A Tribute to Rentnerkollegen Jacques Maillet
Der Rudl ist sozialversicherungstechnisch bekanntlich gesehen „in da Rentn“ (Kurt Ostbahn, Ein Abend im Espresso Rosi, 1995). Geringfügig beschäftigt hat er sich das eine oder andere Zubrot verdient. Der Kurtl ist ihm acht Jahre darauf gefolgt. Seit 1. Jänner 2017 ergänzt Monsieur Jacques Maillet die illustre Runde. Und wenn so einiges im Leben unsicher ist, diesen drei Herrschaften wird im Ruhestand garantiert nicht fad.
Jacques Maillet – Weinbauer zu Venaise Dessus, Motz, Chautagne, Savoie, Rhône-Alpes, France, Europe
An den ersten Besuch bei Jacques Maillet wird sich der damals nicht einmal in spe Caviste Polifka immer erinnern. Die Zufahrt alleine war ein Erlebnis. In Venaise Dessus, hoch oben in der Chautagne über der Rhône fährt man nicht zufällig vorbei. Wenn man es findet, vergisst man es nicht mehr. Den Ausblick nicht, die eigenartige, privat initiierte, aber kollektiv betriebene Siedlung nicht und den Wein noch viel weniger.
Lage
Die Chautagne ist die gedachte Verlängerung des Lac du Bourget, des größten ausschließlich französischen Sees nach Norden. Der wiederum ist ein Gemeinschaftskunstwerk von Gletschern und tektonischen Unfällen. Die westlich ausgerichteten Hanglagen entlang des Lac du Bourget und der Chautagne sind ziemlich sicher der klimatisch privilegierteste Teil der Weinbauregion Savoyen. Zikaden und Mandel- und Olivenbäume lassen erahnen, warum diese Gegend als „Provence de Savoie“ bezeichnet wird.
Steine und Gegensätze
Der Rudl hat vor einigen Monaten darauf hingewiesen, dass es in Frankreich gar nicht so viele Kreideweinbergböden gibt, wie man vielleicht annehmen möchte und dass das massivsten Gebirge aus der Kreidezeit die Bauges sind. Auf denen grasen die Kühe, aus deren Milch der berühmte Tome des Bauges heranreift, präziser heranergraut. Am westlichsten Abhang der Bauges befindet sich das Weingut von Jacques Maillet.
Wenn es eine Personifizierung des geraden Gegenteils vom Kreidemeister gibt, dann ist es Jacques Maillet. Der hat die Kreide über den Weinbergboden in sich aufgenommen, nicht über NLP. Ein Philanthrop – herzlich, authentisch und mit einer Direktheit, die einen manchmal auch kurz verstört dasitzen lassen kann. Aber zum diplomatischen Herumreden ist Monsieur Jacques die Zeit zu schade. Die nützt er im Weingarten oder für Verkostungen, bei denen er zwar mitverkostet, vor allem aber der Wein spricht.
Die kreidehältigen Sandsteinböden in der Chautagne bröseln an der Oberfläche förmlich. Sie sind charakteristisch für den steinigen Charakter der gelungenen Weine der Chautagne. Will man die Böden tiefer bearbeiten, erweisen sie sich als pickelhart wie Felsen. Das hat Weinbaumeister Jacques nicht daran gehindert, die kleinsten und lockerbeerigsten Mondeuse Reben aus seinem etwas tiefer gelegenen Weingarten massal zu selektionieren und etwas weiter oben am Steilhang wieder auszupflanzen. Jacquère und Altesse wachsen auch dort. Nur Gamay und Pinot Noir stehen auf der Parzelle „Vignes du Seigneur“.
Einige Reben vom Cellier des Pauvres sind über 110 Jahre alt und „francs de pied“, wurzelecht. Die Reblaus kann sich auf dem Sandstein nämlich brausen.
Weingarten und Weinkeller
Der Rudl hat letzten Sommer zum ersten Mal einen Blick in den Weingarten von Jacques Maillet geworfen, nach einer Fahrt im Dienstauto von Monsieur Jacques, bei der dem Rudl um ein Haar das Mittagessen, sowie jede Lust auf Weingartenbesichtigung und Wein abhanden gekommen wären. So oder so, nach überstandener Fahrt wird aus einem ansonsten überaus fidelen und gesprächigen Zeitgenossen ein gerührter Mann mit fast kindlich strahlenden Augen und er erklärt: „C’est la seule chose qui m’intéresse, la vigne … Je ne m’intéresse pas à la cave, je ne m’intéresse pas aux tracteurs. La seule chose qui m’intéresse c’est la vigne.“ (Was mich interessiert ist der Weingarten, kein Traktor, kein Keller, nur der Weingarten.)
Gänzlich desinteressiert dürfte er dem Keller auch wieder nicht gegenüber stehen. Sonst hätte er in den letzten Jahren keinen gebaut, um seine Weine zuhause keltern zu können. Seit 2003 geht er seinem Handwerk biodynamisch nach. Darum hat er bald darauf der Genossenschaft Auf Wiederschaun! gesagt. Seine Vinifizierung nennt er Ni-ni-ni. Das hat nichts mit dem Monty Python Film über die Artussage zu tun, sondern bedeutet „Weder-noch-noch“. Gemeint ist: Weder Reinzuchthefen, noch Aufzuckern, noch Filtrieren. Geschwefelt wird höchstens bei der Füllung, und das minimal. Bei der Altesse meistens überhaupt nicht.
Ein Blick auf die Trauben in seinem neuen Weingarten mit den selektionierten Mondeuse Reben lässt erahnen, warum Jacques Maillet so glücklich ist. Auch in Savoyen gilt 2016 in wettermäßiger Hinsicht als ziemliche Zumutung für die Weinbauern. Die Spätfröste sind dort in den Bergen paradoxerweise gar nicht so ein Problem gewesen wie etwa in Burgund. Aber Frühjahr und Sommerbeginn waren derart nass und kalt, dass ein großer Teil der Trauben verfault und in Folge schwarz eingetrocknet ist, auch jener von den Biowinzern. Schön schaut das nicht aus. „Tu n’en verras rien ici!“ (Davon wirst Du hier nichts sehen.), sagt Jacques Maillet und schaut dabei, als ob er das selber nicht ganz glauben könnte. Aber es ist so. Die Trauben an den neu selektionierten Mondeuse Reben sind so lockerbeerig und klein, dass kaum eine an der anderen anzustoßen scheint. Da kann der Wind überall dazwischen hinein, schlechte Karten für die Mehltaue.
Dass seine Weingärten so viel gesünder sind als die anderer Winzer führt Jacques Maillet auch auf den Umstand zurück, dass er keine „voisins chimiques“ (keine chemischen Nachbarn) hat. Der neu selektionierte Weingarten ist heuer zum ersten Mal im Vollertrag. Das ist einerseits gut, weil ein klimatisch alles andere als begünstigter Jahrgang wie dieser schön die Unterschiede zwischen massetragenden und klein-lockerbeerigen Klonen zeigt. Irgendein Weinbaumeister, vielleicht war es Brice Omont von der Domaine des Ardoisières, hat darauf hingewiesen, dass das Alter eines Rebstocks gar nicht so entscheidend sei, auf alle Fälle nie so entscheidend wie der richtige Klon einer Rebe. Aber es spricht natürlich wenig gegen sehr alte Reben vom richtigen Klon.
„Es ist nie zu spät für eine glückliche Jugend“, sagt der Kurtl.
Und Jacques Maillet dürfte so ähnlich denken. Jetzt, wo nicht nur sein Lebenswerk, der massal selektionierte Mondeuse Weingarten, im Vollertrag und der eigene Keller fertig sind, sondern auch seine Weine einen Grad an Präzision und eigenständigem Charakter erreicht haben, hat er sich mit 31. Dezember 2016 in die Rentn begeben. Den Jahrgang 2016 kann er nicht mehr selber abfüllen. Das verbietet die gesetzliche Regelung für die Übergabe von Weingütern in Frankreich.
Bevor Jacques Knie ganz hin sind, wird er sie operieren lassen. Er will noch Radl fahren und in die Berge gehen.
2015 hat er noch selber abgefüllt und in Verkauf gebracht. Und den gibt es abgesehen vom Pinot Noir in der ersten Geschäftswoche des ersten Rentenjahres von Jacques Maillet beim Rudl „au verre“
- Jacquère 2015, Sur le terroir du Cellier des Pauvres, Jacques Maillet, Serrières en Chautagne, Savoie (3/5)
- Le P’tit Canon 2015, Fünfzig Percent Jacquère – fünzig Percent Altesse, Sur le terroir du Cellier des Pauvres, Jacques Maillet, Serrières en Chautagne, Savoie (4/6)
- Roussette de Savoie. Altesse 2015, Sur le terroir du Cellier des Pauvres, Jacques Maillet, Serrières en Chautagne, Savoie (5/8)
- Gamay 2015, Sur le terroir des Vignes du Seigneur, Jacques Maillet, Serrières en Chautagne, Savoie (3/5)
- Mondeuse 2015, Sur le terroir du Cellier des Pauvres, Jacques Maillet, Serrières en Chautagne, Savoie (6/9)
(In Klammern zuerst der Preis für ein Sechzehntel, dann der für ein Achtel.)
Unter anderem, aber nicht ausschließlich diese fünf Weine kredenzt Herr Rudolf diese erste Geschäftswoche des Zweitausendsiebzehnerjahres
am Mittwoch, den 11. und am Freitag, den 13. Jänner
von 16 bis 22 Uhr
in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22.
Vorschau auf die glasweisen Weine vom 18. und 20. Jänner
Happy Birthday, Bruno Kreisky, Adolf Kottan und andere!
Im Übrigen ist Rudolf Polifka der Meinung, dass man jetzt endlich den 27. Jänner, den Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz zu einem europäischen Feiertag erklären sollte!
Herr Rudolf wünscht allen Rentnerinnen und Rentnern ein gutes neues Jahr und allen anderen auch!