Vergangene Woche hat Oberoenologierat Rudolf Wein von der höchsten Erhebung des Seewinkels zum Gegenstand der wissenschaftlichen Auseinandersetzung gemacht. Der Eindruck, den die Höhe der Riede Hallebühl auf die wahlwerbenden Parteien, Bewegungen und Stammtische gemacht hat, dürfte überschaubar gewesen sein. Aber der Rudl ist keiner, der schnell kapituliert. Darum legt er diese Woche nach. Altesse! Und der Rudl, sonst nicht unbedingt ein Freund von Befehlen und Rufzeichen, meint das in diesem Fall ausnahmsweise als Imperativ.
Tiefe
Herr Rudolf ist auch keiner, dem schnell etwas zu tief ist. Einer gewissen Tiefe vermag er durchaus heitere Seiten abzugewinnen. Bemerkbar ist das immer dann, wenn er etwas lustig findet, worüber andere nur den Kopf schütteln. Als Kind und Jugendlicher kann so ein Hang schnell einmal zur Schmach werden. Auf dem Papier erwachsen geworden erachtet es Fils Rudolf nicht mehr als Beleidigung, leicht zu unterhalten zu sein, egal ob Tiefe als Kalauer oder Anzüglichkeit daher kommt. Der Fils kann sich noch gut erinnern, welche Heiterkeitsausbrüche das Duchblättern des Lesebuches bei ihm auslöste. Über Namen wie Oswald von Wolkenstein oder Johannes Schlaf hat er sich trefflichst amüsieren und lachen können. Heute ist das nicht viel anders.
Solange nicht von oben nach und auf Kosten von unten gelacht wird, ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Rudl es lustig findet, tendenziell eher hoch.
Tiefheit
… steht auf einem anderen Blatt. Der Inbegriff von Primitivität ist durchaus geeignet, beim Rudl, wie man so sagt, das Geimpfte aufgehen zu lassen. Und dabei ist es ihm, respektive dem Geimpften ganz egal, ob die Tiefheit als üble Musik auf der sogenannten Wiener Wiesn, als Unterhaltung auf Kosten Schwächerer oder als abgeschleckte, kommunikationsgecoachte Angeberei in einem Fernsehstudio daher kommt.
Fragen nicht beantworten, chronisch nicht zu dem stehen, was man gestern gesagt hat, weil im Zweifelsfall alles anders gemeint gewesen ist und permanent dieselben Leerformeln herunter schnattern. Bildung, Entlastung, Aufbruch, Sicherheit, Menschlichkeit, … Die Kanäle machen daraus ein Event, Hinz schleudert drei Sätze gegen Kunz und vice versa, dann die unvermeidliche Analyse der immer selben zwei Politexperten, es folgt das nächste beinharte Duell … Wenn der Rudl einschaltet, glaubt er im ersten Moment immer, sich in einem Programm von Alf Poier zu befinden.
Und in der Schule hat der Kommunikations- und Präsentationsfetischismus inzwischen die Lehrpläne ruiniert. Wenn einer nichts weiß, aber affenartig grinst und penetrant genug – statt der vom Prüfer erteilten – selbst erfundene Arbeitsaufträge erfüllt, heißt es: „Der hat sich aber gut verkauft.“ Und das ist dann etwas Positives.
Aus! Schluss! Basta!
Hoheit
Hoheit weckt vermutlich aristokratische Assoziationen. Und wenn dem Rudl etwas fernliegt, dann der Adel. Der angeborene Adel gerade so wie der Geldadel, der geweihte Adel als Klerus und auch der Trachtenjankeradel.
Vielleicht ist das auch der Grund, warum der Rudl-Bub immer lieber Mühle als Schach gespielt hat und das auch heute noch tut.
Bei Wein schaut es anders aus, zumindest bei der Rebsorte Altesse. Dieser Name verpflichtet. Nicht dass in Savoyen alles, wo „Altesse“ drauf steht, gut schmecken würde. Aber von den gelungenen kennt der Caviste Rudolf inzwischen ein paar und kann von denen schwer genug kriegen.
Höhe
Außerhalb der alpinen Grafschaft Savoyen gibt es keine nennenswerte Altesse. Vielleicht wirft dieser Umstand ein aristokratisches Licht auf Savoyen. Eher hat es mit den Bergen zu tun. Einen Stock Altesse gibt es freilich außerhalb von Savoyen. Der steht in Wien Hasenleiten, macht aus Hasenleiten aber eher kein aristokratisches Pflaster.
Hoheit Altesse
Es ist zum dritten nicht so, dass Monsieur Rudolf nicht schon das eine oder andere über diese Rebsorte geschrieben hätte. Und es ist sicher auch nicht so, dass Ihnen der Rudl bis jetzt verheimlicht hätte, dass es sich bei Altesse und Petit Manseng um seine ziemlich unangefochtenen Lieblingsrebsorten handelt. Aber alles ist deshalb noch lange nicht über diese Rebsorte geschrieben.
Dass Michel Grisard, der savoyardische Biodynamiepionier und Mitstreiter von Nicolas Joly, bei der Wiederbepflanzung des Weinbergs von Cevins dort an den begünstigtesten Lagen Altesse gesetzt hat, obwohl rein theoretisch alles möglich gewesen wäre, ist ein kleiner Hinweis auf das Potential dieser Rebsorte. Caviste Rudolf hat heuer so lange wie noch nie zuvor beim früheren Compagnon und jetzigen Nachfolger von Michel Grisard, Brice Omont, zugehört, gefragt und verkostet. Im Zuge dessen ist dem Rudl noch klarer geworden, wie hoch die ganz kompetenten Weinbaumeister in Savoyen Altesse schätzen.
Dass Altesse mit der Appellation Roussette de Savoie die einzige Rebsortenappellation in der Weinbauregion Savoyen gewidmet ist, deutet in dieselbe Richtung.
Altesse 2013, Domaine Dupasquier, Aimavigne, AOC Roussette de Savoie
Wein vom ersten savoyardischen Weingut, das der Rudl bewusst angesteuert und nicht zufällig besucht hat. Aktuell verkauft das Weingut den Jahrgang 2014 und 2015 dieses Weines. Und ab Ende Oktober werden diese auch beim Rudl zu erwerben sein.
Wenn man einer Rebsorte nicht ein bestimmtes Potential zutraut, wird man den Wein eher nicht erst nach vier oder fünf Jahren in Verkauf bringen.
Altesse 2017, Domaine Giachino, Chapareillan, AOP Roussette de Savoie
Demeterzertifizierter Naturwein in einer Präzision und kristallinen Klarheit, wie man sie in diesem Genre nicht so leicht trifft.
Son Altesse 2017, Les Vignes de Paradis, Ballaison, IGP Vin des Allobroges
Auch im Nachbardepartement Haute-Savoie wächst Altesse, wenn sie auch dort oben beim Genfer See nicht mehr für die Appellation zugelassen ist. Aber das ist Dominique Lucas sowieso Powidl, weil er mit „Les Vignes de Paradis“ aus der Appellation ausgestiegen ist.
Solar 2016, Domaine de l’Aitonnement, Aiton, IGP Vin des Allobroges
Dass ein „Bua“ wie Maxime Dancoine von einem Weinbauernrentner wie Jacques Maillet derart geschätzt wird, ist in den Augen vom Rudl eine Auszeichnung für beide.
Altesse 2015, Jacques Maillet, Motz, Chautagne, AOP Roussette de Savoie
Als Jacques vor gut zwei Jahren seinen Knien zuliebe in die Rente gegangen ist, war das eine gute Nachricht für seine Knie, aber eine hundsmiserable für alle Weinbegeisterten.
Der Rudl hat heuer im Sommer etwas ausführlicher mit dem Cavisten-Kollegen von der Rhônalia-Filiale in Aix-les-Bains gesprochen. Der ist ein bissl neidisch geworden, als ihn Herr Rudolf wissen lassen hat, dass er noch eine ganz passable Quantität von Jacques letztem Jahrgang 2015 im Sortiment hat.
Prieuré Saint Christophe Blanc 2016, Domaine Giachino, Chapareillan, AOP Roussette de Savoie
Als Basis der seit gut dreißig Jahren biodynamisch kultivierte Weingarten von Michel Grisard in Fréterive, als Überbau der Giachino Fils. Auch wieder ein Indiz dafür, dass das Beste aus dem konstruktiven Zusammenwirken von jungen und alten Menschen resultiert.
Marestel 2012, Domaine Dupasquier, Aimavigne, AOC Roussette de Savoie
Wein benannt nach dem Oberkellner und Grafenberater Claude de Mareste, darüber hinaus vom steilsten und felsigsten Weingarten, in dem der Rudl jemals herum gekraxelt ist
Fleur d’Altesse 2009, Domaine Dupasquier, Aimavigne, AOC Roussette de Savoie
Viele Weinbauern sind es nicht, die die gesündesten Trauben aus dem steilsten Teil der Lage Marestel hängen lassen. Und jedes Jahr macht das David Dupasquier auch nicht. Manchmal aber schon. Caviste Rudolf trinkt das nicht alle Tage.Wenn so ein Wein dann zehn Jahre alt ist, könnte es gerade passen.
- Altesse 2013, Domaine Dupasquier, Aimavigne, AOC Roussette de Savoie (3/5)
- Altesse 2017, Domaine Giachino, Chapareillan, AOP Roussette de Savoie (4/6)
- Son Altesse 2017, Les Vignes de Paradis, Ballaison, IGP Vin des Allobroges (5/8)
- Solar 2016, Domaine de l’Aitonnement, Aiton, IGP Vin des Allobroges (6/9)
- Altesse 2015, Jacques Maillet, Motz, Chautagne, AOP Roussette de Savoie (5/8)
- Prieuré Saint Christophe Blanc 2016, Domaine Giachino, Chapareillan, AOP Roussette de Savoie (6,50/10)
- Marestel 2012, Domaine Dupasquier, Aimavigne, AOC Roussette de Savoie (4/6)
- Fleur d’Altesse 2009, Domaine Dupasquier, Aimavigne, AOC Roussette de Savoie (6/-)
(in Klammern die Preise für das Sechzehntel und das Achtel)
… nicht nur diese Weine gibt es glasweise
am Dienstag, den 24. September und am Donnerstag, den 26. September
von 16 bis 22 Uhr
in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22
Vorschau auf die Lehrveranstaltung vom 1. und 3. Oktober
eher Zierfandler als Roter Veltliner
Im Übrigen ist Rudolf Polifka der Meinung, dass man den 27. Jänner, den Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz zu einem europäischen Feiertag der Menschenwürde erklärt!
Herr Rudolf grüßt hundert Percent ungecoacht, aber hoheitlich und egalitär. Möge es etwas helfen!
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Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22, 1150 Wien
Öffnungszeiten: Dienstag und Donnerstag, 16 bis 22 Uhr, an Schultagen
kostenlose und CO2-minimierte Zustellung innerhalb von Wien ab einem Bestellwert von 57