Vorlieben und Rebsorten im Wandel der Zeiten
Es hat eine Zeit gegeben, da hat der Rudl überall zuerst einmal einen Sauvignon Blanc gekauft oder getrunken. Das war seine deklarierte Lieblingsrebsorte. Und das war vor zwanzig, fünfundzwanzig Jahren, auf alle Fälle bevor der Rudl gewusst hat, dass Altesse nicht nur ein Hoheitstitel und Manseng keine Reinigungskraft mit iberischen Wurzeln ist.
Exkurs
Liebend gerne würde Schulmeister Rudolf jetzt über ein paar Seiten entfalten, dass seines Erachtens vermutlich als Aufwertung erdachte Termini wie „Reinigungskraft“ in Wirklichkeit viel beleidigender sind als Wörter wie „Putzfrau“. Aber das würde den gesprengten Rahmen atomisieren.
Seismograph Sauvignon
Heute kauft und trinkt der Rudl immer noch zuerst einmal den Sauvignon Blanc. Wenn der plaisiert, rechnet Herr Rudolf hoch, dass er bei diesem Weinbauern jeden Wein kaufen kann. Wenn der nach Gummibären schmeckt, geht er davon aus, dass er sein oenologisches Glück dort eher nicht finden wird. Damit ist er immer ganz gut gefahren. Sauvignon Blanc ist für den Rudl eine Art Seismograph im Sortiment eines Weinbauern und längst nicht mehr Lieblingsrebsorte. Dankbar ist er dem Sauvignon aber schon noch.
Zurück zu Sauvignon Blanc. Entfremdungen und Ursachen
Caviste Rudolf sieht im Prinzip drei mögliche Gründe für das Abhandenkommen seiner Begeisterung für die Rebsorte Sauvignon Blanc im Allgemeinen: Es können sich viele Sauvignon Blancs verändert haben. Es kann sich auch dem Rudl sein Geschmack verändert haben. Ganz ausschließen möchte es Monsieur Polifka auch nicht, dass beides der Fall war. Es ist, wie es ist. Ein verlässlicher Seismographen im Weinangebot eines Winzers ist für Herrn Rudolf aber keine zu unterschätzende Sache.
Welt- und Staatsmeister
Und in Bezug auf bestimmte Sauvignon Blancs hat sich an der Begeisterung, die ihnen der Rudl entgegenbringt, nichts geändert. Der Sancerre Clos la Néore von Edmond Vatan zählt ganz sicher zu den besten fünf Weinen, die der Rudl jemals getrunken hat. Und für das Aufmerksammachen auf diesen Wein ist er dem Herrn Grafen aus der Erne-Seder-Gasse sakrisch dankbar. Österreichischer Staatsmeister unter den Sauvignonen ist für Herrn Rudolf der Sauvignon vom Opok von Maria und Sepp Muster. Und das jetzt auch schon seit dem Jahrgang 2006, damals noch ohne „vom Opok“ im Namen. Ganz so weit zurück kann er diesen Wein bedauerlicherweise nicht kredenzen, aber eine lückenlose Vertikale von 2009 bis 2014 geht sich aus.
Sauvignon vom Opok, Maria und Sepp Muster, Schlossberg
Opok ist ein lokaler Ausdruck für Kalkmergel. Der Sauvignon vom Opok wächst am unteren Drittel der steilen Weinhänge von Maria und Sepp Muster.
Anzumerken, dass ein Wein von Sepp Muster nicht filtriert und erst recht nicht von irgendwelchen Zusätzen sekkiert wird, ist lächerlich. Auch in seinem Gärverhalten ist er autonom. Minimale Schwefelzugabe und zwei Jahre im großen Holzfass.
Sauvignon vom Opok 2009
Ein kühler Winter mit viel Niederschlag. Einen überdurchschnittlich warmen April und einen ebensolchen Mai betrachten die Reben als ausreichendes Motiv, mit der Blüte in diesem Jahr zwei Wochen früher als sonst zu beginnen.
Dann wird es kalt, bald auch nass und Hagel macht sich wichtig. Die zweite Julihälfte, der August und die erste Septemberhälfte versuchen dann, temperaturmäßig gutzumachen, was noch gutzumachen ist. Den Regen dürften andere Dinge mehr beeindrucken, was wiederum zum großen Gaudium von Oïdium und Meltau ausfällt. Ab Mitte September begünstigt spätsommerliches Wetter dann die Lese.
Sauvignon vom Opok 2010
Der Unterschied zwischen dem Ruf, den der Jahrgang 2010 in Frankreich genießt, und der schlechten Nachrede, die er in Österreich hat, könnte kaum größer sein. Vor allem die Jahrgangsbewertungen für Loire und Bordeaux überschlagen sich förmlich. In Bordeaux hat das zu selbst für Bordeaux ungewöhnlich drastischen Preissteigerungen geführt. Schon 2009 war als Jahrhundertjahrgang ausgerufen worden. Dann ist 2010 gekommen. Da hat man gar nicht anders können, als preismäßig noch einmal ordentlich nachzulegen.
In Österreich liest man über den Weinjahrgang vor allem ein Adjektiv: kompliziert. Bis August ist es ganz passabel, trocken und warm. Im August kommt dann der zuerst ersehnte, dann verfluchte Regen. In manchen Weinbaugebieten wird im Regen gelesen. Der Rudl verliert sicher kein schlechtes Wort über den Weinjahrgang 2010.
Sauvignon vom Opok 2011
2011 gilt in der Steiermark als besonders guter Jahrgang. Dem Rudl sein Lieblingsjahrgang ist es nicht. Einem Winter, den der Frühling kaum als Herausforderung ernst nehmen kann, folgt ein warmer März. Dem ein extrem warmer April. Ohne ein paar kalte Nächte Anfang Mai und einen dezenten Ausreißer im Juli könnte man den oben erwähnten Witterungsverlauf bis zur Lese fortschreiben. Gesunde, reife Trauben, aber trotzdem nicht dem Rudl sein Goût.
Man hat im Zusammenhang mit dem Weinjahrgang 2011 immer wieder von „gut abgepufferter“ Säure geschrieben. Was das genau bedeutet, dürfen Sie den Rudl nicht fragen. Seinen Verdacht möchte er ihnen trotzdem nicht vorenthalten: Könnte es sein, dass mit „gut abgepufferter Säure“ ein Mangel an Säure gemeint ist?
Sauvignon vom Opok 2012
Nach dem heißen Jahrgang 2011 hat es der 2012er nicht leicht. Abgesehen davon, dass es weniger Wein gibt, unterscheiden sich dem Rudl seine Geschmackseindrücke vom 2011er nicht dramatisch von denen vom 2012er.
Wieder wenig Schnee. Das ist mittlerweile nicht mehr explizit erwähnenswert. Die Februarkälte aber schon. Der Rudl ist damals durch Fünf- und Sechshaus, Braunhirschen und Reindorf gestreift, auf der Suche nach einem Geschäftslokal. Für die Zeit ab März gilt dann aber wirklich fast alles, was Sie oben über 2011 gelesen oder auch nicht gelesen haben.
Sauvignon vom Opok 2013
Dem Rudl sein Lieblingsjahr war geprägt von Kontrasten. Jänner und Februar waren niederschlagsreich und kalt. Hundertneunzentimeter Schnee fallen in Bad Radkersburg nicht jeden Februar, eher schon in fast keinem, 2013 aber schon.
In Klöch schneit es zu Ostern. Irgendwann hat aber das sturste Wetter ein Einsehen. 2013 ist das Mitte April. Nur zeigt sich sehr bald, dass die Niederschläge nur eine Pause gemacht haben.
Ein Mai, an dem sich keiner ein Beispiel nehmen muss. Dafür dann eine Affenhitze Mitte Juni, und das obwohl in diesem Jahr überhaupt keine Fußballwelt- oder -europameisterschaft stattfindet. Eine der vielen Arbeitshypothesen vom Rudl besagt ja, dass die Junis in geraden Jahren so affenartig heiß sind, damit man beim Fußballschauen mehr Bier trinkt.
Juli und Augustanfang sind extrem heiß und trocken. Das weiß der Rudl auch noch. Da hat er versucht, das Portal der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils zu streichen. Ab Mitte August legt der Regen los und kompensiert viel. Die Säure erweist sich trotz hoher Reife als passabel resistent, sofern der Lesezeitpunkt nicht verschlafen wird. Es gibt Schlimmeres für die Lagerfähigkeit eines Weines als die Kombination aus Körper und Säure bei vielen Zweitausenddreizehnern.
Sauvignon vom Opok 2014
Das Ganze fängt nicht gerade zum Vor-Kälte-Bibbern an. Viel zu warmer Jänner, nicht nennenswert besserer Februar. Der März noch wärmer. Irgendwie möchte man meinen, das warme Wetter habe damit sein Pulver verschossen. Der April ist wenigstens noch warm, aber verregnet. Da sind die Reben vegetationstechnisch noch zwei bis drei Wochen vorn. Im Mai ist es dann nicht einmal mehr warm. Und dann versucht sowieso nur mehr jeder Monat, seinen Vorgänger in der Kategorie Sauwetter in den Schatten zu stellen. Die konventionellen Vierzehner dürften eine Spur gesünder sein als die konventionellen Weine aus anderen Jahren, weil der permanente Regen die sogenannten Pflanzenschutzmittel im Handumdrehen immer wieder abwäscht. Sisyphos hätte seine Freude beim Spritzen gehabt. Geradezu konvenieren tut die Regnerei den Junganlagen.
- Sauvignon vom Opok 2014, Maria und Sepp Muster (3/5)
- Sauvignon vom Opok 2013, Maria und Sepp Muster (3/5)
- Sauvignon vom Opok 2012, Maria und Sepp Muster (3/5)
- Sauvignon vom Opok 2011, Maria und Sepp Muster (4/6)
- Sauvignon vom Opok 2010, Maria und Sepp Muster (4/6)
- Sauvignon vom Opok 2009, Maria und Sepp Muster (4/6)
(in Klammern die Preise für das Sechzehntel und das Achtel)
…, selbstverständlich nicht ausschließlich diese sechs Weine gibt es glasweise
am Mittwoch, den 29. März und am Freitag, den 31. März
jeweils von 16 bis 22 Uhr
in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22
Vorschau auf die Lehrveranstaltung am 5. und 7. April:
Frühlingswein if there ever was one: Jacquère
Im Übrigen ist Rudolf Polifka der Meinung, dass man den 27. Jänner, den Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz zu einem europäischen Feiertag erklären sollte!
Herr Rudolf grüßt diese Woche ganz besonders die Kräuter und die abgepackten Steine!