Der Rudl freut sich wie ein kleines Kind, auch wenn er zugibt, dass sich diese Öffnung – anders als jene nach der ersten Verlängerung der Sperrstund‘ im Frühling 2020 – ein bissl unwirklich anfühlt. Es gibt ja eine Redensart, derzufolge „es“ so sei, als wäre es gestern gewesen. Ungefähr das Gegenteil ist der Fall, wenn der Rudl daran denkt, wie er in seinen Aus- und Einführungen vom 19. Oktober 2020 für den 3. und 5. November 2020 (!) unter dem Motto „Steirerland – Weinland – Ausland“ Weine, die man damals auch zugunsten des Integrationshauses ersteigern konnte, angekündigt hat.
Sicher ist sicher
Auf alle Fälle nützt der Rudl nächste Woche die Aufsperrmöglichkeit maximal, darum auch schon am
MITTWOCH und regulär am Donnerstag, von 16 bis 21 Uhr
Jetzt aber endlich zum Lehrstoff für das kurze Sommersemester
Wie viele Hektar Weingärten, glauben Sie, geneigte Oenologin, gewogener Oenologe, hat es bis in die Fünfzigerjahre in Savoyen gegeben? Der Rudl wird hier jetzt keinen Mentimeter- oder Kahootquiz machen. Aber besonders e-learning-affine können sich so einen vor dem Weiterlesen ja selber machen. Und wenn Sie gewonnen haben, dürfen Sie sich ein Seidl oder was genehmigen. So ähnlich hat das der Herr Kurt seinerzeit in seiner Radiosendung immer wieder empfohlen hat.
20.000
… Hektar sind es gewesen. Heute gibt es keine dreitausend mehr. Aber das ist eh schon wieder mehr als noch vor zehn Jahren. Viele von diesen Weingärten gibt es schon ziemlich lange. Der alte Plinius hat schon über sie geschrieben. Um das fünfte Jahrhundert befanden sich diese Weingärten in kirchlichem Besitz, um via Adel und Bürgertum im neunzehnten Jahrhundert beim Bauernstand zu landen, auch die Weingärten der Domaine des Ardoisières in Cevins und Saint Pierre de Soucy.
Der Weinberg von Cevins wurde dann in den Fünfzigerjahren von Bauern an den Wald übergeben und war bald darauf kein Weinberg mehr.
Zusammensetzen
So wäre es ziemlich sicher auch geblieben, wenn sich im April 1997 nicht der Bürgermeister von Cevins, das ist ein Dorf an der Isère in der Tarentaise, vergleichbar vielleicht mit Tenneck, wer das kennt, und ein paar Verantwortliche der Vereinigung „Vivre en Tarentaise“ mit dem damals eher noch belächelten Biodynamiepionier Michel Grisard zusammengesetzt hätten. Michel Grisard wird man ohne große Übertreibung als den Pierre Overnoy von Savoyen bezeichnen können. Was damals im April 1997 geredet worden ist, weiß der Rudl nicht. Das steht nicht auf der Homepage der Domaine des Ardoisières, was auf dieses Treffen hinauf passiert ist aber schon, ziemlich exakt noch dazu.
Im Mai 1998 sind zwanzig Ar Altesse ausgepflanzt worden. Ende desselben Jahres haben die Grundbesitzer dem Wald die rote Karte gezeigt und Anfang 1999 ist es dann richtig losgegangen. Zuerst haben Sie die Wurzeln entfernt, dann den Weinberg terrassiert. Im Oktober 2002 hat Michel Grisard zweiundzwanzig Hektoliter vom Weinberg in Cevins vinifiziert.
Der Rudl würde viel dafür geben, diesen Wein einmal kosten zu dürfen. Ein 2005er Schiste ist bis jetzt das Älteste, was er von diesen damals extrem jungen Reben getrunken hat. Und das war alles andere als ungut.
Davor, 2003, haben einander Michel Grisard und Brice Omont getroffen. Letzterer kommt von einem Getreidebauern aus der Champagne und wollte eigentlich ein besseres Bier brauen. Aber das hat er sich dann überlegt. Vielleicht war es auch Michel Grisard, der ihm das ausgeredet hat.
Und bei der Inauguration im selben Jahr war dann der damalige französische Landwirtschaftsminister Hervé Gaymard anwesend, was schon darauf hindeutet, dass es sich bei der Domaine des Ardoisières von Beginn an nicht um ein Projekt mit provinziellem Horizont gegangen ist.
2008 wurden dann Weingärten in Saint Pierre de Soucy, viel weiter isèreabwärts, übernommen. Auch kein uninteressantes Terroir, aber doch sehr verschieden von den ausgesetzten Terrassen in Cevins. Von diesen älteren Weingärten in Saint Pierre de Soucy kommen Argile blanc und Argile rouge.
Seit 2010 trägt Brice Omont die Verantwortung allein. Michel Grisard hat sein Stammweingut Prieuré Saint Christophe in Fréterive noch bis zum Jahrgang 2014 weitergeführt, bis er das gemacht hat, was andere Winzer gut zehn Jahre früher machen, nämlich in die Rente zu gehen. Aber auch die Weingärten von Michel Grisard in Fréterive sind in gute Hände geraten. Dort wachsen jetzt Prieuré Christophe rouge und Prieuré Christophe blanc von den Giachinos. Dazu hoffentlich mehr im Oktober.
Synchron
Achtzig Prozent der Qualität entsteht im Weingarten, wobei alle Maßnahmen ein einziges Ziel haben: die Charakteristik der jeweiligen Parzelle in die Weintraube zu transferieren.
In Cevins besteht der Boden fast ausschließlich aus Glimmerschieferfelsen.
Altesse wächst dort für den Quartz, Roussanne, Mondeuse blanche, Jacquère und Pinot gris für den Schiste und Mondeuse noire sowie Persan für den Améthyste.
8000 Rebstöcke am Hektar in Stockkultur führen nicht nur zu einer Drängerei, sondern vor allem zu ziemlich tiefen Wurzeln und in weiterer Folge zu einer veritablen Steinigkeit dieser Weine.
Keller
Jede Arbeit dort verfolgt ein Ziel: die aromatische Vielschichtigkeit der Trauben muss in die Flasche. Neun bis achtzehn Monate hat sie dafür Zeit, wobei das, was sich in den Jahren danach in der Flasche noch tut, auf gar keinen Fall zu unterschätzen ist.
Die Weine werden selbstverständlich spontan vergoren. Und in diesem Fall bedeutet das zu hundert Percent das, was es heißt, denn der Keller der Domaine des Ardoisières ist früher nicht von einem Weingut, sondern von einer Rebschule genutzt worden. Es können sich darin also auch keine lustigen Heferln aus früheren Zeiten wichtig machen.
Wer sich Qualität und Länge der verwendeten Korken genauer anschaut, weiß noch vor dem ersten Schluck, dass er einen Wein im Glas hat, der nicht nach zehn Jahren über seinem Zenit ist.
Argile blanc 2019, Domaine des Ardoisières, IGP Vin des Allobroges (5/8)
Argile rouge 2018, Domaine des Ardoisières, IGP Vin des Allobroges (6/9)
Schiste 2018, Domaine des Ardoisières, IGP Vin des Allobroges (7/11)
Quartz 2018, Domaine des Ardoisières, IGP Vin des Allobroges (11/17)
Das sind keine billigen Weine. Und weil die folgenden zwei aufgrund der vielen Sperrstunden sowieso bis jetzt zu kurz gekommen sind, kredenzt der Rudl auch
Jacquère 2016, Domaine Dupasquier, Aimavigne, AOP Vin de Savoie (2,50/4)
Rosé 2017, Domaine Dupasquier, IGP Vin des Allobroges (2,50/4)
Vom Konjunktiv II der Vergangenheit zum Indikativ Futur
Über das, was seit Oktober 2020 geschehen ist, hat sich Citoyen Rudolf Polifka während der XXXL-Sperrstund‘ das eine oder andere Mal zu Wort gemeldet. Das Adjektiv „vermeidbar“ ist alles, was ihm zur zweiten und dritten Welle noch einfällt. Genau dasselbe Wort fällt ihm übrigens auch zu einer vierten oder fünften Welle ein, Mutantinnen hin, Mutanten her. Und da weitere Wellen zwar vermutlich ab Oktober ausgelöffelt, aber im Juni, Juli und August eingebrockt werden, kündigt der Rudl hier an, dass er alle Auflagen zur Verhinderung der Ausbreitung des Corona-Virus übererfüllen und keine Würschtel machen wird, und ersucht um Reservierung unter genauer und verbindlicher Angabe der Anzahl an Personen, sowie um Mitführen der jetzt notwendigen Impf-, Genesungs- oder Testbestätigung.
Wenn wir das jetzt nicht verantwortungsbewusst durchziehen, haben wir den ganzen Krampf im Herbst ein drittes Mal und der Caviste Rudolf unter Umständen dann auch keine Konzessiaun mehr.
Antoine Arena, Mai 2006
Der extraordinaire Weinmeister aus Patromonio auf Corsica hat Ende Mai 2006(!) mit Blick auf die vorige Krise des globalisierten Neoliberalismus festgestellt, dass eine Krise den Blick auf eine oder zwei andere verstellen kann.
Wer jetzt glaubt, diese marode neoliberalistische Ideologie des Immer-Mehr-und-immer-Billiger noch einmal durch Gründung von ein paar neuen Parteien oder Think Tanks retten zu müssen, spielt nicht nur mit dem Feuer, sondern wird das „größte Unglück der größten Zahl“ zu verantworteten haben. Für diese Prognose muss man kein Studium der Mathematik abgeschlossen haben.
MITTWOCH, 19. Mai und Donnerstag, 20. Mai
16 bis 21 Uhr
Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 20
Cycling Caviste Rudolf Polifka stellt Ihnen nach Maßgabe der zeitlichen Reserven weiterhin gerne CO2-, kontakt- und zustellgebührfrei Wein mit dem Radl zu.
Im Übrigen ist er der Meinung,
dass es definitiv Zeit für den Ausbruch des Menschen aus seiner selbstverschuldeten, neoliberalen Unmündigkeit ist
und man auch deshalb den 27. Jänner, den Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz zu einem europäischen Feiertag erklären soll.
Incroyablement grüßt der Rudl!
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