5. April, 17 bis 21 Uhr geöffnet: Hoheit à la Giachino-Brüder. Altesse aus 2011, 2015, 2018 und 2020

Jetzt ist es doch anders gekommen. Caviste Rudolf Polifka sperrt diese Woche am DIENSTAG, den 5. April von 17 bis 21 Uhr sein Geschäft auf, kredenzt glasweise Altesse von den Giachinos sowie die letzte von Jacques Maillet und wird es nach Ostern etwas ruhiger angehen. Da gibt es ja dann eh die Weintour Weinviertel und die Weinfrühlinge in den diversen Tälern und Auen.

Ersatz

 

Der Rudl ist davon ausgegangen, dass er noch vier Jahrgänge Altesse aus dem Giachino Stammhaus im Keller hat. Als er diese dann in den Kühlschrank überstellen wollte, musste er zur Kenntnis nehmen, dass die Altesse 2016 und jene aus 2017 dem Rudl die Kenntnis über ihre Aufenthaltsorte vorenthielten.

2011 und 2020 haben sich als weniger scheu erwiesen und sollten äußerst erfreulich Rückschlüsse auf das Reifepotential dieser Rebsorte zulassen.

Die beiden anderen Jahrgänge kompensiert Herr Rudolf, wie er meint, auf kompetenteste Weise durch das letzte Flascherl Altesse 2015 von jenem Weinmeister, mit dem die Giachinos ganz sicher am engsten zusammen gearbeitet haben: Jacques Maillet. Die dann noch verbleibenden sieben Bouteillen von diesem Wein transferiert Caviste Rudolf dann in seine private Altersvorsorge, wie der Herr Kurt vielleicht sagen würde. Denn dieser Wein ist für den Rudl etwas ganz Besonderes und er wird es aufgrund des französischen Pensionsrechts leider auch bleiben.

Beim zweiten Ersatzspieler handelt es sich um die Prieuré Saint Christophe Blanc 2018, die der junge Giachino aus den Trauben der Weingärten vom alten Michel Grisard macht.

 

Altesse. Eine Wiederholung

 

Brice Omont und Michel Grisard sehen Altesse als eine der ganz großen Rebsorten überhaupt. Trotzdem kann einem ein Wein, der sich „Altesse“ nennt, in einem republikanischen Zeitalter schon als ein bissl daneben erscheinen. Aber was soll man machen? Niemand sucht seine Lieblingsweinrebsorten nach dem Political-Correctness-Faktor des Namens aus, nicht einmal Herr Rudolf.
Auf der anderen Seite könnte man Altesse fast als Vorreiterin für die sprachliche Gleichstellung von Frau und Mann betrachten.
Der aristokratische Hoheitstitel „Altesse“ macht aus Kaisern und Königen, grammatikalisch betrachtet, Weiblichkeiten. Da ist dann auch der Monarch mit der sonorsten Stimme „einE kaiserliche Hoheit“. Schlecht?

 

Aromen und Aromoiden

 

Mit den Aromen ist es ein Hund. Da gibt es gerade beim Wein ein paar, die quasi als Parias gelten. Und andere, die ziemlich angesagt sind. Werden einem Wein mineralische Noten nachgesagt, dann hat er offenbar schon gewonnen, auch wenn seine Mineralität oft nur von einem sprachlich limitierten Weinjournalisten, der seine drei Zeilen für die Weinbeschreibung irgendwie füllen musste, erhoben worden ist. Wehe ein Wein schmeckt nach Erdbeeren. Dann kann er einpacken. Der Rudl mag Erdbeeren, vor allem Walderdbeeren. Drum stören ihn auch im Wein keine Erdbeeraromen. Es sei denn, es handelt sich um erdbeeroide in Gelatine gepackte Aromen aus einem Zuckerlsackerl, die einem dann vielleicht aus einem verkitschten Schilcher oder einem angeblichen DAC wieder entgegen hüpfen. Aber dafür kann keine Walderdbeere dieser Welt etwas.

 

Geschmäcker können nicht irren.

 

Wünsche können nicht irren“, ist von ganz vielen schönen wie gescheiten Sätzen, die Adolf Holl geschrieben hat, vielleicht einer der schönsten. Und Monsieur Polifka tendiert immer mehr zur Auffassung, dass es sich mit Geschmäckern ähnlich verhält. Man kann zwar unaufmerksam etwas essen und trinken und dabei nicht bemerken, dass es grauslig schmeckt, weil man zum Beispiel nur daran denkt, dass man das zu Essende oder zu Trinkende photographieren und irgendwohin hochladen zu müssen meint. Und man kann auf etwas so versessen sein, dass man es gut findet, egal wie es schmeckt, und dabei auch gar nicht merkt, wie es schmeckt, vielleicht weil man auf eine Marke, auf eine Rebsorte, auf einen Winzer, eine Herkunftsbezeichnung oder auch nur einen Trend fixiert ist. Das ist aber nicht bewusst, zumindest nicht geschmacksbewusst. Aber wenn einem etwas ganz bewusst gut schmeckt, dann kann das kein Irrtum sein, wie auch immer es schmeckt, was auch immer es ist und was auch immer andere darüber reden.

 

Altesse – Aromen: Lindenblüten, Haselnüsse, Mandeln, Honig und Quitten

 

Der Rebsorte Altesse sagt man oft die folgenden Aromen nach: Lindenblüten, Haselnüsse, Mandeln, Honig und Quitten – tendenziell also eher Aromen mit hohem Prestige, die auch immer wieder mit den Montrachets und Meursault in Verbindung gebracht.

Beim Lindenblütenaroma handelt es sich um ein sogenanntes Primäraroma. Für ein solches ist die Weintraube zuständig, wohingegen ein Sekundäraroma der Gärung und ein Tertiäraroma der Reifung geschuldet sind.
Chemisch ist das Lindenblütenaroma ein Mysterium. Bislang haben die Forscher kein Molekül ausfindig gemacht, das die Lindenblüte geschmacklich und geruchlich zur Lindenblüte macht. Aller Wahrscheinlichkeit nach sind es Moleküle, die dem Farnesol nahestehen. Was die veritable Lindenblüte darüber hinaus bemerkensert macht, ist der Umstand, dass sich alle Blüten einer Linde zeitgleich öffnen, dann aber nur einen Tag lang blühen. Das heißt, es bleibt einem auch nicht direkt lang Zeit, dieses Aroma in der freien Aromenwildbahn zu studieren. Als lindenblütenintraubierte Rebsorte gilt der ungarische Hárslevelü. Der ist im Tokay drinnen. In Österreich hat sie eine Durststrecke hinter sich. Dass die vorbei ist, verdankt sie Josef Umathum. Aber weil Tradition auch in der Weinwirtschaft sehr selektiv gepflegt wird, hat man dem das weinamtlicherseits nicht gedankt. Noch nicht. Dazu aber hoffentlich im Frühling einmal viel mehr an dieser Stelle.
Aromatisch verbündet sich das Lindenblütenaroma im Wein tendenziell ganz gern mit dem Honigaroma, so auch in vielen Altesses, aber auch im Quarts-de-Chaume und im Bonnezeaux. Sogar der Schweizer Chasselas kennt es, der Loin de l’oeil in Gaillac, der Weiße aus Pessac-Leognan, Marsannes von der Rhône oder der Bellet auf den Hausbergen von Nizza.

 

Quitte

 

Das Sekundäraroma Quitte braucht ziemlich sicher Diethyl-Sebacat, das man, wenn man ein bissl genauer hinschaut, auch in der Melone findet. Es entsteht durch Esterifikation der sebacischen Säure durch Ethanol bei der Gärung.
Als USP gilt das Quittenaromen für jene Chenin Blancs, die auf Urgesteinverwitterungsböden wachsen. Das sind vor allem die Appellationen Savennières, Roche-aux-Moines und Coulée de Serrant, aber auch die nicht so restzuckerfreien Coteaux-du-Layon, Quarts-de-Chaume und Bonnezeaux. Auch den süßen Weinen von Sauternes, Barsac, Monbaziallc und Jurançon sagt man sie nach. Und natürlich in manchen Altesses.

 

Quitten und Honig

 

Dass die Quitte gut zum Honig passt, das haben schon die alten Römer gewusst. Darum haben die die Quitten gerne im Honig kandiert. Und in den legendären Falerner haben sie eine Mischung aus Quitten, Bockshörndlklee und Iriswurzeln gegeben. Eine von den alten Römerinnen war bekanntlich die Venus. Mit der teilt der Rudl die Quitte als Lieblingsfrucht.

 

Honig

 

Honig ist Sonne. Chemisch gehört sein Aroma zu den ätherischen Aromen. Die verbrüdern sich in schöner Regelmäßigkeit mit Akazien, Lindenblüten, Ginster, Marillen, Mango und Quitten. Das Honigaroma in Weintrauben entsteht durch Konzentration, wenn die Traubenschalen Wasser verlieren. Es handelt sich um Derivate vom Phenylethylalkohol: Butyl- und Isobutyl-Phenylacetate, Phenylethylacetate und Ephenylacetaldehyd. Lange brauchen die alle nach der alkoholischen Gärung nicht, um zu entstehen.
Süßweine haben ein besonders Naheverhältnis zum Honigaroma, nicht nur aufgrund der Viskosität: Sauternes, Monbazillacs, auch Ausbrüche, Chenins aus Vouvray und natürlich viele Vins Doux Naturels aus Rivesaltes. Auf der trockenen Seite sind der Jurançon sec, im Fall von hohem Petit Manseng Anteil, vor allem aber die Chardonnays der Côte de Beaune – Puligny-Montrachet, Chassagne-Montrachet, Weine von den berühmten „calcaires brunes“, aber tendenziell schon eher die mit ein paar Jahren Flaschenreife – zu nennen. Dort alliiert der Honig besonders gern mit getrockneten Früchten, orientalischen Gewürzen und Steinigkeit, liest man.

 

Haselnüsse, Mandelkern finden Sie in Altessen gern.

 

Haselnüsse und Mandeln schmecken nach Altesse. Ohne Biosynthese gäbe es kein Haselnussaroma, und auch die frische Butter müsste dann eines eigenen Aromas entraten, was für gar nicht so wenige Zeitgenossen verschmerzbar wäre, weil dieses Aromerl, das die Haselnuss mit der frischen Butter gemeinsam hat und das aus einer Dekomposition einiger Fettsäuren durch Microorganismen resultiert, sich gar nicht so wenigen Zeitgenossinnen und Zeitgenossen eh verschließt. In den Saint Nectaire, ein Kaserl aus der Auvergne, wird dieser Geschmack durch besondere Pilzstämme hinein gebracht. Unter den Weinen gilt Chardonnay als das rebsortegewordene Haselnussaroma.

Bei der Mandel schaut die Geschichte ein bissl schwieriger aus, weil es da zwei Mandelgeschmäcker gibt: die gebrannte Mandel und die frische Mandel.
Das Aroma der gebrannten Mandel ist eine Spur komplexer und näher an der Haselnuss. Es ist ein Tertiäraroma, das sich aus Sulfiden entwickelt. Besonders oft findet man es in trockenen Weißweinen aus Burgund, in den Altessen aus Savoyen sowie in Saint-Péray und Crozes-Hermitage an der nördlichen Rhône.
Das Aroma der frischen Mandel dagegen steht mit Benzaldehyd in Verbindung und kommt in den Steinobstkernen vor. In Koalition mit ein paar anderen Molekülen sorgt es vor allem in den Rotweinen von Bordeaux, Burgund und der Touraine, ganz besonders in den Italienern aus Piemont für Kirscharomen. Benzaldehyd war am Beginn des neunzehnten Jahrhunderts das erste Geruchsmolekül, dessen Produktion in einem Labor gelungen ist. Der Wein schuldet das frische Mandelaroma den Stielen und Stengeln der Traube. Darum handelt es sich grundsätzlich einmal um ein Primäraroma. Wenn dessen Intensität mit zunehmendem Alter und einer dezenten Oxydation zunimmt, mutiert es zum tertiären.

 

Kennen müsste man Altesse jetzt trotzdem nicht,

streng genommen ja nicht einmal die Weinbauregion Savoie. 2150 Hektar – da gibt es ein paar größere, in und außerhalb von Frankreich,

aber Sie versäumen etwas, wenn Sie sie nicht kennen.

Landschaftlich hängt das natürlich davon ab, wie man zum Ergebnis dieser tektonischen Kollision damals vor gut zwanzig Millionen Jahren steht. Der Rudl ist ja selber ein Kind der Alpen. Das spürt er, abgesehen von der Gehsteigkante drüben bei der Grillgasse, spätestens immer dann, wenn sie bei der Tour de France in diese Ecke kommen.
Weinmäßig ist Rudolf Polifka dort in seinem Element. Viel Kalk, mehr Kräuter und Blüten als Früchte, wenig Alkohol, … und ziemlich konsequente Weinbaumeister.
Ampelographisch gibt Savoyen in Relation zu seiner Rebfläche sehr viel her, aber darüber ist hier schon berichtet worden. Diese Woche widmet Monsieur Polifka jedoch ausschließlich der aristokratischen Altesse.

Zweihundertfünfzig Hektar klein und kein bisschen laut

Gut 250 Hektar gibt es und nicht ein einziger davon liegt außerhalb von Savoyen und Bugey.

Die Giachinos. Auch eine Wiederholung

 

Die Weingärten der Giachinos liegen im Naturpark der Chartreuse, auf Gletschermoränen am Fuße des Mont Graniers.

Spurenelemente, Fauna, Belüftung, Verwurzelung und Mikroben machen ein besonderes Terroir, das am besten durch biodynamische Bewirtschaftung zur Geltung gebracht wird, seit ein paar Jahren demeterzertifiziert.

Mehrheitsfähig ist biologischer Weinbau in dieser Gegend trotzdem nicht. Eher im Gegenteil. Herr Rudolf hat mehrmals mitten in den Weingärten von Les Marches und Apremont gewohnt und quasi an der eigenen Nase und in den eigenen Ohren erlebt, wie es ist, wenn man in der Früh von den Düsen der Giftspritzer aufgeweckt wird. Wenn man dann durch derart ausgebleichte Rebzeilen geht, zum Beispiel zum Restaurant „Le Saint André“, am Rückumweg jedoch durch einen Weingarten der Giachinos spaziert, dann muss man gar keinen Wein trinken, um zu verstehen, was die Giachinos meinen, wenn sie darauf hinweisen, dass Wein vor allem ein Vergnügen sein muss.

 

Macro-Terroir

 

Die durchschnittliche Meereshöhe des Departements Savoie beträgt 1500 Meter. 36 Berge sind höher als 3500 Meter, 107 höher als 3000.

Wein ist nicht das Erste, an das man in so einer Gegend denkt. Im Laufe der Zeit haben sich wenige kleine, zerstückelte und ausgesetzte Parzellen für den Weinbau herauskristallisiert. Und das auch nur, weil am Ende des Quartärs die Gletscher beim Rückzug Täler mit Seitenmoränen gebildet haben.

Jene am Piémont des Graniers ist so eine, in ihrer Höhe und Ausrichtung einzigartig in Frankreich.

Die Wetterverhältnisse können extrem sein und aneinander geraten. Marseille ist etwa dreihundert Kilometer entfernt, von den meisten Weingärten sieht man auf Gletscher.

 

Geschichte

 

Ursprünglich war der Bauernhof der Giachinos eine gemischte Landwirtschaft, in den nährstoffreichen Böden der Ebene Getreide, Nüsse und Obst, an den kargen Hängen Wein.

1988 übernimmt Frédéric die eineinhalb Hektar Weingärten seines Opas Marius Genton. Er konzentriert sich auf Wein. Heute sind es neun Hektar, auf sechs davon wächst die Rebsorte, mit der etwa so viel Schindluder getrieben wird wie mit Welschriesling: Jacquère. Schritt für Schritt entfernt sich Frédéric Giachino vom konventionellen Weinbau. Unzertifizierter Verzicht auf den Zauberkasten, Bio, demeter. Lange wird der Bub Clement nicht gezögert haben, 2015 in den Betrieb einzusteigen. Wie es der Zufall will, hat zu dieser Zeit Michel Grisard seine Rente angetreten. Und Clement hat seine Weingärten übernommen.

Von diesem Weingut und einem guten Freund desselben kredenzt der Rudl diese Woche Altesse

am Dienstag, den 5. April von 17 bis 21 Uhr

glasweise in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils,

Reindorfgasse 22

Darüber hinaus stellt Monsieur Rudolf auch gerne Wein zu und bleibt der Meinung, dass der 27. Jänner, der Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz zu einem europäischen Feiertag zu erklären ist.

Vive l‘Altesse & frohe Ostern! wünscht Herr Rudolf.

 

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Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22, 1150 Wien

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