablierte als sinnvoll. Aber den Versuch war es gemäß 1 Thess 5,21 wert. So oder so werden auch andere Weine zur Ausschank kommen, auch junge Schilcher. Und zwar

am Mittwoch, den 12. und am Freitag, den 14. März
jeweils von 16 bis 22 Uhr
in der „Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils“, Reindorfgasse 22

Rudolf Polifka grüßt diese Woche ganz besonders die Passagiere des „Narrensschyffs“ (1494) von Sebastian Brant und jene des Flascherlzugs von Stainz!

Der Herr Karl, hippe Flexibilität und der Graue Burgunder

Flexibilität steht hoch im Kurs, vor allem beim Wirtschaftsbund, wobei Flexibilität bemerkenswerterweise fast immer von Arbeitnehmern gefordert wird, viel viel seltener von Unternehmern. Von denen fallen gar nicht einmal so weniger, weniger in arbeitsrechtlicher als in parteipolitischer Hinsicht durch ein Übermaß an Flexibilität auf. In besonderem Ausmaß scheint das für den Links- und Rechtsliberalismus in diesem Land zu gelten, wobei der Rudl offen gestanden den Unterschied zwischen diesen beiden fast noch nie ganz verstanden hat. Gut: Der eine scheint als viel hipper als der andere zu gelten, der eine eher etwas für die Bezirke innerhalb des Gürtels, der andere eher für die mit absichtlich herbeigeführten Verwundung auf der Wange. Der eine lässt sich lieber vom Standard bestätigen, was er sich sowieso immer schon selber gedacht hat, der andere eher von den Wiener „So … unsere …“- und „… exklusiv“-WortakrobatInnen.  Parteipolitisch scheint es liberalen KandidatInnen auf beiden Seiten schwer zu fallen, bei zwei aufeinanderfolgenden Wahlen für ein und dieselbe wahlwerbende Gruppe – früher einmal „Gesinnungsgemeinschaft“ – zu kandidieren. Dort scheint fast alles möglich und fast nichts fix zu sein.Beispielsweise scheint es bei so mancher zur Wahl zum EU-Parlament antretenden Gruppe schier unmöglich zu sein, herauszufinden, als wessen Nachfolgepartei sie dieses Mal antritt. Wie auch immer: Flexibilität, auf gut Deutsch Biegsamkeit oder Geschmeidigkeit scheint eine Eigenart von „hippen“ Bewegungen zu sein. So zog vor noch gar nicht so vielen Jahren das Wort „gschmeidig“ in der Bedeutung von „erfreulich“, „angenehm“ und „nicht übermäßig strapaziös“ in die urbane Jugendsprache ein. Ein Klassiker an hipper Geschmeidigkeit war seinerzeit der Herr Karl, überall genau so lange dabei, so lange es mit persönlichen Vorteilen verbunden ist. Und wenn man sich heute sogenannte Bildungsreformen genauer anschaut, könnte einen schon der Verdacht beschleichen, das Ziel von Bildung sei, Schüler dazu zu befähigen, biegsam und geschickt günstige Gelegenheiten zu erkennen und wahrzunehmen, anstatt „an der Entwicklung der Anlagen der Jugend nach den sittlichen, religiösen und sozialen Werten sowie nach den Werten des Wahren, Guten und Schönen durch einen ihrer Entwicklungsstufe und ihrem Bildungsweg entsprechenden Unterricht mitzuwirken“, die jungen Menschen „zu gesunden, arbeitstüchtigen, pflichttreuen und verantwortungsbewussten Gliedern der Gesellschaft und Bürgern der demokratischen und bundesstaatlichen Republik Österreich“ heranzubilden, zu „selbständigem Urteil und sozialem Verständnis“ zu führen, „dem politischen und weltanschaulichen Denken anderer aufgeschlossen sowie befähigt“ zu werden, „am Wirtschafts- und Kulturleben Österreichs, Europas und der Welt Anteil zu nehmen und in Freiheits- und Friedensliebe an den gemeinsamen Aufgaben der Menschheit mitzuwirken“, wie das der Gesetzgeber im Paragraph Zwei des österreichischen Schulorganisationsgesetztes ungeschmeidig fordert.
Das Gegenteil von Flexibilität, Biegsamkeit und Geschmeidigkeit wäre übrigens Rückgrat oder aufrechter Gang, heute möglicherweise nicht ganz so hoch im Kurs.

Der Graue Burgunder scheint auf den ersten Blick genau in dieses Bild zu passen: Bei kaum einer anderen Rebsorte ist die Liste der Namen, unter denen man ihn kennt oder auch nicht kennt, so lange wie beim Pinot Gris. Nur: Er bleibt mehr oder weniger er selbst, die pfiffigsten Selektionsmaßnahmen haben aus ihm keine hippe Rebsorte gemacht und das, obwohl er verdammt eng mit dem doch nicht ganz unpopulären Pinot Noir verwandt ist und in kaum einer ampelographischen Beschreibung der Hinweis auf sein großes Qualitätspotential und den besonders edlen Charakter der aus ihm gewonnen Weine fehlt. Aber der Graue Burgunder ist und bleibt eine graue Maus. Wahrscheinlich nicht zuletzt auch deshalb, weil es sich bei ihm um eine weinbaulich eher schwierige Rebsorte handelt, in seiner Dünnhäutigkeit anfällig für Rebkrankheiten und Wetterkapriolen.
Darin mag auch der Grund zu suchen sein, dass der Pinot Gris zwar unter seinem französischen Namen am bekanntesten, aber nichtsdestotrotz in Frankreich eher bescheiden verbreitet ist, im Elsass noch mehr, in Burgund, Lothringen, der Champagne, an der Loire und in Savoyen ein bissl, sonst bestenfalls ein ganz kleines bissl. Nach Österreich brachten ihn übrigens Mönche im dreizehnten oder vierzehnten Jahrhundert, weshalb er auch „Grauer Mönch“ genannt wird. Noch charmanter findet der Rudl ja die Bezeichnungen „oststeirischer Traminer“ oder „kleiner Traminer“, wobei beide eher darauf hindeuten, dass im Prestige dieser Rebsorte nach oben hin noch Potential ist. Und darum gibt es kurz nach der Pinot Gris Vertikale vom Wirt und Winzer Josef Lentsch jetzt gleich wieder eine, und zwar gleich aus dem Nachbarort von Podersdorf, nämlich aus Frauenkirchen von Josef Umathum. Zum Winzer ist alles gesagt und geschrieben, vielleicht nur das eine: Allein die ruhige und kompetente Art von Josef Umathum passt zum Pinot Gris. Seiner steht übrigens in der Mitte einer seiner Paradelagen, der Riede Hallebühl, dem heiligen Hügel. Der ist nicht nur von eisenhältigem Kiesel und Magnesium durchzogen, was die Eleganz der Weine erklärt, sondern auch die mit 128 Metern Seehöhe höchste Erhebung östlich des Neusiedlersees, als solcher quasi das Gegenstück zur Riede Tiglat, dem tiefstgelegenen Punkt Österreichs.
Und von diesem Wein kredenzt Herr Rudolf diese Woche jeweils eine Flasche aus den Jahren 1997, 2006, 2007, 2008, 2011 und 2012, aber nicht ausschließlich,
und zwar am Mittwoch, den 5. März und am Freitag, den 7. März
von 16 bis 22 Uhr in der „Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils“, Reindorfgasse 22

Herr Rudolf grüßt graue Eminenzen, Mäuse, Burgunder und den farbenfrohen Frühling!
All the best! Rudolf Polifka

Fasching ist. Ein Motiv für Rebsortenkuriositäten

Nicht alle schätzen ihn, aber das ändert nichts daran, dass er ist. Tiefenpsychologisch ließe sich dem Fasching vermutlich allerhand abgewinnen, befördert er doch Facetten unserer Persönlichkeitsstruktur zu Tage, von denen wir sonst nicht allzu viel zu wissen scheinen, früher Piraten, Cowboys, Indianer und Clowns, heute Starwars, Baumeister und diverse Figuren aus den Welten von Walt Disney.

Herr Polifka nimmt die kommende Woche zum Anlass, weniger Bekanntes aus dem Reich der Rebsorten an das Tageslicht zu befördern, fast durchwegs Weine aus Rebsorten, deren weltweite Verbreitung 5000 Hektar nicht übersteigt.

Vom Kardarka kann man gelegentlich auf einer Weinliste im Seewinkel lesen.

Und einen pilzresistenten Regent hat der eine oder andere südsteirische Biowinzer.

Darüber hinaus ein Juhfark, der auf den Vulkanböden von Somló wächst und gerade nicht wie die Süßspeise, die von dort ihren Siegeszug durch die Speiskarten des Seewinkels angetreten ist, schmeckt. Er gilt als einer der edelsten der ungarischen Weißweine, als „Wein des Thronfolgers“, wer auch immer momentan sich dafür hält. Feurigkeit, Maskulinität und eine goldgelbe Farbe sagt man ihm nach. Auf Deutsch heißt er „Lämmerschweif“.

A propos Schweif: Der Melon à Queue Rouge – der Rudl wird einen von der demeter-zertifizierten Domaine Pinte aus Arbois im Jura aufmachen – hat es nicht leicht mit seinem Namen und nicht einmal auf die Wikipedia-Seite geschafft. Dass ihm sein anzüglicher Name dabei hinderlich war, bleibt Spekulation, ganz auszuschließen ist es nicht.

In roter Hinsicht freut sich der Rudl auf einen Persan von Giachino. Der war vor Jahrhunderten einmal  im Vallée de la Maurienne sehr wichtig. Die Weine schmecken oft nach kandierten Früchten und haben kräftige Tannine, die zehn Jahre lagern sollten. Dieser eigenwillige Charakter, die niedrigen Erträge und die Anfälligkeit für Rebkrankheiten führten fast zum Aussterben dieser Rebsorte. 1988 gab es noch acht Hektar Persan. Momentan steigt die mit Persan bestockte Rebfläche in Savoyen wieder etwas. Eine ernsthafte Gefahr dürfte dem Pinot Noir, dem Syrah und dem Merlot daraus aber nicht erwachsen.

Daneben wird es einen Braucol von Plageoles aus Gaillac geben. Der Braucol ist als Fer Servadou nur unmerklich bekannter. Anders als der Persan ist er für seine besonders hohe Resistenz gegen die meisten Pilzkrankheiten bekannt. Trotzdem verlangen auch diese Weine einige Jahre Lagerzeit. Sie gelten dann als fein und kraftvoll zugleich und schmecken nach roten Früchten. Auch der Fer Servadou galt bis vor kurzem als vom Aussterben bedroht, aber auch er scheint sich dieser Gefahr erfolgreich entzogen zuhaben, weshalb die Anbauflächen wieder langsam wachsen.

Der Trousseau ist von Jacques Puffeney aus dem jurassischen Arbois. Die Portugiesen und Spanier nennen ihn weniger schmeichelhaft „Bastardo“. Trousseau ist im Jura quasi der nur eine Spur farbintensivere kirschrote Bruder des farblosen Poulsard, der als Chefankläger von „Gefällt mir“ vor zwei Wochen zu verkosten war. Geschmacklich erinnert der Trousseau an rote Waldfrüchte.

Nicht zu vergessen sind ein Teran und ein Vitovska von Cotar, in dieser Serie womöglich noch die bekanntesten Rebsorten. Der eine rot, gewachsen auf eisenhältigen Terra Rossa Böden im istrianischen Karst, frischer Geschmack nach Kirschen, Heidelbeeren und Veilchen.

Der Vitovska ein Orangewine der eleganten Art, mit feiner Exotik und Mineralität.

Gekrönt wird das Programm von einem Buchertberg Weiß, dem gemischten Satz von Gottfried Lamprecht aus der Oststeiermark, der sich um Jahrhunderte alte steirische Rebsorten verdient macht.
Rebsortenkuriositäten mit oder ohne Verkleidung gibt es

am Mittwoch, den 26. Februar und am Freitag, den 28. Februar
von 16 bis 22 Uhr
in der „Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils“, Reindorfgasse 22

Rudolf Polifka grüßt den Wiener Baumeister, obwohl er auch heuer wieder nicht in dessen Loge sitzt. Dann halt aus der Ferne: D’Ehre! Rudolf Polifka

Du bist nicht allein (gelassen). Morgen Freitag wieder offen

Es muss im Herbst 2006 gewesen sein: Ein unterbeschäftigter, aber mir etlichen Mitteln des ökonomischen Neusprechs beschlagener Finanzberater wird am Bankschalter eines Plus’ von 5000 Euro auf einem Girokonto gewahr. Ob man dieses Geld nicht für sich arbeiten lassen möchte, fragt er sogleich. So liege es ja nur herum. Auf die Gegenfrage, was es denn an ethisch verantwortbaren Veranlagungen gäbe, war keine sinnträchtige Antwort zu bekommen, allerdings sehr wohl die Information, dass Ethikfonds zu keiner ordentlichen Performance fähig seien. Osteuropa sei das Gebot der Stunde: fette Gewinne und das garantiert, noch fettere bei immerhin noch garantierter Einlagensicherung.

 

Jetzt müsste der Rudl lügen, wenn er sagen würde, dass er diese Informationen sofort im Bullsh!t-Küberl deponiert hat. In der Tat hat er tatsächlich ein paar Wochen lang den Kurs der Osteuropafonds verfolgt. Irgendwann ist ihm das dann wieder zu blöd geworden und der Rudl wollte sich nur äußerst ungern eingestehen, dass er eine Zeit lang den Gedanken an die in jeder Hinsicht sicheren Osteuropafonds für etwas anderes als für imbecile Dummheit gehalten hat.

 

Dann sind einige Jahre ins Land gezogen und der Rudl hat die Osteuropafonds schon fast vergessen gehabt, bis letzten Montag eine im Fernsehen übertragene Nationalratssitzung über eine südosteuropäische Bank schonungslos die Decken des Vergessens von den sicheren Veranlagungen gerissen haben. Das seien ja keine bösen Heuschrecken, war dort zu hören, sondern gutgläubige Anleger, die man im Insolvenzfall doch auf gar keinen Fall mit ihren Verlusten allein lassen könne. Womit kann die Republik uns noch nicht alleine lassen? Mit falschen Toto-Tipps? Mit einer missglückten Wahl des Gerichts im Gasthaus? Mit einem Korkfehler bei einer Flasche Wein? Nicht auszudenken, wenn die Kunden der Wettbüros von dieser Bereitschaft zu Staatshaftungen Wind bekommen.

 

Andererseits gibt es aber schon Menschen, die manche staatstragenden Politiker ohne Weiteres auch alleine lassen: Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, zum Beispiel oder sogenannte „Bettlerbanden“. Vielleicht sollte man Asylwerbern ein paar Osteuropafonds dieser südosteuropäischen Bank zustecken. Sie hätten dann wenigstens die Gewissheit, nicht allein gelassen zu werden. 

 

Der besonnene verantwortungsbewusste Staatsmann kann auf alle Fälle doch nur eine sogenannte „Anstalt“ befürworten. Und in so einer Anstalt sichert dann der Steuerzahler den Gutgläubigen (und vielleicht doch auch ein bissl der Einemeine-enemene-muh-Bank), die vor Jahren ihr Geld in Osteuropafonds oder ähnlichen Schwindligkeiten arbeiten lassen haben, ihre Einlagen, denn wie kämen die dazu? Darum heißt so eine Anstalt wahrscheinlich ja auch Anstalt.

 

Soviel zum Staatsmännischen. Wobei: Als „staatsmännisch“ gilt etwas in Österreich dann, wenn es ganz langsam und mit tiefer, sonorer Stimme vorgebracht wird. Inhaltliche Kriterien spielen für den Staatsmännlichkeitsgehalt von etwas keine Rolle. Pech, wenn Wahlkämpfe dann zum Duell zwischen Fiepsern und Krakelern hochstilisiert werden. Aber die staatsmännischen Entscheidungen treffen ohnehin andere, die mit langsamer Sprache und sonorer Stimme.

 

Rudolf Polifka ist bekanntlich kein Staatsmann, sondern ein Kinobilleteur in Rente, früher mit einem Nebenerwerb als Geldwechsler, seit gut einem Jahr ein Weinhändler. Und als solcher hat er morgen, am Freitag, zu der Art und Weise, wie die Piepser und Fiepser sich für die Interessen der Langsamen und Sonoren ins Zeug legen und natürlich auch dafür, wie die Herunterwirtschafter der südosteuropäischen Bank von ihrer Verantwortung ablenken, den passenden Wein:

 

Primitif

 

… heißt er, von der Rebsorte Jacquère ist er, 9,2% Alkohol hat er und in der Domaine Giachino wurde er gekeltert, mit einem Minimum an Intervention, à l’ancienne, wie der Savoyarde sagt.

Dazu gibt es einzelne Flaschen von Weinen, die nicht so leicht in eine Serie passen, zum Beispiel eine sensationelle Pinot Gris Spätlese 2004 von der „Dankbarkeit“, die jetzt auch im Sortiment verfügbar ist. Das alles

 

am Freitag, den 21. Februar

von 16 bis 22 Uhr in der „Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils“

Reindorfgasse 22

 

Sollten Ihnen der eine oder andere Wein wider Erwarten nicht schmecken, dann findet sich sicher eine Bundes- oder Landesregierung, die dafür haftet und der Rudolf ist aus dem Schneider.

In diesem Sinne:

In vino veritas! Rudolf Polifka

 

12. Februar 1934, 4. Februar 2004

4. Februar war es und 2004 war es: Das lange Warten hatte sein Ende. Seit diesem Tag ist es uns möglich, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten. Wir können mit ihnen teilen, wovon uns das Herz übergeht. Und das wiederum kann Herr Zuckerberg mit seinen Werbepartnern teilen. Und der, mit dem Zuckerberg etwas teilt, kann seine Produkte dann mit uns teilen. Eine Win-Win-Situation.
Das Teilen, genauer: das Teilen von elektronischer Kommunikation, wird zum Lebenssinn erhoben.
„Die Kleinen und die Großen, die Reichen und die Armen, die Freien und die Sklaven, alle zwang es, auf ihrer rechten Hand oder ihrer Stirn ein Kennzeichen anzubringen. Kaufen oder verkaufen konnte nur, wer das Kennzeichen trug: …“ (Offb 13,14-15).

Aber das Buch kann noch viel mehr. Diese ganze komplizierte Welt, in der sich sowieso keine Sau mehr ausgekannt hat, war auf einmal übersichtlich geordnet: in Freund und Nicht-Freund, in Gefälltmir und Nicht-Gefälltmir. Und selbst Zeitgenossen, die ansonsten in erster Linie durch eine lange Leitung auffallen, haben sich die Weltreduziererei auf ja und nein unverzüglich angeeignet, auch im Bildungsbereich. So schnell konnte man gar nicht schauen. Natürlich hat es die auch schon gegeben, bevor die Buberln in Harvard ihr Berufungserlebnis hatten, aber die Buberln haben halt eine Spur erfolgreicher als andere ihren Beitrag zur Banalitätsoffensive geleistet. Und diesen Erfolg kann man bekanntlich lernen, wie das ein anderer amerikanischer Geistesriese einmal ausgedrückt hat, auch – oder gerade dann – wenn man sonst gar nix gelernt hat. Hauptsache es wird kommuniziert, und wenn es nur das ist, dass man etwas mag oder nicht. Der Seppi ist mein Freund und die Trixi ist nicht meine Freundin. Der Puppi ihre Frisur gefällt mir und dem Maxi seine neuen Schuhe gefallen mir nicht. Das Kipferl schmeckt mir, aber meine Suppe ess’ ich nicht! Und überhaupt.

Viele Damen und Herren in Regierungen und Redaktionen, denen von dem ganzen Denken sowieso schon der Kopf weh getan hat, haben die Zeichen der Zeit verstanden. War es einmal Kernkompetenz von Politikern, einen Interessensausgleich herzustellen, zu streiten und Kompromisse auszuverhandeln, so ist heute Schluss mit der Streiterei. Jetzt ist Kommunikationskompetenz gefragt, aber eben nicht im Diskurs, sondern in der Kampagne, im Verkaufsgespräch, im Denanderenüberdentischziehen und sei es durch Dauergrinsen, im Mehrgemochtwerdenalsderandere. Und in dieser Disziplin hat Österreich ja traditionell einiges zu bieten. Wo sonst hat eine personifizierte Gemütlichkeit die Welt in einen Krieg hinein gewurschtelt. Und von wo aus sonst hat ein mit allen Präsentationstechniken, mit sonst aber auch gar nichts begabter Schreihals ebendiese in einen zweiten gehetzt? Und wo sonst lässt sich eine angebliche Öffentlichkeit in einem derartigen Ausmaß von „So …“- und „… exklusiv“-Schlagzeilen die Welt formatieren? So wird man von seinen mutlosen Vertretern nicht mehr repräsentiert, sondern alle Daumenlang gefragt, ob man für oder gegen etwas ist, für Tempo 80 oder dagegen, für die Fußgängerzone oder die Wirtschaftskammer, für die Wirtschaftskammer oder gegen das Passivrauchen und für den Nikolaus oder den Krampus, und zwar exklusiv. Keine Ahnung, was das ewige Polarisieren bringen soll, wohin es führen soll … hoffentlich nicht dorthin, wo es am 12. Februar 1934 gelandet ist.

Das Erfreuliche am Wein ist, dass er sich wesentlich all den Kategorisierungen entzieht und auch durch das lauteste Gewäsch und den hundertsten DAC nicht einfangen und definieren lässt. Wobei es ja Weinliebhaber geben soll, die die Weinwelt in Rot und Weiß, neue Welt und alte Welt, Bioweine und konventionelle Weine, angehimmelte und verteufelte Winzer, österreichische und ausländische Weine, Frankreich oder Italien, Riesling oder Veltliner einteilen, ja selbst „Bordeaux oder Burgund?“ musste sich der Rudl schon fragen lassen.

Die kommende Woche wird auf alle Fälle im Zeichen von Weinen, die sich fast schon rabiat der Einteilungswut entziehen, stehen. Zwei an und für sich eigentlich Roséweine von Franz Strohmeier, den 2008er „Trauben, Liebe und Zeit Rosé“ und den nämlichen Wein aus 2007, als er noch „Lestoa“ oder „der weststeirische Silex“, geheißen hat. Beides Weine aus der Blauen Wildbachertraube, aber weder weiß noch rot, nicht einmal klassisch rosé, und orange auch nicht. Dazu ein Poulsard von Jacques Puffeney aus Arbois im Jura. Der gilt dort als Rotweine, bei uns bestenfalls als Rosé, noch viel heller als ein Pinot Noir, aber die Poulsard Traube gibt nicht mehr Farbe her. Und ein „P’tit Canon“ von Jacques Maillet, Jacquère und Altesse in einer Flasche, was äußerst selten anzutreffen ist, zumal in Savoyen Jacquère als Massenwein für die Skistationen und Altesse als Edelwein für die Oenophilen gelten.

Das, aber nicht ausschließlich das gibt es diese Woche

am Mittwoch, den 12. und am Freitag, den 14. Februar
von 16 bis 22 Uhr
in der „Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils“, Reindorfgasse 22

Wer einen der oben erwähnten Weine trinken möchte, dem empfiehlt M. Rudolf, das am Mittwoch zu tun, oder sonst am Freitag Nachmittag. Am Freitag Abend findet in der „Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils“ nämlich eine Geburtstagsfeier statt und da ist die kleine Weinhandlung sitzplatztechnisch ausreserviert.

Den Lernenden und Lehrenden in Wien und Umgebung wünscht Herr Rudolf einen passablen Kick-Off zur zweiten Halbzeit, allen anderen eine ebenso passable Woche!
Monsieur Rudolf

PS Wenn Ihnen diese Überlegungen gefallen haben, können Sie auf welchen Button auch immer klicken. Haben Sie Ihnen nicht gefallen: detto. In beiden Fälle wird das Klicken hundertprozentig konsequenzlos bleiben.

1. bis 11. Februar geschlossen

Im Zuge der Ölkrise 1973/74 wurden in Österreich ein „autofreier Tag“ und „Energieferien“ eingeführt. Dadurch gelang es, den Ölverbrauch deutlich zu verringern.Bemerkenswerterweise haben sich die „Energieferien“ gehalten, obwohl heute in den wenigsten Schulen mit Öl geheizt wird. Die Kübeln auf der Straße benötigen, soviel der Rudl weiß, noch immer den einen oder anderen Liter Benzin, trotzdem ist der „autofreie Tag“ sehr schnell wieder verschwunden.
Ganz nachvollziehen kann der Rudl das nicht, direkt stören tun ihn die Energieferien aber auch nicht.

Und weil die „Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils“ sich auch als Bildungseinrichtung – heute „Kompetenzzentrum“ – versteht, hat sie während der Schulferien fast immer geschlossen, so auch kommende Woche.

Nächster Öffnungstag ist Mittwoch, der 12. Februar, ein denkwürdiges Datum.
Herr Rudolf wünscht den Tankstellen auch eine Woche Energieferien und Ihnen, dass Sie jede Menge seelische und körperlich Energie tanken können!
Avec ses meilleurs salutations
Monsieur Rudolf