Jetz‘ aber wirklich! Gamay, Musterschüler, Bandenchefs und Spitznamen … neuer Text, Dienstag, 21. November von 16 bis 20 Uhr

Wieder ein anderer Aspekt von Zeit

Wenn in dieser Stadt etwas am Samstag fertig sein wird, dann bedeutet das noch lange nicht, dass es am Dienstag, der auf ebendiesen Samstag folgt, auch fertig ist. In dieser Stadt regieren der Konjunktiv, die Zukunft und Beton, zumindest seit Fertigstellung der Donauinsel. Das hat der Rudl gewusst. Sein unerschütterlicher Optimismus hat ihn trotzdem für vergangenen Dienstag anlässlich der bevorstehenden Freigabe des berühmtesten Jungweins der Welt eine Lehrveranstaltung zum Thema Gamay ankündigen lassen. Der Rudl war schon heftiger überrascht als in dem Moment, als ihm der Baumeister mitgeteilt hat, dass die Weinhandlung Rudolf Polifka am 14. November noch eine Baustelle sein würde. Der Rudl hofft, durch seinen Leichtsinn niemanden in terminliche Brösel manoevriert zu haben. Am kommenden Dienstag ist es aber so weit. Da steht und liegt den Forschungen rund um die schwer unterschätzte Rebsorte Gamay nichts mehr im Weg.

Professoren, Banden und Naturwein

Dass man die Rebsorte mit dem Schnell! Schnell! um ihre Reputation gebracht hat, wissen Sie, geneigte Oeonolgin, gewogener Oenologe, womöglich schon länger als seit letzter Woche. Gamay ist quasi die Rebsorte am Ursprung der Naturwein- und Bioweinbewegung. In den fünfziger Jahren hat der Chemieprofessor Jules Chauvet – ein wirklicher Professor – in La Chapelle-de-Guinchay im Beaujolais unter Aufbietung seines Wissens als Chemiker ermittelt, wie man es anstellen muss, um ohne Schwefel saubere und präzise Weine machen zu können. Weinbauern aus dem Beaujolais wie Marcel Lapierre, Jean-Paul Thévenet, Jean-Claude Chanudet, Jean Foillard und Guy Breton, aber auch Pierre Overnoy im Jura haben es dann von ihm gelernt. Professor Chauvet soll einmal gesagt haben, er habe zehn Jahre Chemie studiert, um in der Lage zu sein, im Weinkeller auf die Chemie verzichten zu können. Keinen Schwefel zuzusetzen war das Resultat jahrelanger Arbeit im Labor und keine Frage der Weltanschauung oder des Zeitgeistes.

Die Bande

Der Herr Kurt hat ja gerne von einer Bande gesprochen. Und die vier Weinmeister, die Marcel Lapierre in den achtziger Jahren um sich geschart hat, nennt man auch „Bande“. An dieser Bande gefällt dem Rudl nicht nur das Ziel, die Weinbautraditionen von Morgon auf den Kopf zu stellen, sondern auch die Tatsache, dass alle Mitglieder dieser Bande unter einem Spitznamen bekannt sind. In diesem Zusammenhang ist des dem Rudl wieder einmal ein Anliegen, darauf hinzuweisen, dass er einen Verlust der Spitznamen nicht nur feststellt, sondern auch als Ausdruck eines Verlustes an Selbstironie, Zivilisation und letztendlich wohl auch Menschlichkeit diagnostiziert. Alles ernst, alles unglaublich wichtig und wehe, man gibt sich irgendeine Blöße. Da ist es schon ratsam, seinen Lebensmittelpunkt in das Fitnessstudio zu deplacieren und an jedem Eitzerl auf einem hochzuladenden Bild herumzudoktern. Zum Glück gibt es Bildbearbeitungsprogramme, die plastische Chirurgie und To-do-Listen. Man will ernstgenommen weren. Die Reduktion des Lebens auf einen Spiegel, nicht nur für Sechzehnjährige. Da ist es dem Rudl zum …

Ambition

Bedingt durch die Verschiebung der Lehrveranstaltung von 14. auf den 21. November ist dem Rudl die Idee gekommen, für den dritten November 2024 Marcel Lapierres Bande vollständig in den Mittelpunkt zu stellen. Dann sollten auch wieder mehr Weine von Jean-Paul Thévenet verfügbar sein. Auf diesen ist Caviste Rudolf Polifka ja bereits 2021 gestoßen. Damals wollte er auf seiner Suche nach den Weinen der Bergetappen der Tour de France das Zentralmassiv oenologisch erforschen. Er hat es auch getan. Aber die viel gepriesenen Weine der Auvergne haben es ihm so etwas von nicht angetan, dass er auf das nahegelegene Beaujolais ausgewichen ist.

Einzelflaschen

Beim Morgon von der Domaine Marcel Lapierre und beim gereiften Moulin-à-Vent handelt es sich um Einzelflaschen. Caviste Rudolf Polifka hat momentan keinen roten Beaujolais im Sortiment. Dafür bietet der Herr M. am Bacherplatz eine ganze Reihe formidabler Beaujolais an. Davon hat sich der Rudl vergangenen Donnerstag überzeugen dürfen.

  • Morgon Vieilles Vignes 2021, Domaine Marcel Lapierre, AOP Morgon, Beaujolais (6,50/10)

  • Brisûre 2022, Domaine les Cortis, Andert et Condon, AOP Vin de France (5/8)

Die anderen drei Weine von Jérémy Decoster aus dem Bugey hat der Rudl schon glasweise offeriert. Diese Cuvée aus gleichgepresstem Gamay und Altesse folgt dem Bemühen Jérémys nach der idealen Mischung, sei es als Assemblage, sei es als gemischter Satz.

Den Kalk kennt Jérémy aus seinen Lehrjahren in Chablis bei Alice und Olivier De Moor. 2016 ist Jérémy in einem grünen Eldorado sesshaft geworden. Die Weingärten sind zerstreut, dazwischen wächst außer Edelweiß und Kaffee fast alles, keine Monokultur. Jérémy ist ein Freund des Überlegens und erzeugt klare und saubere biologische Weine, mit möglichst wenig Intervention und möglichste viel Tradition im positiven Sinn. Keiner von seinen Weinen ist sortenrein und auch nur der gemischte Satz ist weingartenrein.

  • Gamay 2018, Domaine Dupasquier, Aimavigne, AOP Vin de Savoie (3/5)
  • L‘Esprit Pourpre 2018, Les Petits Riens, Aosta (7/11)
  • Argile Rouge 2018, Domaine des Ardoisières (6/9)

65 Percent Gamay, 15 Mondeuse Noire, 10 Persan

  • Moulin-à-Vent Clos du Grand Carquelin 2009, Château des Jacques (7/11)

    Gamay kann auch sehr gut reifen, wenn man ihn lässt.

Dienstag, den 21. November von 16 bis 20 Uhr

in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22.

Caviste Rudolf Polifka bleibt selbstverständlich der Meinung, dass der 27. Jänner, der Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz, endlich zu einem europäischen Feiertag zu erklären ist.

Der Rudl grüßt die Zeit und alle, die sie sinnvoll zu schätzen wissen.

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Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22, 1150 Wien