Irouléguy Blanc, ganz oder gar nicht

Lücke und Demut

Unterschiedlicher als die Wörter „Demut“ und „Lücke“ kann man heute nicht im Kurs stehen.

Lücken

Eine Lücke hat einmal darauf hingedeutet, dass irgendwo etwas fehlt, ein Stück Stoff in der Hose zum Beispiel oder eine Zahl in einer Zahlenreihe.
Könnte sein, dass so ein Begriff in einer Zeit quantitativen Überflusses keinen allzu großen Sinn mehr hat. Gibt es von allem und jederzeit viel zu viel, und zwar so zu viel, dass sie einem ein Kilo Hendlfleisch um zwei Euro und bunte Ostereier das ganze Jahr über nachschmeißen, scheinen die Ängste zu wachsen, dass jemand kommt und uns diese Unmengen an industriell hergestelltem Dreck wegnimmt. Den Rudl erinnert das ein bissl an diesen Sketch von Karl Valentin, in dem der Gefängniswärter Angst hat, dass jemand in den Häfm einbricht.

Bettlerbanden mit Papier und Druckerschwärze

Diejenigen, die die Angst vor den Lücken und Engpässen am rabiatesten schüren – in Österreich sind das vor allem die drei Wiener Qualitätsblätter -, sind selber die besten Beispiele für Überfluss und Verschwendung, zumindest wenn es um Steuergeld in Form von öffentlichen Inseraten und Presseförderung geht.

Qualitative Lücken

Qualitativ wiederum scheinen Lücken fast zu Statussymbolen geworden zu sein, über die hinweg gelächelt und gegrinst werden will, bis die Balken krachen und an dem vorbei geantwortet wird, bis das Gegenüber komatös ist. Der schönste und erfolgreichste Finanzminister aller Zeiten hat das nicht erfunden, aber er hat es zum Exzess getrieben. Und das scheint bei jenen auf den fruchtbarsten Boden gefallen zu sein, die damals eigentlich vorgegeben haben, die Antipolitik des Dauergrinsers und seiner Trüffelschweinchen zu bekämpfen. Darum grinsen heute Lücken aus höchsten Regierungsämtern. Und boulevardkompatible Opposition heißt heute, immer noch lauter und dämlicher zu grinsen, beziehungsweise auf seine Bildungslücken noch penetranter stolz zu sein.

Panier

Dass die Bekleidungsindustrie selber die Lücken in die angesagten Hosen machen lässt, passt ins Loch. Wehe nur, wenn einer wirklich eine geflickte Hose trägt. Outer geht es nicht.

Zurück zu den personifizierten Lücken

Dass solche Geistes- und Sprachgiganten dann in Grenzzäunen und Festungen Lösungen sehen, ist wahrscheinlich nur scheinbar ein Widerspruch. Denn wer unter seiner Lückenhaftigkeit leidet, sehnt sich nach Geschlossenheit. Und was schließt besser ab als Stacheldraht?

Herr Rudolf und die Lücken

Der Rudl sieht im Großen und Ganzen zwei Möglichkeiten im Umgang mit der Lücke: auf der einen Seite das dämliche Weglächeln. Das ist der Nährboden, auf dem plastische Chirurgie, Einheizmatura und Kleinformatregierungen wachsen und gedeihen. Auf der anderen Seite …

Demut.

Dieses Wort wird es in den nächsten Jahren aller Voraussicht nach nicht unter die Top-Five der angesagtesten Wörter schaffen. Aber egal. Schulkind Rudolf staunt immer wieder, wie viel Interessantes es gibt. Ein paar Dingen davon kennt er ein bissl, bei anderen schlägt er gegebenenfalls nach und bei den meisten kennt er sich überhaupt nicht aus. Im Bildungsbereich wird dieser Zugang zum Wissen im Speziellen und zur Welt im Allgemeinen heute gerne als Fachtrottelei diskreditiert. Schul- und Weinmeister Rudolf hält sich aber für einen Fachidioten aus vollster Überzeugung und Leidenschaft. Darum kennt er sich bei den allermeisten Dingen nicht aus. Bei der Aviation zum Beispiel, beim Rebschnitt, in der Oper oder in Burgund und im Languedoc. Nicht dass ihn das alles zusammen nicht interessieren würde und er nicht in Demut davor stünde, aber er kennt sich halt nicht aus und denkt nicht im Entferntesten daran, diesen Umstand irgendwie durch Grinsen oder pseudosouveränes Klugscheißerei zu kaschieren.
Drei, vier Sachen gibt es, die ihn noch mehr interessieren. Der Weinbau in Savoyen, zum Beispiel, österreichische Biowinzer, die Wurzeln der Europäischen Union, österreichische Weißweine aus den Siebziger- und Achtzigerjahren, Lautwandelphänomene, „Die letzten Tage der Menschheit“ von Karl Kraus oder die Appellation Irouléguy. Da gibt der Rudl dann erst eine Ruhe, wenn er die letzte vergriffene Publikation irgendwo ausgegraben oder via Fernleihe entlehnt hat. Und ertappt er die Welt dabei, dass sie ihm in diesen Materien bislang etwas vorenthalten hat, wird er nervös und fühlt sich brüskiert. Ein bissl übertrieben hat Monsieur Rudolf da jetzt vielleicht, aber viel nicht.

Alle Weißweine Irouléguys. Stand 2011

In seinem Vollständigkeitstick hat Caviste Rudolf schon bei seinem vorletzten Besuch in Irouléguy von jedem Weißwein der Appellation mindestens einen unter seine Kontrolle gebracht. So wahnsinnig schwierig ist das aber nicht gewesen. Denn von den damals neun Betrieben
Domaine Abotia
Domaine Ameztia
Domaine Arretxea
Domaine Bordatto
Domaine Brana
Cave d’Irouléguy
Domaine Etxegaraya
Domaine Gutizia
Domaine Ilarria
Domaine Mourguy

haben ausschließlich Abotia, Ameztia, Arretxea, Brana, Ilarria und die Genossenschaft Weißwein gemacht, Brana und die Kooperative jeweils zwei. Seit dem Jahrgang 2013 gibt es darüber hinaus die Domaine Bordaxuria. Herr Rudolf hat denen ihren Weißen schon bei einer Vinothek in Aix-les-Bains bestellt, er hat dafür sogar schon die entsprechende Marie hinüber geschickt, damit der Wein dann auch noch da ist, wenn der Rudl kommt, aber holen kann er ihn erst im Sommer.

Appellation Irouléguy Controllée

Zu Geschichte, Wetter und Geologie der Appellation Irouléguy hat der luckerte Rudl zum 10. März unter dem Titel „Tannat! Irouléguy seid das Salz der Erde. (länger)“ ziemlich viel geschrieben.

http://wein-polifka.at/tannat-irouleguy-seid-das-salz-der-erde-laenger/

Darum beschränkt er sich hier auf die paar Zeilen über die Steine, weil die ihn noch ein bissl mehr als Wind, Wetter und Geschichte am Herzen liegen und – anders als Wind, Wetter und Geschichte – auch eigenhändig gesammelt in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils anwesend sind.

Steine

Yves Hérody, Geologe aus dem Jura, bezeichnet Irouléguy als Mosaik von über vierzig unterschiedlichen Böden. Im Großen und Ganzen lassen sich aber vier Terroirs identifizieren:

Roter Sandstein

stammt aus dem unteren Trias, ist also knapp 230 Millionen Jahre alt. Die vom Sandstein dominierten Weingärten weisen einen hohen Eisengehalt auf, sind sauer und oft in Terrassen angelegt.

Kalk aus dem Jura

supportiert vor allem die Rebstöcke der Domaine Ilarria, ist gut fünfzig Millionen Jahre jünger, aber auch ganz schön alt.

Schiefer

ist älter als Sandstein und Kalk, trotzdem aber nur zufällig der Boden, auf dem die Domaine Arretxea begonnnen hat.

Vulkanischer Ophite

ist im Gegensatz um Sandstein basisch und liegt als Streusplitt in der Einfahrt zur Domaine Arretxea. Vielmehr weiß der Rudl darüber nicht, denn er ist gstudierter Theologe, nicht Geologe.

Noch eine Lücken. Die weißen Rebsorten

Fast alle dargebotenen Weißweine bestehen aus Gros Manseng, Petit Manseng und Petit Courbu. Die ersten zwei sind eng verwandt, alle drei auch die Rebsorten des Jurançon.

Gros Manseng

Auf Baskisch heißt er „Izhiriota“. Er ist für die Quantität zuständig. Der falsche Mehltau ist nicht sein bester Freund.

Petit Manseng,

Izkiriota Itipia, ist ertragsschwach, kleinbeerig und dickschalig, kann deshalb lange am Stock hängen und viel Zucker bilden. Anklänge an Zimt, exotische Früchte, Honig und reifen Pfirsich gehen auf seine Rechnung.

Petit Courbu,

Xuri Zerratia, ist fast immer in der Minderheit, noch ertragsschwächer als der Petit Manseng, aromatisch dafür noch feiner.

Diese Woche folgende Weine, aber nicht ausschließlich folgende Weine glasweise in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils

Domaine Abotia, Irouléguy Blanc, 2009
Domaine Ameztia, Eztia 2011
Domaine Arretxea, Hégoxuri 2014
Domaine Brana, Irouléguy Blanc 2010
Domaine Brana, Ilori Blanc 2009
Cave d’Irouléguy, André d’Ansa 2010
Cave d’Irouléguy, Xuri 2010
Domaine Ilarria, Irouléguy Blanc 2013

am Donnerstag, den 31. März und am Freitag, den 1. April
von 16 bis 22 Uhr
in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

Nachrichten aus dem Flaschensortiment

Ab sofort sind Blaufränkisch, Josef und Sausal vom Weingut Karl Schnabel wieder verfügbar.

Herr Rudolf wünscht Ihnen und sich grinsfreie Lücken!