Les Filles von Christine und Gilles Berlioz. Oder: Was Sie vor dem Weltfrauentag von Heinz Conrads lernen können. Donnerstag, 3. März von 17 bis 21 Uhr geöffnet

Zuerst Organisatorisches

Der Weltfrauentag ist erst am 8. März, jedes Jahr. Es ist aber ja eh nicht so, dass an einem durchschnittlichen Öffnungstag ein kolossaler Damenüberhang an den Tischen der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils festzustellen wäre. Darum rechtfertigt der Rudl die fünftägige Verfrühung, mit der er dieses Jahr Weine zum internationalen Frauentag kredenzt. Sie eröffnet Männern die Möglichkeit, am 3. März einen im glasweisen Genuss als würdig und passend erachteten Wein in der Flasche zu erstehen, um selbigen dann am 8. März privat mit einer Dame neuerlichen oenologischen Studien zu unterziehen.

Doppelpunkt, Binnen-I und Ignoranz

Geneigte Oenologin, gewogener Oenologe, wie Sie wahrscheinlich schon bemerkt haben, ist der Rudl nicht ganz à jour mit gängigen Schreibweisen, wenn es um Geschlechtsendungen geht. Er macht das nicht, weil er etwas gegen Erkenntnisse der Gender Studies einzuwenden hätte, sondern weil er der Meinung ist, dass das grammatische Geschlecht, das soziale und das biologische drei Paar Schuhe sind und man manchmal nicht so einfach vom einen auf das andere schließen kann. So gibt es in der deutschen Sprache beispielsweise ein neutrales Geschlecht, für welches die Biologie zumindest insofern keine Entsprechung vorsieht, als sprachlich im Neutrum genannte Kinder biologisch in der Diction von Professor Conrads „Madln“ oder „Buam“ sind. Irgendetwas an seinem Sprachempfinden signalisiert dem Rudl Schmerz, wenn er mitten im geschriebenen Wort einen Doppelpunkt oder im gesprochenen eine Pause wahrnimmt, zumal er der Auffassung ist, dass Sprache sowieso nie einen Anspruch auf die vollständige Abbildung von was auch immer erheben kann.

Anders verhält es sich beim Rudl mit dem „Ist-eh-mitgemeintsein“. Das erscheint ihm ignorant. Darum erachtet er es nicht nur als Gebot der Gerechtigkeit und Höflichkeit, sondern auch als eines der sprachlichen Treffsicherheit, dass wer gemeint sein will, auch genannt wird. Monsieur Rudolf hält es für eine Selbstverständlichkeit, von „Oenologinnen und Oenologen“ zu schreiben, wenn er weibliche und männliche Weinforschende meint. So viel zur Sprachkonvention.

Der Beste!

Wenn Sie den Rudl fragen, wer denn zumindest im Weingarten der begnadetste savoyardische Weinbauer ist, dann wird er Ihnen ganz vorne gleich einmal Jacques Maillet nennen.

Und wenn Sie Jacques Maillet nach dem begnadetsten savoyardischen Weinbauern fragen, dann hat der immer Dominique Belluard genannt … und fast im selben Atemzug Gilles Berlioz.

Gilles Berlioz. Domaine Partagé. Wiederholung
Vor jetzt auch schon wieder sechs Jahren haben Christine und Gilles Berlioz ihr Weingut umgetauft. Domaine Partagé heißt es jetzt. Direkt abwegig ist dieser Name nicht. 1990 hatten sie mit achtzig Ar begonnen. Bis heute haben sie die Fläche auf sechs Hektar ausgeweitet und biologisch umgestellt. Vier Hektar sind im Ertrag. Fünfunddreißig Hektoliter am Hektar ist der Durchschnittsertrag. Gilles Berlioz wirkt wie ein leidenschaftlicher Gärtner. Im Keller filtriert er selten, schwefelt kaum.

Und wenn Sie Gilles Berlioz fragen, worauf es beim Weinmachen ankommt, antwortet er, dass es nicht das Allerblödeste ist, wenn man

a) sich mit den richtigen Menschen umgibt, sowie

b) sich und seine Arbeit regelmäßig in Frage stellt.

Wenn Sie jetzt wieder den Rudl fragen, was der von diesen Ratschlägen hält, dann brauchen Sie viel Zeit, weil der Rudl in diesem Zusammenhang zumindest drei Sätze später beim Bildungssystem, das diese Tugenden heute auf durch und durch unappetitliche Weise desavouiert, wäre. Die viele Zeit haben Sie, geneigte Oenologin, gewogener Oenologe, jetzt einmal unterstellterweise nicht. Darum belässt es der Rudl bei einer eher lapidaren Feststellung: Angeber, Klugscheißer und Leute, die sich vor allem selber gerne reden hören, haben einen noch selten weiter gebracht. Hilfreiche Menschen können zuhören, auch wenn gar nicht gesprochen wird.

 

Roussanne …

 

ist wie Gilles Berlioz in Chignin daheim, so daheim, dass sie in Savoyen Chignin-Bergeron genannt wird. Vom Prestige gehören diese Weine ziemlich sicher zu den renommiertesten in Savoyen, von den Preisen her auch. Ursprünglich herkommen tut Roussanne angeblich aus Tain l’Hermitage. Bald schon dürfte es Roussanne von der Rhône nach Savoyen verschlagen haben, allerdings ausschließlich in die Gegend um Chignin. Zumindest ist sie in Savoyen aussschließlich dort appellationstauglich.

Geringe Erträge, relativ späte Reife, kleine, zylindrische Trauben, Beeren mit goldgelbem Taint und rostbraunen Einsprengseln. Haselnuss- und Weißdornaromen sind nicht ungewöhnlich, wobei der Rudl zugestehen muss, dass er sich jetzt schwer täte zu erklären, wie Weißdorn schmeckt.

Sofern die Säure passt, und bei Gilles Berlioz passt sie, kann man Chignin-Bergerons gut aufheben.

 

Les Filles

 

Seit dem Jahrgang 2007 widmet Gilles Berlioz den Damen in und um seinen Betrieb den besten Wein des Hauses und nennt ihn „Les Filles“. Das Etikett ziert seither auf jedem Jahrgang eine andere künstlerische Darstellung von Frauen, stets geschmackvoll, niemals plump, das Gegenteil von einem lauten Etikett ähnlichen Inhalts. Trotzdem war Weinmeister Berlioz immer wieder mit der Frage nach Unausgewogenheit seiner Weinbezeichnung konfrontiert. Darum hat er irgendwann einen anderen Chignin-Bergeron „Les Fripons“, auf gut Deutsch „Die Spitzbuben“, genannt.

Ganz egalitär ist das dann aber auch wieder nicht gewesen, weil „Spitzbuben“ in der einen oder anderen Komponente seiner Bedeutung über eine schlichte Geschlechtsbezeichnung hinaus geht. Darum gibt es jetzt bei Gilles Berlioz auch noch einen Chignin-Bergeron „Les Friponnes“, die Spitzmadln, wenn Sie so wollen. Terroirtechnisch kommen die drei Weine von unterschiedlichen Parzellen. Und weil ein ganz kleiner Teil des Weingartens, in dem Les Filles wachsen, ganz besonders gut ist, gibt es seit 2015 einen separaten Les Christines, den der Rudl diese Woche zum allerersten Mal in seinem Weinkaufgeschäft ausschenkt. Man könnte dem bereits erwähnten grammatischen, biologischen und sozialen Geschlecht bei Gilles Berlioz ein viertes hinzufügen: das Terroir-Geschlecht

  • Ceux d‘après 2019 (Roussanne und Chardonnay), Côteaux des Girondales, Villaz, Haute-Savoie (4/6) – nicht reinsortig Roussanne, nicht von Christine und Gilles Berlioz und nicht aus Savoyen, sondern aus Hoch-Savoyen
  • Chignin-Bergeron „Les Friponnes“ 2017, Gilles Berlioz, Chignin, AOP Vin de Savoie (6/9)
  • Chignin-Bergeron „Les Fripons“ 2017, Gilles Berlioz, Chignin, AOP Vin de Savoie (6,50/10)
  • Chignin-Bergeron „Les Filles“ 2020, Gilles Berlioz, Chignin, AOP Vin de Savoie (6,50/10)
  • Chignin-Bergeron „Les Filles“ 2019, Gilles Berlioz, Chignin, AOP Vin de Savoie (6,50/10)
  • Chignin-Bergeron „Les Filles“ 2016, Gilles Berlioz, Chignin, AOP Vin de Savoie (7/11)
  • Chignin-Bergeron „Les Filles“ 2008, Gilles Berlioz, Chignin, AOP Vin de Savoie (8,50/13)
  • Chignin-Bergeron „Les Christines“ 2019, Gilles Berlioz, Chignin, AOP Vin de Savoie (10/15)

am Donnerstag, den 3. März

von 17 bis 21 Uhr

in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils

Dabei darf und wird der Rudl nicht mehr als acht Personen mit mitgeführtem Impf- oder Genesungszertifikat im Lokal bewirten. Er stellt auch gerne wieder Wein zu und bleibt im Übrigen der Meinung, dass der 27. Jänner, der Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz, zu einem gesamteuropäischen Feiertag erklärt werden muss.

Seawas de Madln und de Buam!

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Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22, 1150 Wien