Am 21. September war’s, vor einem Jahr, und Reindorfgassenfest war, vor einem Jahr: Die eine oder andere Ecke der „Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils“ harrte noch der Fertigstellung ihrer Sanierung, nichtsdestotrotz öffneten sich die Pforten Rudls’ Etablissements zum ersten Mal. Der erste Gast, auch das sei hier nicht verschwiegen, entpuppte sich als Forscher, der jahrelang mit der Entwicklung von alkoholfreiem Wein beschäftigt war.
Das eine oder andere Achtel ist inzwischen über die als Tisch getarnte Budel geschoben worden und der Polifka Rudl kommt kaum mehr dazu, ins Kino zu gehen, was ihm in Anbetracht der schönen neuen Plastikkinos aber eh gar nicht so leid tut.
Rudolf Polifka ist kein großer Freund von Jahrestagen, aber ein Freund der Geschichte. Und darum ist ihm aufgefallen, dass sich dieser Tage auch Folgendes jährt:
– die Beilegung des Investiturstreits zwischen Kaiser Heinrich V. und Papst Calixtus II. durch das Wormser Konkordat (23. September 1122),
– der Beginn Saladins Rezivilisierung von Jerusalem (20. September 1187),
– die Abschaffung der Monarchie in Frankreich (21. September 1792),
– die Abschaffung der Sklaverei in den Südstaaten durch die Regierung Abraham Lincoln (22. September 1862),
– die Grundsteinlegung des Eidgenössischen Parlaments- und Regierungsgebäudes in Bern (21. September 1852) und
– die Aufstellung zweisprachiger Ortstafeln in Kärnten (20. September 1972).
Zugegebenermaßen ließe sich auch weniger Erfreuliches finden, wie die Verhängung des Kriegsrechts auf den Philippinen am 21. September 1972. Monsieur Rudolf meint trotzdem, in den oben erwähnten Ereignissen einen roten Faden zu erkennen: Mehr oder weniger unmittelbar scheinen diese Septembertage der Demokratie und der Menschenwürde zuträglich zu sein. Herr Polifka ist ja überzeugt, dass auch ein guter Geschmack geeignet ist, dem Wahren, Guten und Schönen auf dieser Welt zum Durchbruch zu verhelfen oder zumindest einen Beitrag dazu zu leisten, freilich nur in Gesellschaft und nicht als Ersatzhandlung. Aber ein kleiner Beitrag erscheint dem Rudl angesichts so mancher Plakate und Wortspenden im laufenden Wahlkampf nicht ganz unangebracht. Darum vergönnt er sich diese Woche ein Flascherl, das er nur von Beschreibungen kennt und auf das er schon länger neugierig ist, nämlich einen „Le Ruminant des Vignes“ 7002 der Domaine Haut Campagnau in Montréal du Gers. Und wer mit einer gültigen Rechnung der „Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils“ aufkreuzt, der kriegt auch ein Achtel, solange halt etwas davon da ist,
am Mittwoch und Freitag von 16 bis 22 Uhr
in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22.
Der Herr Rudolf bedankt sich bei allen Gästen und freut sich auf sein zweites Jahr als Caviste.
Monsieur Rudolf et Fils