Dritter Donnerstag im November
Es ist eine Tradition. Dieses Jahr ist es am 21. November. Da werden in Paris und Umgebung, quasi in urbe et in orbe, die ersten Beaujolais des Jahrgangs 2024 kredenzt. Seit etwa dreißig Jahren ist es eine Traditiaun, dass der Steirische Junker noch gute zwei Wochen davor ausgeschenkt wird. Das dürfte im burgenländischen Seewinkel die Rebsorte Bouvier auf Ideen gebracht haben, wobei der Rudl das im Unterschied zu Jungweinen aus Blauem Wildbacher sogar versteht. Aber das Verstehen wäre in diesen Zeiten ein Thema für eine eigene Abhandlung. Der langen Schreiber kurzer Sinn: Es gibt immer einen noch jüngeren Wein, notfalls aus dem Reagenzglas. Diesbezüglich gibt es ja – im Unterschied etwa zu Riedenbezeichnungen – erstaunlich wenige Kennzeichnungsvorschriften. Dass dort ausführlich Platz für Irrelevantes ist, entscheidende Informationen aber meistens fehlen, hat auch Tradition. Der Jungweinkult ist inzwischen ganz bestimmt eine solche. Bis in die neunziger Jahre dürften österreichische Weinbauern am 27. Jänner zum ersten Mal halbwegs systematisch ihren neuen Wein hergezeigt haben, zuerst einmal den Kollegen und nicht irgendwelchen Wichtigtuern. Heute gelten Junker und Konsorten am 27. Jänner wahrscheinlich bereits als unverkäuflich. „Tradition“ wäre vermessen, aber seit es dem Rudl sein Geschäft gibt, setzt er sich im November mit dem Jungweinkult, der wie jeder Kult zu einem nicht zu unterschätzenden Anteil Kommerz zu sein scheint, auseinander. Heuer kredenzt der Rudl zu diesem Anlass eine seiner Lieblingsrebsorten, aber ganz bestimmt nicht jung.
Gamay
Der Rudl hat vor gut zwei Jahren begonnen, sich mit Studien von Professeur Jules Chauvet auseinanderzusetzen. Letzterer war – geneigte Oenologin, gewogener Oenologe, Sie wissen das vielleicht aus anderen Quellen oder aus früheren Zeilen vom Rudl – nicht nur Chemiker, Physiker und Weinhändler, sondern auch Weinbauer im Beaujolais. Monsieur Chauvet hat dort herumgetüftelt und in den fünfziger Jahren herausgefunden, wie man Wein ohne Schwefelzusatz und ohne Essigstich macht. Vielleicht weil er es als Professor gewohnt war, sein Wissen nicht für sich zu behalten, hat Jules Chauvet einer Weinbauern-Bande aus Villié-Morgon und Umgebung gezeigt, wie es geht, ohne Schwefelzusatz. Man kann das als Geburtsstunde der Naturweinbewegung betrachten.
- 2018 Gamay, Domaine Dupasquier, Aimavigne, AOC Vin de Savoie (3/5)
klassischer Gamay aus Savoyen, schulreif und alles andere als ein Primeur
- 2022 Brisûre, Domaine les Cortis, Andert et Condon, Bugey, Vin de France (5/8)
Altesse und gleichgepresster Gamay, quasi ein Vin gris
- 2021 Gastine, Domaine les Cortis, Andert et Condon, Bugey, Vin de France (4,50/7)
Gamay, Altesse, Mondeuse, Corbeau, Pinot noir, Chardonnay – teilweise vom gemischten Satz
- 2022 Uzée, Domaine les Cortis, Andert et Condon, Bugey, Vin de France (5/8)
Gamay und Mondeuse gemeinsam gelesen, getrennt vinifiziert und dann wieder vereint
- 2018 Argile rouge, Domaine des Ardoisières, Cevins, IGP Vin des Allobroges (6/9)
65 % Gamay, 25 % Mondeuse noire, 10 % Persan vom Terroir in Saint Pierre de Soucy
- 2018 L’Esprit pourpre, Les Petits Riens, Aostatal (7/11)
Gamay reinsortig und alpin aus Italien
DIENSTAG, 19. November von 17 bis 21 Uhr
Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils
Reindorfgasse 22
Im Übrigen ist der Rudl der Meinung, dass der 27. Jänner, der Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Konzentrationslager Auschwitz, zu einem gesamteuropäischen Feiertag erklärt werden muss.
Geduldig grüßt Herr Rudolf!
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Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22, 1150 Wien