Der Polifka-Rudl und die Aristokratie
Es ist nicht gerade so, dass der Rudl eine Schwäche für Adelstitel hätte. Abgesehen von der Kaiserwiese im Prater kann ihm ziemlich alles Aristokratische gestohlen bleiben, im September und im Oktober sogar die Kaiserwiese.
Die da droben und wir da herunten
Politisch sozialisiert haben den Rudl seinerzeit Eltern, Kirche und vor allem Schallplatten mit Kabarettprogrammen von Lukas Resetarits. Kein Wunder, dass die politischen Sympathien des jungen Rudl auf der Seite der nicht so Privilegierten waren. Und dort bleiben sie. Aber ganz so einfach ist die Geschichte mit oben und unten wahrscheinlich auch wieder nicht. Jetzt spielen sich schon wieder oder noch immer ein paar superreiche Parvenues als Beschützer und Sprachrohre des angeblich kleinen Mannes auf. Für die Allgemeinheit Konstruktives geleistet haben sie aber schon so etwas von gar nichts. Das scheint vielen egal zu sein. Und aufzuhören scheint der Unfug auch nicht. Ganz im Gegenteil.
Wahrheiten?
Ist es da nicht an der Zeit, einmal die eine oder andere über die letzten dreißig Jahre fast liebgewordene „Wahrheiten“ in Frage zu stellen? Muss man etwa wirklich alle Ängste ernst nehmen? Psychologisch wahrscheinlich schon, aber politisch? Sind diejenigen, die den „einfach ehrlichen“ Feschaks nachrennen, wirklich alle sozial deklassierte Modernisierungsverlierer oder nicht doch zu einem gar nicht so unbeträchtlichen Teil auch gelangweilte Anstrengungsverweigerer aus allen sozialen Schichten, mit modernsten Kommunikationsmitteln und dem Ausnutzen sozialer Leistungen aufs Engste vertraut und vor lauter Langeweile jetzt einmal scharf darauf, wirklich etwas zu erleben?
Anstatt ihre Gehässigkeiten ernstzunehmen, könnte man diesen Herrschaften vielleicht einmal klipp und klar ins Gesicht brüllen, dass Langeweile kein ausreichendes Motiv für Wut ist, dass sich ein analoger Bürgerkrieg doch in drei oder vier Punkten von einem Computerspiel unterscheidet, und dass ein bissl Anstrengung gar nicht so schlecht ist, um das eine oder andere Ärgernis zu relativieren. Auch Unterrichtsmoden und Lehrpläne könnten vor diesem Hintergrund einmal überdacht werden.
Grafen
Dass die Redelsführer, Parteiobmänner und Geldgeber einfache Leute aus dem Volk sein sollen, ist sowieso an Absurdität nicht mehr zu überbieten und eine Beleidigung, die sich das Volk auf gar keinen Fall länger bieten lassen sollte. Das ist die Schickeria! Etwas anderes ist sie nie gewesen.
Ausnahmen
Aber nicht einmal bei den Grafen gibt es keine Ausnahme. Einer, den der Rudl sehr schätzt, feiert diese Woche seinen Vierziger. Und vielleicht verhält es sich mit den Grafen ja wie mit den Musikantendoktoren. Vielleicht sind da auch die selbstangemaßten die wahren und kompetenten. In diesem Sinne: „Ois Guade, Monsieur le Comte!“ Und einem besonders geschätzten Gast wünscht der Rudl gleich dasselbe!
Dann gibt es natürlich noch zwei sehr gute Gründe, sich für Gräfinnen und Grafen zu interessieren.
Ab jetzt geht es um Wein im engeren Sinn
Maria und Sepp Muster wohnen auf einem Bauernhof. Der hat wie die meisten Bauernhöfe einen Namen. Und der heißt Graf. Darum heißt die mittlere Linie der Weine von Maria und Sepp Muster Graf, Sauvignon Blanc Graf, Morillon Graf und Zweigelt Graf, Weine von der Mitte des Hanges, auf kargem Kalkmergel, den sie in der Gegend Opok nennen. Graf reift zwei bis vier Jahre in kleinen, gebrauchten Holzfässern.
Seit 2008 gibt es einen maischevergorenen Sauvignon Blanc. Die erste Palette hat ursprünglich auch Graf geheißen. Nur am Rücketikett war vermerkt, dass der seine Maische besser kennt als der andere Graf Sauvignon. Das hat die eine oder den anderen verwirrt. Drum heißt der maischevergorene Graf jetzt Gräfin.
Château de Mérande – Domaine Genoux
Ab sofort sind die beiden Weine von Maria und Sepp Muster aber nicht die einzigen Weine mit aristokratischen Namen im Sortiment von Caviste Rudolf.
La Comtesse Blanche
In Savoyen haben sie es mit den Grafen. Das bleibt nicht ohne Auswirkung auf Gaststätten- und Weinnamen. Wie kompetent und sozialverträglich die im Einzelnen ihren Amtsgeschäften nachgegangen sind, kann der Rudl schwer beurteilen. Dazu wäre es erforderlich, verschiedenste historische Quellen zu studieren. Monsieur Rudolf stützt sich fast ausschließlich auf die Arbeiten von André Combaz, weil dort allerlei Kompetentes über Wein und vor allem Geologie steht.
Le Comte Rouge
„Roten Graf“ haben sie Amédée VII. genannt. Der allerfeinste dürfte der nicht gewesen sein. Er hat seine Grafschaft bis Nizza erweitert. Wer weiß, wen der noch beglückt hätte, wäre er nicht mit 32 Jahren vom Pferd gefallen? Mit seinem Nachfolger Amédée VIII. hat dann wirklich eine hohe Zeit in Savoyen angehoben. Der hat Marie von Burgund geheiratet und war eher der Diplomatie, dem Wein und der Religion zugetan als dem Kampf. Auf die Gefahr hin, dass Monsieur Rudolf da jetzt wieder zu predigen beginnt, aber ihm scheint es da schon Zusammenhänge zu geben. Wie auch immer, nachdem Amédée auf seinem Sitz in Ripaille quasi die Wurzeln für den heutigen Cru Ripaille gelegt hatte, übergab er seinem Sohn die Amtsgeschäfte und sich dem Klosterleben. Aber auch dort sollen sich seine Frömmigkeit und Weisheit ziemlich schnell herumgesprochen haben, bis man an ihn herangetreten ist, mit der Frage, ob er nicht den Papst machen wolle. Zehn Jahre hat sein Pontifikat gedauert. Dann hat er den Haut drauf gehaut und etwas gemacht, was heute ganz und gar nicht mehr en vogue scheint, nämlich als Gescheiterer nachgegeben und seinem Konkurrenten Nicolaus V. Platz gemacht.
Le Comte Rouge vom Château de Mérande
… ist reinsortige Mondeuse aus dem Epizentrum dieser nicht gerade in einer Quantität zum Saufüttern angebauten Rebsorte.
Und weil die Gebrüder Genoux vom Château de Mérande ähnlich wie Maria und Sepp Muster in der Namensgebung ihrer Weine Gendergerechtigkeit walten lassen, gibt es vom Château de Mérande auch eine Comtesse Blanche, reinsortige Altesse.
- Sauvignon Blanc Gräfin 2012, Maria und Sepp Muster, Schlossberg, Steiermark (5/8)
- Zweigelt Graf 2011, Maria und Sepp Muster, Schlossberg, Steiermark (5/8)
- La Comtesse Blanche 2014 (Altesse), Château de Merande, Arbin, AOC Vin de Savoie (4,50/7)
- Le Comte Rouge 2013 (Mondeuse), Château de Merande, Arbin, AOC Vin de Savoie (5/8)
Diese vier Weine mit aristokratischen Namen, aber durch und durch demokartischer Herkunft, vermutlich auch irgendeinen Sechsundsiebziger, aber selbstverständlich nicht ausschließlich diese fünf Weine gibt es diese Woche glasweise
am Mittwoch, den 23. November und am Freitag, den 25. November
jeweils von 16 bis 22 Uhr
in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22
Nachrichten aus dem Flaschensortiment
Herr Rudolf freut sich ganz besonders, Sauvignon Blanc vom Opok 2013 wieder und 2014 erstmals, sowie Schilcher 2013, Rosé vom Opok 2014 und Sauvignon blanc Graf 2011 – alle von Maria und Sepp Muster anbieten zu können.
Im Übrigen ist Rudolf Polifka der Meinung, dass man endlich den 27. Jänner, den Tag der Befreiung der Menschen im Vernichtungslager Auschwitz, zu einem europäischen Identitätsfeiertag erklären soll!