Drei Weine schauen aus drei Richtungen und drei europäischen Staaten hinauf zum höchsten Berg Europas

Petite Arvine, Les Crêtes, 2012, Aostatal: Autochthone Rebsort, um die zwischen der Schweiz und Italien ein Vaterschaftstreit geführt wird. Der Wein wächst zwischen 550 und 650 Metern Seehöhe und zeichnet sich durch Salzigkeit, Salbei, Akaziennoten und Zitrusfrucht aus. Was Salzigkeit oder Mineralität betrifft, möchte der Rudl hier bitte Folgendes festhalten: Der Rudl hat jetzt nicht direkt etwas gegen diese Begriffe, wobei es seines Wissens bis dato noch nicht gelungen ist, irgendwelche Rückstände von geologiespezifischen Gegebenheit im Wein nachzuweisen. Solange das Wort „mineralisch“ in kaum einer Weinbeschreibung fehlen darf – ein Wein für Experten hat mineralisch zu sein und darf auf gar keinen Fall allzu fruchtig schmecken -, wird Weinmeister Rudolf dieses Wort hier sparsamkeitshalber nur mehr dann verwenden, wenn ein Wein jeglicher Mineralität entbehrt. Wenn also nichts Diesbezügliches angeführt ist, können Sie den Wein ruhig als mineralischen Wein betrachten. 

Les Murettes, Fendant du Valais, Robert Grilliard, 2007, Wallis: Der Chasselas heißt im Wallis Fendant. Der schmeckt unter anderem nach weißen Blüten.

Clos de Pont, Cru Marin, Samuel Delalex, 2009, Hoch-Savoyen: Einer der Lieblingschasselas vom Rudl. Er wächst auf ton- und braunkohlehältigen, quartären Erosionsterrassen, 25 bis 100 Meter über dem Genfer See, zwischen Evian und Thonon-les-Bains. Die West- und Südwest-Lagen sind gegen Nordwinde geschützt. Man sagt, der Marin wetteifert mit dem Quellwasser von Evian, das keine zehn Kilometer weiter aus dem Berg sprudelt, hinsichtlich Klarheit. Der Clos de Pont kommt von einer Parzelle, die zum Ufer der Dranse hin ein bissl stärker abfällt. Der Boden ist besonders steinig – don’t mention the ***. Die Wein ist vielschichtiger als andere Marins, schmeckt nach Lebkuchen, Blumen und passt in seiner Frische ziemlich gut zu Reblochon, einem lokalen Käse – nur für den Fall, dass jemand gerade einen einstecken hat. Oder sich vorsorglich einen kauft. In diesem Zusammenhang möchte Herr Rudolf einmal ausdrücklich darauf hinweisen, dass es nicht nur erlaubt, sondern sehr erwünscht ist, wenn jemand, der bei ihm Wein trinkt, sich etwas zum Essen selber mitnimmt. Gerade so wie im Bräustübel zu Salzburg-Mülln.

Diese drei Weine mögen dem Mont Blanc ein mildes Augenzwinkern über das närrische Treiben unter ihm entlocken. Drum kredenzt Monsieur Rudolf sie kommende Woche glasweise in den Niederungen Reindorfs.

Vielleicht wird manch dümmlicher Grinser auf dem einen oder anderen Wahlplakat dann erträglicher. Einige von denen könnte man für die Ankündigung eines Castings zu einer Nachstellung von Monty Python’s „Twit of the Year“ halten. Dazu passt auch ganz gut die bipolare Struktur der literarischen Kleinode, die mittlerweile wahrscheinlich wirklich alle von ein und derselben Edelfeder formuliert werden:

  • Österreich oder Europa
  • Menschen oder Banken
  • Menschen oder Lobbys – Wofür entscheidet man sich eigentlich bei Banken oder Lobbys?
  • Herz oder Kopf
  • Geschäfte oder Gurken, beziehungsweise krumme oder blöde,
  • sozial oder egal (Eine der Aufklärung verpflichtete Bildungseinrichtung wie die „Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils“ wird nie etwas Anstößiges an der „Egalité“ finden können. Und die eine Partei, die bis jetzt eher gegen Gleichmacherei polemisiert hat, fordert gar „Erasmus für alle“, eine interessante egalitäre Vorstellung, die auch dem Humanisten Erasmus gefallen würde)
  • abrechnen oder rechnen
  • umdenken oder denken. Denn zu viel Bumbum ist dumm.
  • Zorn verstehen, den man vorher verursacht
  • t.b.c. – das ist zumindest zu befürchten

In Anbetracht derartiger Geisteshöhen helfen wahrscheinlich nicht einmal mehr die drei Musketiere aus dem 2-Liter-Gebinde. Aber dass nicht die bipolare Zwei (sie steht eher in der heidnischen Gnosis hoch im Kurs), sondern Drei eine himmlische Zahl ist, das hat der Trainer Günter Brödl ja schon vor gut zwanzig Jahren in „1+1=3“ überzeugend dargelegt. Und dass Drei darüber hinaus auch dem Menschsein viel eher entspricht als die Schwarz-Weißmalerei detto: „A Schritt vire (zwa Schritt zruck)“ (1989). Ein paar talentlose Wahlkampfleiter werden daran ganz sicher nichts ändern.

Abgesehen davon wird der Rudl diese Woche eine Reihe starten, deren Ziel die Erforschung alternativer Weinflaschenverschlüsse ist. In unregelmäßigen Abständen werden ältere Weine, die mit Kronenkapsel, Presskork, synthetischem Stoppel, vielleicht aus Glas-, Drehverschluss oder anderem abgefüllt worden sind, ausgeschenkt. Vielleicht ergeben sich daraus Aufschlüsse für die Auswahl von Weinen, die man sich ein bissl länger aufhebt. Den Anfang wird diese Woche ein einundzwanzig Jahre alter Grüner Veltliner mit Presskork machen, von einem Biowein-Pionier aus Platt, Erwin Binder, der dem Vernehmen nach heute keinen Wein mehr produziert. Das machen in Platt jetzt dafür die Gebrüder Fidesser. Sie sind drei und sie machen den Wein auch bio und sehr gut. Bei der Verschlussstudienreihe wird Oberstudienrat Rudolf keine Studiengebühren einheben, die läuft außer Konkurrenz, quasi für außerordentliche Trinker aller Fakultäten.

Das alles diese Woche

Mittwoch, den 21. Mai und Freitag, den 23. Mai

von 16 bis 22 Uhr

in der „Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils“, Reindorfgasse 22

In diesem Sinne: Liberté! Egalité! Fraternité! Aux Bouteilles, Citoyennes!